A 174 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 111|
Heft 5|
31. Januar 2014STUDIEN IM FOKUS
Diabetiker mit Proteinurie haben ein erhöhtes Risiko für eine termi- nale Niereninsuffizienz. Die Kom- bination eines Angiotensin-Convert - ing-Enzym-Inhibitors (ACE-Hem- mer) mit einem Angiotensin-II-Re- zeptorblocker verzögert das Fort- schreiten von Nierenfunktionsein- schränkungen effektiver als die Monotherapie aus einer der beiden Substanzklassen. Andererseits wur- de in zwei Studien weder ein kar- diovaskulärer, noch ein renaler Vor- teil gefunden, aber teilweise eine Erhöhung von Risiken.
Dies bestätigen nun die Daten der VA NEPHRON-D-Studie*. Von 4 346 für die Studie gescreenten Typ-2-Diabetikern (geschätzte glo- meruläre Filtrationsrate [GFR]
30,0–89,9 ml pro min; Albumin [mg] : Kreatinin [g] mindestens 300) wurden 1 448 Patienten in die Stu- die aufgenommen. Sie erhielten ini- tial 50 mg Losartan pro Tag. Die Dosis wurde auf 100 mg erhöht, wenn die Kaliumwerte unter 5,5 mmol/l blieben und sich das Kreati- nin nicht um mehr als 30 % des Wertes zu Studienbeginn erhöhte.
Patienten, die 100 mg Losartan täg- lich für mindestens 30 Tage erhalten hatten, wurden 1 : 1 randomisiert in eine Gruppe, die zusätzlich Lisino- pril erhielt, langsam eskalierend von 10 auf 40 mg, wenn keine inakzep- tablen Nebenwirkungen auftraten,
oder Placebo. Primärer Endpunkt waren eine Abnahme der GFR um ≥ 30 ml bei initial geschätzter GFR von ≥ 60 ml/min oder von ≥ 50 % bei initialer GFR von < 60 ml/min, terminale Niereninsuffizienz oder Tod. Sekundärer Endpunkt war eine Abnahme der GFR oder Nierenver- sagen. Die Studie wurde aus Sicher- heitsgründen vorzeitig beendet.
Nach median 2,2 Jahren hatte sich kein signifikanter Vorteil für die Kombinationstherapie ergeben (Hazard Ratio [HR] für primären Endpunkt 0,88; 95-%-Konfidenz - intervall [KI] 0,70–1,12; p = 0,30).
Für den sekundären Endpunkt ver- minderte sich ein Trend zu einem
Benefit (HR 0,78; 95-%-KI 0,58–
1,05; p = 0,10) mit der Zeit. Die Kombination erhöhte aber das Risi- ko für eine Hyperkaliämie (Kalium
> 6,0 mmol/l; 6,3 Ereignisse/100 Personenjahre [PJ] bei dualer The- rapie vs. 2,6 Ereignisse/100 PJ bei Monotherapie) und für akute Nie - ren insuffizienz mit erforderlicher stationärer Therapie (12,2 vs. 6,7 Ereignisse/100 PJ; beide p < 0,001).
Fazit: Die duale Renin-Angioten- sin-Inhibition hat für Typ-2-Diabe- tiker mit Proteinurie einer aktuellen Studie zufolge keinen klinischen Vorteil und ist mit einem erhöhten Risiko für Hyperkaliämie und aku- ter Niereninsuffizienz assoziiert.
„Die Kombination ‚ACE-Hem- mer plus Angiotensinrezeptorblo- cker‘, bis vor wenigen Jahren zur Blutdrucksenkung und zur Kontrol- le der Proteinurie bei Typ-2-Diabe- tikern noch empfohlen, sollte we- gen negativer Effekte auf die Niere vermieden werden“, kommentiert Prof. Dr. med. Reinhard Brunk- horst, Hannover. Dies gelte für alle Indikationen bei diesen Patienten.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Fried LF, Emanuele N, et al.: Combined Angio- tensin inhibition for the treatment of diabetic nephropathy. NEJM 2013; 369: 1892–903.
DIABETISCHE NEPHROPATHIE
Eine duale Angiotensin-Inhibition ist nicht indiziert
*VA NEPHRON-D: Veterans Affairs Nephropathy in Diabetes
GRAFIK
Kumulative Wahrscheinlichkeit für akute Niereninsuffizienz (stationäre Therapie erforderlich)
Schon in den 1990er Jahren war von einem erhöhten Krebsrisiko bei einer Therapie mit Kalziumantago- nisten berichtet worden. Die Ergeb- nisse waren jedoch uneinheitlich.
Nun wurde der Einfluss einer Lang- zeitbehandlung mit verschiedenen Antihypertensiva auf das Risiko für duktale und lobuläre invasive Mammakarzinome bei postmeno- pausalen Frauen erneut untersucht.
Mit Hilfe des Cancer Surveil - lance Systems des Staates Washing- ton wurden alle Frauen im Groß- raum Seattle (55 bis 74 Jahre) iden-
tifiziert, die zwischen Januar 2000 und Dezember 2008 an einem pri- mären invasiven Mammakarzinom erkrankt waren. In die Fall-Kon- troll-Analyse wurden 880 Frauen mit duktalem und 1 027 Frauen mit lobulärem invasivem Mammakarzi- nom einbezogen. Als Kontrolle dienten 856 Frauen ohne Brust- krebs. Alle Frauen wurden mit ei- nem strukturierten Fragebogen in- terviewt und Herzerkrankungen, Bluthochdruck und antihypertensi- ve Medikation erfasst. Frauen, die nie ein blutdrucksenkendes Medi- ANTIHYPERTENSIVA
Erhöhen Kalziumantagonisten das Brustkrebsrisiko?
Akute Niereninsuffizienz (in % der Patienten)
Monate nach Randomisierung Losartan plus Lisinopril
Losartan plus Placebo P < 0,001
modifiziert nach: NEJM 2013; 369: 1892–903
M E D I Z I N R E P O R T
A 176 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 111|
Heft 5|
31. Januar 2014 kament eingenommen hatten, dien-ten als Referenz. Als aktuelle An- wender galten Frauen, die für min- destens 6 Monate Blutdrucksenker einnahmen und sie aktuell in den ersten sechs Monaten nach der Brustkrebsdiagnose verwendeten.
Frühere Anwenderinnen waren Frauen, die Antihypertensiva min- destens 6 Monate genommen, sie aber sechs Monate vor der Krebs - dia gnose abgesetzt hatten. Kurzzeit- anwenderinnen hatten Antihyperten- siva weniger als 6 Monate erhalten.
In der Gesamtgruppe der Anwen- derinnen war das Mammakarzinom- risiko nicht erhöht, aber zum Bei- spiel in der Subgruppe der Frauen, die aktuell Kalziumantagonisten über mindestens zehn Jahre einnah- men, und zwar für duktale (Odds Ratio [OR] 2,4; 95-%-Konfidenzin- tervall [KI] 1,2–4,9; p = 0,04) und für lobuläre Mammakarzinome (OR 2,6; 95-%-KI 1,3–5,2; p = 0,01), un- abhängig vom Estrogenrezeptor-Sta-
tus. Andere Antihypertensiva erhöh- ten das Brustkrebsrisiko nicht. Ein möglicher Mechanismus der tumor- fördernden Wirkung von Kalzium- antagonisten könnte die Hemmung der Apoptose als Folge erhöhter in- trazellulärer Kalziumspiegel sein.
Fazit: Daten einer aktuellen Studie stützen die These, dass eine Lang- zeittherapie mit Kalziumantagonis- ten das Brustkrebsrisiko erhöht. Die Studie sei methodisch erstklassig, heißt es im begleitenden Kommen- tar (2). Natürlich müsse die Thera- pie bei Frauen, die sie seit 9,9 Jah- ren einnehmen, nicht abgesetzt wer- den, denn dies sei eine Beobach- tungsstudie, deren Ergebnisse nicht zu einer Änderung der klinischen Praxis führen könnten. Dem stimmt Prof. Dr. med. Heribert Schunkert, Direktor am Deutschen Herzzen- trum in München, zu: „Es wurden fünf Medikamentenklassen unter- sucht mit einer Vielzahl von statisti-
schen Vergleichen zwischen den Brustkrebspatientinnen und den Kontrollen, so dass auch durch Zu- fall ‚statistische Signifikanzen‘ auf- treten können. So konnte für Diure- tika kein Risiko festgestellt werden, obwohl dieselbe Arbeitsgruppe in einer früheren Untersuchung ein solches Risiko gefunden hatte.“
Überraschend sei, dass in der aktu- ellen Studie bei postmenopausalen Frauen kein Zusammenhang zwi- schen Übergewicht und Brustkrebs- risiko gefunden wurde.
Sollte sich die Hypothese der Studienautoren bestätigen, würde die Langzeittherapie mit Kalzium- antagonisten zu einem wichtigen modifizierbaren Brustkrebsrisiko- faktor (2). Dr. rer. nat. Susanne Heinzl 1. Li CI, et al.: Use of antihypertensive
medications and breast cancer risk among women aged 55 to 74 Years. JAMA Intern Med 2013; 173: 1629–37.
2. Coogan PF: Calcium-channel blockers and breast cancer. A hypothesis revived.
JAMA Intern Med. 2013; 173: 1637–8.
Der VEGF-Antikörper Bevacizu- mab ist in Kombination mit Che- motherapie für die Erstlinienbe- handlung und der EGFR-Tyrosinki- naseinhibitor Erlotinib für die Zweit- und Drittlinientherapie des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) vom Nichtplattenepithel- Typ zugelassen – in beiden Fällen
wegen einer Verlängerung der Überlebenszeit. Die Hypothese, dass eine Kombination aus beiden Medikamenten im Anschluss an die Erstlinien-Induktionsbehandlung mit Chemotherapie und Bevacizu- mab einen weiteren Fortschritt brin- gen könnte, wurde in der Phase-III- Studie ATLAS* getestet. 1 145 Pa- tienten mit fortgeschrittenem NSCLC (Stadium IIIB mit mali- gnem Pleuraerguss, Stadium IV oder Rezidiv) erhielten vier Zyklen einer Chemotherapie mit Bevacizu- mab. 743 von ihnen, die nicht pro- gredient waren und keine prohibiti- ve Toxizität aufwiesen, wurden ran- domisiert für zwei Varianten der Er- haltungstherapie: Bevacizumab (15 mg/kg alle drei Wochen) mit oder ohne Erlotinib (150 mg/d). Primä- rer Endpunkt war das progressions- freie Überleben. Hier zeigte sich ein mäßiger, aber signifikanter Zu-
gewinn von median 3,7 auf 4,8 Mo- nate (Hazard Ratio [HR] 0,71; p <
0,001), aber beim Gesamtüberleben waren beide Erhaltungstherapien vergleichbar (13,3 vs. 14,4 Monate;
HR 0,92; p = 0,5341). Außerdem war die Toxizität im Kombinations- arm insgesamt erhöht, und es gab mehr Nebenwirkungen Grad 3/4, vor allem Hautausschlag und Diar- rhö, sowie mehr Nebenwirkungen, die zu einem Abbruch der Erlotinib- Behandlung führten. Ein Abbruch der Bevacizumab-Behandlung auf- grund von Nebenwirkungen war in beiden Armen gleich häufig.
Fazit: Die Kombination Bevacizu- mab plus Erlotinib als Erhaltungs- therapie beim fortgeschrittenen NSCLC hat vergleichsweise gerin- gen Einfluss auf das Überleben, erhöht aber die Toxizität. Eine Etablierung als Standard gilt daher als unwahrscheinlich. Josef Gulden Johnson BE, et al.: ATLAS: Randomized, double-blind, placebo-controlled, phase IIIB trial comparing bevacizumab therapy with or without erlotinib, after completion of chemo- therapy, with bevacizumab for first-line treat- ment of advanced non–small-cell lung cancer.
J Clin Oncol 2013; 31: 3926–34.
FORTGESCHRITTENES NICHTKLEINZELLIGES BRONCHIALKARZINOM
Kombination als Erhaltungstherapie mäßig erfolgreich
*ATLAS: Avastin Tarceva Lung Adenocarcinoma Study
GRAFIK
Gesamtüberleben (Kaplan-Meier-Kurven) für Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom unter zwei verschiedenen Erhaltungstherapien
Anteil überlebender Patienten
Zeit (Monate)
Bevacizumab + Placebo Bevacizumab + Erlotinib Hazard Ratio 0,917; 95%-KI 0,698–
1,205; Log-rank p = 0,5341
modifiziert nach: J Clin Oncol 2013; 31: 3926–34