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Erfolgloses Eilrechtsschutzbegehren mit dem Ziel der Mitteilung des Abschiebetermins und der Aussetzung von Abschiebemaßnahmen

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Academic year: 2022

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VGH München, Beschluss v. 19.06.2019 – 19 CE 19.329 Titel:

Erfolgloses Eilrechtsschutzbegehren mit dem Ziel der Mitteilung des Abschiebetermins und der Aussetzung von Abschiebemaßnahmen Normenketten:

GG Art. 19 Abs. 4

AufenthG § 59 Abs. 1 S. 8, § 60 Abs. 7, § 42 S. 1; § 60a Abs. 2 S. 1 Leitsätze:

1. Anhaltspunkte dafür, dass § 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstößt, liegen nicht vor; sie steht in aller Regel der Einholung einstweiligen Rechtsschutzes nicht entgegen Fortführung von BeckRS 2018, 26784). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

2. Bei der Prüfung von inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen sind der Sphäre des Abschiebevorgangs nur solche Gefahren zuzurechnen, die sich unmittelbar bei Eintreffen im Heimatland realisieren können, beispielsweise wenn eine unmittelbar erforderliche

Anschlussbehandlung nicht gewährleistet werden kann bzw. der Ausländer selbst nicht in der Lage ist, eine solche Anschlussbehandlung zu organisieren. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

3. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so wird auch die gesetzliche Vermutung für die Reisefähigkeit nicht widerlegt (Fortführung von BeckRS 2017, 100316). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

4. Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zur prognostischen Diagnose kommt und welche Tatsachen dieser zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (Fortführung von BeckRS 2017, 100316). (Rn. 17)

(redaktioneller Leitsatz) Schlagworte:

Ankündigung Abschiebungstermin, Abschiebungshindernis wegen Reiseunfähigkeit, Abschiebungstermin, Ankündigung, Abschiebungshindernis, Reiseunfähigkeit, psychische Erkrankung, Attest

Vorinstanz:

VG Würzburg, Beschluss vom 01.02.2019 – W 8 E 19.53 Fundstelle:

BeckRS 2019, 15372  

Tenor

I. Die Beschwerde wird mit den Maßgaben zurückgewiesen, dass der Antragsteller zu 1 im Falle einer Abschiebung während des Abschiebevorgangs medizinisch begleitet und mit der für ihn notwendigen Medikation für einen Zeitraum von einem Monat ausgestattet wird.

II. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.250 Euro festgesetzt.

Gründe 1

Die zulässige Beschwerde, mit der die Antragsteller, eine 9-köpfige armenische Familie, deren Asylerstverfahren erfolglos blieb, ihr einstweiliges Rechtsschutzbegehren auf Mitteilung des

Abschiebungstermins - hilfsweise auf Unterlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen - weiterverfolgen, ist nicht begründet.

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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit der Begründung abgelehnt, ein Anordnungsanspruch auf Mitteilung des Abschiebungstermins bestehe im Hinblick auf § 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG nicht. Der hilfsweise geltend gemachte Anordnungsgrund auf einstweilige Unterlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen sei im Hinblick auf die derzeitige Duldung der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht; eine Abschiebung der Antragsteller sei wegen fehlender Identitätspapiere derzeit nicht zu befürchten. Darüber hinaus sei der Anordnungsanspruch auch deshalb zweifelhaft, weil die nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG zu vermutende Reisefähigkeit durch die für den Antragsteller zu 1 und den Antragsteller zu 4 vorgelegten Atteste nicht widerlegt werde. Nach dem psychiatrischen Gutachten sei eine Rückführung ins Heimatland lediglich nicht zu empfehlen und werde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer symptomatischen Verschlechterung führen, die durch kombinierte therapeutische Maßnahmen abgemildert werden könne.

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Hiergegen haben die Antragsteller Beschwerde mit der Begründung erhoben, wegen der vollziehbaren Ausreisepflicht der Antragsteller sei einstweiliger Rechtsschutz geboten. Den Antragstellern werde nicht mitgeteilt, ob und wann Heimreisepapiere vorlägen und dann mit einer Abschiebung zu rechnen sei. Das Gericht überspanne die Anforderungen an die vorgelegten ärztlichen Atteste, die in einem summarischen Verfahren verlangt werden könnten, und setze sich ohne medizinisches Fachwissen darüber hinweg. Dem Antragsteller zu 1 sei fachärztlich eine ernsthafte Gefahr einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes und fehlende Reisefähigkeit bescheinigt worden. Angesichts des fachärztlichen Gutachtens hätte sich eine weitere Sachaufklärung aufdrängen müssen. In einem summarischen Verfahren könne bei Vorliegen einer fachärztlichen Stellungnahme ohne weiteres Gutachten nicht über selbigen Inhalt hinweggegangen werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Ausländer an einer schwerwiegenden Erkrankung leide, die sich durch die Abschiebung

wesentlich verschlechtern könne. Bei psychischen Erkrankungen könne dies nur durch ein psychologisch- psychotherapeutisches Gutachten geklärt werden; eine bloße ärztliche Begutachtung sei nicht ausreichend.

Der spezifische Sachverstand sei auch dann zu fordern, wenn die Ausländerbehörde einen Amtsarzt mit der Begutachtung beauftrage. Die Weiterbildung zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen verleihe nicht die nötige Fachkunde zur Erstellung eines psychologischen/psychotherapeutischen Gutachtens. Eine einmalige Untersuchung des Ausländers werde dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht ansatzweise gerecht. Eine Behandlung der psychischen Störungen im Heimatland sei aufgrund der Bedrohungslage und einer drohenden Retraumatisierung nicht möglich.

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Die Prüfung der Begründetheit der Beschwerde ist im Grundsatz auf das in der Beschwerdebegründung Dargelegte beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Danach ergibt sich nicht, dass der Antragsgegner entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 1. Februar 2019 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten wäre, der Antragstellerseite den Abschiebetermin zehn Tage vorher schriftlich mitzuteilen (1.), hilfsweise einstweilen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen die Antragsteller abzusehen (2.).

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1. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf schriftliche Mitteilung des Abschiebetermins.

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Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. Dezember 2016 wurde den Antragstellern die Abschiebung, insbesondere nach Armenien, angedroht und ihnen eine - nunmehr abgelaufene - Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt (innerhalb eines Monats nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens). Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf dem Ausländer der Termin der Abschiebung nicht angekündigt werden (§ 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG). Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmung gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstößt, liegen nicht vor. Sie steht in aller Regel der Einholung einstweiligen Rechtsschutzes nicht entgegen (BayVGH, B.v. 17.7.2018 - 19 CE 18.1210 - juris Rn. 12 ff.).

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2. Der hilfsweise geltend gemachte Antrag auf Aussetzung von Abschiebemaßnahmen bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

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Dahinstehen kann, ob entsprechend der Annahme des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die

bestehenden Duldungen der Antragsteller wegen fehlender Heimreisepapiere bereits ein Anordnungsgrund für die hilfsweise erstrebte Anordnung fehlt. Jedenfalls ist der behauptete Anordnungsanspruch nicht gegeben.

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Die Auffassung der Antragsteller, sie hätten aufgrund der Erkrankung des Antragstellers zu 1 einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung, ist nicht zutreffend.

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Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat, der im Mittelpunkt des Asylverfahrens steht) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (BayVGH, B.v. 31.5.2016 - 10 CE 16.838 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 11/2017, A1 § 60a Rn. 57 f.). In Betracht kommen damit nur inlandsbezogene Abschiebungsverbote.

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Die Prüfung der Frage, ob aufgrund der vorgelegten Atteste ein zielstaatsbezogenes

Abschiebungshindernis wegen fehlender Möglichkeiten der Anschlussbehandlung vorliegt, obliegt nicht dem Antragsgegner. Zu einer inhaltlichen Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG ist der Antragsgegner nicht berechtigt. Er bleibt gemäß § 42 Satz 1 AsylG an die negative Feststellung hierzu im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren gebunden (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2006 - 1 C 14.05 - juris Rn.

15 f.).

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Insbesondere im Falle der Geltendmachung einer Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne wegen psychischer Erkrankung bedarf es einer Abgrenzung zur Fallgruppe des sogenannten zielstaatsbezogenen

Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG, dessen Nichtvorliegen im Asylverfahren

vorliegend gemäß § 42 Satz 1 AsylG mit Bindungswirkung für die Ausländerbehörde festgestellt worden ist.

Der Sphäre des Abschiebevorgangs sind nur solche Gefahren zuzurechnen, die sich unmittelbar bei Eintreffen im Heimatland realisieren können, beispielsweise wenn eine unmittelbar erforderliche

Anschlussbehandlung nicht gewährleistet werden kann bzw. der Ausländer selbst nicht in der Lage ist, eine solche Anschlussbehandlung zu organisieren (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand 4/2017, § 60a AufenthG, Rn. 132). Wird im Falle einer psychischen Erkrankung eine Gesundheitsgefahr infolge des Abbruchs einer im Bundesgebiet stattfindenden Behandlung geltend gemacht, ist von einem

inlandsbezogenen Abschiebungshindernis wegen Reiseunfähigkeit nur dann auszugehen, wenn die Gefahr einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung schon während der Abschiebung und der sich unmittelbar daran anschließenden Zeitspanne der Ankunft im Heimatland droht und dieser Gefahr nicht durch mögliche Vorkehrungen wie der Ausstattung mit einem Medikamentenvorrat, einer medizinischen Begleitung im Abschiebevorgang oder der Übergabe an medizinisches Personal im Heimatland begegnet werden kann.

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Nach dem mit Wirkung zum 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 - BGBl I S. 390) eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände enthalten, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die

fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so wird auch die gesetzliche Vermutung für die Reisefähigkeit nicht widerlegt (BayVGH, B.v. 5.1.2017 - 10 CE 17.30 - juris Rn. 4).

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Der Zweck der gesetzlichen Vermutung nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird in der

Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/7538, S. 18 ff.) folgendermaßen umschrieben: „Die Geltendmachung von Abschiebungshindernissen in gesundheitlicher Hinsicht stellt die zuständigen Behörden quantitativ und qualitativ vor große Herausforderungen. Oftmals werden Krankheitsbilder angesichts der drohenden Abschiebung vorgetragen, die im vorangegangenen Asylverfahren nicht berücksichtigt worden sind. (…) Nach den Erkenntnissen der Praktiker werden insbesondere schwer diagnostizier- und überprüfbare Erkrankungen psychischer Art (z. B. Posttraumatische Belastungsstörungen [PTBS]) sehr häufig als Abschiebungshindernis (Vollzugshindernis) geltend gemacht, was in der Praxis zwangsläufig zu deutlichen zeitlichen Verzögerungen bei der Abschiebung führt. Der Gesetzgeber geht nunmehr davon aus, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern. Mit dieser Präzisierung wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 (die Gesetzesbegründung bezieht sich hier auf § 60 Abs. 7 AufenthG) darstellen. (…) Mit der Regelung zur Glaubhaftmachung einer Erkrankung durch den Ausländer wird auf erhebliche praktische Probleme hinsichtlich der Bewertung der Validität von ärztlichen Bescheinigungen im Vorfeld einer Abschiebung reagiert (…). Es besteht ein praktisches Bedürfnis, eine vom Ausländer vorgelegte Bescheinigung hinsichtlich der Erfüllung formaler und inhaltlicher Vorgaben zu validieren.“

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Vorliegend hat das Verwaltungsgericht die vorgelegten Atteste und sonstigen ärztlichen Unterlagen als unzureichend erachtet und insbesondere eine Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage die Begutachtung erfolgte, und eine Angabe der Methode der Tatsachenerhebung vermisst (S.

9). Die daraufhin im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen genügen ebenfalls den in § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG gestellten Anforderungen nicht. Unter Wahrung der im Tenor

ausgesprochenen Maßgaben ist nicht vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung des Antragstellers zu 1 auszugehen. Angesichts dessen und angesichts der Nichterfüllung fachlicher Mindestanforderungen durch die vorgelegten ärztlichen Unterlagen ist auch die von den Antragstellern geforderte weitere Sachaufklärung nicht veranlasst.

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Soweit in den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Gutachten sowohl des Facharztes T. M. als auch des Facharztes M. F. des Klinikums W. eine Gesundheitsgefahr infolge Retraumatisierung prognostiziert wird, ohne fachgerecht ein traumatisches Erleben oder eine traumatische Belastungsstörung festzustellen, sind sie nicht plausibel und daher unverwertbar. Das formularmäßige Aufführen der gesetzlichen Anforderungen an eine ärztliche Bescheinigung nach § 60a Abs. 2c AufenthG durch den Facharzt T. M., verbunden mit der Feststellung, diese Anforderungen seien erfüllt und das Gutachten sei widerspruchsfrei, vermag

grundlegenden Gutachtensmängeln nicht die Bedeutung zu nehmen. Der Antragsgegner weist zutreffend darauf hin, dass die fachärztlichen Gutachten, die die Gefahr einer Retraumatisierung aufführen bzw. auf eine posttraumatische Belastungsstörung Bezug nehmen (Gutachten des Facharztes T. M. vom 24.1.2019, S. 3 und in der Stellungnahme Dr. M. F. vom Klinikum W. vom 6.2.2019), insofern widersprüchlich sind, als weder diagnostisch noch in der Anamnese eine Traumatisierung erwähnt ist.

17

Die Stellungnahmen des Dr. M. F., Klinikum W., vom 6. Februar 2019 und 21. März 2019, in denen von einer fehlenden Verbesserung bei weiterhin unklarem Aufenthaltsstatus die Rede ist und eine vormals attestierte Reiseunfähigkeit lediglich fortgeschrieben wird, sind auch deshalb unverwertbar, weil sie eine eigene fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes nicht enthalten; es wird nur auf andere (nicht vorgelegte) Beurteilungen Bezug genommen. Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zur

prognostischen Diagnose kommt und welche Tatsachen dieser zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2017 - 10 CE 17.30 - juris Rn. 6; B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris Rn. 16). Es fehlt auch an einer

substantiierten Darstellung der ärztlichen Therapie - abgesehen von der medikamentösen Behandlung.

18

Die ärztlichen Stellungnahmen setzen sich nicht mit möglichen Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren im Rahmen des Abschiebungsvorgangs auseinander. Die Verweise auf

Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit einer Aufenthaltsbeendigung und einem Behandlungsabbruch

(5)

zielen inhaltlich erkennbar auf die langfristigen Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland, verfehlen aber die streitgegenständliche Frage eines inländischen Abschiebungshindernisses wegen Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 1. Wegen der aufenthaltsrechtlichen Situation des Antragstellers zu 1 wird von einem Fortbestehen des Beschwerdebilds ausgegangen und eine Verbesserung bei anhaltender

Belastungssituation negiert, ohne jedoch eine ggf. konkret eingeleitete Therapie - abgesehen von der medikamentösen Behandlung - zu benennen. Soweit die ärztlichen Gutachten - jeweils vollumfänglich aufeinander und auf Vorbefunde Bezug nehmend - die behauptete Reiseunfähigkeit mit der Begründung fortschreiben, ein Abbruch eines nicht näher benannten Behandlungsprozesses werde zu einer

Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen, wird weder substantiiert geschildert, welche Behandlung aktuell tatsächlich durchgeführt wird, noch eine gravierende Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des Antragstellers zu 1 während des Abschiebungsvorgangs belegt. Die fachärztliche Stellungnahme des Klinikums W. vom 6. Februar 2019 spricht von einer akutpsychiatrischen Versorgung; die psychiatrischen Gutachten des Facharztes T. M. vom 24. Januar 2019 und vom 9. Mai 2019 empfehlen eine (muttersprachliche) Psychotherapie. Es ist jedoch nicht ersichtlich, ob bzw. seit wann sich der Antragsteller zu 1 in psychotherapeutischer Behandlung befindet oder eine solche anstrebt. Wird eine konkrete, aktuell durchgeführte Therapie nicht benannt, lassen sich die Folgen eines Therapieabbruchs auch nicht beurteilen. Insgesamt sind hinreichende Anhaltspunkte für eine wesentliche psychische

Erkrankung durch regelgerechte ärztliche Unterlagen nicht dargetan.

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Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass im Rahmen des Asylverfahrens der Antragsteller eine manifeste psychische Erkrankung des Antragstellers zu 1 nicht eingehend thematisiert worden ist (der ablehnende Asylbescheid vom 8.12.2016 spricht von „angegebenen psychischen Problemen“, in der asylrechtlichen Anhörung wurde auf Nachfrage eine stattgefundene psychiatrische Behandlung im

Heimatland verneint), ein Facharzt für Psychiatrie erst nach Ablehnung des Asylgesuchs im Dezember 2016 konsultiert worden ist und die diagnostizierten psychischen Störungen in den vorgelegten ärztlichen

Stellungnahmen mit einer drohenden Aufenthaltsbeendigung bzw. einer Retraumatisierung ohne Benennung eines traumatischen Ereignisses verknüpft werden.

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Im Hinblick darauf, dass den vorliegenden Behauptungen zufolge der Schwerpunkt der Behandlung in der medikamentösen Therapie besteht und der Gutachter T. M. die Aufnahme einer (wohl noch nicht

begonnenen) muttersprachlichen Psychotherapie vorschlägt, ist die geltend gemachte Verschlechterung des Gesundheitszustandes durch den Abschiebungsvorgang zumindest dann nicht zu befürchten, wenn der Antragsteller für einen ausreichenden Zeitraum mit der erforderlichen Medikation ausgestattet wird.

Angesichts des nur summarischen Charakters des vorliegenden Verfahrens hält der Senat die im Tenor ausgesprochene Maßgabe, den Antragsteller mit der für ihn erforderlichen Medikation für einen

Mindestzeitraum von einem Monat auszustatten, für erforderlich. Der Übergangszeitraum von einem Monat wird für ausreichend erachtet, den Anschluss einer Behandlung des Antragstellers zu 1 im Heimatland zu gewährleisten, deren Notwendigkeit durch das Vorbringen und die vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend dargetan ist.

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Aufgrund derselben Überlegungen hält der Senat auch eine ärztliche Begleitung während des

Abschiebevorgangs sicherheitshalber für erforderlich. Bei diesen Vorkehrungen ist jedoch entgegen der etwaigen Auffassung des Antragstellerbevollmächtigten nicht eine jeweilige fachärztliche Expertise zu fordern. An eine - vorliegend nicht im Raum stehende - behördlicherseits veranlasste (amts-) ärztliche Feststellung der Reisefähigkeit sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Widerlegung der in

§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG normierten gesetzlichen Vermutung des Fehlens gesundheitlicher Gründe, die der Abschiebung entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2017 - 19 CE 17.1541 - juris Rn. 22 ff.).

Gleiches muss erst recht für eine medizinische Begleitung des Abschiebevorgangs gelten.

22

Für den (mehrfach) beantragten Hängebeschluss, dem Antragsteller während des Beschwerdeverfahrens Abschiebemaßnahmen zu untersagen, verbleibt aufgrund der mit dem hiesigen Beschluss getroffenen Beschwerdeentscheidung kein Raum mehr.

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(6)

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

24

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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