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Archiv "Schmerzbehandlung in der Praxis" (11.02.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Schmerzbehandlung in der Praxis

Bericht von der Medica 1986, Düsseldorf

D

ie Bekämpfung des

Schmerzes und die Be- schäftigung mit Anal- getika erfordert mög- lichst gründliche Kenntnisse der Schmerzverarbei- tung im Organismus. Während der Medica 1986 in Düsseldorf beleuch- tete Professor Dr. Wolfgang Forth, München, die bisher bekannten Grundlagen des Schmerzgesche- hens. Nach Weiterleitung der Infor- mationen über schmerzauslösende Noxen via langsam leitenden mark- losen und schnell leitenden markhal- tigen Axonen an das Zentralnerven- system findet die Schmerzverarbei- tung in unterschiedlichen zentralner- vösen Projektionsfeldern statt. Es kommt zur genauen Ortung des Schmerzes (kognitive Komponen- te), zur Einleitung von Schutzrefle- xen (motorische Komponente) und zur psychophysischen Verarbeitung des Schmerzerlebnisses (emotionale Komponente).

Aus den inneren Organen ge- langen schmerzbedingte Erregungen über die Rami communicantes albi des Grenzstranges in die Hinterwur- zel der Medulla spinalis der betref- fenden Segmente. Die erste Schalt- stelle der afferenten Neurone liegt in der Substantia gelatinosa des Rük- kenmark-Hinterhorns. Von dort verlaufen die Schmerzbahnen zu- nächst zur Gegenseite und über den Tractus spinothalamicus zentral- wärts. Im Bereich des Hirnstammes werden die Informationen über eine schmerzauslösende Noxe an die For- matio reticularis weitergeleitet.

Sichtbare Folge dieses Weges sind

vegetative Reaktionen wie Pupillen- erweiterung, Vasomotorenkollaps und Schweißausbruch.

Sensorische Ortung und Ich-Bezug

Im Thalamus, wo der Tractus spinothalamicus mündet, kommt es zur affektiven Verarbeitung des Schmerzes. Von den thalamischen Kernen führt der Informationsweg weiter zum Gyrus postcentralis der grauen Hirnrinde, dem Ort der sen- sorischen Schmerzprojektion. Die Bahnen enden schließlich im Lobus frontalis, wo der Ich-Bezug des Schmerzes zustandekommt

Unsicherheit besteht zur Zeit noch bezüglich der Funktion von Endorphinen und Enkephalinen. Es handelt sich dabei um aus der Hypo- physe isolierbare Peptide, für die sich überall dort im Zentralnerven- system Rezeptoren befinden, wo das protektive System vermutet wird.

Diskutiert wird für die Endorphine die Aufgabe der Modulation der Schmerzschwelle.

Aufgabe des Therapeuten ist es, bei Patienten mit Schmerzzuständen auf möglichst zuverläsisge Weise in die Schmerzleitung einzugreifen, zu- mindest dann, wenn eine kausale Ausschaltung der Störung nicht möglich ist. Dazu ist die Kenntnis der unterschiedlichen Wirkmecha- nismen und Angriffspunkte von Me- dikamenten Voraussetzung. Ent- stammen die Schmerzen bestimmten Arealen im Gewebe — verursacht

durch „Schmerzstoffe" wie Prosta- glandine , Leukotriene, Kinine oder Serotonin —, dann können schwach wirksame Analgetika über ihren ent- zündungshemmenden Mechanismus einen Beitrag zur Linderung leisten.

Ebenso wie die stark wirksamen ha- ben diese Substanzen zentrale An- griffspunkte, im Unterschied zu den peripher die Schmerzleistung blok- kierenden Lokalanästhetika.

Lediglich analgetische und anti- pyretische, jedoch keine entzün- dungshemmende Potenz besitzt das Paracetamol, das im Gefolge der Phenacetin-Diskussion immer häufi- ger zum Einsatz kommt Die Be- hauptung, daß das Paracetamol im Gegensatz zum Phenacetin keine Nierenschädigung verursache, ist aus der Luft gegriffen, betonte Forth in Düsseldorf. Bis zur endgültigen Beurteilung werde man wohl noch zwanzig Jahre warten müssen. Die akute Toxizität von Paracetamol zu- mindest sei ganz erheblich. Bei miß- bräuchlicher Anwendung in suizida- ler Absicht komme es zum Zusam- menbruch der Leberfunktion.

Cave: opioidinduzierte Atemdepression

Stark wirksame Analgetika wie Opiate und Opioide kommen zum Einsatz bei stärksten Schmerzzu- ständen, wie sie

beispielsweise ein

Myokardinfarkt verursacht, ein Trauma oder ein Tumor. Mit Aus- nahme von Tramadol können alle verfügbaren Medikamente dieser Dt. Ärztebl. 84, Heft 7, 11. Februar 1987 (71) A-355

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Gruppe Atemdepressionen verursa- chen. Eine Komplikation, derer man sich insbesondere im Notfall- einsatz bewußt sein muß, nicht zu- letzt deshalb, weil der Patient sub- jektiv keine Atemnot empfindet.

Als Symptome nannte Professor Dr.

Eike Martin, München, flache At- mung, niedrige Atemfrequenz, Somnolenz, Zufriedenheit und Zy- anose. Neue Substanzen, die derar- tige Komplikationen nicht nach sich ziehen, sind derzeit in der klinischen Prüfung (zum Beispiel Nalbuphin).

Medikamentöse Stufentherapie

iidagrak.

Ist es bei akuten Schmerzzustän- den zuweilen sinnvoll, den Dolor in seiner Funktion als Signal nicht voll- ständig zu bekämpfen (Abdominal- symptomatik , stumpfes Bauchtrau- ma), so sollten chronische Schmer- zen bei Tumorpatienten beständig und zuverläsisg ausgeschaltet wer- den. Die wichtigsten Prinzipien der medikamentösen Therapie heißen hier: ausreichende Dosierung, regel- mäßige Verabreichung entspre- chend der Wirkdauer, leichte Appli- zierbarkeit , um dem Patienten seine Unabhängigkeit zu bewahren. Mar- tin erachtet es als besonders wichtig, die Kranken beständig im schmerz- freien Intervall zu halten.

An einen Einsatz von Narkotika sollte nicht erst im Terminalstadium der Krankheit gedacht werden, son- dern dann, wenn die Schmerzen an- ders nicht mehr ausreichend be- kämpft werden können, betonte der Referent. Eine Suchtgefährdung ist bei Tumorpatienten in der Regel nicht gegeben, und auch das Risiko der möglichen Abhängigkeit ist nicht relevant.

Die Analgetikabehandlung kann stufenweise aufgebaut werden: nach dem Einstieg mit schwach wirksamen Substanzen werden, entsprechend der Schmerzsymptomatik, nach und nach stärker wirksame Schmerz- mittel eingesetzt. Durch parallele Verabreichung von Psychopharmaka lassen sich in vielen Fällen Analgeti- ka einsparen. Letzte Maßnahme bei stärksten Schmerzen schließlich ist

die Dauerinfusion von Opiaten.

Martin betonte, daß die Schmerz- therapie bei Tumorpatienten eine interdisziplinäre Aufgabe ist, bei der verschiedene unspezifische Maßnah- men wie Neurostimulation und Hy- perthermie möglicherweise zu einer zusätzlichen Linderung beitragen können.

In der Bundesrepublik Deutsch- land leben nach Angaben des Refe- renten derzeit 230 000 Patienten mit malignen Tumoren. Etwa 60 Pro- zent von ihnen erleiden im Termi- nalstadium stärkste Schmerzen.

Analgetika

im Nofalleinsatz i. v. applizieren

41111111M1 Mit der Schmerzbekämpfung im Notfalleinsatz befaßte sich in Düs- seldorf Privat-Dozent Dr. Kai Ta- eger, München. Der Anästhesist be- zeichnete es als Fehler, vom Trau- matisierungsgrad auf die Schmerzin- tensität zu schließen, die außer von der Art der Verletzung auch von der situativen Angst des Patienten be- einflußt wird.

Unübertroffen im Notfalleinsatz ist, laut Taeger, nach wie vor das Morphin. Da das Maximum der Atemdepression bereits sieben Mi- nuten nach Applikation erreicht sei, könne diese Komplikation gewöhn- lich gut beobachtet und kontrolliert werden. Allerdings ergebe sich die Notwendigkeit zum Einsatz von Morphin relativ selten. Nur in etwa einem Fünftel aller Notfälle nämlich reiche die Kombination von Trama- dol und Metamizol nicht aus.

Grundsätzlich hält es Taeger für empfehlenswert, sich im Notfallein- satz auf einige wenige Substanzen zu beschränken, mit deren Wirkung der betreffende Arzt jedoch gut ver- traut sein sollte. Alle Analgetika sollten dabei ausschließlich intrave- nös verabreicht werden und zwar in fraktionierter Titration.

Brigitte Ronge-Zöller Bellagna Sole, Casa Nr. 3 CH-6914 Carona

Therapie der

primären biliären Zirrhose

Auch wenn die Ätiologie der primären biliären Zirrhose unklar ist, so besteht doch kein Zweifel, daß Immunphänomene bei der Pathogenese eine Rolle spielen.

Ähnliches gilt für die Therapie.

Während man aufgrund einer briti- schen Studie bislang die Gabe von D-Penicillamin für sinnvoll hielt, er- gab eine von der Mayo-Clinic an 227 Patienten mit fortgeschrittenem Sta- dium der Erkrankung durchgeführte Studie keine Beeinflussung von Le- berfunktionsparametern und Pro- gnose. Ob allerdings bei Patienten im Frühstadium der Erkrankung mit einer dann besseren Prognose D-Pe- nicillamin nützlich ist, wird noch un- tersucht; die bisherige Beobach- tungszeit reicht noch nicht aus.

In einer weiteren internationa- len Multicenter-Studie wurde bei 228 Patienten der Einfluß von Aza- thioprin auf das Krankheitsbild un- tersucht. Unter einer maximalen Dosis von 100 mg/d ließ sich im Ver- gleich zu einer Placebo-Medikation eine durchschnittliche Verlängerung der Überlebenszeit um 20 Monate erzielen. Als prognostisch ungünstig erwiesen sich in den Studien die fol- genden fünf Parameter: hohes Se- rumbilirubin, fortgeschrittenes Le- bensalter, Zirrhose, niedriges Albu- min und zentrale Cholestase. Die Autoren empfehlen deshalb Aza- thioprin zur Routinebehandlung der primären biliären Zirrhose.

Dickson, R. E.; Fleming, T. R.; Wiesner, R. H.: Trial of penicillamine in advanced primary biliary cirrhosis. N. Engl. J. Med.

312: 1011-1015, 1985.

Neuberger, J., Christensen, F.; Portmann, B.: Double-blind controlled trial of D- penicillamine in patients with primary bili- ary cirrhosis. GUT 26: 114-119, 1985.

Christensen, E.; Neuberger, J.; Crowe, J.

et al: Beneficial effect of azathioprine and prediction of prognosis in primary biliary cirrhosis. Final results of an international trial. Gastroenterology 89: 1084-1091, 1985. Department of Hepatology 233.

Hvidovre Hospital, University of Copen- hagen, DK-2650 Copenhagen.

A-356 (72) Dt. Ärztebl. 84, Heft 7, 11. Februar 1987

Referenzen

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