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II. Gegen ihn wird daher eine Geldbuße von (in Worten: Euro dreißigtausend) verhängt.

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(1)

OLG München, Endurteil v. 17.04.2018 – DS-Not 1/16 Titel:

Verletzung notarieller Amtspflichten durch Missachtung der Hinwirkungspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. und durch ungerechtfertigte

Vertragsaufspaltungen Normenketten:

BNotO § 14, § 15, § 67 Abs. 2, § 95, § 96 Abs. 1 S. 1 BeurkG § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2

Leitsätze:

1. Eine Verkürzung der Regelfrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. wegen anderweitig gewährleisteten Übereilungs- und Überlegungsschutzes ist nicht mit dem Argument gerechtfertigt, dass der Kaufinteressent bereits seit mindestens zwei Wochen Kenntnis von den wirtschaftlichen essentialia des abzuschließenden Geschäfts, also von der Immobilie selbst, ihrer Art, Größe, Lage und Beschaffenheit sowie von der Höhe des Kaufpreises, und somit Gelegenheit zur

Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Komponenten des Kaufs habe. (Rn. 127) (redaktioneller Leitsatz)

2. Die räumliche Distanz zwischen Käufer und Verkäufer oder zwischen Verkäufer und Sitz des Notariats stellt regelmäßig keinen Sachgrund für eine getrennte Beurkundung von Angebot und Annahme eines Kaufvertrags dar, wenn die Erklärungen beider Vertragsparteien von demselben Notar beurkundet werden sollen. (Rn. 338) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Kaufvertrag, Dienstvergehen, Vertragsaufspaltung, Notar, Zwei-Wochen-Frist, Ermittlungsverfahren, Disziplinarverfahren, Beurkundungsverfahren, Kaufangebot, Hinwirkungspflicht, Wartegebot, Übereignungs- und Übereilungsschutz, Anschein der Parteilichkeit

Rechtsmittelinstanzen:

BGH Karlsruhe, Beschluss vom 28.08.2019 – NotSt(Brfg) 1/18

BGH Karlsruhe, Berichtigungsbeschluss vom 24.10.2019 – NotSt(Brfg) 1/18 Fundstelle:

BeckRS 2018, 47765  

Tenor

I. Der Beklagte ist eines einheitlichen Dienstvergehens wegen Verletzung der in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (i. d. F. des Gesetzes vom 23.07.2002, BGBl I Seite 2850 ff.) normierten Dienstpflicht in 19 Fällen sowie der in § 14 Abs. 3 BNotO normierten Dienstpflicht in 195 Fällen, begangen durch systematische Aufspaltung von Kaufverträgen in Angebot und Annahme, schuldig.

II. Gegen ihn wird daher eine Geldbuße von 30.000 € (in Worten: Euro dreißigtausend) verhängt.

III. Der Kläger und das beigeladene B. St. J. tragen je ein Viertel der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Beklagten. Der Beklagte trägt die Gerichtskosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers und des beigeladenen B. St. J. zur Hälfte. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der übrigen Beteiligten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110%

des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht der vollstreckende Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

(2)

1

Der … führt gegen den beklagten Notar die Disziplinarklage mit dem Ziel dessen Entfernung aus dem Amt.

2

1. Der am … in … geborene Beklagte legte im Jahr 1992 die Erste Juristische Staatsprüfung und im Jahr 1994 die Zweite Juristische Staatsprüfung ab. Ab 01.05.1995 war er als Notarassessor zuerst in K. und danach in R. tätig. Mit Übernahme der als sogenannte „Nullstelle“ neu eingerichteten Notarstelle in R., Oberlandesgerichtsbezirk N., zum 01.04.2001 wurde er zum Notar auf Lebenszeit ernannt. Er ist an seinem Amtssitz nach wie vor als Notar tätig.

3

Disziplinarrechtliche Vorbelastungen bestehen nicht. Alle im Notariat des Beklagten durchgeführten regelmäßigen Geschäftsprüfungen verliefen beanstandungsfrei.

4

Der Beklagte ist seit Mai 2005 verheiratet und hat eine siebenjährige Tochter. Die Ehefrau des Beklagten ist in dessen Notariat seit April 2005 als Sachbearbeiterin angestellt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet. Der Beklagte verfügt gemäß eigenen Angaben über ein monatliches Nettoeinkommen von 18.000

€ bis 20.000 €.

5

2. Die Staatsanwaltschaft P. leitete im Jahr 2008 gegen die damals im Immobilien- und Bauträgersektor tätigen Herren M. S., Ma. S. und Man. S. Ermittlungen wegen des Verdachts des zum Nachteil der jeweiligen Käufer durch Veräußerung überteuerter Immobilien begangenen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs ein (Aktenzeichen: …). Im Jahr 2010 wurden die Ermittlungen ausgeweitet auf den für die „S.- Gruppe“ tätigen Vermittler E. (Aktenzeichen: …) und weitere Vermittler.

6

Beurkundungen von Immobiliengeschäften der sogenannten „S.-Gruppe“ (L. Immobilien GmbH, MS

Immobilien…GmbH, L. Bau GmbH, MS Wohn … GmbH, E. Immobilien … GmbH & Co. KG, IMS Immobilien

… M. S. GmbH, Ma. S. Immobilien GmbH, Man. S., C. S.) mit Verbrauchern hat unter anderem der beklagte Notar vorgenommen.

7

Am 23.09.2011 fand in den Geschäftsräumen des Beklagten eine unangekündigte außerordentliche Geschäftsprüfung aufgrund des Verdachts statt, der Beklagte habe bei den Beurkundungen gegen gesetzliche Pflichten verstoßen (§ 17 Abs. 1 und Abs. 2a BeurkG in der damals geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.07.2002; § 4 BeurkG mit § 14 Abs. 2 BNotO), indem er über den Vertragsinhalt nicht aufgeklärt und belehrt sowie Beurkundungen trotz fehlender Vorabübersendung von Vertragsentwürfen an die Verbraucherseite und trotz auffälligen Missverhältnisses zwischen Kaufpreis und Wert des Kaufobjekts vorgenommen habe.

8

3. Am 20.06.2012 leitete der Präsident des Landgerichts R. das förmliche Disziplinarverfahren wegen des Vorwurfs eines systematischen Verstoßes gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG sowie einer gegen die Richtlinien der L. B. verstoßenden systematischen Aufspaltung von Verträgen in Angebot und Annahme und wegen des Vorwurfs weiterer Pflichtenverstöße ein. Mit Schreiben vom selben Tag wurde der Beklagte hierüber unterrichtet.

9

Der Präsident des Landgerichts R. legte nach Beweisaufnahme - Vernehmung von Zeugen, Auswertung von Urkunden und Anhörung des Notars durch den mit der Durchführung der Ermittlungen beauftragten Richter - die Ermittlungsakten des Disziplinarverfahrens nebst Beiakten am 18.09.2013 dem Präsidenten des Oberlandesgerichts N. zur Herbeiführung einer Entscheidung der höheren Aufsichtsbehörde vor mit der Begründung, angesichts der Zahl der ermittelten Dienstvergehen erscheine bei zusammenfassender Würdigung die Ahndungskompetenz des Präsidenten des Landgerichts nicht ausreichend. Wegen des Inhalts der Vorlage wird auf die dortige Darstellung der durchgeführten Ermittlungen sowie der rechtlichen und tatsächlichen Würdigung ihrer Ergebnisse (Teilakte A2 des disziplinarrechtlichen Verfahrens)

verwiesen.

(3)

10

Der Präsident des Oberlandesgerichts N. übernahm das Verfahren am 13.03.2014. Der am selben Tag zum Ermittlungsführer bestellte Richter erstellte nach weiterer umfangreicher Beweisaufnahme durch

Vernehmung von mehr als einhundert Zeugen (Käufer, Verkäufer, Vermittler, Angestellte der Verkäufer sowie des Notariats) den abschließenden Ermittlungsbericht vom 01.06.2015 nebst Ergänzungsbericht vom 29.06.2015. Wegen des Inhalts dieser Berichte wird auf die Teilakte A4 des disziplinarrechtlichen

Verfahrens Bezug genommen. Der Notar erhielt Ende Juni 2015 mittels Datenträger Einsicht in den Inhalt der Verfahrens- und Beiakten zum Stand 01.06.2015 ohne Ermittlungs- und Ergänzungsbericht.

11

Auf Ersuchen des Präsidenten des Oberlandesgerichts N. vom 01.07.2015 übernahm die

Generalstaatsanwaltschaft M. als Disziplinarbehörde mit Verfügung vom 13.07.2015 das Verfahren gegen den Notar wegen des Vorwurfs, bei 70 Beurkundungen in der Zeit von Ende 2005 bis Juli 2009 vorsätzlich gegen die ZweiWochen-Frist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG verstoßen und in 195 Fällen in der Zeit von April 2004 bis Februar 2009 vorsätzlich und pflichtwidrig Kaufverträge entgegen Ziffer II Nr. 1 Buchst. d der Richtlinie für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der L. B. aufgespalten und damit ein Dienstvergehen begangen zu haben. Hierüber wurde der Notar mit Schreiben vom 13.07.2015 unter gleichzeitiger Übersendung einer Ablichtung der Ermittlungsberichte vom 01. und 29.06.2015 (jeweils mit Anlagen) an seinen anwaltlichen Vertreter unterrichtet.

12

Gemäß Verfügung und Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 14.09.2015 wurde dem Notar unter Bezugnahme auf § 96 BNotO, § 20 BDG Gelegenheit gegeben, im Rahmen der Schlussanhörung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen sowie zu der Absicht, ihn vorläufig des Dienstes zu entheben, Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurden ihm persönlich Ablichtungen des Ermittlungsberichts vom 01.06.2015 (ohne Anlagen) und des Ergänzungsberichts vom 29.06.2015 (einschließlich Anlagen) zugestellt. Die anwaltlichen Vertreter wurden hierüber unter Zusendung der gleichen Unterlagen unterrichtet.

13

Der Beklagte äußerte sich mit Schriftsätzen seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 10. und 30.11.2015, 13.01.2016 und 29.08.2016. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er als aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unzutreffend und eine vorläufige Amtsenthebung als verfassungswidrig zurück.

14

Vom Erlass vorläufiger Maßnahmen wurde abgesehen.

15

Während des gesamten Verfahrens verhielt sich der Beklagte kooperativ, indem er die angeforderten Unterlagen (Kopien der Urkunden, der Bestätigungsformblätter betreffend die zweiwöchige Regelfrist gemäß § 17 Abs. 2a BeurkG, Ausdrucke aus dem Terminkalender des Notariats sowie in Tabellenform erstellte Auswertungen) zur Verfügung stellte.

16

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte in kollusiver Weise mit der „S.-Gruppe“ zum Nachteil der Käufer zusammengewirkt oder sich sonst in strafrechtlich relevanter Weise verhalten habe, haben sich nicht ergeben. Beurkundungen mit Verkäufern, die Fremdvertriebe einsetzen, hat der Notar nach eigener Einlassung bereits vor der außerordentlichen Geschäftsprüfung vom 23.09.2011 und der Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Blick auf die ihm Ende 2010 bekannt gewordenen Ermittlungen gegen die „S.- Gruppe“ weitgehend eingestellt, Kaufangebote von Verbrauchern über Anlageimmobilien jedenfalls dann nicht mehr beurkundet, wenn auch die Annahmeerklärung von ihm beurkundet werden sollte. Bereits im Jahr 2012, eineinhalb Jahre vor Erlass des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren vom 15.07.2013 (BGBl I Seite 2378), ist er mit Blick auf Zeugenaussagen, die im disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahren zu Falschangaben im notariellen Beurkundungsverfahren ausgesagt haben, dazu übergegangen, Vertragsentwürfe grundsätzlich selbst zu versenden.

17

4. Mit Schriftsatz vom 28.09.2016 erhob der … Disziplinarklage gegen den Beklagten.

18

Er legt dem Beklagten zur Last, dadurch ein einheitliches Dienstvergehen begangen zu haben, dass er

(4)

- im Zeitraum vom 17.10.2003 bis 23.07.2009 an seinem Amtssitz in R., in 70 Fällen Immobiliengeschäfte mit Verbrauchern beurkundete, ohne dass die Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG in der für den Zeitraum vom 01.08.2002 bis 30.09.2013 geltenden Fassung eingehalten gewesen sei, und - im Zeitraum zwischen dem 07.04.2004 und dem 12.11.2008 in 195 Fällen unter Verstoß gegen Ziff. II Nr. 1 Buchst. d der nach § 67 Abs. 2 BNotO erlassenen Richtlinie für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der L. B. Kaufverträge systematisch in Angebot und Annahme aufgespalten habe.

19

4.1. Hinsichtlich des erstgenannten Vorwurfs des Verstoßes gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG wird dem Beklagten als Fehlverhalten Folgendes angelastet:

20

4.1.1. Im Zeitraum vom 17.10.2003 bis zum 23.07.2009 beurkundete der Beklagte in 19 Fällen auf den Immobilienerwerb gerichtete Angebote von Verbrauchern oder Immobilienkaufverträge mit Verbrauchern, bei denen die Verkäufer teils dem Kreis der „S.-Gruppe“ zuzurechnen waren, und hielt dabei in der Urkunde fest, dass dem jeweiligen Käufer der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts nicht zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestanden habe.

21

Im Einzelnen handelt es sich in zeitlicher Reihenfolge um folgende Beurkundungen (tabellarische Darstellung auf Blatt 10 der Disziplinarklage):

(1) Am 17.10.2003 beurkundete er unter der URNr. … den Kaufvertrag zwischen dem in … M. wohnhaften Käufer M. I und dem in … H. wohnhaften Verkäufer M. S. über ein in W. gelegenes Wohnungseigentum zum Preis von 118.900 € (TEA I Bd. 3 Register 13).

(2) Am 19.12.2003 beurkundete er unter der URNr. … den Kaufvertrag zwischen dem in … N. wohnhaften Käufer R. J. und dem Verkäufer M. S. über ein in W. gelegenes Wohnungseigentum zum Preis von 118.900

€ (TEA I Bd. 3 Register 14).

(3) Am 07.04.2004 beurkundete er unter der URNr. . das an die MS Immobilien … GmbH mit Sitz in … H.

gerichtete Kaufangebot der in … Ü. wohnhaften M. NT betreffend eine Wohnungseigentumseinheit in D.

zum Preis von 99.000 € (TEA I Bd. 4 Register 21).

(4) Am 13.07.2005 beurkundete er unter der URNr. … das an die L. Immobilien GmbH mit Sitz in … L.

gerichtete Angebot des in … D. wohnhaften S. G. betreffend eine Eigentumswohnung in S. zum Preis von 114.500 € (TEA I Bd. 2 Register 8).

(5) Am 13.08.2005, einem Samstag, beurkundete er unter der URNr. . das an M. S. gerichtete Angebot des in … P. wohnhaften Käufers K.-J. HL über eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in H. zum Preis von 107.400 € (TEA I Bd. 2 Register 10).

(6) Am 02.09.2005 beurkundete er unter der URNr. . das an die L. Immobilien GmbH gerichtete Angebot des in … G. wohnhaften Käufers A. S. betreffend eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in S. nebst Sondereigentum an einem Tiefgaragenstellplatz zum Preis von 165.494 € (TEA I Bd. 4 Register 23).

(7) Am 02.11.2005 beurkundete er unter der URNr. … das an die Bauplanungsbüro O. GmbH mit Sitz in . E.

gerichtete Angebot der in .W. wohnhaften Käuferin S. HL betreffend eine (vermietete) Eigentumswohnung in B. A. zum Preis von 100.000 € (TEA I Bd. 2 Register 11).

(8) Am 15.04.2006 beurkundete er unter der URNr. … das an die WS … GmbH & Co. KG mit Sitz in … B.

gerichtete Angebot des in … H. wohnhaften Käufers W. L. über eine gebrauchte Sondereigentumseinheit in A. zum Preis von 71.000 € (TEA I Bd. 4 Register 18).

(9) Am 04.04.2007 beurkundete er unter der URNr. . das an die a. Immobilien GmbH mit Sitz in . I.

gerichtete Kaufangebot des in . R. wohnhaften Käufers B. L. über eine (vermietete) Eigentumswohnung in M. zum Preis von 138.700 € (TEA I Bd. 3 Register 17).

(10) Am 14.06.2007 beurkundete er unter der URNr. . das an die L. Bau GmbH gerichtete Kaufangebot des laut Urkunde in A., laut Notarkostenrechnung vom 15.06.2007 jedoch in … U. wohnhaften Ehepaars B..

über eine gebrauchte Eigentumswohnung in N. zum Preis von 94.000 € (TEA I Bd. 1 Register Nr. 4).

(5)

(11) Am 06.08.2007 beurkundete er unter der URNr. … das an P. B., wohnhaft in … W., gerichtete Angebot des in … R. wohnhaften Käufers P. betreffend eine bestehende Eigentumswohnung in W. (.) zum Preis von 84.000 € (TEA I Bd. 1 Register 5).

(12) Am 14.02.2008 beurkundete er unter der URNr. . das an die L. Immobilien GmbH mit Sitz nun in … S.

gerichtete Kaufangebot des in … P. wohnhaften H. A betreffend eine Eigentumswohnung in S. zum Preis von 167.900 € (TEA I Bd. 1 Register 1).

(13) Am 19.02.2008 beurkundete er unter der URNr. … das an die p.Bau … GmbH mit Sitz in … L.

gerichtete Kaufangebot der in M. wohnhaften Eheleute ML über eine Eigentumswohnung nebst

Garageneinheit in einer teils zu sanierenden und teils neu zu errichtenden Anlage in S. zum Kaufpreis von 270.000 € (TEA I Bd. 4 Register 20).

(14) Am 11.03.2008 beurkundete er unter der URNr. … das an die Z. GmbH & Co. KG mit Sitz in … R.

gerichtete Kaufangebot der in … R. wohnhaften Eheleute TT. über den Erwerb zweier - durch grundbuchlichen Vollzug der Teilungserklärung vom 06.03.2008 noch zu bildenden -

Wohnungseigentumseinheiten in S. zum Preis von gesamt 140.000 € (TEA I Bd. 4 Register 24).

(15) Am 18.03.2008 beurkundete er unter der URNr. . das an die L. Immobilien GmbH gerichtete

Kaufangebot der in … E. wohnhaften Eheleute B.. hinsichtlich einer neu errichteten Eigentumswohnung in S. zum Preis von 167.900 € (TEA I Bd. 1 Register 2).

(16) Am 13.08.2008 beurkundete er unter der URNr. … das an die p.Bau … GmbH gerichtete Kaufangebot der in … N. wohnhaften A. HL betreffend eine Wohnungseigentumssowie eine Garageneinheit in S. zum Kaufpreis von gesamt 252.000 € (TEA I Bd. 2 Register 9).

(17) Am 23.12.2008 beurkundete er unter der URNr. … das an die C. Immobilien GmbH mit Sitz in L.

gerichtete Kaufangebot der in … R. wohnhaften E. L. (Schreibweise in der Urkunde: L.) betreffend ein - durch Grundbuchvollzug der auf der Grundlage vorläufiger Aufteilungspläne erfolgten Aufteilung vom 05.09.2008 noch zu bildendes - Wohnungseigentum in L. zum Preis von 96.353,50 € (TEA I Bd. 4 Register 19).

(18) Am 09.07.2009 beurkundete er unter der URNr. . das an die C. Immobilien GmbH gerichtete

Kaufangebot des in … W. (…) wohnhaften W. C. über eine in L. gelegene (vermietete) Eigentumswohnung zum Preis von 54.250 € (TEA I Bd. 2 Register 7).

(19) Am 23.07.2009 beurkundete er unter der URNr. . das an die a. Immobilien GmbH gerichtete Kaufangebot der in … R. wohnhaften P. K. über eine Eigentumswohnung in M. zum Preis von 92.000 € (TEA I Bd. 3 Register 16).

22

Dem Beklagten wird vorgeworfen, ohne hinreichende Prüfung der tatsächlichen Umstände eine „Ausnahme“

von § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG angenommen und deshalb pflichtwidrig die Beurkundung vorgenommen zu haben. Umstände, die von der Fristeinhaltung entbunden hätten, hätten jeweils nicht vorgelegen. Der Beklagte habe gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, dass sachliche Gründe für die Fristunterschreitung nicht vorgelegen hätten und Übereilungsschutz nicht anderweitig gewährleistet gewesen sei.

23

4.1.2. In weiteren 51 Fällen beurkundete der Beklagte im Zeitraum vom 21.12.2005 bis zum 23.02.2009 Immobilienkaufverträge oder Kaufangebote von Verbrauchern, bei denen die Verkäufer der „S.-Gruppe“

angehörten. In den Urkunden hielt er jeweils fest, dass die Zwei-Wochen-Frist eingehalten sei.

24

Hierbei handelt es sich um folgende Beurkundungen (in alphabetischer Reihenfolge der Käufernamen):

(Tabelle Regelfrist) (Tabelle Regelfrist) (Tabelle Regelfrist) (Tabelle Regelfrist)

(6)

(Tabelle Regelfrist) 25

Der Kläger behauptet, auch in diesen 51 Fällen habe den Käufern kein oder nicht der „richtige“

Vertragsentwurf fristgerecht vor dem Beurkundungstermin zur Verfügung gestanden. Dem Beklagten wird zum Vorwurf gemacht, die Beurkundung vorgenommen zu haben, obwohl ihm dies ebenso bewusst gewesen sei wie das Fehlen von Umständen, nach denen von der Einhaltung der Frist hätte abgesehen werden dürfen. Zumindest habe er solches für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen. Jedenfalls habe sich ihm solches aufdrängen müssen.

26

4.1.3. Zum Beweis für die objektive Unterschreitung der zweiwöchigen Regelfrist und die Kenntnis des Beklagten hiervon beruft sich der Kläger auf die Vernehmung von Zeugen, nämlich des Ermittlungsführers, der Käufer, Vermittler, Verkäufer bzw. deren Vertreter sowie von Notariatsangestellten und Angestellten der Verkäufer, außerdem auf den Urkundentext, soweit dieser Angaben zur Regelfristunterschreitung enthält.

Soweit der Urkundentext Anderes besagt, stützt der Kläger seine Behauptung, der Beklagte habe die objektive Unterschreitung der Regelfrist jedenfalls ab November 2005 für möglich gehalten und in Kauf genommen, auf die abstrakten Gefahren des vertriebsgestützten Immobilienmarktes und auf konkrete Umstände.

27

Die Gefahr unlauteren Geschäftsgebarens sei für den Beklagten schon aus folgenden Gründen ersichtlich gewesen:

- Die Immobilien der „S.-Gruppe“ wurden als Anlageobjekte angeboten.

- Die Verträge wurden fast ausnahmslos in Angebot und Annahme aufgespalten.

- Der Käuferwohnsitz befand sich regelmäßig nicht im Amtsbereich des Beklagten.

- Die Immobilien seien über einen Strukturvertrieb vermarktet worden.

28

Darüber hinaus hätten sich für den Beklagten konkrete Anhaltspunkte aus folgenden Umständen ergeben:

- Die Beurkundungstermine wurden regelmäßig kurzfristig anberaumt.

- Vor dem Beurkundungstermin fand in der Regel kein Kontakt zwischen Verbraucher und Notariat statt.

- Einzelne Beurkundungen wurden an Wochenenden vorgenommen.

- Die handschriftlichen Eintragungen in den vom Notariat zur Verfügung gestellten Bestätigungsformblättern über die Fristeinhaltung enthielten teilweise Streichungen, Ausbesserungen oder unschlüssige

Datumsangaben.

- In der Zeit von August 2003 bis Oktober 2005 wurden von 115 beurkundeten Immobiliengeschäften (Kaufverträge und angenommene Kaufangebote) 19 Verträge wieder aufgehoben; von 107 in der Zeit von November 2005 bis Februar 2009 beurkundeten Immobilienerwerbsgeschäften wurden 13 wieder

aufgehoben.

- In der Zeit von April 2004 bis Oktober 2005 wurden von 112 beurkundeten Kaufangeboten 14 nachfolgend nicht angenommen; in der Zeit von November 2005 bis Dezember 2008 wurden von 108 beurkundeten Kaufangeboten an einen Verkäufer aus der „S.-Gruppe“ 15 nicht angenommen.

- In zwei Fällen bat eine der „S.-Gruppe“ zugehörende Verkäuferin per Telefax darum, den Entwurf eines Kaufangebotes vorzubereiten, aber nicht dem Kaufinteressenten zu übersenden.

- In einer Vielzahl von Fällen habe es an einer soliden Finanzierung gefehlt.

- Die Kaufpreise für die beurkundeten Objekte seien offensichtlich überhöht gewesen.

- Der Beklagte habe von der teilweisen Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist Kenntnis gehabt (siehe Ziff.

4.1.1.).

(7)

- Durch die Schreiben der Rechtsanwältin G. für den Käufer K. vom 18.11.2004, des Käufers L. vom 13. und 25.10.2005 und des Rechtsanwalts S. für die Käufer H. vom 10.05.2006, außerdem durch die telefonischen und schriftlichen Angaben der Käuferin B. vom 29.01. und 06.03.2008, die EMail der Käuferin H. vom 23.07.2008 sowie die Telefonate mit dem Käufer W. vom 01., 03. und 10.04.2008 habe der Beklagte gewarnt sein müssen.

29

4.1.4. Der Kläger ist der Meinung, aufgrund dieser Auffälligkeiten habe es sich dem Beklagten jedenfalls ab November 2005 aufdrängen müssen, dass die Vertragsentwürfe von den Verkäufern der „S.-Gruppe“ bzw.

den von ihnen beauftragten Vermittlern nicht rechtzeitig, mithin nicht unter Einhaltung der gesetzlichen Regelfrist, den Kaufinteressenten überlassen würden. Er ist der Meinung, der Beklagte habe sich deshalb nicht mit der bejahenden Auskunft der Käufer im Beurkundungstermin zufrieden geben dürfen, sondern hätte zum Selbstversand der Entwürfe übergehen müssen.

30

4.1.5. Der Beklagte habe in allen Fällen auch schuldhaft gehandelt, denn ihm seien Wesen und Bedeutsamkeit der verletzten Norm bekannt gewesen. Bei gebotener Anstrengung habe er erkennen können, dass sein Verhalten hinter dem ihm gesetzlich Auferlegten zurückbleibe.

31

4.2. Hinsichtlich des weiteren Vorwurfs der systematischen Aufspaltung von Kaufverträgen in Angebot und Annahme wird dem Beklagten als Fehlverhalten Folgendes angelastet:

32

Im Zeitraum vom 07.04.2004 bis zum 12.11.2008 beurkundete der Beklagte in 195 Fällen

Immobilienkaufangebote von Verbrauchern, gerichtet an Verkäufer aus dem Kreis der „S.-Gruppe“. Hierbei handelt es sich um folgende Beurkundungen:

(Tabelle Aufspaltungen) ...

33

4.2.1. Dem Beklagten wird vorgehalten, dass diese Aufspaltung unter Verstoß gegen § 67 Abs. 2 BNotO i.

V. m. Ziff. II Nr. 1 Satz 4 Buchst. d der Richtlinien für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der

Mitglieder der L. B. erfolgt sei. Die Aufspaltung sei als systematisch im Sinne der Richtlinie zu qualifizieren.

Dies ergebe sich aus der Anzahl der Vorgänge und dem zahlenmäßigen Verhältnis zwischen den durch getrennte Vertragserklärungen zustande gekommenen Kaufverträgen und den beurkundeten Verträgen.

Das Vorgehen sei zudem nicht von Sachgründen getragen gewesen, denn die räumliche Distanz zwischen Käufer und Verkäufer sei dann nicht als Sachgrund anzuerkennen, wenn - wie hier - der Notar die

Beurkundung der beiderseitigen Erklärungen vornehme. Erst recht sei eine ungeklärte Finanzierung auf Käuferseite kein Sachgrund für eine Aufspaltung. Der Beklagte habe mit seinem Verhalten die notarielle Pflicht zur Unparteilichkeit verletzt.

34

4.2.2. Der Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt, denn eine (etwaige) Fehlvorstellung, zu dem Vorgehen berechtigt gewesen zu sein, sei jedenfalls vermeidbar gewesen.

35

5. Angesichts der Schwere, Vielzahl und Dauer der für beweisbar erachteten Pflichtverstöße hält das klagende Land die Entfernung des Beklagten aus dem Amt für geboten. Letztlich habe der Beklagte - ohne selbst Straftaten begangen zu haben - dazu beigetragen, dass das betrügerische Vertriebssystem der „S.- Gruppe“ habe funktionieren können.

36

Der Kläger beantragt daher,

den Beklagten aus dem Amt zu entfernen.

37

Der Beklagte beantragt,

(8)

die Disziplinarklage abzuweisen.

38

Das beigeladene B. St. J. hat sich dem Klageantrag angeschlossen.

39

Die ebenfalls beigeladene L. B. hat keinen Antrag gestellt, aber die Meinung geäußert, dass es für die Entscheidung maßgeblich auf die Vernehmung der von der Klage angebotenen Zeugen (Käufer, Vermittler, Verkäufer bzw. deren Vertreter und Angestellte, Notariatsangestellte) ankomme.

40

6. Der Beklagte macht geltend, die Generalstaatsanwaltschaft hätte das Verfahren bei Berücksichtigung seiner Einlassung einstellen oder an die Aufsichtsbehörden zurückgeben müssen. Die stattdessen erhobene Disziplinarklage beruhe auf einer unzulässigen expost-Betrachtung von Gesamtumständen, die im Beurkundungszeitraum weder dem Beklagten bekannt noch allgemeiner Kenntnisstand und zudem für den Beklagten nicht erkennbar gewesen seien.

41

6.1. Als Verfahrensverstoß rügt er:

42

Die Ermittlungen seien zu seinem Nachteil einseitig geführt und ausgewertet worden. Die Verfahrensübernahme durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts N. im Anschluss an den

Ermittlungsbericht des Präsidenten des Landgerichts R. vom 18.09.2013 und der erteilte Ermittlungsauftrag hätten darauf abgezielt, dass die weiteren Untersuchungen etwas Belastendes ergeben.

43

Durch die Übernahme des Disziplinarverfahrens durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts N. sei das Recht des Betroffenen auf Teilnahme an den Zeugenvernehmungen unter fehlerhafter Ermessensausübung erheblich erschwert worden.

44

Eine ausreichende Vorbereitung auf die Zeugenvernehmungen sei angesichts der allgemein gehaltenen Beweisthemen nicht möglich gewesen, weil er, der Beklagte, bis zum Abschluss der Ermittlungen keine Einsicht in den vom Präsidenten des Oberlandesgerichts N. erteilten Ermittlungsauftrag erhalten habe.

45

Ihm sei im Rahmen der Schlussanhörung nur der Ermittlungsbericht zur Verfügung gestellt worden, jedoch hätten die Anlagen zum Bericht gefehlt.

46

Die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme bedeutsamen Umstände seien nicht ermittelt worden.

47

6.2. Inhaltlich wendet er gegen die Vorwürfe ein:

48

6.2. Schon objektiv lägen keine Amtspflichtverletzungen vor.

49

6.2.1. In den 19 Fällen, in denen dem jeweiligen Käufer der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts nicht zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestanden habe, habe er die ihm als Urkundsnotar auferlegte Hinwirkungspflicht nicht verletzt. Eine Erfolgspflicht dahingehend, eine objektiv hinreichende Information des Verbrauchers sicherzustellen, obliege dem Notar nicht.

50

Der vom Gesetz bezweckte Übereilungs- und Überlegungsschutz sei jeweils auf andere Weise als durch Einhaltung der Regelfrist gewährleistet gewesen, so durch die rechtzeitige Übersendung anderer, tauglicher Entwürfe (H.: Entwurf des ursprünglichen Bauträgervertragsangebots; L.: Vertragsentwürfe zu anderen Objekten; N.: Mustervertrag für ein anderes Objekt der „S.-Gruppe“) oder mit Blick auf frühere

Immobilienkaufverträge/-angebote (B.; Br.; Bru.; J.; L.) oder wegen der beruflichen Stellung des jeweiligen Verbrauchers (A.: Versicherungsvertreter und Organisationsleiter einer Versicherungsagentur; C.: Leiter

(9)

eines Einzelhandelsmarktes; H.: Sozialversicherungsfachangestellte; K.: Finanzbuchhalterin). Zudem habe den Verbrauchern eine der Regelfrist entsprechend lange Überlegungsfrist dadurch zur Verfügung

gestanden, dass sie Kenntnis von den für die Kaufentscheidung maßgeblichen, wirtschaftlichen essentialia des Geschäfts (Immobilie nach Art, Größe, Lage und Beschaffenheit sowie Kaufpreis) gehabt hätten. Dies sei zumindest bei Standardverträgen, wie sie hier vorgelegen hätten, maßgeblich.

51

Außerdem habe jeder Käufer einen triftigen, wenn auch mittlerweile nicht mehr erinnerlichen Grund - z. B.

Auslandseinsatz, Abwesenheit wegen auswärtiger Montageeinsätze, Urlaubssperre in der Probezeit - dafür genannt, warum die Beurkundung fortgesetzt und nicht verschoben werden sollte. Die in den Urkunden (teils) angegebenen Gründe für die sofortige Beurkundung seien nicht als vollständige Dokumentation zu verstehen.

52

6.2.2. Betreffend die übrigen - 51 - Fälle bestreitet der Beklagte, dass der beabsichtigte Text des

Rechtsgeschäfts als Mustervertrag ohne individuelle Angaben den jeweiligen Verbrauchern entgegen deren im Beurkundungstermin gemachten Angaben nicht fristgerecht über die Verkäuferseite, der der Beklagte jeweils Mustervertragstexte und Teilungserklärungen zur Aushändigung an die Kaufinteressenten überlassen hatte, zur Verfügung gestellt worden sei.

53

Derartiges sei ihm zudem nicht bekannt gewesen. Auf die Angaben der Käufer im Beurkundungstermin nach Verlesen des entsprechenden Vermerks und Nachfrage habe er vertraut und vertrauen dürfen. Er habe nicht erkennen können, dass Käu fer - unterstellt - falsche Angaben zum rechtzeitigen Erhalt eines Vertragsentwurfs machen. Hinweise auf diesbezügliche Falschangaben habe er nicht gehabt; solche ergäben sich auch nicht aus den vom Kläger genannten Umständen.

54

Von Kickback-Zahlungen an einzelne Käufer, die Motiv für den Immobilienerwerb und die ihm damals nicht bekannte Überverbriefung sowie für eine möglicherweise falsche Angabe hinsichtlich der Fristeinhaltung gewesen sein könnten, habe er nichts gewusst.

55

Die Darstellungen in den Beschwerdeschreiben seien aus seiner damaligen Sicht objektiv unglaubwürdig gewesen und hätten allenfalls ein individuelles Fehlverhalten des Vermittlers beschrieben, ohne einen Generalverdacht gegen die „S.Gruppe“ und deren Vermittler zu begründen.

56

Eine Versendungspflicht des Notars habe nicht bestanden, auch nicht zum Zweck der Überprüfung der Fristeinhaltung in „kritischen“ Fällen.

57

Auch ein fahrlässiges Handeln scheide mangels Erkennbarkeit einer Tatbestandsverwirklichung aus.

58

Er meint, die Vertragsaufspaltung sei nicht als planmäßige und missbräuchliche Gestaltung des Beurkundungsverfahrens, mithin nicht als „systematisch“ im Sinne der Richtlinien, zu bewerten. Die Aufspaltung sei nämlich mit keinem Belehrungsdefizit verbunden gewesen, weil jeweils das Kaufangebot des Verbrauchers als der schwächeren und schutzbedürftigen Vertragspartei Gegenstand der Beurkundung gewesen sei. Ein Verhandlungsdefizit sei angesichts der bei Bauträgern üblichen Ablehnung jeglicher Verhandlung über die Vertragsbedingungen gleichfalls nicht entstanden. Für die nicht von ihm, sondern von der „S.-Gruppe“ (M. S.) initiierte Aufspaltung seien Sachgründe maßgeblich gewesen. Jedenfalls habe er hiervon ausgehen dürfen, denn eine größere räumliche Distanz (hier jeweils mehr als 100 km) zwischen den Vertragsteilen und eine geringe terminliche Disponibilität (hier auf Verkäuferseite) sowie fehlender Bindungswille bei einem Vertragsteil (nämlich der Käuferseite bei noch ungeklärter Finanzierung) seien als sachliche Gründe im Sinne der Richtlinienbestimmung anerkannt.

59

(10)

6.2.3. Ein etwaiger objektiver Pflichtenverstoß sei jedenfalls unverschuldet, da die Zweifelsfragen bei der Auslegung der den Amtspflichtverletzungen zugrundeliegenden Normen im Beurkundungszeitraum nicht ausgetragen gewesen seien.

60

Weil im damaligen Zeitraum unterschiedliche Ansichten darüber vertreten wurden, wie das

Spannungsverhältnis zwischen der aus § 15 Abs. 1 BNotO folgenden Urkundsgewährungspflicht und der in

§ 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG normierten Hinwirkungspflicht des Notars aufzulösen sei und eine Verpflichtung, die Beurkundung bei Unterschreitung der Regelfrist zu verweigern, nur von einer Mindermeinung vertreten worden sei, könnten ihm sein Normverständnis und die Vornahme der Beurkundungen nach aus seiner Sicht erfüllter Hinwirkungspflicht jedenfalls nicht als schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden.

61

Dass die räumliche Distanz des Verkäufers zu dem das Angebot beurkundenden Notar dann

ausnahmsweise nicht als sachlicher Grund für eine Aufspaltung anzusehen sei, wenn derselbe Notar Angebot und Annahme beurkunde, habe er mangels entsprechender Rechtsprechung oder

Literaturmeinung nicht erkennen können. Selbst wenn dieses Verständnis zutreffend sein sollte, könne ihm sein Fehlverständnis daher nicht vorgeworfen werden.

62

6.2.4. Die mit der Disziplinarklage angestrebte Entfernung aus dem Amt hält der Beklagte auf jeden Fall für unverhältnismäßig.

63

7. Der Senat hat am 25.10.2017 mündlich zur Sache verhandelt und den Beklagten persönlich angehört.

Auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 278/282 d.A.) wird verwiesen. Mit Beschluss vom 15.11.2017 hat der Senat die mündliche Verhandlung wieder eröffnet und Hinweise erteilt. Insoweit wird auf Bl. 284/287 d.A.

Bezug genommen.

64

Mit Schriftsätzen vom 28.11.2017 sowie 11., 13. und 15.12.2017 haben sich die Parteien und Beigeladenen mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Am 25.01.2018 erging Beschluss, dass im schriftlichen Verfahren entschieden wird.

65

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf die im gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien und Beigeladenen verwiesen sowie auf den Inhalt der Akten des disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahrens einschließlich der Beiakten, nämlich

66

Zwei Bd. Sachakten, Gz.: GenStA M.,

(11)

Entscheidungsgründe 67

Die Disziplinarklage ist vor dem gemäß §§ 99, 100 BNotO i.V.m. § 2 BayBNotOAV (GVBl 1999, 339) zuständigen Oberlandesgericht in zulässiger Weise erhoben, aber nur im tenorierten Umfang begründet.

68

Der Beklagte hat in 19 Fällen gegen die in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (i. d. F. des Gesetzes vom 23.07.2002, BGBl I Seiten 2850 bis 2859; künftig nur: a. F.) normierte Dienstpflicht und in 195 Fällen durch systematische Aufspaltung von Kaufverträgen in Angebot und Annahme (§ 67 Abs. 2 BNotO i. V. m. Ziff. II Nr. 1 Satz 4 Buchst. d der Richtlinie für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der L. B.) gegen die aus § 14 Abs. 3 BNotO fließende Verhaltenspflicht verstoßen und damit ein Dienstvergehen im Sinne von § 95 BNotO begangen. Gegen ihn ist deshalb die im Tenor ausgesprochene

Disziplinarmaßnahme zu verhängen.

69

Der darüber hinaus erhobene Vorwurf, in weiteren 51 Fällen die sich aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. ergebende Dienstpflicht verletzt zu haben, ist hingegen nicht zu bestätigen. Für einen diesbezüglichen

„Teilfreispruch“ ist in der Urteilsformel allerdings kein Raum (Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler BNotO 8. Aufl. 2016 § 95 Rn. 41 a. E.; Herrmann in Schippel/Bracker BNotO 9. Aufl. 2011 § 95 Rn. 7).

70

1. Das disziplinarrechtliche Ermittlungsverfahren ist ohne die gerügten Verfahrensverstöße durchgeführt worden.

71

1.1. Das Recht des Beklagten auf ein faires (behördliches) Disziplinarverfahren ist nicht wegen tendenziös durchgeführter oder ausgewerteter Ermittlungen verletzt worden.

72

Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 21 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BDG sind die zur Aufklärung des

Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und dabei sowohl die belastenden als auch die

(12)

entlastenden Umstände sowie die für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme bedeutsamen Umstände zu ermitteln. Hiergegen wurde nicht verstoßen.

73

Es standen Pflichtenverstöße von erheblichem Umfang und Gewicht im Raum. So bestand der Verdacht, der Beklagte habe in 534 Fällen Beurkundungen vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist durchgeführt und dabei aufgrund entsprechender Information durch die Vermittler positiv gewusst, dass die Frist nicht eingehalten sei. Weiter stand der Vorwurf im Raum, unter Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG den Willen der Urkundsbeteiligten ungenügend erforscht und über die rechtliche Tragweite des Geschäfts nicht ausreichend belehrt zu haben. Außerdem bestand der Verdacht, er habe in 32 Fällen im Zuge der Beurkundung von Kaufangeboten betreffend Sanierungsobjekte in den neuen Bundesländern Kaufpreisraten beur kundet, die gegen das Vorleistungsverbot verstoßen hätten. Auch wurden

Anhaltspunkte dafür gesehen, dass dem Beklagten in einer Vielzahl von Fällen ein wucherisches (§ 138 BGB) Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bewusst gewesen sei. Schon ein Abgleich dieser Vorwürfe mit dem dahinter zurückbleibenden Gegenstand der Disziplinarklage zeigt auf, dass das Ermittlungsverfahren nicht von einer einseitigen, den Beklagten belastenden Tendenz geprägt ist.

74

Die Einleitung des disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurde zwar ausgelöst durch - in

tatsächlicher Hinsicht nicht untermauerte - Ausführungen zu Strafmilderungsgründen im Strafurteil gegen den Vermittler E. und durch protokollierte Zeugenaussagen einzelner Käufer und Vermittler, die sich im weiteren Verlauf der Ermittlungen nicht oder nicht in vollem Umfang als belastbar erwiesen haben. Dass diese Umstände zum Anlass für die Aufnahme von Ermittlungen und zur Abklärung des Verdachts einer Dienstpflichtverletzung genommen wurden, besagt jedoch nicht, dass das Verfahren nicht ergebnisoffen geführt und die Auswertung durch im Ermittlungsverfahren nicht erhärtete Verdachtsmomente beeinflusst sei.

75

Die Vorlage des Verfahrens an sowie die Übernahme durch die höhere Dienstbehörde waren zulässig gemäß §§ 96 Abs. 1 Satz 1, 98 Abs. 2 BNotO, §§ 17 Abs. 1 Satz 2, 31 BDG. Der sodann erteilte Ermittlungsauftrag lässt weder eine Einseitigkeit noch gar eine Vorwegnahme des „gewünschten“

Ermittlungsergebnisses erkennen. Die Disziplinarakten nebst Beiakten wurden vielmehr dem

Ermittlungsführer „zur weiteren Sachbehandlung“ zugeleitet. Gemäß Vermerk vom 20.12.2013 war für die

„weitere Sachbehandlung“ vorgesehen, das Verfahren auf die „annähernd 200 S.-Fälle“ (gegebenenfalls unter Einbeziehung weiterer 13 Fälle, in denen die Unterschreitung der Zwei-Wochen-Frist zugestanden sei) sowie auf den Vorwurf der pflichtwidrigen Aufspaltung zu beschränken. Die Ermittlungen sollten sich insbesondere auf das „eigentliche Problem“ beziehen, nämlich die Feststellung der objektiven

Nichteinhaltung der Frist in etwa 150 bis 160 Fällen, weil es hierzu noch keine Erhebungen gebe und es zu weit gehen dürfte, diese Fälle nicht mehr zu verfolgen. Außerdem könnte die subjektive Seite „noch untermauert werden“ durch weitere Ermittlungen, unter anderem durch ergänzende Anhörung des Notars.

Ein bestimmtes Ermittlungsergebnis oder ein Auftrag, durch weitere Untersuchungen Belastendes zu sammeln, wurde damit nicht vorgegeben. Vielmehr wurde aufgezeigt, dass ein Teil der im Raum stehenden Dienstpflichtverletzungen nicht vollständig belegt, der Verdacht aber auch nicht ausgeräumt war und zu schwer wog, als dass von einer Aufklärung abgesehen und das Verfahren auf die für erwiesen erachteten Pflichtverstöße hätte beschränkt werden können.

76

Dies ist nicht zu beanstanden, auch nicht vor dem Hintergrund der im Ermittlungsbericht vom 18.09.2013 dargelegten Erkenntnis, dass die im Disziplinarverfahren vernommenen Zeugen (Käufer und Vermittler) ihre im Strafverfahren protokollierten Aussagen, aufgrund derer der Verdacht gegen den Notar entstanden war, auf konkrete Befragung teils relativierten. Insbesondere war der Verdacht nicht bereits entkräftet; die Entscheidung der höheren Aufsichtsbehörde (§ 96 Abs. 2 BNotO, § 17 Abs. 1 Satz 2 BDG), zur weiteren Abklärung den bestehenden Ermittlungsansätzen nachzugehen und die weiteren Ermittlungen selbst durchzuführen, erlaubt deshalb nicht den Vorwurf tendenziös beauftragter Ermittlungen. Die Übernahme des Verfahrens durch die höhere Aufsichtsbehörde war zudem von dem sachlichen und nicht tendenziös motivierten Gesichtspunkt getragen, dass angesichts der Zahl der bis dahin ermittelten Dienstvergehen bei zusammenfassender Würdigung die Ahndungskompetenz des Präsidenten des Landgerichts (Geldbuße bis zu 10.000 €) nicht ausreiche.

(13)

77

Daraus, dass der Ermittlungsbericht vom 01.06.2015 die Ermittlungsergebnisse zum Nachteil des Beklagten als Pflichtenverstoß wertet und sich zur Begründung unter anderem die Argumente einer vereinzelt

gebliebenen Literaturmeinung zu eigen macht, lässt sich ein Verstoß gegen die Pflicht zur Ermittlung sowohl der belastenden als auch der entlastenden Umstände nicht herleiten. Auch eine - ohnehin nicht geltend gemachte - Befangenheit des Ermittlungsführers (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 3 BDG, Art. 21 BayVwVfG) ergibt sich aus der vorgenommenen Wertung nicht.

78

Entlastende Umstände wurden ebenso ermittelt und dargestellt wie solche, die für die Auswahl der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind. So wurde herausgestellt, dass nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Notar weder Kenntnis hatte von dem Gebaren der Vermittler, die die Kaufinteressenten darauf „einschworen“, die Frage nach der Fristeinhaltung beim Notar zu bejahen, noch von dem Interesse einer nicht unbedeutenden Anzahl von Käufern wusste, durch Überverbriefung in den Genuss der niedrigen Zinssätze für grundschuldgesicherte Immobiliendarlehen zu gelangen und mit dem überschießenden Betrag anderweitig bestehende Verbindlichkeiten zurückzuführen. Es wurde ausdrücklich klargestellt, dass dem Beklagten auch unter sonstigen Gesichtspunkten keine Beteiligung an den Straftaten der „S.-Gruppe“

vorgeworfen wird. Auch der Meinungsstreit über das zutreffende Verständnis des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. und die aus der Norm fließenden Dienstpflichten des Notars wurde dargestellt.

79

Schließlich wurden für das Disziplinarmaß erhebliche günstige Umstände ermittelt bzw. bewusst

wahrgenommen und wiedergegeben, nämlich die bereitwillige und uneingeschränkte Kooperation während der gesamten Dauer des nahezu vierjährigen Ermittlungsverfahrens, das Fehlen einer disziplinarrechtlichen Vorbelastung sowie die familiären Verhältnisse des Notars.

80

1.2. Das Recht des Beklagten auf Beweisteilhabe wurde nicht verletzt. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 24 Abs. 4 Satz 1 BDG ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, an der Vernehmung von Zeugen teilzunehmen und hierbei sachdienliche Fragen zu stellen. Dem sind die Ermittlungsführer nachgekommen.

81

Dem Beklagten wurden rechtzeitig die Vernehmungstermine und die Namen der Zeugen bekannt gegeben.

War die Vernehmung von Vermittlern vorgesehen, so wurden darüber hinaus die Namen der von ihnen vermittelten Käufer mitgeteilt. Anhand dieser Angaben war dem Notar die Zuordnung zu konkreten Urkunden und die Vorbereitung auf den Termin möglich. Der Notar und/oder sein anwaltlicher Vertreter haben an allen Vernehmungen teilgenommen. Dass sie sich mit sachdienlichen Fragen beteiligten, die maßgeblichen Urkunden (in Ablichtung) zur Verfügung hatten und hieraus Vorhaltungen machten, geht aus den Protokollen hervor.

82

Die Verfahrensübernahme durch die übergeordnete Behörde hatte zwar zur Folge, dass die Zeugenvernehmungen in einer größeren räumlichen Entfernung vom Notariatssitz stattfanden. Dies bedeutet wegen des damit verbundenen höheren Zeitaufwands eine zusätzliche Belastung für den Notar, nicht jedoch eine Beschneidung seiner Verteidigungsmöglichkeiten, zumal die Übernahmeentscheidung der höheren Aufsichtsbehörde mit Blick auf die eingeschränkte Disziplinargewalt der unteren Aufsichtsbehörde (§ 98 Abs. 2 BNotO) und das Gewicht der damals inmitten stehenden Vorwürfe nicht ermessensfehlerhaft war.

83

1.3. Die Möglichkeit des Beklagten zu effektiver Verteidigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 3 BDG, Art. 29 BayVwVfG) wurde nicht beschnitten.

84

Gemäß Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Weder Um fang noch Zeitpunkt der Gewährung von Akteneinsicht schränkten die Möglichkeit des Beklagten zu effektiver Verteidigung ein.

85

(14)

Dem Beklagten wurde bereits im Zuge der förmlichen Verfahrenseinleitung der gegen ihn erhobene Vorwurf bekannt gegeben. Nach Übernahme des Disziplinarverfahrens durch den Präsidenten des

Oberlandesgerichts N. am 13.03.2014 erhielt er zudem am 05.05.2014 eine Kopie des Ermittlungsberichts des Präsidenten des Landgerichts R. vom 18.09.2013. Da der Gegenstand des dem Beklagten gemachten Vorwurfs nicht ausgeweitet wurde, da sich außerdem aus dem ihm zur Kenntnis gegebenen Bericht vom 13.03.2014 ergab, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die verfahrensgegenständlichen Vorwürfe als nicht ausermittelt angesehen wurden, bedurfte er zu seiner effektiven Verteidigung - auch durch

sachdienliche Fragen an die Zeugen - nicht der Einsicht in den Ermittlungsauftrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts N. Worauf es bei den Zeugenbefragungen ankam, ergab sich vielmehr aus dem den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bildenden möglichen Pflichtenverstoß.

86

Dass auf der dem Beklagten mit Schreiben vom 18.06.2015 übersandten CD nur der eingescannte Akteninhalt zum Stand Ende Mai 2015, mithin ohne Ermittlungsbericht vom 01.06.2015, gespeichert war, schränkte dessen Verteidigungsmöglichkeiten gleichfalls nicht ein. Der Beklagte wurde durch die

Übersendung vielmehr in die Lage versetzt, sich mit dem auszuwertenden Verfahrensstoff umfänglich vertraut zu machen. Eine Kopie des vollständigen Ermittlungsberichts vom 01.06.2015 einschließlich Anlagen wurde sodann mit Schreiben vom 13.07.2015 seinem anwaltlichen Vertreter zugesandt. Dass die Anlagen zum Ermittlungsbericht im Rahmen der Schlussanhörung nicht nochmals übersandt wurden, führte somit zu keiner Beschneidung der Verteidigungsmöglichkeiten.

87

2. Der Beklagte hat in 19 Fällen die ihm gemäß § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. obliegende Pflicht schuldhaft verletzt, indem er Kaufverträge bzw. Kaufangebote beurkundet hat, obwohl - wie er wusste - bei Beurkundung die Zwei-Wochen-Frist seit Entwurfsüberlassung nicht eingehalten und der gesetzlich

bezweckte Übereilungs- und Überlegungsschutz (vgl. BGH vom 14.07.2015 - III ZR 292/14, BGHZ 206, 112 Rn. 16; vom 07.02.2013 - III ZR 121/12, BGHZ 196, 166 Rn. 20) auch nicht anderweitig gewährleistet war.

88

2.1. Nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. soll der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen; bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach § 311b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB unterliegen, geschieht dies nach dem Gesetz in der Regel dadurch, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird.

89

2.2. Die Überzeugung davon, dass entgegen dieser gesetzlichen Vorgabe der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts dem jeweiligen Käufer nicht zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestanden hat, gründet sich darauf, dass der Beklagte diese Tatsache jeweils im Urkundeneingang festgehalten und hieran anknüpfend Erklärungen des jeweiligen Käufers wiedergegeben hat.

90

Die Urkunden enthalten jeweils im Anschluss an die Personaldaten zunächst entweder eine Wissenserklärung der Käufer oder einen Hinweis des Notars wie folgt:

„Käufername weiß (resp. wissen), dass der Notar nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG eine Beurkundung nur dann vornehmen soll, wenn mindestens zwei Wochen verstrichen sind, seitdem ihm (resp. ihnen) ein Entwurf des Kaufvertrags (resp. Kaufangebots, ggfls. und die Teilungserklärung samt etwaigen Nachträgen) übergeben wurde und dass diese Regelung ihn (resp. sie) vor übereilten Handlungen schützen soll. Der Notar hat [Käufername] die Verlegung des Beurkundungstermins für den Fall angeboten, dass die Frist noch nicht abgelaufen ist.“

Käufername erklärt (resp. erklären) hierzu, … Alternativ:

Er (sc. der Käufer) wurde vom Notar darauf hingewiesen, dass nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG wegen den mit einem unüberlegten Vertragsschluss verbundenen Risiken eine Beurkundung nur dann stattfinden soll, wenn seit der Entwurfsübersendung und der Beurkundung zwei Wochen verstrichen sind und ihm wurde die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten.

(15)

91

Zu den Käufererklärungen ist sodann Folgendes wiedergegeben:

„Herr M. I. hat vom Notar keinen Entwurf dieses Kaufvertrages erhalten. Er wurde vom Notar darauf hingewiesen, dass … Herr M. I. wünscht jedoch die sofortige Beurkundung des Kaufvertrags.“

(2) Käufer J.:

„Herr R. J. erklärt, vom Notar keinen Entwurf dieses Kaufvertrages erhalten zu haben. Ihm ist bekannt, dass .

Herr R. J. erklärt jedoch, dass er wünscht, dass die Beurkundung noch im laufenden Kalenderjahr stattfindet.

Trotz nochmaligen Hinweises auf die mit einem unüberlegten Vertragsschluss verbundenen Risiken verzichtet er ausdrücklich auf die Einhaltung der 14-Tages-Frist und besteht auf sofortiger Beurkundung.“

(3) Käuferin N.:

„Frau M. N. hat vom Notar keinen Entwurf dieses Kaufangebotes erhalten. Ihr ist bekannt, dass . Frau M. N. erklärt jedoch trotz Hinweis des Notars auf die mit einem übereilten Vertragsschluss verbundenen Gefahren, dass sie auf sofortige Beurkundung des Angebots besteht.“

(4) Käufer G.:

„Herr S. G. erklärt, vom Notar keinen Entwurf dieses Kaufangebots erhalten zu haben. Ihm ist bekannt, dass .

Herr S. G. erklärt hierzu, dass ihm im Auftrag des Verkäufers am 02.07.2005 ein Vertragsentwurf - ohne persönliche Daten - übergeben wurde auf dessen Grundlage er sich mit dem Gegenstand der heutigen Beurkundung bereits auseinandersetzen konnte. Er wünscht daher die sofortige Beurkundung des Kaufangebots, obwohl ihm der Notar die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten hat.“

„Herr K.-J. H. erklärt, vom Notar mit Post vom 10.08.2005 einen Entwurf dieses Kaufangebots erhalten zu haben. Ihm ist bekannt, dass Herr K.-J. H. erklärt hierzu, dass er sich mit dem Vertragsentwurf seiner Ansicht nach bereits ausreichend auseinandergesetzt hat. Obwohl ihn der Notar nochmals auf die Gefahr eines übereilten Vertragsschlusses hingewiesen hat, wünscht er die sofortige Beurkundung des

Kaufvertrags.“

(6) Käufer S.:

„Herr A. S. erklärt, vom Notar keinen Entwurf dieses Kaufangebots erhalten zu haben. Ihm ist bekannt, dass .

Herr A. S. erklärt hierzu, dass ihm im Auftrag des Verkäufers bereits vor zehn Tagen ein Vertragsentwurf - ohne persönliche Daten -übergeben wurde auf dessen Grundlage er sich mit dem Gegenstand der heutigen Beurkundung bereits auseinandersetzen konnte. Er wünscht die sofortige Beurkundung des Kaufangebots.“

(7) Käuferin H.:

„Frau S. H. weiß, dass .

Frau S. H. erklärt hierzu, dass sie die genannten Unterlagen am 20.10.2005 über den Vermittler erhalten hat. Obwohl die 14-Tages-Frist noch nicht vollständig verstrichen ist, wünscht sie keine Verlegung des Beurkundungstermin(s) sondern sofortige Beurkundung.“

(8) Käufer L.:

„Herr W. L. erklärt, vom Notar erst mit Post vom 11.04.2006 einen Entwurf dieses Kaufangebots erhalten zu haben. Ihm ist bekannt, dass .

Herr L. erklärt hierzu, dass er den Entwurf trotz des kurzen Zeitraums ausreichend geprüft hat und dass er bereits zwei ähnliche Angebote über den Erwerb von Sondereigentumseinheiten abgegeben und somit Erfahrungen mit Angeboten über den Erwerb von Gebrauchtimmobilien hat.“

(16)

(9) Käufer L.:

„Herr B. L. weiß, dass … Herr B. L. erklärt hierzu, dass er die genannten Unterlagen zwar vorher nicht erhalten hat, dass er aber dennoch die sofortige Beurkundung wünscht, insbesondere da er bereits mehrere ähnlich lautenden Entwürfe für andere Wohnungen erhalten hatte und sich daher mit der Materie

grundsätzlich auseinandersetzen konnte.“

(10) Ehepaar B.:

„Herr R. B. und Frau R. B. wissen, dass .

Herr R. B. und Frau R. B. erklären hierzu, dass sie zwar keinen Entwurf dieses Kaufangebots erhalten haben, dass sie aber bereits im März diesen Jahres einen Kaufvertrag über eine Gebrauchtimmobilie geschlossen haben und sie somit mit einem Immobilienkaufvertrag und dessen Abwicklung vertraut sind.

Außerdem erklären sie, sich mit dem Gegenstand der Beurkundung intensiv auseinandergesetzt zu haben.“

(11) Käufer B.:

„Herr P. B. weiß, dass .

Herr P. B. erklärt hierzu, dass er den Entwurf am 30.07.2007 über den Verkäufer bzw. Vermittler erhalten hat und sich trotz der verkürzten Überlegungsfrist intensiv und seiner Ansicht nach ausreichend mit dem Vertragstext auseinandergesetzt hat.

Trotz nochmaligen Hinweises auf die mit einem unüberlegten Vertragsschluss verbundenen Risiken verzichtet er ausdrücklich auf die Einhaltung der 14-Tages-Frist und besteht auf sofortiger Beurkundung.“

(12) Käufer A.:

„Herr H. A. weiß, dass .

Herr H. A. erklärt hierzu, dass er keinen Entwurf des Kaufangebots erhalten hat. Der Notar hat Herrn H. A.

daraufhin eindringlich auf die Bedeutung der Frist zu seinem Schutz und insbesondere die damit

verbundene Möglichkeit sich den Abschluss des Vertrags noch einmal zu überlegen hingewiesen und ihm ausdrücklich die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten. Herr H. A. bestand jedoch auf sofortiger Beurkundung.“

(13) Käufer M.:

„Herr A.-M. M. und Frau S. N. M. wissen, dass .

Herr A.-M. M. und Frau S. N. M. erklären hierzu, dass sie keinen Entwurf des Kaufangebots erhalten haben.

Der Notar hat Herrn A.-M. M. und Frau S. N. M. daraufhin eindringlich auf die Bedeutung der Frist zu ihrem Schutz und insbesondere die damit verbundene Möglichkeit sich den Abschluss des Vertrags noch einmal zu überlegen hingewiesen und ihnen ausdrücklich die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten.

Herr A.-M. M. und Frau S. N. M. bestanden jedoch auf sofortiger Beurkundung.“

(14) Käufer T.:

„Herr H. T. und Frau I. T. wissen, dass .

Da die Frist noch nicht abgelaufen ist, hat der Notar die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten.

Herr H. T. und Frau I. T. bestanden jedoch auf sofortige Beurkundung.“

(15) Käufer B.:

„Herr H. B. und Frau I. B. wissen, dass .

Herr H. B. und Frau I. B. erklären hierzu, dass sie keinen Entwurf des Kaufangebots erhalten haben. Der Notar hat Herrn Herr H. B. und Frau I. B. daraufhin eindringlich auf die Bedeutung der Frist zu ihren Schutz und insbesondere die damit verbundene Möglichkeit sich den Abschluss des Vertrags noch einmal zu überlegen hingewiesen und ihnen ausdrücklich die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten. Herr H. B. und Frau I. B. bestanden jedoch auf sofortiger Beurkundung.“

„Frau A. H. weiß, dass .

(17)

Frau A. H. erklärt hierzu, dass ihr der Vorentwurf des ursprünglichen Bauträgervertrags bereits vor mehr als 14 Tagen über den Verkäufer bzw. Vermittler übergeben wurde und sie sich daher schon länger mit dem Erwerb des Vertragsgegenstandes des heutigen Kaufangebots beschäftigt hat.

Obwohl sie einen Entwurf der heutigen Urkunde nicht erhalten hat, wünscht sie trotz nochmaligen Hinweis des Notars auf die Käuferschutzfunktion der 14-Tage-Frist die sofortige Beurkundung.“

(17) Käuferin L.:

„Frau E. L. weiß, dass .

Frau E. L. erklärt hierzu, dass ihr im Auftrag des Verkäufers bereits vor 12 Tagen ein Vertragsentwurf - ohne persönliche Daten - und die Verweisurkunde übergeben wurde und dass sie sich mit dem Gegenstand der heutigen Beurkundung bereits intensiv auseinandergesetzt hat. Sie wünscht daher die sofortige

Beurkundung des Kaufvertrags, obwohl die 14-Tages-Frist noch nicht abgelaufen ist.“

(18) Käufer C.:

„Herr W. C. weiß, dass … Trotz nochmaligen Hinweis auf die mit einem unüberlegten Vertragsschluss verbundenen Risiken verzichtet er ausdrücklich auf die Einhaltung der 14-Tages-Frist und besteht auf sofortige Beurkundung, da ihm am 01.07.2009 ein Vorentwurf ohne konkrete Objekt- und Personendaten ausgehändigt worden ist.“

(19) Käuferin K.:

„Frau P. K. weiß, dass .

Frau P. K. erklärt hierzu, dass ihr die genannten Unterlagen am 12.07.2009 über den Verkäufer bzw.

Vermittler übergeben wurden. Sie wünscht jedoch, den Vertragstext heute beurkunden zu lassen, weil sie sich ihrer Ansicht nach ausreichend mit dem Vertragsinhalt auseinandergesetzt hat.“

92

Der Beklagte behauptet zudem selbst nicht, dass der beabsichtigte Text des zu beurkundenden Rechtsgeschäfts rechtzeitig überlassen worden wäre.

93

Obwohl der Inhalt der notariellen Urkunde für sich genommen nicht die Richtigkeit der darin festgehaltenen Tatsachen belegt, bestehen in Zusammenschau mit der Einlassung des Beklagten somit keine Zweifel daran, dass der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts nicht fristgerecht überlassen worden war.

94

2.3. Die jeweiligen Käufer hatten auch keinen anderen „gleichwertigen“ Textentwurf, dessen Überlassung an die Verbraucher den Lauf der Regelfrist in Gang gesetzt hätte, fristgerecht erhalten.

95

Zwar genügte nach damals herrschendem Gesetzesverständnis die Überlassung eines abstrakten, nicht individualisierten Vertragsmusters, das nicht zwingend alle essentialia negotii enthalten musste, wenn sich die fehlenden Angaben aus anderen dem Verbraucher während der Frist verfügbaren Unterlagen ohne weiteres entnehmen ließen (Winkler BeurkG 15. Aufl. 2003 § 17 Rn. 167; Frenz in Eylmann/Vaasen BNotO/BeurkG 2. Aufl. 2004 § 17 BeurkG Rn. 39g; Grziwotz/Heinemann BeurkG 2012 § 17 Rn. 82; Hertel ZNotP 2002, 286, 289; Sorge DNotZ 2002, 573, 604; Rieger MittBayNot 2002, 325, 332 f.). Auch

geringfügige Abänderungen infolge geäußerter und berücksichtigter Änderungswünsche lösten - damals wie heute - die Wartefrist nicht erneut aus (vgl. BGH vom 10.06.2016 - V ZR 295/14, DNotZ 2017, 48 Rn. 9).

96

Sachverhalte, in denen die Überlassung eines Entwurfstextes den Fristenlauf in Gang gesetzt hätten und die Diskrepanzen zu den beurkundeten Erklärungen als geringfügige Änderungen in diesem Sinne anzusehen wären, liegen hier jedoch nicht vor.

97

2.3.1. Das Ehepaar B. hatte bereits am 02.03.2007 zu den URNrn. … und … Kaufverträge mit der L.

Immobilien GmbH über eine neue Eigentumswohnung in S. zum Kaufpreis von 141.600,00 € und mit der

(18)

IMS … M. S. GmbH über eine gebrauchte Eigentumswohnung in A. zum Preis von 73.000,00 € geschlossen (TEA III Bd. 1 Register 4).

98

Der Umstand, dass der beabsichtigte Kauf einer Eigentumswohnung in N. an die Stelle des Kaufs der Eigentumswohnung in S. treten sollte, weshalb diesbezüglich nach Beurkundung des Kaufangebots vom 14.06.2007 am 18.06.2007 ein privatschriftlicher Aufhebungsvertrag geschlossen wurde, machten die Übersendung des beabsichtigten Textes und die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist vor dessen

Beurkundung nicht obsolet. Der beabsichtigte Text des für den 14.06.2007 vorgesehenen Rechtsgeschäfts unterscheidet sich schon deshalb maßgeblich von den Texten der vorher beurkundeten Rechtsgeschäfte, weil am 14.06.2007 kein Kaufvertrag, sondern nur ein Kaufangebot der Eheleute B. beurkundet werden sollte. Dass die Konditionen des demnach anzubietenden Vertrags denen des zu ersetzenden Vertrags weitgehend entsprechen sollten (ohne Übernahme dinglicher, in der Zweiten Abteilung des Grundbuchs eingetragener Belastungen), erlaubt es nicht, die Pflicht zur Überlassung des beabsichtigten Vertragstextes deshalb als bereits erfüllt anzusehen, weil in Bezug auf die am 02.03.2007 vorgenommene Beurkundung ein weitgehend identischer Vertragstext übersandt und sodann auch beurkundet worden ist. Die

Überprüfung, ob die vertraglichen Konditionen unverändert sind, steht den Käufern zu. Ihnen muss vor Übersendung des Texts hierzu Gelegenheit gegeben werden.

99

Zudem sollte hier im Ergebnis ein Objektaustausch erreicht werden, wobei allerdings bereits ein bindender Vertrag über eine Immobilie vorgelegen hatte. Daher bestand erst recht Veranlassung für die Käufer, sich über den Inhalt des Kaufangebots und über die Frage, ob mit dessen Inhalt ihrem Bedürfnis danach, vor einer Bindung an drei Kaufobjekte rechtlich geschützt zu sein, hinreichend Rechnung getragen ist. Die Übersendung des Erstangebots war somit wegen veränderter Sachlage schon objektiv nicht dazu geeignet, den Käufern hinreichende Gelegenheit zu geben, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen, Unklarheiten und Änderungswünsche vorher zu klären und sich auf die Beurkundungsverhandlung vorzubereiten.

100

2.3.2. Der Käufer L. hatte vor der Beurkundung des an die WS … GmbH & Co. KG gerichteten Kaufangebots über eine gebrauchte Sondereigentumseinheit in A. zum Preis von 71.000,00 € am 15.04.2006 (TEA I Bd. 4 Register 18) bereits am 19.12.2005 zu den Urkunden URNrn. . und . zwei Kaufangebote gegenüber derselben Verkäuferin abgegeben, und zwar in Bezug auf zwei gebrauchte Sondereigentumseinheiten in Z. zum Preis von je 71.000,00 € (TEA I Bd. 4 Register 18).

101

Auch hier erübrigte sich die nochmalige Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist nicht deshalb, weil dem Käufer anlässlich der vorangegangenen Beurkundungen sowohl Abschriften der Urkunden als auch im Vorfeld die beabsichtigten Texte der Rechtsgeschäfte überlassen worden waren. Daran ändert sich nichts deshalb, weil an die Stelle des Kaufs eines in Z. gelegenen Teileigentums der Kauf eines in A. gelegenen Teileigentums treten sollte und im Beurkundungszeitpunkt auf Verkäuferseite die Entscheidung gefallen war, ein Angebot betreffend Z. nicht mehr anzunehmen. Es gilt wiederum, dass die Überprüfung, ob die Bestimmungen der Angebotserklärung sowie die Konditionen des angebotenen Kaufvertrages unverändert sind, dem Käufer zusteht. Ihm muss durch rechtzeitige Übersendung des beabsichtigten Texts Gelegenheit gegeben werden, sich hiermit auseinander zu setzen.

102

Insbesondere aber begründet der Umstand, dass im Ergebnis ein Objektaustausch erreicht werden sollte, auf Käuferseite ein besonderes Interesse am beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts. Nach dem Wortlaut der in der Ersturkunde beurkundeten befristeten Fortgeltungsklausel, deren AGBrechtliche Wirksamkeit für die vorliegende Entscheidung dahinstehen kann (vgl. BGH vom 24.08.2017 - III ZR 558/16, RNotZ 2017, 688), lag bei Vornahme des Rechtsgeschäfts am 15.04.2006 ein bis zum 19.06.2006 (Ablauf von sechs Monaten ab Beurkundung) annahmefähiges, allerdings seit dem 01.02.2006 widerrufliches Kaufangebot über eine Sondereigentumseinheit in Z. vor. Es bestand somit eine gesteigerte Veranlassung für den Käufer, sich über den Inhalt des beabsichtigten Urkundentexts und über die Frage, ob seinen Interessen mit dem beabsichtigten Inhalt hinreichend Rechnung getragen ist, Klarheit zu verschaffen. Auch hier war die Übersendung des Erstangebots schon mit Blick auf die veränderte Sachlage objektiv nicht dazu geeignet,

(19)

dem Käufer hinreichende Gelegenheit zu geben, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen und sich auf die Beurkundungsverhandlung vorzubereiten.

103

2.3.3. Es kann dahinstehen, ob die Käuferin HL vor der am 13.08.2008 vorgenommenen Beurkundung keinen Entwurf eines Vertragstextes oder - entsprechend der Einlassung des Beklagten sowie der Darstellung in der Urkunde - mehr als 14 Tage vor der Beurkundung den Vorentwurf des ursprünglichen Bauträgervertrags erhalten hatte.

104

Eine wesentliche Änderung, die eine erneute Befassung mit einem im Übrigen unveränderten Vertragstext erforderlich machen würde, liegt allerdings nicht schon darin, dass sich die Beurkundung auf eine andere als die ursprünglich ins Auge gefasste Garageneinheit (Nr. 27 statt der geplanten Nr. 36) in derselben Anlage be zog (vgl. EMail vom 13.08.2008; TEA I Bd. 2 Register 9 Blatt 014). Dieser Austausch hat für sich allein - zumal bei gleichzeitigem Erwerb einer (nicht geänderten) Wohnungseigentumseinheit - nicht zur Konsequenz, dass die Zwei-WochenFrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. erneut einzuhalten wäre.

105

Hier liegen aber weitergehende Änderungen vor:

106

Ein Kaufvertrag über eine fertiggestellte Immobilie (bzw. ein entsprechendes Kaufangebot) ist Sonderfall des Bauträgervertrags, was Unterschiede bei vertraglichen Regelungen, insbesondere zur Fälligkeit des Kaufpreises und zur Hauptleistungspflicht des Bauträgers respektive Verkäufers, bedingt. Bleibt es im Übrigen bei den Regelungen des ursprünglich geplanten Bauträgervertrages und wird lediglich eine einseitige Tatsachenerklärung des Verkäufers/Bauträgers aufgenommen, dass das Bauvorhaben

vollständig fertiggestellt sei, so dürfte der Zweck der Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG - wohl - mit der Übersendung des Bauträgervertragsentwurfs erfüllt sein, so dass die Zwei-Wochen-Frist nicht schon wegen dieser vertraglichen Anpassung an den aktuellen Bautenstand neu zu laufen beginnt.

Wenn dagegen auf die veränderte Tatsachenlage mit weitergehenden vertraglichen Regelungen reagiert wird, bedarf der Verbraucher zur Vorbereitung auf die Urkundsverhandlung der rechtzeitigen Überlassung eines entsprechenden neuen Textentwurfs. Die Kenntnis des Verbrauchers von den Regelungen, die für den Abschluss eines Bauträgervertrages vorgesehen waren, kann dessen Informationsbedürfnis über die weitergehenden Anpassungen an die geänderte tatsächliche Situation nicht ohne weiteres befriedigen.

107

Hier belegt ein Textvergleich zwischen dem nach Baufertigstellung beurkundeten Angebot der Käuferin H.

(URNr. .) mit dem vor Fertigstellung beurkundeten Angebot der Eheleute M. vom 19.02.2008 (URNr. …) betreffend andere Einheiten derselben Anlage, dass bedeutende, den Lauf der Zwei-Wochen-Frist tangierende Änderungen vorgenommen wurden.

108

Im angebotenen Bauträgervertrag (Abschnitt B. der Urkunde .) ist unter Ziff. II. („Verkauf, Bauverpflichtung“) formuliert:

"... 2. Der Verkäufer verpflichtet sich, den Vertragsgegenstand gemäß Baubeschreibung und Bauplänen (die der Teilungserklärung und die dieser Urkunde beigefügten, vorgelegten und genehmigte Pläne, wobei bei einem Widerspruch die dieser Urkunde beigefügten Pläne den der Teilungserklärung beigefügten Pläne vorgehen) nach den anerkannten Regeln der Baukunst schlüsselfertig zu erstellen. DIN-Vorschriften bezüglich Schalldämmung (Wände und Decken) sind jedoch aus technischen Gründen nicht maßgebend.

Bei Abweichungen hat die Baubeschreibung Vorrang vor den Plänen. Soweit Leistungen durch diese Urkunde (i. V. m. der Teilungserklärung und den Plänen) nicht genug bestimmt sein sollten, sind sie ortsüblich und angemessen zu erbringen, was nach billigem Ermessen der Verkäufer bestimmt.

Der Verkäufer darf von der Baubeschreibung und den Bauplänen nur abweichen, soweit dies der Erfüllung behördlicher Auflagen dient oder technisch bzw. wirtschaftlich notwendig oder zweckmäßig ist.

Abweichungen dürfen sich jedoch nicht wert- und gebrauchsmindernd auswirken und müssen dem Käufer zumutbar sein.

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