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Archiv "Das UBO-Syndrom :Eine iatrogene Schädigung durch Kernspintomographie: 1 Ergänzungen notwendig" (19.05.1995)

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MEDIZIN

1 Ergänzungen notwendig

Generell wird in der Medizin und insbesondere bei den praktisch täti- gen Medizinern häufig übersehen oder mit dem nötigen Ernst nicht be- dacht, daß die Wahrnehmung von Phänomenen der Wirklichkeit nicht identisch ist und ätiologischen Kate- gorien, also Diagnosen, nicht eindeu- tig zugeordnet werden kann. Das er- kenntnistheoretisch bekannte Phäno- men (seit der klassischen vorsokrati- schen Philosophie) wird in heutiger Zeit bei überwiegend positivistisch vorherrschender Denkungsart ver- nachlässigt und häufig negiert. In Er- ahnung dieser Diskrepanz wird in ei- ner Art Umkehrschluß der praktisch eingestellten Kliniker häufig vom Diagnostiker gefordert: "Don't tell me what you think, tell me what you see!" Auch der Kollege, der so han- delt, entgeht dem erkenntnistheoreti- schen Dilemma nicht. Er verlagert nur den Zuordnungsprozeß Phäno- men-Diagnose vom Kopf des Radio- logen in seinen eigenen. Die umfang- reiche Diskussion zu diesem Thema findet in der angelsächsischen Publizi- stik in erfrischender Weise statt, ich möchte hier nicht speziell darauf ein- gehen. Es ist aber kurz gesagt nicht anzunehmen, daß ein klinisch erfah- rener Kollege ohne genaue Kenntnis der jeweils eingesetzten Methode bes- sere und sichere Diagnosen findet als ein Diagnostiker, der die klinischen Implikationen seiner phänomenolo- gischen Beschreibungen nicht be- rücksichtigt oder nicht kennt. Es soll- te also innerärztlich und interdiszi- plinär alles darangesetzt werden, daß dieser Zusammenhang erkannt wird und daß in Aus- und Weiterbildung der medizinischen Fachdisziplinen (und alle Disziplinen sind betroffen) der Zusammenhang von Befundge-

DISKUSSION

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.

Manfred Stöhrer in Heft 46/1994

winnung, Diagnosestellung und the- rapeutischem Prozedere erörtert wird.

Die dargestellten Fallkonstella- tionen sind sicherlich nachvollzieh- bar, wenn auch gerade dann eine prä- zise analytische Darstellung gefordert werden muß: Das abgebildete Kern- spintomogramm zeigt mit Sicherheit nicht ein normales Großhirnmarkla- ger, wenn auch aus einigen Bildaspek- ten schon auf diesem Bild die Diagno-

2 Ins Schwarze getroffen

Mit seinem Beitrag hat der Autor ins Schwarze (weiße Substanz) der MRI (Kernspin)-Diagnostik getrof- fen: Unkundige pathologisierende Befundungen oder. Bewertungen von Herden im MRI führen zu falschen Diagnosen, hohen Kosten und zu unnötigen Ängsten bei Patienten.

Trotz genereller Zustimmung möchte ich zu diesem Beitrag mehre- re Einschränkungen vorbringen:

a) die Entwicklung apparativer Absicherung läßt sich trotz GSG nicht zurückschrauben — (einem renom- mierten Klinikleiter, wie dem Autor, fällt es leichter, auf ein MRI zu ver- zichten, als einem unter Zeit- und Pa- tientendruck stehenden niedergelas- senen Neurologen). Abhilfe sähe ich in der Forderung nach mehr neuro- logischer und neuroradiologischer

se einer disseminierten Enzepha- lomyelitis für eher unwahrscheinlich erachtet werden muß. Das Obenge- sagte kommt hier voll zur Geltung.

Um "unidentified bright objects" im eigentlichen Sinne handelt es sich hier sicherlich nicht. Es ist dem Autor aber zuzustimmen, daß die bildgebende Methodik nicht von klinisch unerfah- renen Kollegen fehlbenutzt werden sollte, bloß wie soll das außer durch verbesserte Aus- und Weiterbildung verhindert werden?

Der sehr wichtige Aspekt des

„hysteroiden Patienten" begegnet uns auf Schritt und Tritt in der gesam- ten Medizin, insbesondere im hoch- technisierten Bereich. Hier liegt ein grundlegendes Mißverständnis unse- rer Gesellschaft gegenüber techni- schen Methoden vor. Wir sehen das in aller Schärfe bei den Laboranalysen und insbesondere beim HIV-Test.

Nur werden wir hier so schnell keinen Weg der Besserung finden, es sei denn, über die in Zukunft nicht mehr von der gesamten Gesellschaft be- zahlbaren Kosten.

Dr. med. Thomas Berger

Radiologische Gemeinschaftspraxis Neumarkt 11

65549 Limburg/Lahn

Kompetenz bei den niedergelassenen Radiologen, die MRI von Hirn und Spinalkanal durchführen und befun- den. Die meisten der vom Autor ge- nannten „Gefahren" durch MRI ließen sich meines Erachtens dadurch vermeiden.

b) mit der Überschrift „. . . iatro- gene Schädigung durch Kernspinto- mographie" impliziert der Autor die ärztlich ausgelöste Entwicklung einer Hypochondrie bei Patienten durch MRI. Nach meiner Erfahrung stimmt das nicht: Zwar gibt es Patienten, die bei hohem „hypochondrischen Ein- gangspotential" reichlich Nahrung durch solche MRI-Fehlbewertungen finden, aber es gibt auch Patienten mit einer „gesunden Krankheitsverdrän- gung", die man schnell von der relati- ven Bedeutungslosigkeit solcher MRI-Herde überzeugen kann.

c) nach der Formulierung des Autors birgt das MRI „Gefahren",

Das UBO-Syndrom

Eine iatrogene Schädigung durch Kernspintomographie

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 20, 19. Mai 1995 (57) A-1451

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MEDIZIN

wenn es ohne klare Indikationsstel- lung oder ohne vorausgehende exakte neurologische Untersuchung einge- setzt wird. Obgleich ich verstehe, was der Autor damit meint, muß ich die- ser Aussage prinzipiell widerspre- chen: Das MRI, als nicht invasive, nicht strahlenbelastende diagnosti- sche Methode ist und bleibt für den Patienten gefahrlos — gleichgültig, ob die Indikation stimmt und eine neuro- logische Untersuchung vorausgegan- gen ist oder auch nicht. Was der Autor als „Gefahren" des MRI bezeichnet, sind hingegen Fehlbewertungen und deren Konsequenzen nebst der Ko- sten. Aber das trifft auf jede andere apparative Diagnostik ebenso zu.

d) Interessant bleibt das Vor- kommen solcher MRI-Herde bei so- genannten Gesunden (Patienten oh- ne Beschwerden und ohne Krank- heitszeichen). Warum haben etliche Gesunde solche Herde, die Mehrzahl jedoch nicht? Es liegen wenig Daten über histologische Aufarbeitungen solcher MRI-Herde vor. Noch wissen wir nicht, ob Gesunde mit MRI-Her- den nach 10 bis 20 Jahren eine ande- re neuropsychiatrische Entwicklung nehmen, als Gesunde ohne. Hier feh- len noch Daten.

Dr. med. Johannes Bayerl Chefarzt der Neurologischen Klinik am Heinrich-Lanz- Krankenhaus

Feldbergstraße 68-70 68163 Mannheim

3 Titel irreführend

Als kemspintomographisch täti- ger Radiologe mit entsprechen- der neuroradiologischer Erfahrung möchte ich die Grundaussage des Bei- trages von Herrn Prof. Stöhr generell unterstützen.

Der neuroradiologisch tätige Mediziner sollte sich auf die Beschrei- bung des Befundes und den Hinweis auf die möglichen Differentialdiagno- sen beschränken. Eine Interpretation in Zusammenschau mit der klinisch- neurologischen Symptomatik steht selbstverständlich dem überweisen- den Neurologen zu.

Unabhängig hiervon halte ich den Titel des Artikels für irreführend:

DISKUSSION

Die Kernspintomographie als eine diagnostische neuroradiologische Me- thode führt zu keiner „iatrogenen Schädigung".

Dr. med. J. Leonhardi Chefarzt des Instituts für bildgebende Diagnostik Zentralklinik Bad Berka GmbH 99437 Bad Berka

4 Schlußfolgerung unlogisch

Bei der Befundinterpretation kernspintomographischer Bilder ist Zurückhaltung geboten. Dies gilt in .besonderem Maße für die Primärdia-

gnostik bei Verdacht auf Multiple Sklerose.

UBO (unidentified bright ob- jects), WML (white matter lesions), PVH (periventricular hyperdensity) oder DWMH (deep white matter hy- perintensity) sind Synonyme für helle Flecken in der weißen Substanz.

Bis zu 20 Prozent sind bei gesun- den Personen nachweisbar, deutlich mehr bei hypertensiven Patienten und sogar bis 100 Prozent bei demen- ten Patienten (Yetkin et al.: Radiolo- gy 1991; 178: 447-451).

Jedoch sind Fehlinterpretationen und Fehldiagnosen in jeder medizini- schen Disziplin die ständigen Wegbe- gleiter.

Die durchschnittliche Quote der klinischen Fehldiagnosen wird in der Literatur mit 20 bis 40 Prozent ange- geben.

Allerdings kann die Radiologie für sich als Fachgebiet in Anspruch nehmen, sich in besonderem Maße Gedanken über die Ursachen von Fehldiagnosen und deren Reduzie- rung zu machen.

Yetkin et al. können sich auf zahl- reiche Studien berufen, in denen die Spezifität der kernspintomographi- schen Diagnostik für die MS mit 59 bis 100 Prozent angegeben wird, je nach angewandten Kriterien der Bildinter- pretation, der Berücksichtigung kli- nisch relevanter Befunde und unter Ausschluß fraglicher Herde.

Von einer „geringen Spezifität"

kann also nicht die Rede sein. Aller- dings haben 2 bis 4 Prozent gesunder Personen hyperintense periventri-

kuläre Herde, die auf der Basis gegen- wärtiger Kriterien nicht von einer MS unterschieden werden können.

Prof. Stöhr bezeichnet die Multi- ple Sklerose als „klinische Diagnose, die sich auf die klinische Symptoma- tik und die Verlaufsbeobachtung stützt, apparative Methoden können die Diagnose höchstens stützen."

Vielleicht ist es für die Charakte- risierung der ärztlichen Erkenntnis- findung hilfreich, von direkter und in- direkter Diagnostik zu sprechen.

Eine direkte Diagnostik wäre beispielsweise die histopathologische Diagnose eines Magengeschwürs.

Eine indirekte Diagnostik findet immer dann statt, wenn die histopa- thologische Diagnostik nicht ange- wandt werden kann.

Eine indirekte Diagnostik, wozu die klinische neurologische, Diagno- stik gehört, wird anhand von Be- schwerden, Symptomen, Befunden und Testergebnissen gestellt, die als Indikatoren bezeichnet werden kön- nen.

Die radiologische und damit die kernspintomographische Diagnostik ist gleichfalls ein Beispiel für indirek- te Diagnostik durch Indikatoren. Es gibt bekanntlich keine Krankheit, die radiologisch definiert ist, aber den- noch kann man anhand von radiologi- schen Indikatoren auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Krankheit schließen (Sadegh-zadeh in: Meta- med 1,1977).

Eine Rangskala der diagnosti- schen Wichtigkeit und Bedeutsamkeit kann daraus nicht abgeleitet werden;

denn der radiologische „Bilddeuter"

macht prinzipiell nichts anderes als der neurologische „Symptomdeuter".

Warum Prof. Stöhr ein Umden- ken von Ärzten und Patienten in Richtung einer „neuen Bescheiden- heit" fordert, kann aus dem Einsatz apparativer Verfahren nicht schlüssig belegt werden. Sinnvoll wäre statt dessen die Forderung einer „rationel- len Diagnostik".

Dr. med. Rolf Kaiser Arzt für Radiologische Diagnostik

— Neuroradiologie —

Institut für Kernspintomographie Müllerstraße 56-58

13349 Berlin A-1452 (58) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 20, 19. Mai 1995

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