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Archiv "Somatisierungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen: Verselbstständigung der psychosomatischen Symptomatik" (03.02.2006)

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gesamten Herz-Kreislauf-Erkrankun- gen (HKK) einschließlich des Schlag- anfalls abgeschätzt. Dies ist aus der Präventionsperspektive sehr sinnvoll, weil die Gefährdung durch Risikofak- toren weitreichend ist und durch ein- zuleitende Maßnahmen nicht nur die KHK, sondern auch Schlaganfälle und periphere arterielle Verschlusskrank- heiten verhindert werden können. Wir befinden uns mit dieser Sichtweise im Einklang mit den europäischen Leitlini- en (1).

Punkt 2: Für die SCORE-Deutsch- land-Risikotabellen sind die offiziellen Mortalitätsraten des Jahres 1999 für fast alle kardiovaskulären Todesursachen herangezogen worden. Die Validität dieser Raten, die auf hoch aggregierten Daten beruht, ist sehr gut, da eventuelle Missklassifikationen zwischen den ein- zelnen kardiovaskulären Todesursa- chen keine Rolle spielen. Der außer- dem erwähnte Effekt des Einschlusses von Todesfällen nach einem Folgeereig- nis wird durch andere methodische Charakteristika (wie dem so genannten

„regression dilution bias“) deutlich ab- geschwächt. Dass die Risiken für nicht- tödlich verlaufende HKK unberück- sichtigt bleiben, ist nicht nur als Nach- teil zu sehen. Die Beschränkung auf die kardiovaskuläre Mortalität hat nämlich den Vorteil, dass hiermit relativ standar- disierte Daten stetig aktualisiert auf je- der regionalen Ebene zur Verfügung stehen. Dies ist mit Morbiditätsdaten nicht realisierbar.

Punkt 3: Für die SCORE-Deutsch- land-Risikotabellen wurden nur die er- forderlichen Koeffizienten der einzel- nen Risikofaktoren aus dem europäi- schen SCORE-Projekt übernommen.

Die Koeffizienten wiesen nur eine ge- ringe Variabilität zwischen den einzel- nen Populationen auf (2). Damit sind mögliche länderspezifische Unterschie- de in den Labormethoden für SCORE- Deutschland nicht relevant und eine Kreuzvalidierung der Laborergebnisse nicht erforderlich.

Punkt 4: Die SCORE-Deutschland Risikotabellen sind für die Praxis be- stimmt. Sie dienen vor allem der Risiko- kommunikation zwischen Arzt und Pa- tient. Die vorliegenden Tabellen ma- chen je 200 Risikoaussagen für Männer und Frauen (400 Kästchen). Ein noch

feineres Raster der Risikofaktoren würde zur Unübersichtlichkeit in der graphischen Darstellung führen und bleibt einer entsprechenden Software (HeartScore-Deutschland) vorbehal- ten.

Punkt 5: Mit unserer Aussage zum Typ-2-Diabetes-mellitus befinden wir uns im Einklang mit den europäischen Leitlinien (1).

Punkt 6: In unserem Artikel haben wir wiederholt begründet, warum wir uns bei den SCORE-Deutschland-Ta- bellen auf die klassischen Risikofakto- ren beschränkt haben: Diese sind leicht und rasch zu bestimmen und besitzen eine gesicherte Prädiktion. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten viele weitere Risikofaktoren gefunden wurden, so ist zu bedenken, dass statistische Signifi- kanz für eine Assoziation nicht gleich- bedeutend mit Prädiktivkraft im hier behandelten Sinn ist (3).

Punkt 7: Wie eingangs erwähnt be- trachten wir SCORE-Deutschland pri- mär als ein Instrument zur Risikokom- munikation. Wir empfehlen deshalb auch: „Diejenigen Personen, die ein Ri- siko von 5 Prozent und darüber aufwei- sen oder dieses Risiko im mittleren Le- bensalter erreichen werden, gelten als Hochrisikopersonen und sollten beson- ders intensiv beraten, beobachtet und gegebenenfalls auch medikamentös be- handelt werden.“ Die Verwendung ei- nes Schwellenwertes als unmittelbare Indikation für eine medikamentöse Be- handlung ist nicht beabsichtigt (4).

Wir sind überzeugt, dass die Popula- rität von SCORE Deutschland unter anderem auch deshalb weiter zuneh- men wird, weil dieses System der Risi- kokommunikation sowohl von der Eu- ropäischen Gesellschaft für Kardiolo- gie (ESC) und vielen weiteren europäi- schen Fachgesellschaften (1) als auch von der Deutschen Gesellschaft für Herz- und Kreislaufforschung empfoh- len und gefördert wird.

Literatur

1. De Backer G, Ambrosioni E, Borch-Johnsen K et al: Eu- ropean guidelines on cardiovascular disease preventi- on in clinical practice. Third Joint task force of europe- an and other societies on cardiovascular disease pre- vention in clinical practice. Eur J Cardiovasc Prev Re- hab 2003; 10: 1–78.

2. Conroy RM, Pyörälä K, Fitzgerald AP et al.: On behalf of the SCORE project group: Estimation of ten-year risk

of fatal cardiovascular disease in Europe: the SCORE project. Eur Heart J 2003; 24: 987–1003.

3. Chambless LE, Folsom AR, Sharrett AR et al.: Coronary heart disease risk prediction in the Atherosclerosis Risk in Communities (ARIC) study. J Clin Epidemiol 2003; 56: 880–90.

4. Keil U, Fitzgerald AP, Gohlke H, Wellmann J, Hense HW: Risikoabschätzung tödlicher Herz-Kreislauf-Er- krankungen. Die neuen SCORE-Deutschland-Tabellen für die Primärprävention. Dtsch Arztebl 2005; 102 (25): A 1808–12 plus Methoden SCORE-Deutschland:

www.aerzteblatt.de/artikel/051808.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Ulrich Keil, Ph. D.

Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin Universität Münster

Domagkstraße 3 48149 Münster

E-Mail: keilu@uni-muenster.de

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internatio- nal Committee of Medical Journal Editors besteht.

Verselbstständigung der psychosomatischen Symptomatik

In der Kinder- und jugendpsychiatri- schen Praxis ist eine häufige Ursache für Somatisierungsstörungen das Auf- merksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hy- peraktivität. Mit dessen Diagnose er- gibt sich eine im oben genannten Artikel nicht erwähnte, aber sehr er- folgreiche kausale Behandlungsmög- lichkeit. Wird die Diagnose ADS/

ADHS gestellt, können die begleiten- den psychosomatischen Beschwerden mit einer in ein multimodales Thera- piekonzept eingebundenen Stimulanzi- M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 5⏐⏐3. Februar 2006 AA257

zu dem Beitrag

Somatisierungsstörungen bei Kindern

und Jugendlichen

von

Dr. med. Ulrich Hagenah Prof. Dr. med.

Beate Herpertz-Dahlmann in Heft 27/2005

DISKUSSION

(2)

entherapie recht erfolgreich und dauer- haft gebessert werden.

Noch immer wird dieser Subtyp des ADS zu selten diagnostiziert, wobei die psychosomatischen Beschwerden hier Folge und nicht Ursache der ADS-Pro- blematik sind. Bestehen neben psychoso- matischen Beschwerden folgende Funk- tionsbeeinträchtigungen, so sollte an das Vorliegen eines ADS gedacht werden:

– Aufmerksamkeit und Konzentrati- on können nicht willentlich konstant ge- halten werden

– Es besteht eine Reizüberflutung des Gehirns durch Filterschwäche

– Die Gefühlssteuerung ist spontan und ungebremst

– Zwischen Kurz- und Langzeitge- dächtnis kommt es zu Informationsverlu- sten

– Die verschiedensten motorischen Bereiche können betroffen sein.

Bei ausgeprägter ADS-Symptomatik mit ständiger Überforderung, fehlen- den Kompensationsmöglichkeiten, Un- verständnis des sozialen Umfelds, hohem Eigen- und Fremdanspruch leidet vor al- lem das Selbstwertgefühl der Betroffe- nen. Sie fühlen sich den Anforderungen nicht gewachsen, sind verunsichert und entwickeln eine negative Sichtweise. Er- folgt keine rechtzeitige Behandlung, kann es zur reaktiven Fehlentwicklung kommen mit sekundärer Somatisierung.

Eine mögliche Psychodynamik ist dabei Folgende:

– Beim ADS besteht eine Wahrneh- mungsverarbeitungsstörung, die zu Lern- defiziten mit Teilleistungsstörungen und fehlender sozialer Kompetenz führen kann. Die Folgen sind dann Misserfolgs- erlebnisse mit Enttäuschung, Frust, innerer Verunsicherung und schlechtem Selbstwertgefühl. Diese unbewältigten Konflikte führen zur sekundären Somati- sierung, wobei sich begleitende Stoff- wechselprozesse dann verselbständigen können.

– Patienten mit einem ADS ohne Hy- peraktivität reagieren introvertiert und regen sich nicht wie beim hyperaktiven Subtyp nach außen hin über Aggressio- nen ab, sondern geben sich für alles die Schuld. Sie entwickeln frühzeitig durch die Mitbeteiligung des serotonergen Systems Ängste, Zwänge und depressive Verhaltensmuster. Zwar haben dabei die Serotoninwiederaufnahmehemmer

einen therapeutischen Effekt, aber mit der Gabe eines Methylphenidats im Rah- men eines multimodalen Therapiepro- gramms könnte die eigentliche Ursache und somit die gesamte ADS-Problema- tik gebessert werden. Wenn es erforder- lich ist, können auch beide Medikamente miteinander kombiniert werden.

Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ist nicht selten die Ursache; seine ange- borenen neurobiologischen Defizite ha- ben eine anhaltende kognitive, emo- tionale, soziale und motorische Über- forderung zur Folge, die den Weg für eine reaktive Fehlentwicklung mit psycho- somatischen Beschwerden bahnt. Diese sekundäre Somatisierung erfolgt über Schmerzbahnen, die bei psychischer Be- lastung sofort über Stoffwechselprozesse aktiviert werden. Je länger die psychische Belastung besteht, umso mehr verselbst- ständigt sich dann die psychosomatische Symptomatik.

Dr. med. Helga Simchen Bonifaziusplatz 4a 55118 Mainz

Schlusswort

Im Hinblick auf Differenzialdiagnose und Komorbidität bei Somatisierungs- störungen im Kindes- und Jugendalter sind Aufmerksamkeitsstörungen mit und ohne Hyperaktivität häufig. Der Subtyp ohne Hyperaktivität (ICD 10: F98.8), von dem Mädchen häufiger betroffen zu sein scheinen, wird aufgrund fehlender ex- pansiver Verhaltensweisen in der Tat oft später erkannt oder übersehen. Bei Vor- liegen einer Aufmerksamkeitsstörung sollte, wie auch von Frau Simchen her- vorgehoben, selbstverständlich zunächst eine adäquate, wenn notwendig auch pharmakologische Behandlung der Auf- merksamkeitsstörung mit Stimulanzien oder Atomoxetin erfolgen. Falls sich hierüber in Kombination mit den darge- stellten Behandlungsmaßnahmen keine ausreichende klinische Verbesserung der Somatisierungsproblematik ergibt und zum Beispiel weiterhin die Schule nicht oder sehr unregelmäßig besucht werden kann, muss eine zusätzliche pharmakolo- gische Behandlung mit einem Serotonin- Wiederaufnahmehemmer erwogen wer- den. Die zugrundeliegenden Interaktio- nen des Neurotransmittersystems sind si-

cherlich zum jetzigen Zeitpunkt durch die bisher vorliegenden empirischen Daten nur in Ansätzen erklärbar. Die von Frau Simchen beschriebenen psy- chodynamischen und lernpsychologi- schen Aspekte sind erfahrungsgemäß in jedem Einzelfall unterschiedlich zu berücksichtigen. Eine ausführliche Dar- stellung der Behandlung der Aufmerk- samkeitsstörung bei Kindern und Ju- gendlichen hätte den Rahmen unserer Übersichtsarbeit deutlich überschritten.

Keinesfalls ist jede Somatisierungsstö- rung des Kindes- und Jugendalters auf ein ADS zurückzuführen.

Prof. Dr. med. Beate Herpertz-Dahlmann Dr. med. Ulrich Hagenah

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

Universitätsklinikum Aachen Neuenhofer Weg 21, 52074 Aachen

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internatio- nal Committee of Medical Journal Editors besteht.

Klare Einteilungen

Es ist begrüßenswert, dass die unkon- ventionellen Therapien kritisch be- leuchtet wurden. Leider besteht dabei die große Gefahr, dass die echten, die klassischen Naturheilverfahren (zum Beispiel Phytotherapie), die mit ihren M E D I Z I N

A

A258 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 5⏐⏐3. Februar 2006

zu dem Beitrag

Unkonventionelle

Therapien der multiplen Sklerose: Nutzen unklar

von

Priv.-Doz. Dr. med.

Stefan Schwarz

Priv.-Doz. Dr. rer. physiol.

Hans Leweling Prof. Dr. med.

Michael Daffertshofer Prof. Dr. med.

Hans-Michael Meinck in Heft 30/2005

DISKUSSION

Referenzen

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