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Inhaltsverzeichnis

Vorwort 5

Abkürzungen 9

Literaturübersicht 11

I. Verfassungsschutzbehörden 15

1. Überblick über die deutschen Nachrichtendienste 15 2. Verfassungsschutz als Element der wehrhaften Demo-

kratie 19

3. Rechtsgrundlagen des Verfassungsschutzes 23 4. Aufbau der Verfassungsschutzbehörden 28

5. Aufgaben des BfV 35

5.1 Überblick 35

5.2 Extremistische und sicherheitsgefährdende Be-

strebungen 40

5.2.1 Bestrebung 40

5.2.2 Freiheitliche demokratische Grundordnung 41 5.2.3 Bestand oder Sicherheit des Bundes oder

eines Landes 45

5.2.4 Auswärtige Belange 46

5.3 Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht 47 5.4 Personeller und materieller Geheim- bzw. Sabota-

geschutz 49

6. Befugnisse des BfV 50

6.1 Sammlung und Auswertung von Informationen 50 6.2 Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel 53 6.3 Verarbeitung und Nutzung personenbezogener

Daten 58

(2)

2

6.4 Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht 62 6.5 Eingriffe in benannte Freiheitsrechte 63 6.5.1 Unverletzlichkeit der Wohnung 64

6.5.2 Versammlungsfreiheit 68

6.5.3 Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis 71 7. Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden 72

7.1 Zusammenarbeitspflicht 72

7.2 Tätigwerden des BfV in einem Land 74

8. Zusammenarbeit mit der Polizei 76

8.1 Abgrenzung der Zuständigkeiten 76

8.2 Trennungsgebot 79

9. Übermittlung von Informationen 85

9.1 Allgemeine Grundsätze 85

9.2 Übermittlung durch das BfV 87

9.2.1 LfV 87

9.2.2 BMI 87

9.2.3 MAD und BND 87

9.2.4 Polizei/Strafverfolgungsbehörden 88 9.2.5 Sonstige inländische Behörden 89 9.2.6 Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte 90

9.2.7 Ausländische Stellen 91

9.2.8 Sonstige Stellen bzw. Personen 91

9.3 Übermittlung an das BfV 93

9.3.1 Übermittlungen auf Ersuchen 93

9.3.2 LfV 97

9.3.3 MAD und BND 97

9.3.4 Polizei/Strafverfolgungsbehörden 97

10. Amtshilfe 99

II. MAD und BND 102

1. MAD 102

1.1 Rechtliche Grundlagen 102

1.2 Aufgaben und Befugnisse 104

(3)

3

2. BND 109

2.1 Rechtliche Grundlagen 109

2.2 Aufgaben und Befugnisse 110

III. G 10-Verfahren 114

1. Individuelle Kontrolle 116

1.1 Voraussetzungen 116

1.1.1 Tatsächliche Anhaltspunkte für den

Verdacht einer Katalogstraftat 116 1.1.2 Abwehr von drohenden Gefahren 119

1.2 Ablauf des Verfahrens 119

1.3 G 10-Kommission 121

1.4 Verarbeitung und Nutzung personenbezogener

Daten 122

1.5 Mitteilungspflicht 123

2. Strategische Kontrolle 124

2.1 Bedeutung 124

2.2 Voraussetzungen 127

2.3 Verarbeitung und Nutzung personenbezogener

Daten 129

IV. Kontrolle der Nachrichtendienste 131

1. Kontrollinstanzen 131

1.1 Exekutive Kontrolle 131

1.2 Gerichtliche Kontrolle 134

1.3 Parlamentarische Kontrolle 137

1.4 Öffentliche Kontrolle 139

1.4.1 Medien und Öffentlichkeitsarbeit 139 1.4.2 Individueller Auskunftsanspruch 141 2. Parlamentarisches Kontrollgremium (PKGr) 143

(4)
(5)

Vorwort

Die vorliegende Zusammenstellung zum "Recht der Nachrich- tendienste" dient als Unterrichtsmaterial für die gleichnamige Lehrveranstaltung im Rahmen der Ausbildung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes im Verfassungsschutz des Bundes.

Diese Ausbildung wird seit 1980 als Studiengang an der Fach- hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Öffentliche Sicherheit, angeboten. Die Abteilung Verfassungs- schutz des Fachbereiches Öffentliche Sicherheit ist der "Schule für Verfassungsschutz" (SfV) in Swisttal-Heimerzheim angegliedert, die die Fachstudienzeit innerhalb der Laufbahnausbildung aus- richtet. Die SfV wird als gemeinsame Bildungseinrichtung des Bundes und der Länder betrieben und gehört als nichtrechtsfä- hige Anstalt des Bundes organisatorisch zum "Bundesamt für Verfassungsschutz" (BfV). Neben der Ausbildung von Beamten für den mittleren und gehobenen Dienst im Verfassungsschutz des Bundes bietet die SfV berufsbegleitende Fortbildung für die Ver- fassungsschutzbehörden von Bund und Ländern an.

Im Rahmen des Unterrichts für die Laufbahnanwärter, der sich an der "Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den gehobenen Dienst im Verfassungsschutz des Bundes" (LAP- gDVerfSchV) vom 11. Oktober 2001 orientiert, spielt naturgemäß das Fach "Recht der Nachrichtendienste" eine zentrale Rolle. Im

Vgl. dazu Monika Rose-Stahl/Andreas Hübsch, Die Schule für Ver- fassungsschutz, in: Bundesamt für Verfassungsschutz – 50 Jahre im Dienst der inneren Sicherheit, Hrsg.: BfV, Köln/Berlin/Bonn/München, 2000, S. 157 ff.; Gröpl S. 150 ff.

(6)

Mittelpunkt steht dabei das "Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungs- schutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz"

(BVerfSchG) von 1990, das den Erfordernissen des modernen Da- tenschutzrechts Rechnung getragen hat. Wesentlicher Rege- lungsgehalt dieses Gesetzes sind zum einen die Aufgaben und Befugnisse des BfV, zum anderen der Schutz des Bürgers gegen unrechtmäßige Eingriffe in sein Recht auf informationelle Selbst- bestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. Kapi- tel I). Auf einige für die Verfassungsschutzbehörden relevante Gesetze (z. B. BDSG, SÜG) wird in dieser Zusammenstellung nicht näher eingegangen, weil sie Gegenstand anderer Unterrichtsfä- cher sind.

Neben den Verfassungsschutzbehörden müssen die Studierenden auch die beiden anderen Nachrichtendienste des Bundes, den MAD und den BND, kennen lernen (vgl. Kapitel II). Da es sich hierbei um eine Unterlage für die Ausbildung im Bereich des Ver- fassungsschutzes des Bundes handelt, liegt der inhaltliche Schwerpunkt allerdings beim BVerfSchG.

Ihre künftige Tätigkeit bei einem Nachrichtendienst erfordert, dass die Studierenden die rechtlichen Voraussetzungen für einen Eingriff in das Post-, Brief- und Fernmeldegeheimnis auf der Grundlage des G 10-Gesetzes (sog. G 10-Maßnahmen) beherr- schen (vgl. Kapitel III). Von großer Bedeutung für die Praxis sind außerdem die Institutionen und –mechanismen, durch die eine Kontrolle über die Nachrichtendienste ausgeübt wird (vgl. Kapi- tel IV).

Bei der Gestaltung des Unterrichts sieht sich die SfV mit dem Problem konfrontiert, dass für die Materie Verfassungsschutz nur

(7)

wenig geeignete Literatur existiert. Das gilt nicht nur für den Be- reich der nachrichtendienstlichen Methodik und Technik, sondern auch für die rechtlich relevanten Aspekte. Viele Darstellungen zu rechtlichen Fragen des Verfassungsschutzes sind nach der Geset- zesnovelle von 1990 veraltet und nur noch bedingt brauchbar.

Die maßgeblichen Rechtsnormen unterliegen regelmäßigen Än- derungen, wie jetzt kürzlich noch aufgrund des Terrorismusbe- kämpfungsgesetzes.

Die dem Unterricht zugrunde gelegten Materialien müssen daher zum überwiegenden Teil selbst entwickelt werden; dabei haben aktuelle rechtliche Probleme aus der Praxis zeitnah in den Unter- richt einzufließen. Das Herausbilden von Lehrmeinungen gestal- tet sich aufgrund des fehlenden oder nur bruchstückhaft vor- handenen wissenschaftlichen Diskurses in diesem Rechtsgebiet als schwierig, zumal auch kaum einschlägige gerichtliche Ent- scheidungen vorliegen. Die Ausbildung an der SfV muss aber nicht nur berufspraktische Fähigkeiten und Kenntnisse, die zur Erfüllung laufbahntypischer Aufgaben erforderlich sind, vermit- teln, sondern darüber hinaus auch gewährleisten, dass die Stu- dierenden der Fachhochschule des Bundes zu einer an wissen- schaftlichen Erkenntnissen und Methoden orientierten Arbeits- weise befähigt werden.

Seit 1994 gibt die SfV als Teil der Fachhochschule des Bundes die Schriftenreihe "Beiträge zur Inneren Sicherheit" heraus und stellt sich damit einem größeren, auch verfassungsschutzexternen Leserkreis vor. Den Dozenten und Studierenden der Fachhoch- schule wird damit ein wissenschaftliches Forum geboten, das in loser Folge Fachbeiträge von Dozenten und Studierenden sowie Projektergebnisse von Lehrveranstaltungen u. a. veröffentlicht.

(8)

Dadurch können nicht nur aktuelle verfassungsschutzrelevante Themen innerhalb der Verfassungsschutzbehörden präsentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sondern auch in einem kritischen, interdisziplinären Dialog rechtliche und rechtspolitische Fragen aufgeworfen werden. Als ein solcher Beitrag sind auch die rechtlichen Überlegungen im Rahmen die- ses Leitfadens zum Recht der Nachrichtendienste zu verstehen.

Dr. Monika Rose-Stahl (Lehrbeauftragte der

Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung)

(9)

Abkürzungen

AWG Außenwirtschaftsgesetz

BfV Bundesamt für Verfassungsschutz

BDSG Bundesdatenschutzgesetz

BfD Bundesbeauftragter für den Datenschutz BGSG Bundesgrenzschutzgesetz

BMI Bundesministerium des Innern BMVg Bundesministerium der Verteidigung

BND Bundesnachrichtendienst

BT-Drs. Bundestagsdrucksachen BVerfG Bundesverfassungsgericht

BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsge- richts

BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz BVerwG Bundesverwaltungsgericht DÖV "Die Öffentliche Verwaltung"

DVBl. "Deutsches Verwaltungsblatt"

GG Grundgesetz

G 10 Gesetz zu Art. 10 GG

KWKG Kriegswaffenkontrollgesetz

LfV Landesbehörde für Verfassungsschutz LVerfSchG Landesverfassungsschutzgesetz MAD Militärischer Abschirmdienst NJW "Neue Juristische Wochenschrift"

(10)

NVwZ "Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht"

OVG Oberwaltungsgericht

PKGr Parlamentarisches Kontrollgremium RiStBV Richtlinien für das Strafverfahren und das

Bußgeldverfahren

StGB Strafgesetzbuch

StPO Strafprozessordnung

SÜG Sicherheitsüberprüfungsgesetz

VG Verwaltungsgericht

VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz ZFIS "Zeitschrift für Innere Sicherheit in

Deutschland und Europa"

ZRP "Zeitschrift für Rechtspolitik"

(11)

Literaturübersicht

Albert, Helmut: Das "Trennungsgebot" – ein für Polizei und Verfassungsschutz überholtes Entwicklungskonzept?, in:

ZRP 1995, S. 105 ff.

Bäumler, Helmut: Versammlungsfreiheit und Verfassungs- schutz, in: JZ 1986, S. 469 ff.

Borgs-Maciejewski, Hermann/Ebert, Frank: Das Recht der Ge- heimdienste, Kommentar zum Bundesverfassungsschutz- gesetz sowie zum G 10, Stuttgart/München/Hannover, 1986.

Bull, Hans Peter: Art. 87, in: Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Reihe Alternativkommen- tare), Hrsg.: Rudolf Wassermann, Bd. 2, Neuwied/- Darmstadt, 2. Aufl. 1989.

Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.): Aufgaben, Befugnis- se, Grenzen, Köln, 1999.

Dau, Klaus: Rechtsgrundlagen für den MAD. Das Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst, in: DÖV 1991, 661 ff.

Dohr, Helmut/Windfuhr, Harald: Staat, Verfassung, Politik:

Grundlagen für Studium und Praxis, Hilden, 15. Aufl. 2001.

Droste, Bernadette: Perspektiven des Verfassungsschutzes an der Schwelle zum neuen Jahrtausend, in: ZFIS 4-6/1999, 245 ff.

Fritsche, Klaus-Dieter/Eisvogel, Alexander: Freiheitlichkeit und Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland, in: ZFIS Ju- li/August 1998, S. 8 ff.

Gröpl, Christoph: Die Nachrichtendienste im Regelwerk der deutschen Sicherheitsverwaltung. Legitimation, Organisa- tion und Abgrenzungsfragen, Berlin, 1993.

(12)

Guttenberg, Ulrich Die heimliche Überwachung von Woh- nungen, in: NJW 1993, S. 567 ff.

Haedge, Karl-Ludwig: Das neue Nachrichtendienstrecht für die Bundesrepublik Deutschland. Ein Leitfaden mit Erläute- rungen, Heidelberg, 1998.

Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste: Ver- gleichende Bestandsaufnahme, Praxis und Reform, Berlin, 1996.

Münch von, Ingo/Kunig, Philip: Grundgesetz-Kommentar, München, Bd. 1, 5. Aufl. 2000; Bd. 2, 5. Aufl. 2001.

Peitsch, Dietmar: Die Veröffentlichung personenbezogener Daten in Verfassungsschutzberichten, in: NVwZ 1998, S. 118 ff.

Peitsch, Dietmar/Polzin, Christina: Die parlamentarische Kon- trolle der Nachrichtendienste; in: NVwZ 2000, S. 387 ff.

Riegel, Reinhard: Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, München, 1997.

Roewer, Helmut: Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, Kommentar und Vorschriftensammlung für die Praxis der Verfassungsschutzbehörden, des Bundes- nachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdiens- tes, Köln/Berlin/Bonn/München, 1987.

Rudolphi, Hans-Joachim/Horn, Eckhard/Günther, Hans-Lud- wig/Hoyer, Andreas: Systematischer Kommentar zum Straf- gesetzbuch (Loseblattausgabe), Bd. II, Neuwied/Kriftel/- Berlin, 51. Lfg., Juli 2001.

Schneider, Hans-Peter: Rechtsschutz und Verfassungsschutz.

Zur Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit durch Ver- waltungsgerichte, in: NJW 1978, S. 1601 ff.

Tinnefeld, Marie-Therese/Ehmann, Eugen: Einführung in das Datenschutzrecht, München/Wien, 3. Aufl. 1998.

(13)

Werthebach, Eckart/Droste, Bernadette: Art. 73 Nr. 10, in:

Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Loseblattausgabe), Hrsg: Rudolf Dolzer/Klaus Vogel, Heidelberg, 87. Lfg., De- zember 1998.

Wollweber, Harald: Die G 10-Novelle: Ungeahnte Folgen eines Richterspruchs, in: ZRP 2001, 213 ff.

(14)
(15)

I. Verfassungsschutzbehörden

1. Überblick über die deutschen Nachrichtendienste

Auf Bundesebene existieren drei Nachrichtendienste: die Inlands- nachrichtendienste BfV und MAD sowie der Auslandsnachrich- tendienst BND. Verfassungsschutzbehörden bestehen auch auf Landesebene: Nach der Wiedervereinigung und dem Aufbau von Verfassungsschutzbehörden in den neuen Bundesländern arbeiten in Deutschland insgesamt 17 (zivile) Verfassungsschutz- behörden. Diese beschäftigen ca. 5.500 hauptamtliche Mitarbei- ter, rund 2.100 davon sind Mitarbeiter des BfV.

Die vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland existie- renden deutschen Inlandsnachrichtendienste sind in Bezug auf Aufgaben und Strukturen mit den heutigen Verfassungs- schutzbehörden nicht vergleichbar. Von den Behörden im 19.

und 20. Jahrhundert sind vor allem folgende erwähnenswert:

• Der Deutsche Bund (1815-1855) setzte aufgrund des Bun- deszensurgesetzes im Anschluss an die Karlsbader Be- schlüsse von 1819 die "Central-Untersuchungs-Commis- sion" als Bundesorgan der politischen Polizei ein; ihre Auf- gabe war die Unterdrückung liberaler und nationaler Tendenzen.

• In Preußen wurde 1848 eine "Zentrale Stelle", eine Polizei- behörde für politische Angelegenheiten, eingerichtet.

Von 1866 bis 1873 bestand das "Centralbüro für Preßan- gelegenheiten", ein Nachrichtenbüro ohne polizeiliche Vollzugskompetenzen.

• Im Deutschen Reich wurde 1878 nach mehreren Anschlä- gen auf Reichskanzler Bismarck die politische Polizei aus- gebaut und 1899 die "Zentralstelle zur Bekämpfung der anarchistischen Bewegung" geschaffen.

(16)

• Nach dem Ersten Weltkrieg wurde 1918 im Berliner Poli- zeipräsidium das "Staatskommissariat für die öffentliche Ordnung" (seit 1920 Reichskommissariat) eingerichtet, das keine Zwangsbefugnisse besaß.

• Die Nationalsozialisten etablierten bereits 1933 das "Ge- heime Staatspolizeiamt" (Gestapo). 1936 vereinigten sie es mit dem Sicherheitsdienst der NSDAP als Teil der Si- cherheitspolizei unter dem "Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei" Heinrich Himmler. 1939 wurden alle deutschen Geheimdienste im "Reichssicherheitshaupt- amt" unter Reinhard Heydrich zusammengefasst.1

G

Hinweis: Umgangssprachlich werden die Begriffe "Nachrich- tendienst" und "Geheimdienst" oft gleichgesetzt.

Geheimdienste sind staatliche Organisationen, die politisch, militärisch, wirtschaftlich oder wissen- schaftlich bedeutsame Nachrichten beschaffen, auswerten und weitergeben sowie zur Störung o- der Beeinflussung politischer Gegner im In- und Ausland aktiv Handlungen vornehmen, wobei sie grundsätzlich ein Höchstmaß an Geheimhaltung ih- rer Aktivitäten anstreben. Dagegen liegt die Auf- gabe eines Nachrichtendienstes lediglich in der Be- schaffung und Auswertung von Informationen; das Betreiben sonstiger aktiver Maßnahmen ist ihm verwehrt. Der Begriff Nachrichtendienst wird für alle Behörden verwendet, die hauptsächlich unter Ein- satz nachrichtendienstlicher Mittel tätig werden.2 Nachrichtendienstliche Mittel werden auch von anderen Sicher- heitsbehörden eingesetzt; so ist in jüngster Zeit insbesondere bei den Polizeibehörden eine dem entsprechende Befugniser-

1 Borgs/Ebert S. 13 ff.; Werthebach/Droste Rdnr. 24 ff.

2 Gröpl S. 36 ff.; Hirsch S. 26.

(17)

weiterung festzustellen (z. B. § 110 a StPO), die im Hinblick auf das Trennungsgebot nicht unproblematisch ist.3 Bei der Errich- tung des Zollkriminalamts (ZKA), einer Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörde der Zollverwaltung, im Jahre 1992 wur- de sogar die Einführung eines "vierten Nachrichtendienstes" be- fürchtet. Das ZKA, das u. a. den Außenwirtschaftsverkehr mit sensitiven Gütern überwacht, soll Nachrichten und Unterlagen für den Zollfahndungsdienst sammeln, auswerten und die zu- ständigen Zolldienststellen unterrichten.4 Zur Verhütung von Straf- taten nach dem AWG oder dem KWKG besitzt es weitgehende Eingriffsrechte in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (§§ 39 ff. AWG).5

3 Vgl. Kap. I, Nr. 8.2.

4 § 5 a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Finanzverwaltungsgesetz

5 Vgl. Gröpl S. 290 ff.

(18)

Nachrichtendienste des Bundes

Bundesamt für Verfassungsschutz

(BfV)

- Inlandsaufklärung -

BVerfSchG (1950, 1972, 1990)

Art. 73

Nr. 10 b, c GG

Art. 87

Abs. 1 S. 2 GG

Militärischer Abschirmdienst

(MAD)

- Sicherheit der Bundeswehr -

MADG

(1990)

Art. 73 Nr. 1 GG Art. 87 a Abs. 1 GG

Bundes- nachrichtendienst

(BND)

- Auslandsaufklärung -

BNDG

(1990)

Art. 73 Nr. 1 GG Art. 87 Abs. 3 GG

Nachrichtendienst

Gesetzliche

Grundlage Verfassungs- rechtliche Verankerung

(19)

2. Verfassungsschutz als Element der wehrhaften Demokratie

Das Prinzip der wehrhaften Demokratie hat sich aus der Erfah- rung heraus entwickelt, dass der Staat dem Bürger die Beach- tung seiner Freiheitsrechte nur dann garantieren kann, wenn Vorkehrungen gegen Angriffe auf die Verfassungsordnung und den Bestand des Staates getroffen worden sind. Mit ihrer Ent- scheidung für die wehrhafte Demokratie dokumentiert die Ver- fassung, dass sie einen Missbrauch der Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitliche Ordnung nicht hinnimmt. Verfassungs- feinde sollen nicht unter Berufung auf Freiheiten, die das GG gewährt, oder unter ihrem Schutz die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zer- stören dürfen.

Wesensmerkmale der wehrhaften Demokratie:

Wertgebundenheit Der demokratische Verfassungsstaat baut auf materiellen Grundüberzeu- gungen auf, die indisponibel sind.

Abwehrbereitschaft Der Staat ist willens und in der Lage, sich gegen Angriffe auf seine system- tragenden Prinzipien – die freiheitli- che demokratische Grundordnung – zu verteidigen.

(20)

Verfassungsschutz Der wehrhafte Staat schützt die frei- heitliche demokratische Grundord- nung durch eine Vielzahl von Institu- tionen und Normen (z. B. Art. 9 Abs.

2, Art. 21 Abs. 2 GG). Diesem Schutz- auftrag nachzukommen ist vor al- lem Aufgabe der Verfassungsschutz- behörden. Ihre Errichtung ist die Kon- sequenz daraus, dass Angriffe gegen die staatliche Ordnung bereits im Vorfeld des polizeilichen Gefahren- bereichs oder der Strafbarkeit begin- nen.6

Nach der Legaldefinition in Art. 73 Nr. 10 b GG bedeutet Verfas- sungsschutz der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grund- ordnung sowie des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes. In einem weiteren Sinn bezeichnet der Begriff Verfassungsschutz das gesamte Regelwerk, durch das der Be- stand der Verfassung und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gewährleistet werden soll (insbesondere Art. 79 Abs. 3, Art. 28 Abs. 3, Art. 37 GG7). Verfassungsschutz im engeren Sinn umfasst danach alle Exekutivbehörden, die zum Schutz der Verfassung berufen sind.8 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird

6 Werthebach/Droste Rdnr. 155 ff.; Haedge S. 57 ff.

7 Dazu gehört etwa auch die Pflicht der Beamten zur Verfassungs- treue (vgl. § 35 Beamtenrechtsrahmengesetz – BRRG).

8 Hirsch S. 20 ff.

(21)

der Begriff in der Regel mit den Verfassungsschutzbehörden gleichgesetzt.

G

Hinweis: Aufgrund der unterschiedlichen Diktion hat sich eine allgemein gültige Definition des Begriffs "Ver- fassungsschutz" bislang nicht durchgesetzt. In § 1 Abs. 1 BVerfSchG wurde der Wortlaut von Art. 73 Nr. 10 b GG übernommen: Danach dient der Ver- fassungsschutz dem Schutz der freiheitlichen de- mokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder.

Da außer den Verfassungsschutzbehörden, die den nachrich- tendienstlichen Verfassungsschutz verkörpern, auch andere staatliche Stellen Verfassungsschutzaufgaben wahrnehmen, ist eine ausschließlich auf die Verfassungsschutzbehörden bezogene Verwendung der Bezeichnung "Verfassungsschutz" zu eng. Ne- ben dem nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz gehören zum Verfassungsschutz auch folgende Elemente:

• Das BVerfG (bzw. die Verfassungsgerichte der Länder) ent- scheidet über das Verbot verfassungswidriger Parteien oder die Verwirkung von Grundrechten (verfassungsgerichtlicher Verfassungsschutz).

• Polizei, Staatsanwaltschaften und Strafgerichte verfolgen Straftaten, die sich gegen den Bestand des Staates oder ge- gen die Verfassung richten (strafrechtlicher Verfassungs- schutz).

G

Hinweis: Für die strafrechtliche Komponente des Verfas- sungsschutzes wird in der Regel der Begriff Staats- schutz gebraucht. Seine Aufgabe besteht insbe- sondere in der Strafverfolgung der sog. Staats-

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schutzdelikte (§§ 80 ff. StGB). Die Polizei nimmt darüber hinaus aber auch präventive Staats- schutzaufgaben wahr.

• Verwaltungsbehörden führen Maßnahmen nach dem Ver- einsgesetz, dem Versammlungsgesetz, dem Ausländergesetz usw. durch (behördlicher Verfassungsschutz i. Ü.).

Wahrnehmung von Verfassungsschutzaufgaben:

Nachrichtendienstlicher Verfassungsschutz

BfV, LfV, MAD

Beobachtung verfassungs- feindlicher Bestrebungen

Strafrechtlicher Verfassungsschutz

Polizei, Staatsanwaltschaft, Strafgerichte

Verfolgung von Straftaten, die sich gegen den Bestand des Staates oder gegen die Verfas- sung richten

Verfassungsgerichtlicher Verfassungsschutz

BVerfG, LVerfG

insbes. Parteiverbote, Grund- rechtsverwirkung

Behördlicher

Verfassungsschutz i. Ü.

Ordnungs-, Vereins-, Auslän- derbehörden etc.

insbes. Vereins- und Ver- sammlungsverbote

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3. Rechtsgrundlagen des Verfassungsschutzes

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch das Kontrollratsge- setz Nr. 31 vom 1. Juli 1946 in Deutschland jede Überwachung oder Kontrolle der politischen Betätigung durch Polizeistellen von den Besatzungsmächten verboten. Im sog. Polizeibrief an den Parlamentarischen Rat vom 14. April 1949 gestatteten die Militärgouverneure der künftigen Bundesregierung, eine Stelle

"zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzleri- sche, gegen die Bundesregierung gerichteten Tätigkeiten einzu- richten". Dieser neuen Behörde sollten jedoch keine polizeilichen Befugnisse eingeräumt werden.

Aufgrund der Ermächtigung im Polizeibrief sah das GG eine

"Zentralstelle zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes" (Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG) vor. Dem Bund wurde die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zur Rege- lung der "Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in An- gelegenheiten des Verfassungsschutzes" zugewiesen (Art. 73 Nr.

10 GG). Das Genehmigungsschreiben der Alliierten Militärgou- verneure zum GG vom 12. Mai 1949 nahm auf die im Polizeibrief geforderte Trennung von polizeilichen und nachrichtendienstli- chen Befugnissen Bezug.

Entsprechend den Vorbehalten des Polizeibriefes konzipierte man den Verfassungsschutz nach dem Vorbild des britischen Security Service (MI 5) als Nachrichtendienst ohne Zwangsbefug- nisse (§ 2 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG).

Das "Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Län- der in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" (BVerfSchG a. F.) wurde am 28. September 1950 verkündet und auf dieser

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Grundlage am 7. November 1950 das BfV eingerichtet. Die Län- der schufen in der Folgezeit ebenfalls Verfassungsschutzbehör- den.

Als Reaktion auf die erhebliche Zunahme politisch motivierter Gewalttaten von Ausländern erfolgte 1972 die Novellierung des BVerfSchG a. F. unter Verweis auf die Inlandsbezogenheit der bisherigen Zuständigkeitsregelung. Politische Bestrebungen mili- tanter Ausländer richten sich zwar in der Regel nicht unmittelbar gegen die verfassungsmäßige Ordnung, beeinträchtigen aber die innere Sicherheit und die auswärtigen Belange. Der Aufga- benkatalog des § 3 BVerfSchG a. F. sollte deshalb entsprechend erweitert werden, um die Bundes- und Landesregierungen in die Lage zu versetzen, sich über die oft konspirativ vorbereiteten Aktionen politischer Ausländergruppen durch die Verfassungs- schutzbehörden rechtzeitig informieren zu lassen. Gleichzeitig sollte auch die originäre Zuständigkeit der Verfassungsschutzbe- hörden für die Spionageabwehr in § 3 BVerfSchG klargestellt werden.

Diese Erweiterung der Zuständigkeitsregelungen erforderte zu- nächst eine Änderung des GG: In Art. 73 Nr. 10 b GG wurde 1972 die Legaldefinition des Verfassungsschutzes um den Begriff der

"Sicherheit des Bundes oder eines Landes" ergänzt. Nach dem Verständnis des Verfassungsgesetzgebers sollte dieser Begriff als Auffangnorm sämtliche bis dahin wahrgenommenen, aber nicht ausdrücklich erwähnten Aufgaben des Verfassungsschutzes legiti- mieren.

Hinzugefügt wurde außerdem Art. 73 Nr. 10 c, der den Verfas- sungsschutz zur Beobachtung von Aktivitäten ermächtigt "zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch An-

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wendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungs- handlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutsch- land gefährden".9

Um den Forderungen nach stärkerer Berücksichtigung des Da- tenschutzes Rechnung zu tragen, wurde das BVerfSchG a. F. am 21. Dezember 1990 grundlegend erweitert. Hintergrund dieser Gesetzesnovelle war das im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsgesetz vom 12. Dezember 1983 ("Volkszäh- lungsurteil") entwickelte Grundrecht auf informationelle Selbst- bestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Es war gerade für die Verfassungsschutzbehörden von Bedeutung, da diese durch die Sammlung und Auswertung von Informatio- nen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingrei- fen.

G

Hinweis: Im "Volkszählungsurteil" stellte das BVerfG fest: "Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den mo- dernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbin- dung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Ver- wendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

Dieses Recht auf "informationelle Selbstbestim- mung" ist nicht schrankenlos gewährleistet. (...) Grundsätzlich muß daher der Einzelne Einschrän- kungen seines Rechts auf informationelle Selbstbe- stimmung im überwiegenden Allgemeininteresse

9 Roewer S. 6 ff.; Borgs/Ebert S. 17; Werthebach/Droste Rdnr. 10 ff.

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hinnehmen. Diese Beschränkungen bedürfen nach Art. 2 Abs. 1 GG (...) einer (verfassungsmäßigen) ge- setzlichen Grundlage, aus der sich die Vorausset- zungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (...)."10 Das neue "Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz" (BVerfSchG) wurde als Art. 2 in das "Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbei- tung und des Datenschutzes" integriert. In Art. 1 dieses Gesetzes fand das BDSG Aufnahme. Dieses enthält allgemeine Daten- schutzregelungen und ist seinem Wesen und seiner Funktion nach ein Auffanggesetz, das subsidiär gilt, soweit verfassungs- gemäße Bundesnormen eine abweichende Regelung für den gleichen Sachverhalt enthalten.11 Bei der Erfüllung der Aufgaben nach § 3 BVerfSchG durch das BfV finden deshalb die § 3 Abs. 2 und 8 S. 1, § 4 Abs. 2 und 3, § 4 b, § 4 c, § 10 sowie §§ 13-20 BDSG keine Anwendung (§ 27 BVerfSchG).

G

Hinweis: Bei anderen Tätigkeiten des BfV, z. B. im Rahmen der Personalverwaltung, gilt dagegen das BDSG uneingeschränkt.12

10 BVerfGE 65, 1 ff. (43 f.).

11 Tinnefeld/Ehmann S. 155 ff., 178 ff.

12 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Fortent- wicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes mit Be- gründung zu den Einzelvorschriften, BT-Drs. 11/4306 vom 6. April 1989, S. 64.

(27)

Im Nachgang dazu haben auch die Länder ihre Verfassungs- schutzgesetze entsprechend überarbeitet.

Am 20. April 1994 wurde das "Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes"

(Sicherheitsüberprüfungsgesetz – SÜG) verkündet und gemäß § 38 Abs. 2 SÜG auch das BVerfSchG geändert.13 Durch das "Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts" (Straf- verfahrensänderungsgesetz – StVÄG) vom 2. August 2000 wurde

§ 9 Abs. 2 BVerfSchG ergänzt.14

Weiter reichende Änderungen ergaben sich mit dem "Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus" (Terrorismusbe- kämpfungsgesetz), das am 1. Januar 2002 in Kraft trat.15 Die für die Nachrichtendienste relevanten Regelungen dieses Gesetzes sind jedoch auf fünf Jahre befristet (Art. 22 Abs. 2 Terrorismusbe- kämpfungsgesetz).

G

Hinweis: Die Befristung kann sich wohl nur auf die Neuerun- gen beziehen, die eine Kompetenzerweiterung der Nachrichtendienste beinhalten. Sofern die Ände- rungen lediglich gesetzliche Klarstellungen und Textbereinigungen bedeuten, werden diese ver- nünftigerweise auch nach Ablauf der Frist nicht ihre Geltung verlieren.

Neben dem BVerfSchG und den Verfassungsschutzgesetzen der Länder gibt es eine Reihe allgemeiner und spezieller Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die insbesondere Befugnisse zur Über-

13 Vgl. Kap. I, Nr. 5.3.

14 Vgl. Kap. I, Nr. 6.5.1.

15 Vgl. BGBl. 2002, Teil I Nr. 3, S. 361 ff.

(28)

mittlung von Informationen an den Verfassungsschutz oder zur Kontrolle über die Verfassungsschutzbehörden enthalten.16

4. Aufbau der Verfassungsschutzbehörden

Der Verfassungsschutz ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern, bei der gemäß Art. 73 Nr. 10 b, c und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG der Bund als Zentralstelle eine Koordinierungsfunktion innehat. Staatspraxis und Wissenschaft schließen aus dem Zu- sammenspiel von Art. 73 Nr. 10 b, c und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG, dass der normalerweise geltende Grundsatz, die Verwaltungs- kompetenzen von Bund und Ländern strikt voreinander zu tren- nen, im Bereich des Verfassungsschutzes nicht gilt, sondern dass auf diesem Gebiet eine Mischverwaltung von Bund und Ländern stattfindet.17

G

Hinweis: Es stellt eine Besonderheit des deutschen Rechts- systems dar, dass das föderale Prinzip auch im Be- reich Verfassungsschutz umgesetzt wurde. Andere föderale Staaten haben ihre Nachrichtendienste zentral organisiert.

§ 2 Abs. 2 BVerfSchG verpflichtet deshalb Bund und Länder, Stel- len einzurichten, die die Aufgaben des Verfassungsschutzes wahrnehmen: Nach § 1 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG unterhält der Bund für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern ein BfV als Bundesoberbehörde, die keine Mittel- und Unterbehörden haben darf. Dagegen ist die durch das BfV vor-

16 Vgl. Kap. I, Nr. 9 und Kap. IV.

17 Gröpl S. 123 ff.

(29)

genommene Einrichtung von Außenstellen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, solange diese nicht den Rang einer selb- ständigen Behörde erlangen.18

Für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund und der Län- der untereinander unterhält jedes Land eine Behörde für die Be- arbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Die Länder errichteten z. T. eigenständige Verfassungsschutzämter;

andere wiesen die Aufgabe des nachrichtendienstlichen Verfas- sungsschutzes einer Abteilung ihrer Innenministerien/-senate zu.19

G

Hinweis: Zwar sind Bund und Länder nach dem BVerfSchG dazu verpflichtet, entsprechende Stellen für die Zu- sammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungs- schutzes einzurichten20; aus der verfassungsrechtli- chen Grundlage des nachrichtendienstlichen Ver- fassungsschutzes (Art. 73 Nr. 10 b, c und Art. 87 Abs.

1 S. 2 GG) ist eine Pflicht des Bundes zur Einrichtung eines BfV dagegen nicht abzuleiten: Art. 87 Abs. 1 S.

2 GG sieht lediglich die Einrichtung einer "Zentral- stelle für die Sammlung von Unterlagen des Verfas- sungsschutzes" vor ("Kann-Bestimmung"). Die dort festgelegte Errichtungskompetenz könnte aller- dings aufgehoben werden, wenn in Art. 87 Abs. 1 S.

2 GG mit qualifizierter Mehrheit geändert würde (Art. 79 Abs. 2 GG). Fraglich ist jedoch, ob in die- sem Fall nicht der Bund eine andere Einrichtung mit den Aufgaben eines nachrichtendienstlichen Ver-

18 Borgs/Ebert S. 37.

19 Vgl. Abbildung S. 35

20 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Fort- entwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes mit Begründung zu den Einzelvorschriften, BT-Drs. 11/4306 vom 6. April 1989, S. 59.

(30)

fassungsschutzes betrauen müsste. Denn sonst wä- re wohl der materielle Verfassungsschutz nicht mehr gewährleistet, der als das wesentliche Ele- ment der abwehrbereiten Demokratie gilt. Der Grundsatz der abwehrbereiten Demokratie wie- derum wurde vom BVerfG zum Verfassungsprinzip erhoben und fällt damit unter die Unabänderlich- keitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG.21

21 Vgl. die Entscheidungen zum Verbot der "Sozialistischen Reichspar- tei" (SRP) von 1952 (BVerfGE 2, 1 ff.) und der "Kommunistischen Par- tei Deutschlands" (KPD) von 1956 (BVerfGE 5, 85 ff.).

(31)

Aufbau der Verfassungsschutzbehörden

BMI

Bundesamt für Verfassungsschutz

⇒ Zentralstelle zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes

(Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG)

Landesbehörden für Verfassungsschutz Innenministerien/-senate

der Länder

Innenministerien/-senate der Länder

Landesämter für Verfassungsschutz

(Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Thüringen)

Abteilungen für Verfassungsschutz

(Berlin, Brandenburg, Nord- rhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz, Mecklenburg-Vorpom- mern, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt)

(32)

Der Landesgesetzgeber kann der von ihm mit der Zusammenar- beit betrauten Behörde weitergehende Aufgaben zuweisen, soweit hierdurch nicht eine Beeinträchtigung der bundesgesetz- lichen Aufgabenstellung stattfindet.

Ø Beispiel: Beispiele dafür sind die Beobachtung der Organi- sierten Kriminalität in Bayern (Art. 1 Abs. 3 LVerfSchG), die Mitwirkung bei der Überprüfung von Personen gemäß § 3 Abs. 3 LVerfSchG in Baden- Württemberg und die Beobachtung fortwährender MfS-Strukturen durch die neuen Bundesländer (§ 5 Abs. 2 Nr. 4 LVerfSchG Berlin, § 5 Abs. 1 Nr. 2 LVerfSchG Mecklenburg-Vorpommern, § 2 Abs. 1 Nr. 4 LVerfSchG Sachsen, § 4 Abs. 1 Nr. 2 LVerfSchG Sachsen-Anhalt, § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LVerfSchG Thü- ringen). In einigen Ländern gehört auch die Beo- bachtung von Bestrebungen, die gegen den Ge- danken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG) oder das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 GG) gerichtet sind, zum Aufgabenkatalog der LfV (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 LVerfSchG Hamburg, § 3 Abs. 1 Nr. 4 LVerfSchG Niedersachsen, § 3 Abs. 1 Nr.

4 LVerfSchG Nordrhein-Westfalen, § 5 S. 1 Nr. 5 LVerfSchG Rheinland-Pfalz).

G

Hinweis: Sofern der Zuständigkeitsbereich einer LfV über den des BfV hinausreicht, können sich Probleme in der Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden ergeben, da in diesen Fällen das BfV seiner Funktion als Zentralstelle nicht nachkommen kann.22

22 Zu den sich aus dieser Form der Mischverwaltung ergebenden Problemen in der Zusammenarbeit vgl. Droste, ZFIS 1999, S. 245 (250 ff.).

(33)

§ 7 sieht ein Weisungsrecht der Bundesregierung – nicht des BfV! - gegenüber den obersten Landesbehörden (Landesinnen- ministerien/-senate) – nicht gegenüber den LfV! - vor. Inhaltlich ist es auf den Fall eines Angriffs auf die verfassungsmäßige Ord- nung des Bundes beschränkt. Es zielt mithin auf besonders schwerwiegende, drohende oder gegenwärtige Verletzungen dieses Schutzguts. Nach herrschender Meinung ist dieses Wei- sungsrecht Ausfluss der Normkompetenz des Bundes für die Zu- sammenarbeit mit den Ländern (Art. 73 Nr. 10 GG).

G

Hinweis: Das Weisungsrecht der Bundesregierung (§ 5 BVerfSchG a. F.) kam in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland in mehreren Fällen praktisch zur Anwendung. Dabei wurden die Län- der zum repressiven Tätigwerden gegen verfas- sungswidrige Vereinigungen ersucht.23

Das BfV mit Sitz in Köln wird geleitet von einem Präsidenten, der einen Vizepräsidenten als Stellvertreter hat, und gliedert sich in sechs Abteilungen24:

23 Borgs/Ebert S. 134 f.

24 BfV (Hrsg.), Aufgaben, Befugnisse, Grenzen, S. 80 f.

(34)

Organigramm des BfV

Präsident Vizepräsident

Abt. Z Personal, Haushalt, Justitiariat, EDV

Abt. I Zentrale Fachfragen, Berichtswesen, G10, Datenschutz, Observation, ND-Technik

Abt. II Rechtsextremismus und -terrorismus

Abt. III Linksextremismus und -terrorismus

Abt. IV Spionagebekämpfung, Geheim- und Sabotageschutz

Abt. V Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern

(35)

5. Aufgaben des BfV

5.1 Überblick

Die Verfassungsschutzbehörden beobachten extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von In- und Ausländern sowie die Tätigkeit fremder Nachrichtendienste.

Aufgaben des BfV:

Sammlung und Auswertung von Informationen (§ 3 Abs. 1 BVerfSchG) über

- Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokrati- sche Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder ei- ne ungesetzliche Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben (Nr. 1)

- sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätig- keiten in Deutschland für eine fremde Macht (Nr. 2) - Bestrebungen in Deutschland, die durch Anwendung

von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungs- handlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Nr. 3)

- Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das friedliche Zu- sammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind25

25 Vgl. Art. 1 Abs. 1 a) des Terrorismusbekämpfungsgesetzes.

(36)

Mitwirkung beim Geheim- und Sabotageschutz (§ 3 Abs. 2 BVerfSchG)

Der Begriff Informationen meint insbesondere Auskünfte, Nach- richten und Unterlagen (vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG). Es han- delt sich um einen Oberbegriff, der sowohl personenbezogene als auch sachbezogene Vorgänge umfasst, unabhängig davon, auf welchem Medium die Informationen festgehalten werden (z. B. Flugschriften, Broschüren, Fotos).26

Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informa- tionen ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte (§ 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG).

Gemeint sind damit Umstände, die bei vernünftiger Betrachtung auf die in § 3 Abs. 1 BVerfSchG genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten hindeuten und die deshalb eine weitere Klärung erforderlich erscheinen lassen. Dabei reicht es aus, dass in einer Gesamtschau unter Einbeziehung nachrichtendienstlicher Er- fahrungen alle konkreten Umstände auf entsprechende Bestre- bungen hindeuten, auch wenn jeder für sich genommen nicht genügt. Ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungs- feindliche Bestrebung vorliegen, bestimmt sich in erster Linie nach den von einer Organisation verfolgten Zielen, die sich ins- besondere ihrem Programm bzw. Statut, den Schriften und sons- tigen Erklärungen von Mitgliedern und Organen entnehmen

26 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Fortent- wicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes mit Be- gründung zu den Einzelvorschriften, BT-Drs. 11/4306 vom 6. April 1989, S. 60.

(37)

lassen. Dabei ist nicht erforderlich, dass diese Ziele klar und ein- deutig verkündet werden. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung kann sich vielmehr aus der Summe von Einzelakten ergeben, deren Zusammenschau erst deutlich werden lässt, dass die be- stehende Ordnung untergraben werden soll, um sie letztlich ganz zu beseitigen.27

Die Informationsbeschaffung ist also nur bei konkreten Anhalts- punkten für einen verfassungsschutzrechtlich erheblichen Tatbe- stand zulässig, setzt aber keine konkrete Gefahr voraus.

G

Hinweis: Der Beobachtungsauftrag einiger LfV setzt noch früher an, nämlich bereits beim Vorliegen tatsäch- licher Anhaltspunkte für den Verdacht einer Bestre- bung (vgl. z. B. § 3 Abs. 1 S. 1 LVerfSchG Nordrhein- Westfalen, § 5 S. 1 LVerfSchG Rheinland-Pfalz). Ob dieser Unterschied auch praktische Relevanz entfal- tet, ist aber zweifelhaft28.

27 Urteil des VG Düsseldorf vom 14. Februar 1997, S. 21 f. (Az. 1 K 9318/96); Beschluss des VG Stuttgart vom 4. August 1993, S. 17 ff.

(Az. 18 K 959/93); BVerfGE 5, 85 ff. (144) und 2, 1 ff. (20).

28 Zumindest ist dies dem Urteil des VG Düsseldorf vom 14. Februar 1997 (Az. 1 K 9318/96) nicht zu entnehmen.

(38)

Beobachtungsfelder des BfV

29

:

Rechtsextremismus/-terrorismus

Rechtsextremistische Ideologieansätze erwachsen aus den beiden Wurzeln Nationalismus und Rassismus. Sie sind von der Vorstellung geprägt, dass die ethnische Zugehörigkeit zu einer Nation oder Rasse die größte Bedeutung für das Individuum besitzt. Ihr sind alle anderen Interessen und Werte, auch die Bürger- und Menschenrechte untergeordnet. Rechtsextremisten propagieren ein politisches System, in dem als angeblich na- türliche Ordnung Staat und Volk in einer Einheit verschmelzen ("Ideologie der Volksgemeinschaft"). Tatsächlich läuft dies auf ein antipluralistisches System heraus, das für demokratische Entscheidungsprozesse keinen Raum lässt.

Linksextremismus/-terrorismus

Linksextremisten verfolgen das Ziel, die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu be- seitigen und anstelle der freiheitlichen demokratischen Grund- ordnung eine sozialistische/kommunistische Diktatur oder eine vermeintlich herrschaftsfreie Gesellschaft zu erkämpfen. Ideen- geschichtlich lassen sich diese Bestrebungen auf zwei ideologi- sche Grundmuster zurückführen: den Marxismus-Leninismus und den Anarchismus.

29 BfV (Hrsg.), Aufgaben, Befugnisse, Grenzen, S. 26 ff. Nach Feststel- lung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) vom 5./6. Juni 1997 liegen neben diesen Beobach- tungsfeldern auch hinsichtlich der "Scientology-Organisation" tat- sächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und dementsprechend die gesetzli- chen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch die Verfas- sungsschutzbehörden vor.

(39)

Sicherheitsgefährdende/extremistische Bestrebungen von Ausländern

Die Beobachtung politischer Aktivitäten von Ausländern durch das BfV findet nur statt, soweit sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wenden oder ausländische Gruppen ihre politischen Auseinan- dersetzungen mit Gewalt auf deutschem Boden austragen und dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes ge- fährden, oder sie vom Bundesgebiet aus Gewaltaktionen in anderen Staaten durchführen oder vorbereiten und dadurch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefähr- den. Zunehmende Bedeutung kommt dem Islamismus und seinen Auswirkungen auf Deutschland zu; ausgehend vom Absolutheits- und Totalitätsanspruch ihrer Ideologie verneinen Islamisten vor allem den Unterschied zwischen der nicht ver- änderbaren Offenbarung Allahs und den in demokratischen Rechtsordnungen verankerten Menschenrechten.

Spionageabwehr

Das BfV sammelt Informationen über die unerlaubte Tätigkeit fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutsch- land, die auch nach Ende des "Kalten Krieges" weiterhin als Aufklärungsziel im politischen Bereich von großer Bedeutung ist, und wertet sie aus. Im Bereich Geheimschutz wirkt es beratend und unterstützend, indem es für Kernbereiche des Staates und der geschützten Wirtschaft Sicherheitsüberprüfungen durch- führt, mit dem Ziel, aus solchen sensiblen Bereichen Personen fernzuhalten, die ein Sicherheitsrisiko tragen (z. B. Zugehörigkeit zu einer extremistischen Organisation, charakterliche Schwä- chen) und deshalb etwa in besonderem Maße für Ansprachen fremder Nachrichtendienste gefährdet erscheinen.

(40)

5.2 Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestre- bungen

Das BfV beobachtet Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine unge- setzliche Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungs- handlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutsch- land gefährden (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 BVerfSchG).

5.2.1 Bestrebung

§ 4 Abs. 1 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG definiert eine Bestrebung als eine politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise.

Davon umfasst sind Vorbereitungshandlungen, Agitationen und Gewaltakte, nicht aber die bloße Gesinnung politisch Anders- denkender. Kein notwendiger Bestandteil des Begriffs Bestrebung ist die Gesetzeswidrigkeit der zu beobachtenden Verhaltenswei- sen. Kennzeichen der nachrichtendienstlichen Tätigkeit ist es gerade, dass sie bereits im Vorfeld strafbarer Handlungen anset- zen kann.30

Dem BVerfSchG liegt die Vorstellung zugrunde, dass solche Be- strebungen grundsätzlich nur dann eine Gefahr für die freiheitli- che demokratische Grundordnung oder den Bestand und die Sicherheit des Staates darstellen und von den Verfassungs- schutzbehörden beobachtet werden, wenn sie von Personen- mehrheiten ausgehen ("ziel- und zweckgerichtete Verhaltens-

30 Roewer S. 60 ff.

(41)

weisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss"). Trä- ger verfassungsfeindlicher Bestrebungen sind zwar in den meis- ten Fällen Organisationen. Da aber Organisationen nur durch Personen handeln, sind diese zwangsläufig auch Gegenstand der Beobachtung der Verfassungsschutzbehörden.

Extremistische oder sicherheitsgefährdende Bestrebungen gehen gleichwohl nicht nur von Gruppen aus. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 4 BVerfSchG sind Verhaltensweisen von Einzelpersonen allerdings nur dann einschlägig, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut des BVerfSchG erheblich zu beschädigen.

5.2.2 Freiheitliche demokratische Grundordnung

Die nachrichtendienstliche Beobachtung setzt folgende juristi- sche Feststellung voraus: Eine Bestrebung muss darauf gerichtet sein, bestimmte Verfassungsgrundsätze, nämlich eines oder mehrere der Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grund- ordnung, zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (§ 4 Abs. 1 S. 1 c BVerfSchG). Die freiheitliche demokratische Grundord- nung ist nach den Entscheidungen des BVerfG zum Verbot der

"Sozialistischen Reichspartei" (SRP) von 1952 und der "Kommunis- tischen Partei Deutschlands" (KPD) von 1956 nicht die gesamte Verfassung, sondern meint nur ihre obersten Wertprinzipien.31

31 BVerfGE 2, 1 ff. und 5, 85 ff.

(42)

Gemäß § 4 Abs. 2 BVerfSchG32 zählen zur freiheitlichen demokrati- schen Grundordnung

- die Volkssouveränität, - die Gewaltenteilung,

- die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung,

- die Gesetzmäßigkeit von Verwaltung und Justiz,

- das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,

- die Ablösbarkeit und Verantwortlichkeit der Regierung, - die Unabhängigkeit der Gerichte,

- der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft, - die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

Bestrebungen, diese Prinzipien ganz oder teilweise zu beseitigen, werden als extremistisch bezeichnet. Extremistische Bestrebun- gen sind demnach nur solche Bestrebungen, die gegen den Kernbestand des Grundgesetzes – die freiheitliche demokrati- sche Grundordnung – gerichtet sind. Umfasst sind von diesem Begriff sowohl gewaltfreie als auch terroristische Bestrebungen.

Unter Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele unter Einsatz schwerster Gewalttaten, wie sie in § 129 a Abs. 1 StGB genannt sind (vor allem Mord, Totschlag, erpresseri-

32 Vgl. auch § 92 Abs. 2 StGB.

(43)

scher Menschenraub, Brandstiftung, Sprengstoffanschläge), zu verstehen.33

Verfassungswidrig sind nach dem GG Parteien, die darauf aus- gehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu be- einträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesre- publik Deutschland zu gefährden (Art. 21 Abs. 2 GG).

G

Hinweis: Das BVerfSchG kennt den Begriff "extremistisch" e- benso wenig wie den synonymen Begriff "verfas- sungsfeindlich". Auch die Bezeichnung "verfassungs- widrig" findet sich dort nicht. Das StGB verwendet sowohl den Begriff "verfassungsfeindlich" (z. B.

§§ 88, 89) als auch den Begriff "verfassungswidrig"

(z. B. §§ 84, 86, 86 a).

Im KPD-Urteil hat das BVerfG zur Auslegung von Art. 21 Abs. 2 GG festgestellt, dass eine Partei nicht schon dann verfassungswidrig ist, wenn sie die obersten Prinzipien der freiheitlichen demokrati- schen Grundordnung nicht anerkennt. Danach muss vielmehr

"eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen", d. h. die Partei muss

"planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen, im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wollen". In Fol- ge dieser Rechtssprechung des BVerfG wurde Verfassungswidrig- keit definiert als verfassungsfeindliche Bestrebung mit aktiv kämpferischer Durchsetzungsstrategie.

Mit dieser Ergänzung wollte das Gericht allerdings lediglich klar- stellen, dass "der freiheitlich-demokratische Staat gegen Parteien mit einer ihm feindlichen Zielrichtung nicht von sich aus vor-

33 BfV (Hrsg.), Aufgaben, Befugnisse, Grenzen, S. 47.

(44)

geht", sondern dass dieser "lediglich Angriffe auf seine Grund- ordnung abwehrt".34 An die für das Parteiverbot geforderte aktiv kämpferische Haltung sind deshalb keine überhöhten Anforde- rungen zu stellen, insbesondere setzt sie kein gewaltsames Vor- gehen voraus. Vielmehr genügt, dass eine Organisation die ver- fassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will.35

Keinesfalls ist eine aktiv kämpferische Haltung Voraussetzung einer nachrichtendienstlichen Beobachtung; sie ist also nicht zwingender Bestandteil einer Bestrebung.

G

Hinweis: Anders jedoch § 6 Abs. 4 LVerfSchG Schleswig-Hol- stein, wonach eine Bestrebung eine aktiv kämpferi- sche, aggressive Haltung gegenüber der beste- henden Verfassungsordnung voraussetzt!

Vom Begriff "extremistisch" zu unterscheiden ist des Weiteren die Bezeichnung "radikal", die bis Anfang der 1970er Jahre auch von den Sicherheitsbehörden synonym verwendet wurde.36 Radikale ("bis an die Wurzel gehende") Zielvorstellungen sind im äußersten Randbereich demokratischer Einstellungen anzusiedeln. Sie be- schreiben Einstellungen, die (noch) innerhalb des demokrati- schen Spektrums liegen und sind deshalb keine Bestrebungen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Ø Beispiel: Die Forderung nach Einführung der Todesstrafe wiederspricht zwar Art. 102 GG. Dieser gehört aber nicht zum Kernbestand der Verfassung, also nicht

34 BVerfGE 5, 85 ff. (141).

35 BVerwG, NJW 1995, 2505 ff.

36 Vgl. Verfassungsschutzbericht des BMI 1974, S. 4.

(45)

zur der freiheitlichen demokratischen Grundord- nung.

G

Hinweis: Beide Begriffe wurden im Zusammenhang mit dem sog. "Radikalen-/Extremistenerlass" verwendet, auf- grund dessen seit 1972 eine Regelanfrage an den Verfassungsschutz nach gerichtsverwertbaren Er- kenntnissen zu Bewerbern für den öffentlichen Dienst erfolgte. Dieses Verfahren wird seit 1979 nicht mehr bzw. wesentlich eingeschränkt angewendet.

Das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für ext- remistische Bestrebungen bei der entsprechenden Stelle ist nunmehr unverzichtbare Voraussetzung für eine Anfrage beim Verfassungsschutz.37

5.2.3 Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes Nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 a BVerfSchG gehört zum Bestand des Bundes oder eines Landes

- die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herr- schaft sowie

- ihre staatliche Einheit und territoriale Integrität.

Nach anderer Auslegung umfasst der Begriff nicht nur die Hand- lungsfreiheit des Staates nach außen und seine territoriale Integ- rität sondern auch den seine Staatlichkeit grundlegend manifes- tierenden Normenbestand, also die freiheitliche demokratische Grundordnung und die föderale Ordnung (Art. 79 Abs. 3 GG).

Nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 b BVerfSchG bedeutet

"Sicherheit des Bundes oder eines Landes" die Funktionsfähigkeit

37 Werthebach/Droste Rdnr. 177 ff.

(46)

von Bund, Ländern oder deren Einrichtungen. Nach dem ge- setzlichen Kontext beinhaltet der Begriff die innere, die äußere und die öffentliche Sicherheit.

Die innere Sicherheit bezieht sich vor allem auf die Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung, die vollzugspolizeilichen Aufgaben und die sicherheitspolizeilichen Aufgaben des Melde-, Pass-, Ausländer-, Vereins- und Versammlungsrechts sowie die Aufga- ben des Verfassungsschutzes und der Nachrichtendienste.

Inhalt der äußeren Sicherheit ist die Freiheit des Staates von fremder Botmäßigkeit. Gemeint ist damit die Beeinträchtigung der völkerrechtlichen Souveränität oder auch der faktischen Handlungsfreiheit eines Staates.

Der polizeirechtliche Begriff der öffentliche Sicherheit meint die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der grundlegenden Ein- richtungen und Veranstaltungen des Staates sowie die Unver- sehrtheit von Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum und sonstiger Rechtsgüter seiner Bürger.38

5.2.4 Auswärtige Belange

Darunter fallen die Einhaltung internationaler Verträge, die Be- achtung allgemeiner Regeln des Völkerrechts und die Glaub- würdigkeit der selbst gesetzten rechtlichen Grenzen für den Umgang mit anderen Staaten (z. B. Bekenntnis zum friedlichen Miteinander der Völker [Art. 1 Abs. 2 GG], Verbot eines Angriffs- kriegs [Art. 26 Abs. 1 GG]).

38 Werthebach/Droste Rdnr. 172 ff., 180 ff.

(47)

Aus dem völkerrechtlichen Interventionsverbot folgt zum einen die Verpflichtung, staatlicherseits alle Einmischungen in die inne- ren Angelegenheiten anderer Staaten zu unterlassen. Darüber hinaus hat der Staat auch entsprechende, auf Einmischung ge- richtete Handlungen der auf seinem Territorium ansässigen Pri- vatpersonen zu unterbinden, unabhängig davon, ob es sich um Deutsche oder Ausländer handelt.

§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG wurde als eine Art Auffangnorm vor allem für Fälle extremistischer Bestrebungen von Ausländern ge- schaffen, die nicht schon von § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG erfasst werden (wie z. B. der politische Kampf mit gewaltsamen Mitteln von Ausländern gegen in Deutschland lebende Ausländer oder gegen die Verhältnisse im Herkunftsland auf deutschem Bo- den).39

G

Hinweis: Das BfV hat keinen Aufklärungsauftrag im Ausland.

Allerdings ist eine Auslandstätigkeit nicht von vorn- herein ausgeschlossen. Ein solches Tätigwerden muss allerdings im Einverständnis des betroffenen ausländischen Staates erfolgen.

5.3 Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tä- tigkeiten für eine fremde Macht

Aufgabe der repressiven Spionageabwehr ist das Aufspüren von Agenten fremder Nachrichtendienste durch Verdachtsfallbear- beitung und methodische Schwachstellenanalyse in Behörden oder anderen sensiblen Einrichtungen, mit deren Hilfe schließlich gefährdete Personen sensibilisiert werden können.

39 Werthebach/Droste Rdnr. 203 ff.

(48)

"Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht" werden in einem umfassenden, über den strafrechtlichen Rahmen (§§ 98, 99 StGB) hinausreichenden Sinn verstanden. Darunter fällt auch die nicht strafbewehrte Spiona- ge, die etwa nur zu Sanktionen ausländerrechtlicher Art führt.

G

Hinweis: Die Begriffe "sicherheitsgefährdend" und "geheim- dienstlich" sind weitgehend deckungsgleich, letzte- rer ist hier jedoch präziser.

Ebenfalls fällt darunter der illegale Technologietransfer (Prolife- ration). Gemeint sind Rechtsgeschäfte und Handlungen im Au- ßenwirtschaftsverkehr, die gegen internationale Verträge und Rechtsnormen verstoßen, wie z. B. der Atomwaffensperrvertrag von 1968 und die Konvention zum Verbot von Chemiewaffen von 1993. Die Ausfuhr von Waffen, waffenfähiger Technologie und militärtechnischem Wissen wird in der Regel durch Rüs- tungsprogramme anderer Staaten veranlasst. Soweit es sich um unerlaubte Exporte handelt, werden diese verdeckt abge- wickelt, d. h. häufig durch fremde Nachrichtendienste.40

G

Hinweis: Ob die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes auch dann besteht, wenn sensitive Exporte ohne Beteili- gung eines fremden Nachrichtendienstes erfolgen, ist fraglich. Die Beobachtung solcher Aktivitäten kann nur dann von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG ge- deckt sein, wenn eine der folgenden Gesetzesaus- legungen herangezogen wird:

- Ausreichende Anhaltspunkte im Sinne der Vor- schrift liegen vor, wenn ein Warentransfer ille-

40 Werthebach/Droste Rdnr. 192, 198 ff.

(49)

gal ist, im Interesse eines fremden Staates er- folgt und die Beteiligten verdeckte Methoden anwenden, also wenn die Vorgehensweise nachrichtendienstähnlichen Charakter hat.

- "Fremde Macht" im Sinne der Norm ist ein Sammelbegriff für Staaten sowie über- bzw.

zwischenstaatliche Einrichtungen, aber auch Institutionen der Wirtschaft, die politische Macht repräsentieren bzw. ausüben.

5.4 Personeller und materieller Geheim- bzw. Sabotage- schutz

Im Rahmen der präventiven Spionageabwehr betreibt der Ver- fassungsschutz auch personellen und materiellen Geheim- und Sabotageschutz.

Der personelle Geheim- und Sabotageschutz (§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 2 BVerfSchG) umfasst im Wesentlichen die Überprüfung künftiger Geheimnisträger und Inhaber sicherheitsempfindlicher Stellen in lebens- und verteidigungswichtigen Einrichtungen. Mit dem SÜG vom 20. April 1994 hat das personelle Überprüfungsverfahren eine eigenständige gesetzliche Grundlage erhalten.

Der materielle Geheimschutz (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 BVerfSchG) bein- haltet die Beratung und Mitwirkung in Behörden und sensiblen Bereichen der Wirtschaft bei der Einrichtung von technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Geheimnissen und ge- heimzuhaltenden Gegenständen. Zum Schutz der elektronischen Datenverarbeitung vor unberechtigtem Zugriff wurde das Bun- desamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gegründet, auf das frühere Zuständigkeiten des BfV übertragen wurden.41

41 Werthebach/Droste Rdnr. 193.

(50)

6. Befugnisse des BfV

6.1 Sammlung und Auswertung von Informationen

Der Arbeitsauftrag der Verfassungsschutzbehörden ist im We- sentlichen auf das Sammeln und Auswerten von Informationen beschränkt (§ 3 Abs. 1 BVerfSchG). Sie tragen über die unter den Beobachtungsauftrag fallenden Gruppen und Personen syste- matisch Informationen zusammen und gewinnen dabei den weitaus größten Teil der Erkenntnisse – im BfV rund 80 % – aus offenen Quellen.42

Unter Sammeln ist das bewusste Festhalten von Informationen zu verstehen, unabhängig von ihrer Manifestierung und ob sie zu- fällig erlangt oder gezielt beschafft wurden. Nachdem sie zu- sammengetragen worden sind, müssen die vorliegenden Er- kenntnisse gesichtet und vor allem bewertet werden. Dabei dürfen nur solche Informationen, die für die Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes relevant sind, in Akten oder Dateien gespeichert werden. Die Aufarbeitung von Informationen durch Bewerten, Aufbewahren und Weitergabe bezeichnen die VerfSchG als Auswerten.43

Zur näheren Beschreibung der Befugnisse der Nachrichtendienste muss vielfach auf das BDSG als Grundlagengesetz des Daten- schutzes, das zentrale Begriffe definiert, zurückgegriffen werden.

Besondere Bedeutung hat in den Gesetzen für die Nachrichten- dienste der Begriff der personenbezogenen Daten. Darunter sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse ei-

42 BfV (Hrsg.), Aufgaben, Befugnisse, Grenzen, S. 66.

43 Roewer S. 56 ff.

(51)

ner bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zu ver- stehen (§ 3 Abs. 1 BDSG). Der Begriff Angabe umfasst jede Infor- mation unabhängig von ihrer Repräsentation (z. B. auch Bild- und Tondaten).44

Grundbegriffe des Datenschutzrechts i. S. d. BVerfSchG:

"Akte" ⇒

jede amtlichen oder dienstlichen Zwecken dienende Un- terlage, die nicht Datei ist (auch Bild- und Tonträger) (§ 46 Abs. 2 BDSG)

"Datei" ⇒

Sammlung personenbezogener Daten, die durch automa- tisierte Verfahren nach bestimmten Merkmalen ausgewer- tet werden kann (automatisierte Datei), oder jede sonsti- ge Sammlung personenbezogener Daten, die gleichartig aufgebaut ist und nach bestimmten Merkmalen geordnet, umgeordnet und ausgewertet werden kann (nicht auto- matisierte Datei) (§ 46 Abs. 1 BDSG)

"Dritter" ⇒

jede Person oder Stelle außerhalb der verantwortlichen Stelle, nicht jedoch der Betroffene sowie Personen und Stellen, die (u. a.) im Inland personenbezogene Daten im Auftrag erheben, verarbeiten oder nutzen (§ 3 Abs. 8 S. 2 BDSG)

44 Tinnefeld/Ehmann S. 183.

(52)

"Empfänger" ⇒

jede Person oder Stelle außerhalb der verantwortlichen Stelle, jedoch nicht der Betroffene sowie Personen und Stellen, die (u. a.) im Inland personenbezogene Daten im Auftrag erheben, verarbeiten oder nutzen (§ 46 Abs. 3 S. 1 und 2 BDSG)

"Erheben" ⇒

(offenes oder verdecktes) Beschaffen von Daten über den Betroffenen (§ 3 Abs. 3 BDSG)

"Löschen" ⇒

Unkenntlichmachen gespeicherter personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 5 BDSG)

"Nutzen" ⇒

jede Verwendung personenbezogener Daten, die nicht

"Verarbeiten" ist (§ 3 Abs. 5 BDSG)

"Personenbezogene Daten" ⇒

Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnis- se einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Per- son (§ 3 Abs. 1 BDSG)

"Speichern" ⇒

Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren personenbezoge- ner Daten auf Datenträgern zum Zwecke ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 BDSG)

"Verantwortliche Stelle" ⇒

jede Person oder Stelle, die personenbezogene Daten für sich selbst erhebt, verarbeitet oder nutzt oder dies durch andere im Auftrag vornehmen lässt (§ 3 Abs. 7 BDSG)

(53)

"Sperren" ⇒

Kennzeichnung gespeicherter personenbezogener Daten, um ihre weitere Verarbeitung oder Nutzung einzuschrän- ken (§ 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 4 BDSG)

"Übermitteln" ⇒

Bekanntgabe gespeicherter oder durch Datenverarbei- tung gewonnener personenbezogener Daten an einen Dritten in der Weise, dass die Daten an den Dritten weiter- gegeben werden oder der Dritte zur Einsicht oder zum Ab- ruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft (§ 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 BDSG)

"Verändern" ⇒

inhaltliches Umgestalten gespeicherter personenbezoge- ner Daten (§ 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 BDSG)

"Verarbeiten" ⇒

Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 4 S. 1 BDSG)

6.2 Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel

Um auch getarnte oder geheimgehaltene Aktivitäten beobach- ten zu können, muss der Verfassungsschutz Methoden, Gegens- tände und Instrumente der heimlichen Informationsbeschaffung einsetzen. Dazu gestattet § 8 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 9 BVerfSchG dem BfV den Gebrauch nachrichtendienstlicher Mittel.

G

Hinweis: Das Gesetz verwendet den Begriff der nachrich- tendienstlichen Mittel nicht mehr. Er wird vielmehr durch die "Dienstvorschrift über Methoden, Gegens- tände und Instrumente der heimlichen Informati-

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