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Produktionsprozeßplanung mit Genetischen Algorithmen

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Produktionsprozeßplanung mit Genetischen Algorithmen

Dipl.-Wi.-Math. Claudia Schmidt

BWL-Wirtschaftsinformatik, Justus-Liebig-Universität Gießen Licher Straße 70

35394 Gießen

Tel: +49 - 641 - 99 22621 Fax: +49 - 641 - 99 22619

Email: claudia.schmidt@wirtschaft.uni-giessen.de

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Algorithmen

Claudia Schmidt

BWL-Wirtschaftsinformatik, Justus-Liebig-Universität Gießen Email: claudia.schmidt@wirtschaft.uni-giessen.de

Inhalt

1 Einleitung ... 1

2 Notation und mathematische Formulierung ... 3

3 Integration eines Genetischen Algorithmus ... 5

4 Design eines Crossover-Operators ... 6

5 Details der Implementierung und Simulationsergebnisse... 9

6 Zusammenfassung und Ausblick... 11

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Zusammenfassung

Betrachtet wird das Problem der Prozeßplanung einer Produktionsstelle, auf der mehrere Produkte zyklisch gefertigt werden. Aufbauend auf der Formulierung des Problems als Economic Lot Scheduling Problem (ELSP) wird aufgezeigt, wie ein Genetischer Algorithmus als konzeptioneller Lösungsansatz in der Produktionsprozeßplanung eingesetzt werden kann. Dabei sind Standard- Genetische-Algorithmen so zu modifizieren, daß variable Chromosomenlängen gehandhabt werden können. Die wichtigsten Resultate betreffen das Design eines angepaßten Crossover-Operators und Simulationen für verschiedene Testprobleme.

1 Einleitung

Die Produktionsprozeßplanung ist der entscheidende Wegbereiter zur Reduktion von Produktionskosten und -zeiten in der Fertigung. Der Wandel von ungesättigten zu gesättigten Märkten läßt diesem Bereich besondere Bedeutung zukommen. Erheblicher Konkurrenzdruck und eine stärkere Kundenorientierung erfordern eine schnelle Reaktion auf Kundenwünsche, gesicherte Liefertermine und folglich niedrige Bestände bzw. kleine Losgrößen sowie kurze Durchlaufzeiten. Dieser Trend von „mass production to mass customization“ (Baker et al., 1997, S. 1) macht ein manufacturing reengineering (Madden et al., 1997, S. 2) notwendig, um auch die resultierende Produkt- und Variantenvielfalt handhabbar zu machen. Neben dem Einsatz Flexibler Fertigungssysteme als High-Tech-Investitionen sind dabei auch Lösungen und innovative Konzepte für die Planung der „konventionellen“ Fertigung gefragt (Schneider/Rinschede, 1996). Das Problem der Prozeßplanung einer einzelnen Produktionsstelle, auf der mehrere Produkte zyklisch gefertigt werden, wird in der Literatur intensiv diskutiert (vgl. z. B. Bomberger, 1966; Hsu, 1983;

Zipkin, 1992). Dies ist in der Bedeutung des Problems sowohl auf theoretischer als auch auf praktischer Ebene begründet:

Aus theoretischer Sicht lassen sich Modelle und Verfahren für die Planung einer Produktionsstelle nicht nur für diese Produktionsumgebung nutzen, sondern dienen auch als Basis bei der Untersuchung komplizierter Produktionsstrukturen. Dabei können Lösungsverfahren übertragen und problemspezifisch erweitert werden, ebenso können komplexe Strukturen in Teilprobleme mit einzelnen Produktionsstellen dekomponiert werden. Insbesondere kann in Systemen mit einem Engpaß der Einsatz von Modellen für einzelne Produktionsstellen zweckmäßig sein.

Beispiele für das Auftreten entsprechender Fertigungsstrukturen in der Praxis reichen von der Toner-Produktion für Drucker und Kopierer, über das Stanzen von Metallen, wobei verschiedene Formen auf einer Presse gestanzt werden, bis zur Herstellung von Verpackungsmaterial (Dobson, 1987; Pinedo, 1995).

Produktionsprozesse zeichnen sich jedoch neben ihrer Dynamik (z. B. bedingt durch

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Maschinenausfälle und/oder neue (Eil-)Aufträge) auch durch eine hohe Problemkomplexität aus. Optimierungsverfahren müssen folglich auf diese problemspezifischen Anforderungen zugeschnitten sein. Im Gegensatz zu klassischen Optimierungsverfahren handelt es sich bei Genetischen Algorithmen um sehr robuste Verfahren, die die Fähigkeit zur Adaption an dynamische Plandaten besitzen und die auch für komplexe Suchräume geeignet sind. Für den Bereich der Prozeßplanung und insbesondere für die integrierte Losgrößen- und Lossequenzplanung liegen kaum Forschungsergebnisse vor (siehe z. B. Osman/Laporte, 1996), allerdings zeigt eine Vielzahl von Arbeiten das Potential Genetischer Algorithmen für verschiedene ökonomische Anwendungen auf - insbesondere auch für die Bereiche Transportplanung (vgl. Oliver et al., 1987; Ulder et al., 1991; Potvin, 1996) und Ablaufplanung (vgl. Falkenauer/Bouffouix, 1991; Dorndorf/Pesch, 1995; Della Croce et al., 1995; Mattfeld, 1996).

Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wird in dieser Arbeit ein Genetischer Algorithmus zur Prozeßplanung einer Produktionsstelle eingeführt. Mit der Annahme, daß in der Produktionsstelle mehrere Produkte zyklisch gefertigt werden, läßt sich das Problem als Economic Lot Scheduling Problem (ELSP) formulieren. Wegen der Komplexität des Problems − Hsu zeigt, daß das Problem NP-schwer ist (Hsu, 1983) − bezieht sich ein Großteil der Literatur auf den Zwei- bzw. Dreiprodukt-Fall (vgl. hierzu z. B. Boctor, 1982;

Glass, 1992) oder Klassen von Ablaufplänen mit speziellen eingeschränkten Loszyklen (vgl.

z. B. Philipoom, 1989; Gallego, 1991; Park/Yun, 1984). Diese Arbeit abstrahiert von diesen Vereinfachungen und stützt sich auf ein Modell, das ursprünglich von Maxwell eingeführt wurde (Maxwell, 1964) und insbesondere von Dobson und Zipkin wieder aufgegriffen wurde (Dobson, 1987; Zipkin 1991). Aufbauend auf dieser Formulierung wird ein Genetischer Algorithmus zur Lösung eingesetzt. Dabei führt die Kodierung von Produktionszyklen zu Chromosomen variabler Länge und Standard-Genetische-Algorithmen sind nicht anwendbar. Diese müssen daher so modifiziert werden, daß variable Chromosomenlängen gehandhabt werden können. Die wichtigsten Resultate betreffen das Design eines entsprechend angepaßten Crossover-Operators und Simulationen für verschiedene Testprobleme.

Im folgenden Abschnitt wird zunächst das Problem der Prozeßplanung einer Produktionsstelle in allgemeiner Form als Economic Lot Scheduling Problem (ELSP) dargestellt. In Abschnitt 3 wird ein Ansatz zur Integration eines Genetischen Algorithmus vorgestellt. Die dadurch notwendige Anpassung des Crossover-Operators wird in Abschnitt 4 dargestellt. Darauf aufbauend werden in Abschnitt 5 Einzelheiten der Implementierung und Simulationsergebnisse präsentiert. Abschnitt 6 faßt die wichtigsten Resultate zusammen und gibt einen kurzen Ausblick auf die künftige Forschungsarbeit.

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2 Notation und mathematische Formulierung

Bei Planung einer Produktionsstelle, auf der mehrere Produkte zyklisch gefertigt werden, ist neben der Zykluszeit T (Periodendauer des Systems) die Produktfolge f zu bestimmen. Für eine Produktfolge der Länge n gibt f = {f1,...,fn} die Reihenfolge an, in der die Produkte in jedem Zyklus aufgelegt werden. Dabei sind wiederholte Auflagen eines Produktes möglich.

Die Produktfolgen f sind Element der Potenzmenge F aller Produktfolgen. Für jeden Eintrag einer Produktfolge f sind Produktionszeiten des zugehörigen Produktes und Leerzeiten der Maschine zu bestimmen. Diese werden durch die Vektoren t = (t1,...,tn) (Produktionszeiten) und u = (u1,...,un) (Leerzeiten) spezifiziert. ri ( i=1,...,n ) entspricht der Rüstzeit des an der i- ten Stelle der Produktfolge produzierten Produkts. Rüstzeiten werden als reihenfolgeunabhängig und für jedes Produkt bekannt vorausgesetzt.

Abbildung 1 gibt ein Beispiel für Lagerbestandsentwicklungen einer Produktionsstelle, auf der drei Produkte zyklisch in der Produktfolge f = {2, 3, 2, 1} gefertigt werden. r1, t1 bzw.

u1 geben Rüstzeiten, Produktionszeiten bzw. Leerzeiten der Maschine für das erste Produkt der Folge f - hier Produkt 2 - an. r2, t2 bzw. u2 geben entsprechende Zeiten für das zweite Produkt der Folge - hier Produkt 3 -an, usw.

Lagerbestand

t1 t2 Zeit

r1 u1 r2 u2 r3 t3 u3 r4 t4 u4

T

Produkt 1 Produkt 2 Produkt 3

Abbildung 1: Lagerbestandsentwicklung einer Produktionsstelle

Mit konstanten Produktionsraten pi, konstanten Nachfrageraten di, bekannten Rüstkosten Ri

bzw. Lagerhaltungskostensätzen hifür die Produkte i=1,...,m und der Vernachlässigung von Fehlmengen entsprechen die Annahmen des ELSP denen klassischer Lagerhaltungsmodelle.

Mit der Zielsetzung, die mittleren Kosten pro Zeiteinheit cf zu minimieren, ergibt sich folgende Formulierung (Dobson, 1987):

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( inf,..., )

f f f F

= n

1

min c

T R h p d p

d t

f f f f f

f

f j

j j j j

j j j

n

= +

=

1 1

2

2

[

1( ( ) )

]

unter Beachtung von

(t r u ) p d t

j j j

f

f k

j j L j

k

+ + =

∑ k = 1 ,..., n (1)

(tj rj uj) T

j

n + + =

=1

(2)

uk ≥0,T>0 k = 1 ,..., n

Für den Einproduktfall bei endlicher Fertigungsgeschwindigkeit erhält man Lagerhaltungskosten von R + ½ h (p-d) p/d t2 . Die Zielfunktion cf ergibt sich durch Summation dieser Lagerhaltungskosten über alle Einträge der Produktfolge f und anschließender Division durch die Zykluszeit T.

Die Nebenbedingungen (1) stellen sicher, daß bei jeder Auflage von Produkt k die Nachfrage bis zur nächsten Auflage des Produktes gedeckt ist. Dabei werden für eine Folge f die Positionen von k bis zur Position, an der das an k-ter Stelle gefertigte Produkt neu aufgelegt wird − exklusive der Position der Neuauflage −, in der Menge Lk zusammengefaßt.

Die Zykluszeit T wird in Nebenbedingung (2) als Summe der Produktionszeiten t, der Rüstzeiten r und der Leerzeiten u bestimmt.

Das ELSP läßt sich also als zweistufiges Problem auffassen:

1. Stufe (kontinuierlicher Teil): Bestimme zu jeder endlichen Produktfolge f die Produktionszeiten t und Leerzeiten u mit minimalem Zielfunktionswert cf.

2. Stufe (kombinatorischer Teil): Bestimme die Produktfolge f∈F, die zum niedrigsten Wert von cf führt.

Die Literatur bezieht sich häufig auf die Lösung relaxierter Probleme, bei denen vom kombinatorischen Teil abstrahiert wird (vgl. z. B. Maxwell, 1964; Doll/Whybark, 1973;

Dobson, 1987). Zulässige Folgen f werden dabei mit Hilfe einer einfachen Heuristik bestimmt, wobei Methoden zur sukzessiven Ermittlung verbesserter Folgen nicht untersucht werden. Der folgende Abschnitt zeigt, wie ein Genetischer Algorithmus intuitiv zur Optimierung des kombinatorischen Teils eingesetzt werden kann.

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3 Integration eines Genetischen Algorithmus

Die Grundideen Genetischer Algorithmen gehen unter anderem auf Holland zurück (Holland, 1975), der die Evolutionslehre nutzt, um Mechanismen adaptiver Systeme zu erläutern. Ein Genetischer Algorithmus arbeitet mit einer Menge von Lösungen, den sog. Individuen einer Population. Iterativ werden Individuen durch Crossover neu kombiniert, elementweise zufällig verändert (Mutation) und Lösungen selektiert. Eine umfassende Darstellung findet man z. B. bei Goldberg (Goldberg, 1989).

Für das ELSP sind Kodierung und Ablauf des Genetischen Algorithmus in Abbildung 2 dargestellt.

Initialisierung f 1= (1, 2, 1, 2, 3, 2), f 2= (2, 3, 2, 1), . . . REPEAT

Rekombination f i= (1, 2, 1, 2, 3, 2) ? f j= (2, 3, 2, 1) ?

Mutation f i= (1, 2, 1, 2, 3, 2) → f i= (1, 3, 1, 2, 3, 2) Bewertung f i∈F

Selektion

Transformation

UNTIL (Stop Kriterium)

min

c T h p d p

d t

f f f f f

f f

j j

n

Rj j j j

j j

= +

=

1 1

2

2

[ 1( ( ) )]

unter Beachtung von

(t r u) p

d tk

j j j

f j L f

j k j

+ + =

(tj rj uj) T

j

m + + =

= 1

u T

k0, >0

Fitness

Zielfunktionswert

f1 f2 f3 f4

f5f6

Stochastic Universal Sampling

(2) (1)

(8)

Abbildung 2: Kodierung und Ablauf des Genetischen Algorithmus

Die Initialisierung erfolgt durch die Generierung von Individuen, deren Chromosomen in ihrer Kodierung Produktfolgen f i entsprechen. Damit muß der Crossover-Operator zur Rekombination in der Lage sein, Chromosomen unterschiedlicher Länge zu handhaben.

Dies ist mit herkömmlichen Crossover-Operatoren nicht möglich. Ein Lösungsansatz wird detailliert im folgenden Abschnitt 4 dargestellt. Die Mutation kann in ihrer üblichen Form mit einer genbezogenen Mutationswahrscheinlichkeit durchgeführt werden, d. h. Einträge der Produktfolge werden mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit durch andere Elemente aus der Menge der Produkte ersetzt. Eine Bewertung der Individuen der Population erfolgt durch die Lösung des kontinuierlichen Teils des ELSP: Für eine gegebene Produktfolge f i ist dabei die Lösung cf des nichtlinearen Optimierungsproblems im kontinuierlichen Teil zu bestimmen. Dies wird numerisch über ein Gradientenverfahren mit Schrittlängensteuerung nach Goldstein realisiert (eine ausführliche Darstellung findet man bei z. B. bei Fletcher, 1987). Durch eine lineare Transformation mit Steigung -1 und mit dem schlechtesten Zielfunktionswert der letzten k Populationen als Ordinate (Skalierung über ein Fenster der Größe k) (Grefenstette, 1986) werden niedrigen Zielfunktionswerten hohe Fitneßwerte zugewiesen, die bei der Selektion begünstigt werden. Die eigentliche Selektion erfolgt fitneßproportional über Stochastic Universal Sampling (eine ausführliche Darstellung findet man bei Baker, 1987) als Auswahlmechanismus, wobei eine Population komplett durch ihre Nachkommen ersetzt wird (generational replacement).

4 Design eines Crossover-Operators

Die am häufigsten eingesetzten Crossover-Operatoren und insbesondere das 1-Punkt Crossover als Standardoperator sind auf Populationen mit fest vorgegebenen, gleichen Chromosomenlängen zugeschnitten und nicht in der Lage, aus Chromosomen variabler Länge sinnvolle Nachkommen zu erzeugen. Dies wird anhand des Beispiels in Abbildung 3 verdeutlicht:

Im Fall gleicher Chromosomenlängen wird ein Arbeitsplatzrechner über ein Chromosom mit drei Genen für Bildschirm, Tastatur und Zentraleinheit spezifiziert. Die Anwendung eines 1- Punkt Crossover ist unproblematisch und führt zu neu zusammengesetzten Arbeitsplatzrechnern.

Bei der unreflektierten Anwendung von Standard-Crossover-Operatoren in Populationen mit unterschiedlichen Chromosomenlängen werden Nachkommen mit überspezifizierten oder fehlenden Genen erzeugt. Variiert die Chromosomenlänge, hier durch die Existenz eines zusätzlichen Gens für eine Maus, ist bei einem Nachkommen kein Gen für einen Bildschirm vorhanden − der Arbeitsplatz wird unbrauchbar −, während der andere Nachkomme ein ungewollt dupliziertes Gen für den Bildschirm besitzt.

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Abbildung 3: Crossover bei variablen Chromosomenlängen

Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, wie Systeme mit variablen Chromosomenlängen gehandhabt werden können: Messy Genetic Algorithms von Goldberg und Deb (Goldberg/Deb 1991), Koza’s Genetic Programming (Koza, 1992), Harvey’s SAGA Cross (Harvey, 1992) und Hierarchical Crossover von Bentley und Wakefield (Bentley/Wakefield, 1996). In dem hier vorgestellten Ansatz werden - in Anlehnung an Bentley und Wakefield - in den Chromosomen zunächst Gene bestimmt, die dieselben Parameter des Problems spezifizieren, sogenannte semantisch äquivalente Gene.

Während bei vielen Problemen die Zusammengehörigkeit bestimmter Gene auf der Hand liegt - im obigen Beispiel sind offensichtlich die Gene für Bildschirm, Tastatur bzw.

Zentraleinheit jeweils semantisch äquivalent -, sind semantische Äquivalenzen von Genen in den Produktfolgen f i nicht offensichtlich.

Die Verwendung des 1-Punkt Crossover legt implizit fest, daß die i-ten Positionen der Produktfolge äquivalent sind. In der Konsequenz sind überbestimmte Gene immer an den letzten Stellen des Chromosomenstrangs zu finden. Diese Zuordnung ist willkürlich und wenig auf das Problem zugeschnitten. Eine besser auf die Problemspezifika zugeschnittene Vorgehensweise ergibt sich mit der Annahme, daß semantisch äquivalente Gene durch die i- ten Auflagen eines Produktes bestimmt werden. Die Überbestimmtheit von Genen liegt dann in den letzten Auflagen eines Produktes.

Beim Crossover werden zwei semantisch äquivalente Gene durch ein Label gekennzeichnet, überspezifizierte Gene − ohne Pendant − bleiben ohne Label. Mit dem Setzen der Label entstehen Permutationscodierungen, für die mit beliebigen Sequenzoperatoren gearbeitet werden kann. Unterschiedliche Sequenzoperatoren wurden insbesondere im Zusammenhang mit dem Traveling Salesman Problem untersucht: Uniform Order-Based Crossover (Davis, 1991), Cycle Crossover (Olivier et al., 1987), Partially Mapped Crossover (Goldberg, 1989) etc. Jeder dieser Operatoren kann für die hier vorgestellte Problemstellung eingesetzt

Crossover bei Chromosomen identischer Länge:

Crossover bei Chromosomen variabler Länge:

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werden.

Abbildung 4 veranschaulicht das Vorgehen am Beispiel des Uniform Order-Based Crossover (UO-BX) als einem häufig eingesetzten Sequenzoperator.

f1 f2

1 2 1 2 3 2 2 3 2 1

Labeling lf lf

1

2

1 2 * 3 4 * 2 4 3 1

lf lf

1

2

4 2 * 3 1 * 2 4 3 1

UO-BX mit Bitmaske

f1 f2

3 2 1 2 1 2 2 3 2 1

Rück- transformation

0 1 0 0

x

x

x

x

Abbildung 4: Uniform Order-Based Crossover bei variabler Chromosomenlänge Zunächst erhalten Gene in f1 und f2, die den i-ten Auflagen eines Produktes entsprechen, gleiche Label. Überspezifizierte Gene werden mit ‘*’ gekennzeichnet und bleiben beim Crossover unberücksichtigt. In dem obigen Beispiel entstehen die Label-Chromosomen lf 1

und lf 2 . Das UO-BX läuft wie folgt ab: Zunächst wird eine binäre Bitmaske, deren Länge der Anzahl der Label entspricht, erzeugt. Für den ersten Nachkommen bleiben die Chromosomeneinträge an den Positionen erhalten, für die eine ‘1’ in der Bitmaske steht. Die Lücken werden von links nach rechts mit den verbleibenden Elementen gefüllt, wobei die Reihenfolge mit der Reihenfolge der Elemente im zweiten Chromosomenstrang übereinstimmt. In lfx1 werden die überspezifizierten Gene an den Positionen drei und sechs mit ‘*’ markiert. Der Eintrag an Position zwei bleibt erhalten, da die Bitmaske an dieser Position den Eintrag ‘1’ hat. Die verbleibenden Label werden von links in der Reihenfolge 4, 3, 1 eingetragen. Analog wird der zweite Nachkomme lfx2erzeugt, wobei nun Einträge an Positionen mit einer ‘0’ in der Bitmaske erhalten bleiben. Die Rücktransformation der Sequenzstrings in Produktfolgen fx1 und fx2 erfolgt über das Ersetzen der Label durch zugehörigen Produkte, d. h. dem Label 4 entspricht das Produkt 3, Label 2 das Produkt 2, usw.

Ein Problem der oben genannten Crossover-Operatoren ist, daß sie zwar unterschiedliche Chromosomenlängen handhaben können, diese Längen aber in der Regel unverändert lassen. Nur für den Fall, daß bei der Rücktransformation Chromosomen mit demselben Produkt in zwei benachbarten Positionen stehen, werden diese zusammengefaßt, und der Chromosomenstrang verkürzt sich.

Die einfachste Art, Chromosomenlängen zu variieren, entspricht dem Einsatz eines

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problemspezifisch angepaßten Mutations-Operators: Gene oder Gensequenzen werden zufällig gelöscht bzw. hinzufügt. Beispielsweise gehen Bentley und Wakefield in dieser Art vor. Darüber hinaus stellt Maxwell zwei Cycle Changer vor, die als problemspezifische Heuristik zur Variation der Chromosomenlänge in diesem Kontext eingesetzt werden können (Maxwell, 1964).

5 Details der Implementierung und Simulationsergebnisse

Der Genetische Algorithmus wird mit zufällig generierten Produktfolgen, deren Länge zwischen der Anzahl der Produkte und einer fest vorgegebenen maximalen Länge liegt, initialisiert. Die Rekombination erfolgt über das in Abschnitt 4 erläuterte Uniform Order- Based Crossover und die Mutation wird mit einer genbezogenen Mutationswahrscheinlichkeit realisiert. Wie in Abschnitt 3 dargestellt, wird fitneßproportional über Stochastic Universal Sampling selektiert.

Für die Bewertung einer Produktfolge fi ist das Minimum des nichtlinearen Optimierungsproblems im kontinuierlichen Teil des ELSP zu bestimmen. Dabei werden die mittleren Kosten pro Zeiteinheit cf in Abhängigkeit von den Leerzeiten u der Maschine numerisch minimiert.

Die Implementation wird in PASCAL auf einem PC mit Pentium-Prozessor durchgeführt und zunächst mit dem ursprünglich von Bomberger eingeführten Benchmark-Problem für 10 Produkte getestet (Bomberger, 1966), wobei nach einer Feinabstimmung der Kontrollparameter die Werte aus Tabelle 1 verwendet werden.

Anzahl Generationen

Populations- größe

Crossover- rate

Mutations- rate

maximale Länge Produktfolge

Fenstergröße beim Skalieren

100 100 0.7 0.01 35 4

Tabelle 1: Parameterwerte des Genetischen Algorithmus

Simulationen werden für unterschiedliche Nachfrageraten di durchgeführt. Dabei erhöht sich mit wachsendem di die Auslastung der Maschine und die Ermittlung zulässiger Produktionsfolgen wird erschwert. Die Ergebnisse entsprechender Simulationen für verschiedene Nachfrageraten sind in Tabelle 2 aufgeführt.

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Nachfrageratedi obere Schranke Doll/Whybark Genetischer Algorithmus

untere Schranke

1 2260 1699 1699 1697

3 3685 2814 2810 2808

4 4117 3207 3193 3162

Tabelle 2: Simulationsergebnisse für unterschiedliche Nachfrageintensitäten

Die mit dem Genetischen Algorithmus erzielten Ergebnisse werden oberen und unteren Schranken (zu deren Ermittlung siehe z. B. Domschke et al., 1993) und den bisher besten ermittelten Zielfunktionswerten von Doll und Whybark (Doll/Whybark, 1973) gegenübergestellt. Für di=1 entspricht der Zielfunktionswert von 1699 dem von Doll und Whybark. Die Ergebnisse des Genetischen Algorithmus für Nachfrageraten di=3 bzw. di=4 liegen unter den bisher bekannten minimalen Werte. Darüber hinaus werden mit dem Genetischen Algorithmus konkrete Prozeßpläne in Form von Produktfolgen mit Produktions- und Leerzeiten generiert, während von Doll und Whybark Lösungen implizit durch Auflagehäufigkeiten der Produkte angegeben werden.

Weitere Tests werden für zehn zufällig generierte Datensätze durchgeführt. Die Parameter werden normalverteilt in vorgegebenen Intervallen generiert, wobei die Parameter für die Produktionsrate pi und die Lagerhaltungskostensätze hi ohne Beschränkung der Allgemeinheit auf den Wert 1 fixiert werden. Tabelle 3 gibt die Verteilung für den Testdatensatz wider.

di ri Ri pi hi

[0.5 , 0.05] [1 , 5] [50 , 100] 1 1

Tabelle 3: Verteilung der Parameterwerte für Testdatensatz

Da die Maschinenauslastung den Schwierigkeitsgrad der Probleme bestimmt, wurde für den ersten Testdatensatz die Anzahl der Produkte solange erhöht, bis die Maschinenauslastung

∑di/pi größer als 0.5 ist, und für den zweiten Testdatensatz solange bis ∑di/pi ≥ 0.8 gilt.

Tabelle 4 zeigt die Ergebnisse der Simulationen.

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Datensatz Anzahl Simualtionen mittlere Abweichung von unterer Schranke

max. Abweichung von unterer Schranke

CPU Zeit in Sek.

di/pi 0.5 25 1.006 1.011 15730

di/pi 0.8 25 1.017 1.027 20810

Tabelle 4: Simulationsergebnisse für Testdatensatz

Für jedes der fünf Probleme aus den Testdatensätzen wurden fünf Simulationen durchgeführt. Der Einsatz des Genetischen Algorithmus ist sehr rechenzeitintensiv, liefert jedoch Ergebnisse, die nur geringfügig von den jeweiligen unteren Schranken abweichen. Für Probleme des ersten Datensatzes ist eine maximale Abweichung von 1.1% aufgetreten, die mittlere Abweichung von der unteren Schranke liegt bei 0.6%. Für den zweiten Datensatz mit einer Maschinenauslastung von über 80% sind die Abweichungen etwas höher, jedoch mit 1.7% für die mittlere und 2.7% für die maximale Abweichung immer noch sehr gering.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Aktuelle Entwicklungen in der Fertigung sind durch beträchtlichen Konkurrenzdruck und verstärkte Kundenorientierung geprägt. Aus der Anforderung, in kurzer Zeit maßgeschneiderte Produkte für individuelle Kundenwünsche zu erstellen, ergibt sich die Notwendigkeit, Produktionsprozesse neu zu konzipieren und zu strukturieren. Vor diesem Hintergrund untersucht diese Arbeit die Prozeßplanung einer Produktionsstelle, auf der zyklisch Produkte gefertigt werden.

Mit einem Genetischen Algorithmus konnte ein Lösungsverfahren gefunden werden, das den problemspezifischen Anforderungen − Komplexität und Dynamik − gerecht wird. Als zentrales Problem beim Einsatz dieses Verfahrens erweist sich die Notwendigkeit, variable Chromosomenlängen zu handhaben. Durch die Adaption des Crossover-Operators konnte in dieser Arbeit ein Genetischer Algorithmus für das ELSP konzipiert werden.

Simulationsergebnisse anhand des von Bomberger eingeführten Benchmark-Problems für das ELSP und anhand zufällig generierter Datensätze untermauern die Leistungsfähigkeit des vorgestellten Ansatzes: Für das Problem von Bomberger konnten - insbesondere bei einer hohen Maschinenauslastung und einer damit erheblich erschwerten Produktionsprozeßplanung - die aus der Literatur bekannten Ergebnisse verbessert werden.

Gestützt wird dieses Resultat ebenfalls durch die Simulationsergebnisse bei zufällig generierten Datensätze. Auch für Auslastungsgrade der Produktionsstelle von 80% konnten Prozeßpläne von sehr hoher Qualität ermittelt werden.

In weiteren Forschungsarbeiten steht neben umfassenden Simulationen auch die

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Untersuchung von Möglichkeiten der Parallelisierung des Genetischen Algorithmus (um Rechenzeiten zu reduzieren) und die Analyse unterschiedlicher Ansätze bei der Bestimmung semantisch äquivalenter Gene im Vordergrund.

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Literaturverzeichnis

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