• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Optionen der bildgestützten Bestrahlung" (22.04.2011)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Optionen der bildgestützten Bestrahlung" (22.04.2011)"

Copied!
8
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ÜBERSICHTSARBEIT

Optionen der bildgestützten Bestrahlung

Eine neue Dimension in der Radioonkologie

Florian Sterzing, Rita Engenhart-Cabillic, Michael Flentje, Jürgen Debus

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Bildgebende Verfahren sind nicht nur essenziell in Diagnostik und Planung einer Strahlentherapie. Technische Neuerungen haben auch die Inte- gration verschiedener Bildgebungsmodalitäten in die tägliche Anwendung der Radiotherapie direkt am Bestrahlungsgerät ermöglicht und damit das Manage- ment inter- und intrafraktioneller Variationen verbessert.

Methode: Übersicht zur bildgestützten Strahlentherapie (IGRT) auf Basis einer selektiven Literaturrecherche.

Ergebnisse: Die IGRT ist mit Hilfe von Ultraschall, 2-D-Röntgenbildgebung oder integrierter Computertomographie möglich. Sie erlaubt die sofortige Korrektur von Abweichungen der Positionierung und erhöht somit die Präzision der tägli- chen Bestrahlungsfraktionen. Zudem kann man auf Lage- und Füllungsvariatio- nen von Organen direkt reagieren. Anatomische Veränderungen unter Therapie wie Gewichtsverlust, Tumorschrumpfung, Öffnung von Atelektasen können früh detektiert und in die Berechnung der anvisierten Strahlendosis einbezogen werden. Es gibt bisher keine randomisierten kontrollierten Studien, die einen Vorteil der IGRT bezüglich Nebenwirkungsspektrum und Tumorkontrolle gegen- über der konventionellen Radiotherapie zeigen.

Schlussfolgerung: IGRT kann die Sicherheit herkömmlicher Radiotherapiever- fahren durch eine erhöhte Präzision verbessern. Zudem wird die genaue An- wendung von Spezialbestrahlungstechniken mit knappen Sicherheitssäumen zu strahlenempfindlichen Organen gewährleistet. Eine ausgewogene Patien- tenselektion unter Berücksichtigung von Behandlungsziel, Plancharakteristik und maßvollem Einsatz der technischen Ressourcen ist sehr wichtig. Die IGRT sollte eingesetzt werden bei steilen Dosisgradienten zu eng benachbarten Risi- kostrukturen, hochkonformalen Dosisverteilungen im Gastrointestinalbereich zur Detektion von Füllungsvariationen, Dosiseskalation mittels Hochpräzisions- techniken zur Senkung der Gefahr des „geographic miss” oder Immobilisati- onsschwierigkeiten bei Schmerz oder Platzangst.

►Zitierweise

Sterzing F, Engenhart-Cabillic R, Flentje M, Debus J: Image-guided radiothe- rapy—a new dimension in radiation oncology. Dtsch Arztebl Int 2011;

108(16): 274–80. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0274

E

ine hochwertige Bildgebung mittels Ultraschall, Computertomographie (CT), Magnetresonanzto- mographie (MRT) oder Positronenemissionstomogra- phie(PET)-CT ist essenziell in Diagnostik und Planung einer Strahlentherapie. Ein lokales Therapieverfahren wie die Radiotherapie steht und fällt mit der Präzision des bildgebenden Verfahrens, durch das die Definition des zu bestrahlenden Gewebes erfolgt. Nur so kann si- chergestellt werden, dass abhängig von einer exakten Ausbreitungsdiagnostik (Staging) eines Tumors und der individuellen Konstellation des Patienten alle Tu- morareale erfasst und gesundes Gewebe zuverlässig geschont werden können. Dies ist die Basis für einen Therapieerfolg mit möglichst geringer Nebenwir- kungsrate.

Technische Neuerungen haben nun die Integration verschiedener Bildgebungsmodalitäten direkt am Be- strahlungsgerät ermöglicht. Bisher erfolgt eine Schnitt- bildgebung zu Beginn, das heißt zur Planung einer Be- handlung. Die folgenden Therapiefraktionen werden hierauf basierend geplant und die tägliche Einstellung der Behandlung wird durch Markierungen auf der Haut oder auf Fixierungshilfen wie Masken oder Vakuum- matratzen reproduziert. Dies kann durch spezielle Kon- trollaufnahmen mittels Röntgenfilmen oder Digitalauf- nahmen kontrolliert werden und somit eine Reprodu- zierbarkeit innerhalb gewisser Toleranzen gewährleis- ten. Je nach Immobilisationsmethode und den damit verbundenen Lagerungsvariationen können Positionie- rungsabweichungen von mehreren Millimetern auftre- ten (1, 2). Für viele Behandlungskonzepte kann dies durch die Wahl adäquater Sicherheitsabstände in der Planung einer Radiotherapie berücksichtigt und damit die verlässliche Abdeckung eines Zielvolumens sicher- gestellt werden.

Die direkte Integration einer Bildgebung am Be- strahlungsgerät erlaubt nun die tägliche Kontrolle von Lagerungsgenauigkeit, Tumorposition und möglichen Veränderungen der Patientenanatomie, wie zum Bei- spiel einer Tumorschrumpfung oder der Öffnung einer Atelektase (3). Somit kann man direkt auf Veränderun- gen gegenüber der initialen Planungsbildgebung rea- gieren (4). Positionierungsungenauigkeiten können so- fort korrigiert werden und anatomische Änderungen, die eine Modifikation der Bestrahlung erfordern, kön- nen frühzeitig erfasst und nötige Konsequenzen können zeitnah eingeleitet werden. Die Radioonkologie wurde so durch die bildgestützte Bestrahlung („image-guided

Abteilung für Radio onkologie und Strahlentherapie, Universitätsklinikum Heidelberg:

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Debus, Dr. med. Sterzing

Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie, Universitätsklinikum Würzburg: Prof. Dr. med. Flentje Klinik für Strahlen therapie, Universitätskliniken Gießen und Marburg GmbH:

Prof. Dr. med. Engenhart-Cabillic

(2)

radiotherapy“, IGRT) in ihren Möglichkeiten erweitert.

Gerade während Therapien über mehrere Wochen kön- nen erhebliche Veränderungen auftreten, bei denen ein unmodifiziertes Weiterbehandeln auf Basis der initialen Bildgebung unter Umständen große Abweichungen in Dosisverteilung, Tumorkontrolle und Nebenwirkungs- wahrscheinlichkeit haben kann (5, 6).

Die vorliegende Arbeit stellt Hintergrund, Motivati- on, technische Realisierung und Anwendung der bild- gestützten Strahlentherapie dar. Hierzu wurde eine se- lektive Literaturrecherche in PubMed durchgeführt mit den Stichworten: „IGRT“, „image-guidance“, „image- guided radiotherapy“, „cone-beam-CT“, „in-room- CT“, „fan-beam-CT“ und „tomotherapy“.

Interfraktionelle Variationen

Moderne Bestrahlungsverfahren erlauben individuelle Dosisgradienten von wenigen Millimetern. Mit dieser Präzision lassen sich im Computer auf einer statischen Planungsuntersuchung hochexakte Bestrahlungspläne berechnen. Doch in der Realität werden keine statischen Computertomographien behandelt, sondern Patienten mit einigen Variablen. Die Gesamtheit aller Veränderun- gen und Abweichungen, die zwischen den einzelnen Be- handlungssitzungen (Fraktionen) auftreten können, be- zeichnet man als interfraktionelle Variationen.

Positionierungsgenauigkeit

Der erste wesentliche Faktor ist die Positionierung. Die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit hängen stark von der anatomischen Region und der Positionierungshilfe ab. Es werden unterschiedliche Systeme eingesetzt, die eine Repositionierung exakt wie unter Planungsbedin- gungen ermöglichen. Trotz dieser Immobilisation mit Hilfe von Masken, Schulterfixationen, Armlagerungs- schalen oder Vakuummatratzen kann zum Teil eine erhebliche Variation von über 10 mm zwischen den ein- zelnen Fraktionen bestehen (2, 7) (Abbildung 1).

Schließlich werden bei all diesen Verfahren Ober - flächenmarkierungen verwendet. Die tatsächliche Posi- tionierung in der Tiefe, zum Beispiel eines Lungen - tumors oder eines abdominalen Organs, kann sich jedoch deutlich anders zeigen (8).

Die bildgestützte Bestrahlung erlaubt die Detektion solcher Abweichungen und die sofortige Korrektur und erhöht somit die Präzision der Bestrahlungsfraktionen.

Dies ist besonders bedeutsam bei

modernen Hochpräzisionstechniken mit individu- eller Dosisverteilung

Eskalation der Dosis im Zielvolumensbereich

Schonung eng benachbarter strahlenempfindli- cher Organe.

In diesen Situationen können kleine Positionierungs- abweichungen bereits große Abweichungen in der Do- sisverteilung bewirken.

Während herkömmliche Verfahren unter Verwen- dung weniger Stehfelder begrenzt anfällig gegenüber solchen Variationen waren, können bei Hochpräzi - sionstechniken Unterdosierungen des Zielvolumens oder Überdosierungen eines zu schonenden Organs re-

sultieren. Abbildung 2 zeigt dies am Beispiel einer myelonschonenden Rebestrahlung. Hier wird nach vo- rausgegangener Bestrahlung der Wirbelsäule ein Plas- mocytomrezidiv konformal erfasst unter Schonung des umschlossenen Rückenmarks. Dabei stellt die IGRT sicher, dass eine solche Dosisverteilung präzise appli- ziert wird (9).

Organbeweglichkeit

Die Beweglichkeit der inneren Organe kommt als wei- tere Variable hinzu. Auch bei perfekter Lagerung von knöchernen Strukturen kann beispielsweise die Niere eine erhebliche Lagevariabilität von mehreren Zenti- metern aufweisen. So ist eine ventrale Verlagerung möglich, was bei der Radiotherapie paraaortaler Lymphknoten eine Schädigung der Niere verursachen kann (Abbildung 3).

Abbildung 2: Myelonschonende Rebestrahlung eines Plasmocytomrezidivs. Die bildgestütz- te Strahlentherapie stellt die präzise Anwendung sicher.

Abbildung 1: Beispiel einer Positionsabweichung (Übereinanderlagerung von Planungs-CT in grau und Lagekontroll-CT in gelb): Fehlpositionierung der Prostata, die durch die bildge- stützte Strahlentherapie korrigiert werden kann.

(3)

Im Thorax kann der Ösophagus enorme Lagevaria- tionen zeigen, wie Abbildung 4 verdeutlicht. Ein hoch- konformaler Bestrahlungsplan, bei dem nicht das ge- samte Mediastinum anvisiert wird, ist empfindlich für eine solche Seitwärtsverlagerung der Speiseröhre. Je nach der mittels IGRT festgestellten Position kann ein entsprechender Bestrahlungsplan appliziert und ein

„geographic miss“ verhindert werden (10).

Auch bei der Radiotherapie der Prostata können Fül- lungsdifferenzen des Rektums erhebliche Auswirkun- gen auf die Dosis der Prostata beziehungsweise die Be- lastung für das Rektum haben. Bei Prostatakarzinomen der höheren Risikogruppen (Risikoklassifikation nach TNM-System, PSA-Wert, Gleason-Score) wird eine Erhöhung der Therapiedosis bis 80 Gy und teilweise darüber angestrebt – man spricht von einer Dosiseska- lation. Um die akute und chronische gastrointestinale Toxizität zu senken, wird mit Techniken wie der inten- sitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT) eine Scho- nung des Rektums erreicht. Bei übermäßiger Füllung des Rektums kann eine deutlich erhöhte Belastung der Rektumvorderwand resultieren, da das Rektum in die Hochdosisregion vorverlagert wird (Abbildung 5) (11, 12). Die Bildsteuerung ermöglicht, dies bereits auf dem Bestrahlungstisch zu erkennen und die Bestrahlung erst unter optimalen Bedingungen etwas später durchzufüh- ren (13).

Anatomische Veränderungen unter Therapie

Auch eine Änderung in Form, Volumen und Umgebung eines Tumors kann durch eine Dichteänderung eine veränderte Schwächung der Röntgenstrahlen bewirken.

Kommt es beispielsweise während einer länger dauern- den kombinierten Radiochemotherapie eines HNO-Tu- mors zu einer radiogenen Mucositis, kombiniert mit ei- ner Chemotherapie-bedingten Übelkeit, kann der Pa- tient drastisch an Gewicht verlieren. Dies kann eine vermehrte Bewegung der Zielstrukturen in zentrale Richtung bewirken, was zu einer erhöhten Dosis auf Haut und Speicheldrüsen führen kann. In erster Regel

gilt es, solchen Phänomenen mittels geeigneter Suppor- tivmaßnahmen und Ernährungstherapie vorzubeugen, um die Toxizität einer solchen Behandlung zu minimie- ren. Tritt ein Gewichtsverlust trotzdem auf, ist es von entscheidender Bedeutung, dies früh festzustellen. Die zur Lagekontrolle dienende Bildgebung kann man auch zur Berechnung der aktuellen Dosisverteilung nutzen.

Dies gibt dem Strahlentherapeuten die Möglichkeit, rechtzeitig in einer Behandlungsserie den Bestrah- lungsplan anzupassen und somit die optimale Qualität des Bestrahlungsplans auch über einen mehrwöchigen Zeitraum aufrechtzuerhalten (14–16).

Neben dem Gewichtsverlust kann auch eine Grö- ßenveränderung des Tumors bedeutsame Auswirkun- gen haben. So können beispielsweise Lymphome rasch unter Radiotherapie eine Größenregredienz zei- gen. Befindet sich ein solches Lymphom direkt neben einer strahlensensiblen Struktur, kann eine Tumor- schrumpfung eine verminderte Schwächung des Röntgenstrahls und in der Konsequenz unter Umstän- den eine erhöhte Dosis auf die Risikostruktur zur Folge haben. Andere Konsequenzen hat eine Vergrö- ßerung des Tumors unter Radiotherapie. Durch eine reaktive inflammatorische Reaktion oder eine Ein- blutung kann eine Volumenzunahme dazu führen, dass der Tumor aus dem anvisierten Zielgebiet he- rauswächst und ihn die angepeilte Dosis verfehlt.

Kommt es zu einem echten Progress des Tumors un- ter Bestrahlung ist zu überlegen, ob die Therapie ab- gebrochen werden muss. Ohne die Bildsteuerung würde eine Behandlungsserie fortgesetzt und der Pa- tient würde unnötig belastet und einer nicht wirksa- men Therapie unterzogen. Therapiealternativen kön- nen mit der neuen Methode unter Umständen rascher eingeleitet werden. In der herkömmlichen Strahlen- therapie durchgeführte Lagekontrollen dienen in ers- ter Linie der Zielpunktverifikation, Veränderungen von Weichteilprozessen werden unter Umständen übersehen. Hierfür ist eine zusätzliche CT-Bildge- bung notwendig.

Abbildung 3: Zwei kontrastmittelgestützte Computertomographien des Abdomens zeigen die Lagevariabilität der rechten Niere. Eine Bildgebung direkt in Bestrah- lungsposition kann eine unbeabsichtigte Bestrahlung und Schädigung der Niere vermeiden.

(4)

Auch Änderungen in der Umgebung eines Tumors wie die Öffnung einer Atelektase oder die Größenän- derung eines Ergusses bei der Behandlung eines Bron- chialkarzinoms, können früh detektiert und deren Auswirkung auf die anvisierte Strahlendosis berech- net werden.

Intrafraktionelle Bewegung

Sind die interfraktionellen Variationen erkannt und be- hoben beziehungsweise wurde der Bestrahlungsplan auf geänderte anatomische Verhältnisse adaptiert, kann die Behandlung mit verbesserter Präzision erfolgen. Es bleibt jedoch die Unsicherheit aller Veränderungen, die innerhalb der Bestrahlungssitzung selbst auftreten kön- nen, was man als intrafraktionelle Variation bezeichnet.

Da es sich hierbei hauptsächlich um Bewegungsphäno- mene handelt, wird oft direkt von der intrafraktionellen Bewegung gesprochen (17).

Erster Faktor ist die Bewegung des Patienten selbst, die durch eine intensive Aufklärung sowie eine geeignete Immobilisation verhindert bezie- hungsweise minimiert werden muss.

Zweiter Faktor ist die Atembewegung, die sich vor allem auf die Lage von Tumoren der Lunge und der Leber auswirkt.

Während manche Tumoren sich gar nicht oder nur wenige mm bewegen, sind maximale Bewegungen von bis zu 3 cm beschrieben (18). Aber auch für Risiko- strukturen wie die Nieren oder den Magen muss eine solche Bewegung berücksichtigt werden. Zum einen kann sie bis auf ein gewisses Maß (unter 1 cm) redu- ziert werden, beispielsweise durch eine abdominale Kompression (19). Zum anderen kann durch die Erfas- sung der maximalen Bewegungsamplitude mittels zeit- lich aufgelöster Computertomographie (4DCT) ein ge- eigneter Sicherheitssaum gewählt werden, der den ge- samten Raum einschließt, innerhalb dessen sich die Zielstrukturen potenziell bewegen.

Ein anderes Vorgehen besteht darin, nur während ge- wisser Atemphasen zu bestrahlen, was als „Gating“ be- zeichnet wird (20). Dadurch können Sicherheitssäume kleiner gehalten und die Belastung umliegender Gewe- be etwas reduziert werden. Diese Methode setzt aber neben der initialen Erfassung der Bewegung auch ein Monitoring während der Therapie selbst voraus. Hier ermöglicht die bildgesteuerte Strahlentherapie mittels kontinuierlicher Überwachung der Tumorposition eine solche zeitliche Anpassung auf bestimmte Atemphasen.

Mit speziellen Methoden kann der Therapiestrahl auch dem beweglichen Tumor nachgeführt werden. Ein sol- ches „Tracking“ eines Tumors beschleunigt die Thera- pie durch Verkürzung der inaktiven Zeitintervalle. Al- lerdings erfordert ein solches Nachführen des Therapie- strahls komplexe Techniken. Diese sind in Form von beweglichen Roboterarmen oder schnellen Multileaf- Kollimatoren verfügbar.

Sowohl Gating als auch Tracking sind aufwändige Verfahren. Sie sind bei wenigen Patieten notwendig und werden eingesetzt, wenn herkömmliche Verfahren mit einer zu hohen Belastung der Risikoorgane einhergehen.

Technische Realisierung

Um den genannten Unsicherheitsfaktoren Rechnung zu tragen, kann nun eine Bildgebung direkt am Bestrah- lungsgerät die zuvor beschriebenen Veränderungen sichtbar machen und diese können direkt korrigiert wer- den (21). Es gibt verschiedene technische Lösungen, die einzelnen Verfahren der Bildgebung zu integrieren.

Weichteilstrukturen wie beispielsweise die Prostata können mit Hilfe des Ultraschalls dargestellt und ihre Po- sition mittels eines stereotaktischen Koordinatensystems zur Planungssituation im Ausgangs-CT korreliert werden (22). Mit digitalen Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen kann ebenfalls die Positionierung überprüft werden. Man ist hier jedoch weitestgehend auf die Abbildung knöcher- ner Anatomie begrenzt. Diese Methode eignet sich daher vor allem für kleinere Tumoren im oder mit direktem Be- zug zum Knochen, wie zum Beispiel ossäre Metastasen oder Schädelbasistumoren. Zur besseren Darstellung von Weichgewebstrukturen kann eine volumetrische Bildge- bung mittels Computertomographie eingesetzt werden, die entweder durch ein zusätzliches CT-Gerät im Bestrah- lungsraum oder neuartig konstruierte Bestrahlungsgeräte erfolgen kann (23–25, e1, e2). Abbildung 6 zeigt ein ins Bestrahlungsgerät integriertes CT.

Abbildung 4: Lagevariabilität des Ösophagus, dargestellt mit Hilfe eines „In-room-CT“: Oben die Ausgangssituation mit korrespondie- rendem Bestrahlungsplan. Bei Seitwärtsverlagerung (unten) kann ein alternativer Plan verwendet werden. So verhindert die bildgestützte Strahlentherapie ein „geographic miss“.

(5)

Einbindung in die klinische Strahlentherapie Die bildgeführte Strahlentherapie ist aufwändig. Sie benötigt spezielle technische Ausstattungen und stellt eine Herausforderung für Finanz- und Arbeitskraftres- sourcen dar. Der bisherige Standard besteht darin, die auftretenden Variationen auf ein möglichst niedriges Maß zu reduzieren und diese mit geeigneten Sicher- heitssäumen miteinzuberechnen. Unter Verwendung

geeigneter Zielverfahren wie der Stereotaxie und durch Anfertigung von Kontrollaufnahmen in Form von 2-D-Röntgenbildern oder Computertomogrammen kann eine Therapie zusätzlich überwacht werden. Die tägliche Bildsteuerung direkt am Bestrahlungsgerät in- klusive der sofortigen Korrektur hingegen ist deutlich aufwändiger, sowohl bezüglich der Anschaffungs- und Wartungskosten der Geräte als auch im Hinblick auf die benötigte Zeit der Durchführung, Ausbildung des Personals und Qualitätsicherung.

Randomisierte kontrollierte Studien zum Vergleich von Toxizität und Wirksamkeit existieren nicht. Trotz- dem ist die IGRT in der Radioonkologie eine wichtige Methode, die zur sicheren und präzisen Anwendung moderner Techniken wie beispielsweise der intensi- tätsmodulierten Radiotherapie oder Partikeltherapie beitragen (3). Entscheidend ist, dass die beschriebenen Methoden nur ein Glied der Kette von Diagnosestel- lung, Bildgebung, Immobilisation, Planung und tägli- cher genauer Durchführung einer Radiotherapie dar- stellen. Nur wenn all diese Elemente stimmen, kann das volle Potenzial der Strahlentherapie ausgeschöpft werden.

Wichtig ist auch festzuhalten, dass keineswegs je- der Patient eine solche Bildsteuerung benötigt. In vie- len Fällen können die genannten Variationen mittels geeigneter Sicherheitssäume im Voraus miteinkalku- liert und so eine sichere Applikation der beabsichtig- ten Dosis im Tumor erreicht werden. Die bildgesteuer- te Strahlentherapie sollte dann eingesetzt werden, wenn Tumorart, Tumorlokalisation, angestrebte Dosis und benachbarte Risikostrukturen solche Sicherheits- säume und eine gewisse Variationsbreite nicht tolera- bel machen. Dies ist der Fall in unmittelbarer Nähe von Rückenmark, Hirnstamm, Sehnerv oder Parotis, insbesondere wenn eine Dosiseskalation angestrebt wird oder bei Rebestrahlungen maximale Organscho- nungen notwendig sind. Zudem ist die IGRT bei abdo- minalen oder pelvinen Tumoren vorteilhaft, wenn gas- trointestinale Füllungsvariationen Organverlagerun- gen hervorrufen können (e3), wie zum Beispiel bei der hochdosierten Radiotherapie des Prostatakarzinoms.

Es gibt bisher keine konkreten Leitlinien der Fachge- sellschaften zur Indikationsstellung der IGRT. Insbe- sondere existieren keine randomisierten kontrollierten Studien, die einen Vorteil der IGRT bezüglich Neben- wirkungsspektrum und Tumorkontrollwahrscheinlich- keit zeigen.

Zudem ist zu beachten, dass die ergänzende Bild- gebung bei Verwendung der vorgestellten Röntgen- verfahren eine zusätzliche Dosisbelastung für die Pa- tienten bedeutet. Diese liegt je nach genutzter Tech- nik zwischen 0,1 und 3 % der Therapiedosis und da- her sollte die Methode nicht ohne Grund eingesetzt werden (e4). Wenn aber diese zusätzliche Dosis die Verwendung kleiner Sicherheitssäume ermöglicht und die genaue Applikation der Bestrahlungsdosis am richtigen Ort gewährleistet, wird in der Endbilanz die Belastung und das Risiko für die Patienten gesenkt.

Eine Verkleinerung von Sicherheitssäumen kann die Abbildung 5: Radiotherapie der Prostata, Schachbrett-Übereinanderlagerung von Planungs-

CT (grau) und Kontroll-CT (gelb): Auch bei perfekter Übereinstimmung von Hautmarkierungen kann die Füllungsvariation des Rektums eine unbeabsichtigte Mehrbelastung des Rektums zur Folge haben.

Abbildung 6: Beschleuniger mit integriertem Kegelstrahl-CT (Beschleuniger als Strahlquelle)

(6)

Belastung von angrenzenden Strukturen vermindern und damit die Nebenwirkungswahrscheinlichkeit sen- ken.

Die IGRT verursacht zusätzliche Kosten für An- schaffung und Wartung der notwendigen Technik. Zu- dem reduziert sie durch den höheren Zeitaufwand von circa fünf Minuten pro Fraktion den Patientendurchsatz pro Bestrahlungsgerät. Demgegenüber steht der vermu- tete Nutzen einer erhöhten Sicherheit und Präzision verbunden mit der Reduktion von Nebenwirkungs- wahrscheinlichkeiten. Zudem kann die Gewährleistung der genauen Applikation von Hochpräzisionstechniken die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Radiotherapie er- höhen. Der Nachweis hierfür muss noch erbracht wer- den. Es bleibt die Frage, wie viel eine bessere Verträg- lichkeit kosten darf.

Resümee

Die bildgesteuerte Strahlentherapie kann herkömmli- che Radiotherapieverfahren durch eine Erhöhung der Präzision sicherer machen. Außerdem wird die genaue Anwendung von Spezialbestrahlungstechniken mit knappen Sicherheitssäumen zu strahlenempfindlichen Organen gewährleistet. Eine ausgewogene Patientense- lektion unter Berücksichtigung von Behandlungsziel, Plancharakteristik und maßvollem Einsatz der techni- schen Ressourcen ist sehr bedeutsam. Die IGRT sollte verwendet werden bei:

steilen Dosisgradienten zu eng benachbarten Risi- kostrukturen

hochkonformalen Dosisverteilungen im Gastroin- testinalbereich zur Detektion von Füllungsvaria- tionen

Dosiseskalation mittels Hochpräzisionstechniken zur Senkung der Gefahr des „geographic miss“

Immobilisationsschwierigkeiten bei Schmerz oder Platzangst.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 11. 12. 2009, revidierte Fassung angenommen: 17. 5. 2010

LITERATUR

1. Kupelian PA, Lee C, Langen KM, et al.: Evaluation of image-guidan- ce strategies in the treatment of localized prostate cancer. Int J Ra- diat Oncol Biol Phys 2008; 70: 1151–7.

2. Sterzing F, Kalz J, Sroka-Perez G, et al.: Megavoltage CT in helical tomotherapy – clinical advantages and limitations of special physi- cal characteristics. Technol Cancer Res Treat 2009; 8: 343–52.

3. Allison RR, Gay HA, Mota HC, Sibata CH: Image-guided radiation therapy: current and future directions. Future Oncol 2006; 2:

477–92.

4. Dawson LA, Sharpe MB: Image-guided radiotherapy: rationale, be- nefits, and limitations. Lancet Oncol 2006;7: 848–58.

5. Xing L, Thorndyke B, Schreibmann E, et al.: Overview of image-gui- ded radiation therapy. Med Dosim 2006; 31: 91–112.

6. Chen J, Morin O, Aubin M, Bucci MK, Chuang CF, Pouliot J: Dose- guided radiation therapy with megavoltage cone-beam CT. Br J Ra- diol 2006; 79 Spec No 1: 87–98.

7. Zeidan OA, Langen KM, Meeks SL, et al.: Evaluation of image-gui- dance protocols in the treatment of head and neck cancers. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2007; 67: 670–7.

8. Stoiber EM, Lechsel G, Giske K, et al.: Quantitative assessment of image-guided radiotherapy for paraspinal tumors. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2009; 75: 933–40.

9. Sterzing F, Herfarth K, Debus J: IGRT with helical tomotherapy—

effort and benefit in clinical routine. Strahlenther Onkol 2007; 183 Spec No 2: 35–7.

10. Jensen AD, Grehn C, Nikoghosyan A, et al.: Catch me if you can—

the use of image guidance in the radiotherapy of an unusual case of esophageal cancer. Strahlenther Onkol 2009; 185: 469–73.

11. Guckenberger M, Pohl F, Baier K, Meyer J, Vordermark D, Flentje M:

Adverse effect of a distended rectum in intensity-modulated radio- therapy (IMRT) treatment planning of prostate cancer. Radiother On- col 2006; 79: 59–64.

12. Kalz J, Sterzing F, Schubert K, Sroka-Perez G, Debus J, Herfarth K:

Dosimetric comparison of image guidance by megavoltage compu- ted tomography versus bone alignment for prostate cancer radio- therapy. Strahlenther Onkol 2009; 185: 241–7.

13. El-Bassiouni M, Davis JB, El-Attar I, Studer GM, Lutolf UM, Ciernik IF: Target motion variability and on-line positioning accuracy during external-beam radiation therapy of prostate cancer with an endo- rectal balloon device. Strahlenther Onkol 2006; 182: 531–6.

14. Lee C, Langen KM, Lu W, et al.: Assessment of parotid gland dose changes during head and neck cancer radiotherapy using daily me- gavoltage computed tomography and deformable image registrati- on. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2008; 71: 1563–71.

15. Langen KM, Meeks SL, Poole DO, et al.: The use of megavoltage CT (MVCT) images for dose recomputations. Phys Med Biol 2005; 50:

4259–76.

16. Morin O, Chen J, Aubin M, et al.: Dose calculation using megavolta- ge cone-beam CT. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2007; 67:

1201–10.

17. Huntzinger C, Munro P, Johnson S, et al.: Dynamic targeting image- guided radiotherapy. Med Dosim 2006; 31: 113–25.

18. Hof H, Rhein B, Haering P, Kopp-Schneider A, Debus J, Herfarth K:

4D-CT-based target volume definition in stereotactic radiotherapy of lung tumours: comparison with a conventional technique using indi- vidual margins. Radiother Oncol 2009; 93: 419–23.

19. Hof H, Herfarth K, Debus J: Stereotaktische Bestrahlung von Lun- gentumoren 2004; 44: 484–90.

KERNAUSSAGEN

Die bildgestützte Strahlentherapie (IGRT) beschreibt die Integration der Bildgebung direkt ins Bestrahlungsgerät.

Trotz geeigneter Immobilisation des Patienten kann es zu Ungenauigkeiten kommen: Man unterscheidet zwi- schen inter- und intrafraktioneller Variation.

IGRT erhöht die Genauigkeit der Anwendung einer Strahlentherapie durch sofortige Korrektur von Abwei- chungen.

Nicht jede Strahlentherapie muss mit Bildsteuerung erfolgen; sie wird eingesetzt bei bewegten Zielen, in un- mittelbarer Nähe zu Risikoorganen und bei schwierigen Rebestrahlungen.

Es gibt keine randomisierten kontrollierten Studien, die die Toxizität und Wirksamkeit der IGRT mit der einer konventionellen Radiotherapie vergleichen.

(7)

20. Guckenberger M, Krieger T, Richter A, et al.: Potential of image-gui- dance, gating and real-time tracking to improve accuracy in pulmo- nary stereotactic body radiotherapy. Radiother Oncol 2009; 91:

288–95.

21. Jaffray D, Kupelian P, Djemil T, Macklis RM: Review of image-guided radiation therapy. Expert Rev Anticancer Ther 2007; 7: 89–103.

22. Boda-Heggemann J, Kohler FM, Kupper B, et al.: Accuracy of ultra- sound-based (BAT) prostate-repositioning: a three-dimensional on- line fiducial-based assessment with cone-beam computed tomo- graphy. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2008; 70: 1247–55.

23. Thieke C, Malsch U, Schlegel W, et al.: Kilovoltage CT using a linac- CT scanner combination. Br J Radiol 2006; 79 Spec No 1: 79–86.

24. Pouliot J: Megavoltage imaging, megavoltage cone beam CT and dose-guided radiation therapy. Front Radiat Ther Oncol 2007; 40:

132–42.

25. Morin O, Gillis A, Chen J, et al.: Megavoltage cone-beam CT: sys- tem description and clinical applications. Med Dosim 2006; 31:

51–61.

Anschrift für die Verfasser Dr. med. Florian Sterzing

Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie in der Kopfklinik des Universitätsklinikums Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400

69120 Heidelberg

E-Mail: Florian.Sterzing@med.uni-heidelberg.de

SUMMARY

Image-Guided Radiotherapy—A New Dimension in Radiation Oncology

Background: The vital importance of imaging techniques in radiation oncology now extends beyond diagnostic evaluation and treatment planning. Recent technical advances have enabled the integration of various imaging modalities into the everyday practice of radiotherapy directly at the linear accelerator, improving the management of inter- and intrafractional variations.

Methods: We present the topic of image-guided radiotherapy (IGRT) on the basis of a selective review of the literature.

Results: IGRT can be performed with the aid of ultrasound, 2D X-ray de- vices, and computed tomography. It enables instant correction for posi- tioning deviations and thereby improves the precision of daily radiothe- rapy fractions. It also enables immediate adjustment for changes in the position and filling status of the internal organs. Anatomical changes that take place over the course of radiotherapy, such as weight loss, tu- mor shrinkage, and the opening of atelectases, can be detected as they occur and accounted for in dosimetric calculations. There have not yet been any randomized controlled trials showing that IGRT causes fewer adverse effects or improves tumor control compared to conventional ra- diotherapy.

Conclusion: IGRT is more precise and thus potentially safer than con- ventional radiotherapy. It also enables the application of special radio- therapeutic techniques with narrow safety margins in the vicinity of ra- diosensitive organs. Proper patient selection for IGRT must take account of the goals of treatment and the planning characteristics, as well as the available technical and human resources. IGRT should be used for steep dose gradients near organs at risk, for highly conformal dose dis- tributions in the gastrointestinal tract where adjustment for filling varia- tions is needed, for high-precision dose escalation to avoid geographic miss, and for patients who cannot lie perfectly still because of pain or claustrophobia.

Zitierweise

Sterzing F, Engenhart-Cabillic R, Flentje M, Debus J:

Image-guided radiotherapy—a new dimension in radiation oncology.

Dtsch Arztebl Int 2011; 108(16): 274–80.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0274

@

Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:

www.aerzteblatt.de/lit1611

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

(8)

ÜBERSICHTSARBEIT

Optionen der bildgestützten Bestrahlung

Eine neue Dimension in der Radioonkologie

Florian Sterzing, Rita Engenhart-Cabillic, Michael Flentje, Jürgen Debus

eLITERATUR

e1. Mackie TR, Balog J, Ruchala K, et al.: Tomotherapy. Semin Radiat Oncol 1999; 9: 108–17.

e2. Mackie TR, Holmes T, Swerdloff S, et al.: Tomotherapy: a new concept for the delivery of dynamic conformal radiotherapy. Med Phys 1993; 20: 1709–19.

e3. Perkins CL, Fox T, Elder E, Kooby DA, Staley CA, 3rd, Landry J:

Image-guided radiation therapy (IGRT) in gastrointestinal tumors.

Jop 2006; 7: 372–81.

e4. Ding GX, Coffey CW: Radiation dose from kilovoltage cone beam computed tomography in an image-guided radiotherapy procedu- re. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2009; 73: 610–7.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE