Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen KURZBERICHTE
cherten in den Krankenkassen sy- stematischer und gegebenenfalls unter Einsatz von vorhandenen EDV-Systemen vorgenommen werden könne. Zum anderen wird festgestellt, daß die Krankenkas- sen grundsätzlich zum Vertrau- ensarzt unabhängig davon vorla- den sollten, ob ein Krankengeld- anspruch oder ein Entgeltfortzah- lungsanspruch des Betroffenen besteht oder nicht. Auch bei Inan- spruchnahme stationärer Kran- kenleistungen sollte der VäD in sinnvoller und stärkerer Weise als bisher eingesetzt werden. „Begut- achtungshilfen" seien von der Ar- beitsgemeinschaft für Gemein- schaftsaufgaben der Krankenver- sicherung, Essen, bereits entwik- kelt worden.
2. Das kassenärztliche Vertrags- recht sollte nach den Wünschen der „Sozialpartner" im Hinblick darauf überprüft werden, inwie- weit die ärztlichen Mitteilungen an die Krankenkassen und den VäD in einzelnen Behandlungs- und Betreuungsfällen (?) um sämtliche wesentlichen Informationen er- gänzt werden können.
3. Um die Qualität der Begutach- tungen sicherzustellen, sollten die Richtlinien umreißen, welche we- sentlichen Fragestellungen und Informationen dem VäD zur Verfü- gung gestellt werden können.
4. Die Krankenkassenspitzenver- bände sollten auch die Anforde- rungen an Inhalt und Form des vertrauensärztlichen Gutachtens im einzelnen festlegen. Die Gut- achten sollten Grundlage für Ver- waltungsentscheidungen der Kas- sen bilden und justitiabel werden.
5. Doppeluntersuchungen sollten möglichst ausgeschaltet werden.
Sofern abgestimmte Gutachtenin- halte innerhalb der GKV und im Verhältnis zur anderen Versiche- rungszweige benötigt werden, sollten die Anforderungen des
§ 96 des Sozialgesetzbuches X (SGB X) berücksichtigt und ent- sprechende Vereinbarungen ge- troffen werden.
6. Um die Qualität und Informa- tionsdichte ebenso wie die Koope- ration aller Beteiligten zu fördern, soll ein aussagefähiges Berichts- wesen über Beratung und Begut- achtung durch den VäD geschaf- fen werden. Dadurch versprechen sich die „Sozialpartner" vor allem eine zusätzliche Qualitätssiche-
rung und eine Beseitigung der vie- len Mutmaßnahmen und Ungewiß- heiten über die „tatsächliche Wirksamkeit des Vertrauensärztli- chen Dienstes".
Darüber hinaus wird empfohlen, auch die Rentenversicherungen als Träger des Vertrauensärztli- chen Dienstes an den Erörterun- gen zu beteiligen. HC
Kostendämpfung trifft private Kuranstalten hart
Den Krankenanstalten in privater Trägerschaft werde vielfach Pari- tät und Chancengleichheit immer noch verwehrt, obwohl diese Klini- ken „dank ihrer Struktur, ihrer sparsamen und rationellen Wirt- schaftsführung" einen entschei- denden Beitrag zur Kostendämp- fung leisteten, stellte der Bundes- verband der Deutschen Privat- krankenanstalten e. V. fest. Der Verband hatte seinen Sitz un- längst von München nach Bonn verlegt und sich aus diesem Anlaß in einer Pressekonferenz vorge- stellt. Die Kostendämpfungsgeset- ze seien, so hieß es, weitgehend zu Lasten der privaten Träger ab- gewickelt worden. Vor allem die Kurkrankenanstalten seien im Jah- re 1982 besonders großen Bela- stungen ausgesetzt gewesen: „Im Verlauf des Jahres zeigte sich ein katastrophaler Rückgang der Kur- anträge, der zu erheblichen Unter- belegungen vor allem im Bereich der privaten Trägerschaft geführt hat." . Die Rehabilitationseinrich- tungen in privater Trägerschaft, die weit über 70 Prozent aller Kurmaßnahmen im Bundesgebiet durchführten, hätten „einseitig die Lasten der Kostendämpfungsbe- strebungen zu tragen". EB
FORUM
Weiterhin
„Sonderstellung"
für Tuberkulose?
Referentenentwurf
des Bundesarbeitsministeriums
Nach der Sommerpause wird sich das Parlament mit dem Bundes- haushalt für das Jahr 1984 und mit den entsprechenden Begleitgeset- zen befassen. Hierunter sollen auch Maßnahmen fallen, die zu ei- ner langfristigen Stabilisierung der derzeit kritischen Lage in der Rentenversicherung führen sol- len. Der hierzu vorgelegte Refe- rentenentwurf des Bundesarbeits- ministeriums mit Vorschriften zur Stabilisierung der Finanzentwick- lung in der Rentenversicherung und zur Änderung sozialrechtli- cher Vorschriften bringt auch er- hebliche Folgen für die gesetzli- che Krankenversicherung mit sich, wie im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT verschiedentlich darge- legt. Zu den vorgesehenen Maß- nahmen gehört auch die Verlage- rung der Tbc-Heilbehandlungs- maßnahmen von der Rentenversi- cherung zur Krankenversiche- rung.
In der Gruppe der Infektionskrank- heiten hat die Lungentuberkulose bisher eine Ausnahmestellung ein- nehmen müssen. Per Gesetz wur- de seinerzeit festgelegt, daß diese Infektionskrankheit nicht auf nor- malen Infektionsabteilungen der Krankenhäuser — und somit nicht zu Lasten der Krankenkassen — behandelt werden durfte. Die Ren- tenversicherungsträger wurden verpflichtet, gesonderte stationäre Einrichtungen — die sogenannten Tuberkulose-Heilstätten — zu un- terhalten, um die noch vor 30 Jah- ren große Menge der Tuberkulose- kranken stationär behandeln zu können. Aus damaliger Sicht muß man Verständnis für die Sonder- stellung der Lungentuberkulose haben, weil im wesentlichen die 82 Heft 36 vom 9. September 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A
DR. FLEISS' BLÜTENLESE
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Gemein
„Ich habe sehr häufig gefun- den, daß gemeine Leute, die nicht rauchten an Orten, wo das Rauchen gewöhnlich ist, immer sehr gute und tätige Menschen waren."
Lichtenberg (1742-1799)
Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Lungentuberkulose
Behandlung darin bestand, Liege- kuren und sonstige roborierende Maßnahmen durchzuführen. Im Vordergrund stand die Isolierung der Patienten aus seuchenhygieni- schen Gründen.
Seit Einführung der Tuberkulo- statika und deren Weiterentwick- lung ist die Lungentuberkulose heute zu einer Infektionskrankheit geworden, die mit Medikamenten hervorragend behandelt und aus- geheilt werden kann (angemerkt sei, daß heute die vielen viralen Infektionskrankheiten ein weitaus größeres Problem darstellen).
Dank der medizinischen Entwick- lung auf dem Sektor der Tuberku- lostatika werden heute nur noch 20 000 bis 25 000 behandlungsbe- dürftige aktive Tuberkulosen pro Jahr gemeldet. Somit ist es abso- lut gerechtfertigt, daß bei dieser niedrigen Erkrankungsquote und der sehr guten Behandlungsmög- lichkeit die Lungentuberkulose heute keiner Sonderstellung mehr bedarf.
Die Herausnahme der Tbc-Heilbe- handlungsmaßnahmen aus dem Bereich der Rentenversicherung hat der Bundesverband der Pneu- mologen seit langem gefordert.
Der Hauptgrund hierfür war, daß es durch die in der Reichsversi- cherungsordnung gesetzlich fi- xierte stationäre Tbc-Behandlung zu einer strukturellen Fehlent- wicklung in der Pneumologie ge- kommen ist.
Die Rentenversicherungsträger haben seit Jahren der rückläufi- gen Entwicklung der Tbc-Erkran- kungen dadurch Rechnung getra- gen, daß sie die in den Tbc-Häu- sern frei gewordenen Betten kon- tinuierlich durch Betten für andere Indikationen ersetzt haben. Nur wenige dieser „Tuberkulosehäu- ser" wurden schrittweise in Lun- genfachkliniken umgewandelt.
Dies liegt zum Teil daran, daß die meisten Tuberkulosesanatorien in landschaftlich schönen, aber von den dichtbesiedelten Regionen weit entfernten Gegenden gelegen waren. Dort eine Regelversorgung
für pneumologische Erkrankun- gen vornehmen zu sollen haben mit Recht die Rentenversiche- rungsträger als wenig sinnvoll an- sehen müssen. Hierdurch ist es zu einem „Massensterben" dieser Einrichtungen gekommen, ohne daß es bei der deutlichen Zunah- me der unspezifischen Atemwegs- erkrankungen — wie chronische Bronchitis, Lungenemphysem, Asthma bronchiale, Allergosen, Bronchialkarzinom usw. —zu Neu- gründungen von Abteilungen oder Kliniken in Ballungsgebieten ge- kommen ist.
Die stationären Behandlungstage von reinen Atemwegserkrankun- gen ohne Nebendiagnosen lagen in den Jahren 1979 bis 1981 durch- schnittlich bei 6 Prozent sämtli- cher stationärer Behandlungsta- ge. Diese Mitteilung stammt vom Bundesverband der Betriebskran- kenkassen, der neben dem Bun- desverband der Ortskrankenkas- sen als einziger über derartig ge- naues statistisches Material ver- fügt.) Deswegen fordert auch der Bundesverband der Pneumolo- gen, daß wenigsten 25 000 Betten (das entspricht 5 Prozent der ge- samten Bettenzahl in den Kran- kenhäusern) für die Pneumologie zur Verfügung gestellt werden
sollten. Derzeit haben wir nur ca.
11 000 Betten für das gesamte Bundesgebiet! Hieran läßt sich un- schwer erkennen, daß es bei der Gleichsetzung „Pneumologie = Tuberkulose" zu einer erhebli- chen stationären Unterversorgung in diesem Bereich gekommen ist.
Obwohl der Bundesverband der Pneumologen die geplante Ände- rung der Kostenträgerschaft auch für die stationäre Behandlung der Tuberkulose zu Lasten der Kran- kenkassen begrüßt, weil hierdurch endlich eine medizinisch sinnvolle Gleichbehandlung der Tuberkulo- se mit anderen Infektionskrank- heiten erreicht wird, muß der Bun- desverband der Pneumologen sich jedoch energisch gegen den neu einzuführenden § 1236 a aus- sprechen. Hierin heißt es „Bei Er- krankung an Tuberkulose werden medizinische und ergänzende Lei- stungen zur Rehabilitation nicht erbracht". Hierdurch wird er- reicht, daß die Tuberkulose nun wiederum eine Sonderstellung einnehmen soll, jedoch im Sinne der Verschlechterung:
Beispielsweise müßten Patienten, die sich nach einer mehrmonati- gen konservativen Therapie der Lungen-Tbc einer Thoraxopera- tion unterziehen müssen, im An- schluß daran eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme haben.
Dies wäre nach dem § 1236 a nun nicht mehr möglich. Hierdurch wird eindeutig eine Ungleichstel- lung der Tuberkulose zu anderen Erkrankungen wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen er- reicht. Unabhängig hiervon könn- te diese Sonderregelung den Ge- setzgeber nach Bedarf dazu anre- gen, im Rehabilitationsbereich weitere Eingriffe vorzunehmen.
Wenn er es jedoch ernst meint mit der gesundheitlichen und berufli- chen Rehabilitation, dann sollte der Gesetzgeber Abstand nehmen von derartigen Sonderreglungen.
Dr. med. Dietrich Rohde
Bundesverband der Pneumologen Schloßstraße 22
4330 Mülheim/Ruhr
Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 36 vom 9. September 1983 85