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Die Taufe vollständiges Sakrament oder Teil eines Initiationsprozesses?

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LuThK 38 (2014), 147–189 DOI 10.2364/3846999073

SEBASTIAN ANWAND

Die Taufe – vollständiges Sakrament oder Teil eines „Initiationsprozesses“?

Eine Analyse der baptistisch-lutherischen Dialoge von 1990- 2009 im Hinblick auf die Rückwirkungen einer gegenseitigen Taufanerkennung auf die Lehre von der Taufe.

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1. Einleitung

„Die tiefste Differenz verläuft nicht zwischen dem ostkirchlichen Verständnis und Augustin, auch nicht zwischen Thomas und Luther und letztlich auch nicht zwischen Luther und Calvin, sondern zwi- schen diesen allen einerseits und Zwingli und den Täufern anderer- seits. Die tiefste Differenz ist nicht erst die Anerkennung oder Nicht- Anerkennung der Kindertaufe, sondern das Verständnis der Taufe als Gottes Tat oder als Tat des menschlichen Gehorsams.“2 Diese tiefe Differenz im Taufverständnis zwischen Täuferkirchen und nahezu allen anderen christlichen Kirchen, die Edmund Schlink 1969 in sei- ner bedeutenden Arbeit über die Taufe konstatierte, wurde 2007 in Deutschland einmal mehr offensichtlich. Mit der Magdeburger Erklä- rung vom 29. April 2007 erkennen elf Kirchen gegenseitig jede mit Wasser und im Namen des dreieinigen Gottes vollzogene Taufe an.3 Die Gemeinden und Kirchen baptistischer Tradition konnten dieser Konsensvereinbarung nicht zustimmen, da sie selbstverständlich Unmündigentaufen4 einschließt und die Taufe als ein Sakrament

1 Der folgende Aufsatz basiert auf meiner systematisch-theologischen Examensar- beit, die die Fakultät der LThH im Sommersemster 2013 angenommen hat. Für die Drucklegung ist sie umfassend überarbeitet worden.

2 Edmund Schlink, Die Lehre von der Taufe, Kassel 1969, 140.

3 Magdeburger Erklärung der Taufanerkennung vom 29.4.2007, http://www.ekd.de/presse/pm86_2007_wechselseitige_taufanerkennung.html.

(02.04.2014).

4 In dieser Arbeit werden die Begriffe Unmündigentaufe und Erwachsenentaufe verwendet. Bei der Darstellung und Bewertung der ökumenischen Texte werden jedoch durchgängig die dort gewählten Bezeichnungen (Kindertaufe und Säug-

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bezeichnet wird, das von Gott empfangen wird. Mit ihrer Ablehnung blieben die Baptisten damit außerhalb des ‚Grundeinverständnisses‘

in der Lehre von der Taufe.

Nur zwei Jahre später erschien es möglich, die ökumenische Ab- seitsstellung aufzuheben, in die Baptisten durch ihre Ablehnung geraten waren und die im Grunde seit dem 16. Jahrhundert besteht.

Mit einem Konvergenzdokument schlug die Bayerische Lutherisch- Baptistische Arbeitsgruppe ihren Kirchen die Aufnahme von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft vor, da ein Grundkonsens über die Taufe festgestellt werden konnte. Dass dieser Grundkonsens in der Tauffrage die Anerkennung der Unmündigentaufe durch Baptisten einschließt, ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass kei- ne 20 Jahre zuvor vom Baptistischen und Lutherischen Weltbund die von Schlink festgestellte tiefe Differenz bestätigt wurde.

Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, den Weg nachzu- zeichnen, der von beiden Dialogpartnern in den gennannten 20 Jah- ren beschritten wurde und der das Ziel einer gegenseitigen Taufaner- kennung von Baptisten und Lutheranern in greifbare Nähe brachte.

Eine systematische Untersuchung und Gegenüberstellung beider Taufverständnisse kann hier nicht geleistet werden, doch werden ihre wesentlichen Charakteristika und die aus ihnen resultierenden Diffe- renzen anhand des Dialogergebnisses zwischen beiden Weltbünden von 1990 dargestellt (Kapitel 2). Anschließend wird gezeigt, wie das vom baptistischen Theologen Paul S. Fiddes in das ökumenische Gespräch eingebrachte Modell des christlichen Initiationsprozesses (Kapitel 3) den Dialog zwischen der Europäischen Baptistischen Förderation (EBF) und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa – Leuenberger Kirchengemeinschaft (GEKE) von 2004 prägte (Kapitel 4). Daran schließt sich eine Untersuchung des bayerischen Konvergenzdokumentes von 2009 an, in dem das Modell von Fiddes zur gegenseitigen Taufanerkennung ebenfalls aufgegriffen wurde (Kapitel 5).5 Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie der von Fiddes

lingstaufe bzw. Erwachsenentaufe und Gläubigentaufe) übernommen, um ein ständiges Wechseln zwischen den Begriffen zu vermeiden.

5 Die ökumenischen Gespräche der letzten Jahrzehnte mit Baptisten über die Taufe fanden auch vor dem Hintergrund statt, dass die Kirchen, die die Un- mündigentaufe praktizieren, sich mit der Lima-Erklärung von 1982 verpflichtet haben, verstärkt auf das Glaubensumfeld eines zur Taufe gebrachten Kindes zu achten und damit von der ‚unterschiedslosen‘ Praktizierung der Taufe Abstand genommen haben. Auch nimmt die Zahl der Erwachsenentaufen in diesen Kir-

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dargestellte Initiationsprozess im Konvergenzdokument mit der lu- therischen Tauflehre vereinbart wird. Abschließend soll das Modell von Fiddes und seine Rezeption im bayerischen Konvergenzdoku- ment mit der Tauftheologie der Lutherischen Bekenntnisschriften auf seine Tragfähigkeit hin untersucht werden (Kapitel 6).6

Von besonderem Interesse für diese Arbeit ist die Frage, welche Rückwirkungen die Einordnung der Unmündigentaufe in einen um- fassenden Prozess christlicher Initiation auf die Lehre von der Taufe hat. Eine solche Untersuchung liegt meines Wissens bis heute nicht vor. Das Modell von Fiddes wird in der theologischen Fachliteratur zwar gelegentlich positiv erwähnt, doch wurden dessen Vorausset- zungen, Implikationen und Folgen bislang vom lutherischen Stand- punkt aus kaum erörtert.7

2. Baptisten und Lutheraner im Gespräch (1990)

Der Bericht der Gemeinsamen Kommission des Baptistischen Welt- bundes und des Lutherischen Weltbundes ist das Ergebnis eines vier- jährigen Dialoges (1986–1989).8 Der historische Anlass und das er- klärte Ziel der Konsultationen ist die Aufarbeitung der Verwerfungen

chen stetig zu. Diese Entwicklungen werden in baptistischen Kirchen sehr positiv wahrgenommen. Eine weitere Voraussetzung, auf die in den Dokumenten einge- gangen wird und auf die hier ebenfalls nur kurz verweisen werden soll, ist ein Ungleichgewicht bei der Frage der Taufanerkennung. Während Baptisten einen als Unmündigen getauften Christen bei der Aufnahme in eine ihrer Gemeinden in der Regel wiedertaufen, wird eine von Baptisten gespendete Taufe von ande- ren Kirchen als gültige Taufe anerkannt, wenn sie evangeliumsgemäß gespendet wurde (d.h. unter Verwendung von Wasser und im Namen des dreieinigen Got- tes).

6 Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit, die Unmündigentaufe anhand des biblischen Zeugnisses und der lutherischen Tauflehre zu begründen. Vielmehr wird ihre Be- rechtigung und Notwendigkeit vorausgesetzt.

7 Vgl. dazu u.a. Mareile Lasogga, Orientierungspunkte und Problemanzeigen zum Verständnis der Taufe vor dem Hintergrund der internationalen Dialoge zwi- schen evangelischen Kirchenbünden und baptistischen Föderationen, in: Luthe- rische Kirche in der Welt 61/2014, 48–68.

8 Baptisten und Lutheraner im Gespräch. Eine Botschaft an unsere Kir- chen/Gemeinden. Bericht der Gemeinsamen Kommission des Baptistischen Welt- bundes und des Lutherischen Weltbundes, 1990, in: DWÜ 2, 189–216. Die fol- genden Stellenangaben beziehen sich auf die dortigen Ziffern.

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von Wiedertäufern in den lutherischen Bekenntnisschriften. Folglich bildet die Erörterung der Taufproblematik auch das Zentrum des Abschlussberichtes.

2.1 Die Differenz im Taufverständnis

„Die entscheidende Frage zwischen Lutheranern und Baptisten ist, in welcher Beziehung der Glaube zur Taufe steht.“ (33) Dass Glaube und Taufe untrennbar zusammengehören, wird von beiden Seiten vorausgesetzt, allerdings ist die Reihenfolge strittig. Baptisten erach- ten den bewussten Glauben als Taufvoraussetzung, während für Lu- theraner dieser Glaube im Falle einer Kindertaufe unter der Voraus- setzung, „daß die betreffende Person vom Glauben der Gemeinde und der Familie umgeben und getragen wird“ (ebd.) später nach- kommen kann. Da damit bei einer Kindertaufe aus baptistischer Sicht aber etwas Entscheidendes fehlt, erkennen sie diese nicht als christliche Taufe an. Kindertaufe und Erwachsenentaufe verstehen Baptisten daher nicht als unterschiedliche Formen der einen Taufe, sondern „als Folge von zwei unterschiedlichen theologischen Positi- onen“ (ebd).

Beide Seiten sind sich einig, dass sich die Aussagen im Neuen Tes- tament nur auf die Taufe von gläubigen Erwachsenen beziehen. Für Baptisten ist die biblische Reihenfolge Verkündigung – Bekeh- rung/Glaube – Taufe normativ, während Lutheraner sowohl für diese Reihenfolge als auch für die Kindertaufe offen gewesen sind.9

„Darüber hinaus wollten Lutheraner auch nicht die Gabe des Glaubens mit dem persönlichen Bekenntnis des Glaubens gleichsetzen und ha- ben deshalb die biblische Reihenfolge nicht als eine Aufeinanderfolge von getrennten Schritten verstanden.“ (38)

9 Eventuelle Hinweise auf die Praxis der Kindertaufe im NT sehen Lutheraner in der sog. Oikos-Taufe in Apg 16,33 und 1 Kor 1,16. Grundsätzlich sei aber „unbe- streitbar, daß die theologischen Aussagen über die Taufe im Neuen Testament von der Taufe gläubiger Erwachsener ausgehen.“ (37) Die Kindertaufe wird als eine von der wachsenden Kirche zu Recht vorgenommene Anpassung bezeich- net, da christliche Eltern Kinder bekommen haben und sich damit die Frage der Taufe nicht mehr nur in der missionarischen Situation stellte. Daher sei die Auf- fassung modifiziert worden, „daß der Taufe ein persönliches Bekenntnis voran- gehen muß.“ (38).

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Die baptistische Taufpraxis wird von Lutheranern als legitim an- gesehen, da sie dem biblischen Zeugnis genau entspricht. Die eigene Taufpraxis erachten sie zwar nicht als neutestamentlich belegt, doch widerspreche die Kindertaufe nicht „einem theologischen Verständ- nis der Taufe, das zutiefst biblisch ist“ (37). Gott schenkt durch die Taufe die Gabe der Erlösung und nimmt den Täufling in sein Reich auf. Daher ist die Taufe ein Gnadenmittel. Taufe und Glaube verhal- ten sich dabei so zueinander, dass die Gabe der Taufe nur im Glau- ben empfangen werden kann, „denn ohne Glaube ist die Gabe der Taufe zwecklos.“ (ebd.) Die Gültigkeit der Taufe ist aber nicht an den Glauben gebunden. Daher kann sie auch nicht wiederholt werden.

Baptisten lehnen dieses Verständnis der Taufe in allen Punkten ab.

„Nach Auffassung der Baptisten wird die Taufe durch die lutherische Sicht isoliert und überbetont, indem sie ein eigenständiges theologi- sches Gewicht und eine eigene Funktion bekommt“ (40). In der bibli- schen Heilsordnung stehe die Taufe keinesfalls an erster Stelle. Es besteht die Gefahr, dass durch die lutherische Überbetonung der Tau- fe das Evangelium sowie Christus und sein Kreuz verdrängt würden.

In diesem fundamentalen Gegensatz wird deutlich, dass nicht al- lein die von Lutheranern praktizierte Kindertaufe strittig ist, sondern die Taufe im Allgemeinen völlig unterschiedlich bewertet wird. Bap- tisten sprechen ihr im Gegensatz zu Lutheranern keine fundamentale Bedeutung zu. Für beide ist sie zwar „eine göttliche Ordnung, durch die Gott uns für sein Reich annimmt“ (36), aber als Gnadenmittel können Baptisten sie nicht verstehen. Legen Lutheraner das ganze Gewicht auf Gottes gnädiges Handeln in der Taufe, so bestimmen Baptisten die Taufe vor allem als einen menschlichen Gehorsamsakt.

„Baptisten betonen die dem Menschen zukommende Freiheit, sich für die Taufe zu entscheiden.“ (41) Diese Entscheidung ist zwar immer geistgewirkt, liegt aber letztlich doch in der Verantwortung des ein- zelnen Menschen.

Dem halten Lutheraner entgegen, dass einem als Kind getauften Menschen die persönliche Entscheidung nicht abgenommen wird, denn dem göttlichen Gnadenangebot müsse eine Antwort im Glau- ben folgen, die auch verweigert werden kann. „So bleibt der persön- liche Charakter des Glaubens aufrechterhalten, auch wenn der Glau- be in erster Linie dazu da ist, die bereits verliehene Taufgnade entge- genzunehmen.“ (42)

Aufgrund der dargestellten Grunddifferenzen im Taufverständnis hält der Bericht fest, dass Lutheraner die heutigen Baptisten von der in CA 9 enthaltenen Verwerfung der Wiedertäufer weiterhin getrof-

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