• Keine Ergebnisse gefunden

Maria Wolke. Resilient durch Yoga. Psychische Erkrankungen umfassend behandeln. REIHE AKTIVE LEBENSGESTALTUNG Yoga

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Maria Wolke. Resilient durch Yoga. Psychische Erkrankungen umfassend behandeln. REIHE AKTIVE LEBENSGESTALTUNG Yoga"

Copied!
26
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Maria Wolke

Resilient durch Yoga

Psychische Erkrankungen umfassend behandeln

REIHE AKTIVE LEBENSGESTALTUNG • Yoga

(2)

Maria Wolke Resilient durch Yoga Psychische Erkrankungen umfassend behandeln

(3)

www.facebook.com/junfermann www.junfermann.de

twitter.com/junfermann

www.youtube.com/user/Junfermann blogweise.junfermann.de

www.instagram.com/junfermannverlag

(4)

MARIA WOLKE

RESILIENT DURCH YOGA

PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN UMFASSEND BEHANDELN

Junfermann Verlag Paderborn 2017

(5)

Copyright © Junfermann Verlag, Paderborn 2017 Coverfoto © Anna Berkut – gettyimages.com

Fotos Pablo Trenor

http://mandorlafotografia.com/

https://www.facebook.com/

mandorlafotografia/?ref=br_rs Fachlektorat Dipl.-Psych. Lene Schroer

Covergestaltung / Reihenentwurf JUNFERMANN Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz & Layout JUNFERMANN Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Bibliografische Information der Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Deutschen Nationalbibliothek Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-95571-668-4

Dieses Buch erscheint parallel in diesen Formaten:

ISBN 978-3-95571-666-0 (EPUB), 978-3-95571-566-3 (Print), 978-3-95571-667-7 (MOBI).

(6)

Sicherheitshinweis

Yoga kann unterstützend wirken und Selbstheilungskräfte aktivieren. Dennoch ersetzen die Yoga-Übungen nicht den Besuch beim Arzt oder Therapeuten!

Wenn Sie unsicher sind, ob Sie bei gesundheitlichen Problemen Yoga üben dürfen, befragen Sie Ihren Arzt zu möglichen Risiken, bevor (!) Sie mit den Yoga-Übungen beginnen.

Weder Autor noch Verlag sind für Beeinträchtigungen oder Schäden, die sich angeblich auf irgendwelche Informationen oder Vorschläge in diesem Buch zu- rückführen lassen, haftbar oder verantwortlich zu machen.

(7)

Lokah Samastah, Sukhino Bhavanthu

(„Mögen alle Wesen Glück und Harmonie erfahren.“)

Für meinen Vater Krystian Wolke †

(8)

Inhalt

Einleitung ... 11

TEIL I: DIE WEGE DES YOGA: EINE ALTE WEISHEITSLEHRE TRIFFT AUF MODERNE WISSENSCHAFT ... 15

1. Ursprünge, Entwicklung und modernes Yoga in der westlichen Welt ... 17

1.1 Grundlegende Annahmen des Yoga ... 17

1.2 Historische Entwicklung und Philosophie ... 19

1.2.1 Die Veden ... 19

1.2.2 Die Upanishaden ... 20

1.2.3 Bhagavad Gītā ... 21

1.2.4 Die Yoga Sūtra von Patañjali ... 23

1.3 Der Weg aus dem Leid: Ashtanga Marga – der achtgliedrige Pfad ... 27

1.4 Einzug des Yoga in die westliche Kultur: der Hatha Yoga ... 30

2. Wie Yoga heilt: die neuro psychologischen Grundlagen ... 33

2.1 Die Chance für die Persönlichkeitsentwicklung: neuronale Plastizität .... 33

2.2 Das menschlichen Nervensystem und die Gehirnstrukturen: eine kurze Exkursion ... 34

2.3 Die Kommunikation im Gehirn: Neurotransmitter und Hormone ... 37

2.4 Die Gehirnhemisphären und ihre Aktivierung durch Yoga ... 43

2.5 Die drei Schichten des Gehirns ... 45

3. Achtsamkeit und Meditation ... 53

3.1 Hier und jetzt! Im gegenwärtigen Moment präsent sein ... 54

3.2 Das achtsame Gehirn ... 57

3.3 Meditation: Balsam für Geist und Körper ... 60

3.4 Wie Meditation das Gehirn verändert ... 69

(9)

4. Pranayama: die Atemführung ... 75

4.1 Grundlagen und Bedeutung der Atmung ... 76

4.2 Atmung und das vegetative Nervensystem ... 78

5. Asana: die Körperstellungen ... 85

5.1 Der Körper und seine Bedeutung im Yoga ... 85

5.2 Die Wirkmechanismen hinter der Asanapraxis ... 88

5.3 Grundhaltung und Atmung während der Yogaübung... 103

6. Gegenanzeigen: Yoga ist kein Allheilmittel ... 113

6.1 Schaden nehmen durch Achtsamkeit und Meditation? ... 113

6.2 Schaden nehmen durch Pranayama? ... 117

6.3 Schaden nehmen durch Yoga Asana? ... 120

TEIL II: HEILUNG DURCH YOGA: EINE PRAXISORIENTIERTE EINFÜHRUNG ... 125

7. Stress ... 127

7.1 Auswirkungen auf Körper und Seele ... 129

7.2 Yogapraxis bei akutem Stress ... 133

7.2.1 Entschleunigung durch Achtsamkeit ... 134

7.2.2 Pranayama: die direkte Abhilfe bei Stress ... 136

7.2.3 Yoga Asana: Wie der Körper, so der Geist... 139

7.3 Das Burn-out-Syndrom ... 150

8. Depressionen ... 151

8.1 Auswirkungen auf Körper und Seele ... 154

8.2 Yogapraxis bei Depressionen ... 156

8.2.1 Achtsam den Alltag bewältigen ... 157

8.2.2 Pranayama: der sanfte Weg aus der Depression ... 163

8.2.3 Yoga Asana: Antidepressivum ohne Nebenwirkung ... 166

(10)

9. Angst und Panikattacken ... 175

9.1 Auswirkungen auf Körper und Seele ... 175

9.2 Yogapraxis bei Angst ... 178

9.2.1 Die inneren Dämonen überwinden mit Achtsamkeit ... 178

9.2.2 Pranayama: akute Angstsymptome lindern ... 182

9.2.3 Yoga Asana: den Körper gegen die Angst ausrichten ... 186

10. Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) ... 197

10.1 Auswirkungen auf Körper und Seele ... 197

10.2 Yogapraxis bei PTBS ... 202

10.2.1 Pranayama: den Körper wieder beruhigen ... 204

10.2.2 Yoga Asana: über den Körper PTBS-Symptome lindern ... 210

10.2.3 Die Praxis der Achtsamkeit und der Meditation bei PTBS ... 219

Zum Abschluss ... 223

Literatur ... 225

Internetressourcen ... 239

Personen- und Stichwortregister ... 241

Über die Autorin ... 245

(11)
(12)

Einleitung

„Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit. Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es.“

– Thich Nhat Hanh

Yoga – das Allheilmittel aus lndien? Ja, sagen die, die ihn praktizieren. Und auch die Wissenschaft belegt immer überzeugender: Der Yoga verhilft uns nicht nur dazu, gesund zu bleiben, sondern er ist auch in der Lage, unsere psychische und körper- liche Gesundheit wiederherzustellen, wenn diese aus dem Gleichgewicht geraten ist. Untersuchungen belegen, dass der Yoga sowohl Depressionen als auch Angst- störungen lindert (Kirkwood et al., 2005; Chung et al., 2011), und auch Menschen, die unter Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) leiden, können mithilfe spezifischer Atemtechniken aus der Yogapraxis die traumatischen Erlebnisse leich- ter verarbeiten (Descilo et al., 2010). Betroffene, die nach Schicksalsschlägen Yoga praktizieren, berichten mehr subjektive Lebensqualität, mehr allgemeine psychische Widerstandskraft (Resilienz) und mehr Willensstärke. Die erstaunlichen Ergebnisse der Yogaforschung verdeutlichen, dass jeder Einzelne mittels Yoga in der Lage ist, sein Leben, seine Sichtweise, seine Art zu denken und zu handeln sowie seine Emo- tionen zu verändern.

Mit diesem Buch möchte ich in erster Linie jenen Menschen, die unter den genann- ten Erkrankungen und Störungen leiden, eine Anleitung an die Hand geben, um die heilsame Wirkung des Yoga am eigenen Körper zu erfahren. Störungsspezifische Anleitungen und eine behutsame Heranführung an die Yogapraxis mit dem Ziel der Selbstbehandlung sind in der Literatur schwer zu finden. Dieses Buch schließt diese Lücke.

Aber auch denen, die die entsprechenden Techniken in ihrer Arbeit (als Therapeut, Yogalehrer, Coach) weitervermitteln möchten, soll dieses Buch wertvolle Hilfestel- lungen bieten.

Yoga als Ergänzung konventioneller Behandlungsmethoden?

Je mehr ich mich in die Praktiken des Yoga und seiner Wirkung auf die Psyche ver- tiefte, umso mehr Fragen stellten sich mir: Wie und warum helfen Achtsamkeit, Meditation, Pranayama und Asana? Wie kann es sein, dass den Yogis bereits vor 5000 Jahren bekannt war, was die moderne Medizin erst seit kurzem zu begreifen

(13)

12 · Resilient durch Yoga

scheint: dass nur ein Zusammenspiel von Körper und Geist, nur eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen Heilung bringen kann? Und dass die Art und Weise, wie wir wahrnehmen, denken und fühlen, essentiell für die psychische und körper- liche Gesundheit ist? Die Stille der Kontemplation und die Innenschau als Wege zur Selbstfindung lassen sich in allen führenden philosophischen und religiösen Rich- tungen ausmachen. Ihre heilende Kraft ist somit nicht neu. Wie konnte es nur pas- sieren, dass dieses fundamentale, tiefgreifende Wissen so sehr in den Hintergrund und somit fast in Vergessenheit geriet?

Ich begab mich auf die Suche nach Antworten, zuerst in Indien – dem Land des Yoga.

Später in unzähligen Büchern und Artikeln, immer versucht, all die Informationen zusammenzutragen, die mir die Antwort darauf geben würden, wie und warum der Yoga wirkt und inwiefern er dem Menschen von heute helfen kann, ein gesünderes und erfüllteres Leben zu führen. Arbeitsdruck, Leistungsdenken, fortwährende Be- schallung auf verschiedenen (digitalen) Kanälen und ständige Erreichbarkeit sind nur einige Aspekte, die das moderne Leben erschweren. Der daraus resultierende Stress und die ständige Berieselung mit Informationen können langfristig zu Burn- out führen und sind mitverantwortlich für zahlreiche psychische Störungen wie z. B.

Depressionen und Angststörungen. Inzwischen ist bekannt: Genau hier setzt der Yoga an. Spezifische Achtsamkeits-, Meditations- und Atemtechniken sowie aus- gewählte körperliche Yogaübungen (Yoga Asana) reduzieren bei regelmäßiger und geduldiger Praxis die biopsychologischen Auswirkungen von Stress und fördern so die notwendige Erholung. Langfristig führt der Yoga daher zu mehr Zufriedenheit, innerer Ruhe, Gelassenheit und psychischer Gesundheit.

Und genau das haben in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen erlebt und erkannt. Altbewährte fernöstliche Heilmethoden wie der Yoga ergänzen zunehmend konventionelle Behandlungsformen und tragen durch eine Reihe geistiger und kör- perlicher Übungen dazu bei, ganzheitlich auf den Menschen einzuwirken: So mo- difiziert die regelmäßige Praxis der Meditation die Vorgänge in unseren Gehirnen und beeinflusst langfristig unser Denken, unser Handeln und unser Fühlen. Sie lehrt uns, „alles, was da ist“, zu beobachten und als „zu uns gehörend“ zu akzeptieren.

Die Annahme und Akzeptanz der eigenen Gegenwart fördert die innere Ruhe und führt langfristig dazu, dass das ständige Plappern in unseren Köpfen leiser wird. Wir eignen uns die Fähigkeit an, unsere Gedanken wertfrei zu beobachten, und hören auf, uns mit ihnen zu identifizieren. Auch die bewusste Regulierung und Vertie- fung der Atmung mittels Pranayama scheint das psychische Befinden zu beeinflus- sen. Einfache Pranayama können selbst bei extremen psychischen und körper lichen Belastungen die biopsychologischen Vorgänge im Körper so weit beeinflussen, dass unerträgliche Anspannungszustände und unerwünschte, destruktive (in dem Moment unangebrachte) Emotionen abnehmen. Durch den regelmäßigen Einsatz

(14)

Einleitung · 13

spezifischer Atemtechniken wie Ujjayi oder Kapalabhati können die Symptome der Depression, der Anspannung und der Angst weichen und Platz für Wachheit, Moti- vation und selbstverantwortliches Verhalten machen. Die körperlichen Übungen des Yoga, die Asana, harmonisieren Körper und Geist. Der Körper und die Psyche kön- nen auf diese Weise wieder als eine untrennbare Einheit verstanden werden. Asana helfen dabei, körperliche Anspannungszustände und Blockaden zu lösen, sie lindern den physiologischen Ausdruck langanhaltender Stresssymptome wie Kopf- und Rü- ckenschmerzen, normalisieren den Magen-Darm-Trakt und bringen durch die Kon- zentration auf den Körper den Gedankenfluss zur Ruhe. Zusammengefasst hilft das systematische und regelmäßige Nachinnenwenden der Aufmerksamkeit (auch Inte- rozeption genannt), festgefahrene Gedankenstrukturen zu erkennen und nach und nach zu verändern. Wir übernehmen die Verantwortung für unser Denken und für unsere Gefühle und begreifen, dass alle wahrnehmbaren Emotionen, die guten wie die unerwünschten, ungefährlich sind und früher oder später vergehen.

Zu diesem Buch

In diesem Buch erhalten Sie ganz praktische Anleitungen dafür, wie Sie durch ein- fache Yogaübungen Ihr Leben in eine neue, gesunde Richtung lenken können. Es ist in zwei Abschnitte gegliedert: Der erste Teil – „Die Wege des Yoga: eine alte Weis- heitslehre trifft auf moderne Wissenschaft“ – beschäftigt sich mit den historischen und philosophischen Hintergründen des Yoga und seinen Parallelen zur modernen Psychologie. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem „Wie“: Wie wirkt der Yoga?

Warum und wie fördern Achtsamkeit, Meditation, Pranayama und Asana die kör- perliche und mentale Gesundheit? Diese Fragen werden aus unterschiedlichen Blick- winkeln betrachtet und beziehen immer auch die körpereigenen Prozesse mit ein.

Dies soll Ihnen ermöglichen, selbst zu einem Experten Ihrer Erkrankung zu werden und auf diese Weise mehr Verständnis für sich selbst und mehr Einsicht in die Praxis des Yoga zu bekommen.

Der zweite Teil – „Heilung durch Yoga: eine praxisorientierte Einführung“ – widmet sich spezifischen Methoden des Yoga, die symptombezogen psychische Leiden lin- dern und die unerwünschten Symptome verringern können. Diese symptombezoge- ne spezifische Yogapraxis hat zum Ziel, Sie wieder zurück zu sich selbst zu bringen und Sie darin zu befähigen, auf das Einfluss zu nehmen, worauf Einfluss genommen werden kann: auf Sie selbst. Im Praxisverlauf werden Sie lernen, die Ruhe, die Ge- lassenheit und das Glück in Ihrem Inneren zu suchen und zu finden. Sie werden begreifen, dass das, was Sie wirklich eigenständig verändern können, nur in Ihrem Inneren ist. Auf die Geschwindigkeit und die Anforderungen der Außenwelt haben wir keinen Einfluss. Wir können hingegen sehr wohl entscheiden, inwiefern wir ihr

(15)

14 · Resilient durch Yoga

die Macht einräumen, unser Leben aus dem Gleichgewicht zu bringen und unser Inneres zu berühren.

Die in diesem Buch vorgestellten Übungen können auch ohne Yogavorkenntnisse nachvollzogen und praktiziert werden.

Ich möchte hier noch darauf hinweisen, dass Yoga allein die Symptome, unter denen Menschen mit ernsthaften psychischen Störungen leiden, zwar bessern, aber nicht voll- ständig heilen kann. Bei schweren psychischen Problemen sollte deshalb immer ein Arzt oder Psychologe hinzugezogen werden.

(16)

Teil I

Die Wege des Yoga:

eine alte Weisheitslehre trifft auf moderne

Wissenschaft

(17)
(18)

Ursprünge, Entwicklung und modernes Yoga

in der westlichen Welt

„Wenn die Sinne gestillt sind, wenn die Gedanken ruhen, wenn der Verstand nicht mehr schwankt, dann – sagen die Weisen – ist der höchste Zustand erreicht.“

– Katha Upanishad

Yoga kann als eine der ältesten Formen der Psychotherapie und Persönlichkeitsent- wicklung betrachtet werden. Zu allen Zeiten waren die Menschen mit psychischen Problemen konfrontiert. Und schon immer waren sie bemüht, Lösungen für ihre seelischen Leiden zu finden. Der Yoga bietet hier zahlreiche Übungen und Anleitun- gen, die bei geduldiger und kontinuierlicher Praxis die seelische Gesundheit fördern können.

Das oberste Ziel des Yoga ist die Stilllegung der Bewegungen des Geistes, also der Gedanken. Ihre Unbeständigkeit und Willkürlichkeit gilt im Yoga als ursächlich für das menschliche Leiden. Und auch die klinische Psychologie bestätigt: nicht auf- hörende unkontrollierbare und auch verzerrte Denkweisen begünstigen psychische Störungen und gelten als ein aufrechterhaltender Faktor. So ist z. B. das krankhafte Grübeln typisch für Menschen, die an Depressionen leiden. Angststörungen sind wiederum durch oftmals überzogene und / oder generalisierte Gedanken an die Un- sicherheit der Welt und diverse (reale und nicht reale) Bedrohungen gekennzeichnet.

Der Yoga bietet einen Weg, der den Menschen zum inneren Frieden verhelfen soll.

Die Kontrolle der Gedanken, die wiederum Begierden wecken oder verstärken, führt dem Yoga nach zur Befreiung vom Leiden, zu einer tiefen Selbsterkenntnis und zu psychischer Freiheit.

1.1 Grundlegende Annahmen des Yoga

Der Begriff „Yoga“ (auch „Joga“ geschrieben) kommt aus dem Sanskrit, einer alt- indischen Kunstsprache aus der Zeit um 1200 vor Christus, und ist auf das Wort juy zurückzuführen, was so viel bedeutet wie „zusammenführen“, „zusammenbinden“

oder „unter Kontrolle bringen“. Letzteres bezieht sich vor allem auf die „Beherr- schung“ der unermüdlich produzierten Gedanken, und zusammengeführt werden

1.

(19)

18 · Resilient durch Yoga

sollen Körper, Geist und Seele: So vergleicht der Yoga die Sinne mit wilden, unkon- trollierten Pferden, die den Wagenlenker (also das Bewusstsein) überfordern. Yoga soll helfen, sie über die bewusste Ausrichtung der Aufmerksamkeit zu „zügeln“, so- dass der Wagen (der Körper) problemlos in die „gewünschte Richtung“ gesteuert werden kann (von Brück, 1993).

„Ist der Geist ruhig, ruht der Mensch in Gott“

Die Geschichte des Yoga ist nicht nur sehr alt, sondern auch ungemein spannend.

Überlieferungen deuten darauf hin, dass die grundlegenden Konzepte der modernen Psychologie, die den menschlichen Geist betreffen, bereits vor 5000 Jahren in einer abgewandelten Form bekannt waren und das Gerüst der indischen Philosophie bzw.

der Yogaphilosophie bildeten. In der Psychologie werden das menschliche Denken und Verhalten, die Motivation, die den Menschen zum Handeln verleitet, sowie die emotionalen und mentalen Aspekt des Geistes und ihre Wechselbeziehungen zum menschlichen Körper erforscht. All das findet sich auch im Yoga: Nach der Lehre des Yoga verdankt der Mensch sein Leid dem eigenen Geist und seiner gedanklichen Un- beständigkeit. Ist der Geist vollkommen ruhig, rein und konzentriert, dann gewahrt der Mensch eine neutrale Haltung, bleibt in sich ruhend und „ruht in Gott“.

„Willst du den Körper heilen, musst du zuerst die Seele heilen“

Die grundlegende Philosophie des Yoga beruht ferner auf der Überzeugung, dass zwischen äußerer (körperlicher) und innerer (geistiger) Haltung ein Zusammen- hang besteht. Das Hauptziel ist dabei das Zur-Ruhe-Kommen seelisch-geistiger Vorgänge, sodass „der Sehende sich selbst, das wahre Wesen, erkennt“ (Palm, 2010).

Es soll deutlich werden, dass jeder Mensch durch seine Gedanken und durch sein Handeln sein gegenwärtiges Leben selbst gestaltet. Die Annahme und Akzeptanz der eigenen Fehlbarkeit bedeutet dabei sowohl im Yoga als auch in der klinischen Psychologie den ersten Schritt Richtung persönliches Wachstum und innere Hei- lung. Der Zusammenhang zwischen der geistigen Verfassung und vorhandenen körperlichen Gebrechen ist nicht nur innerhalb der indischen Philosophie bekannt.

So betonte bereits der griechische Philosoph Platon: „Willst du den Körper heilen, musst du zuerst die Seele heilen“, und schaffte mit dieser Aussage die Basis der mo- dernen psychosomatischen Sichtweise auf Gesundheit und Krankheit, nach der eine Wechselseitigkeit von Körper und Psyche besteht.

(20)

Ursprünge, Entwicklung und modernes Yoga in der westlichen Welt · 19

Achtsamkeit und Meditation

Nicht die körperliche Fitness, sondern das Zurückziehen der Sinne und das Ver- weilen im Hier und Jetzt ist das eigentliche Ziel des Yoga. Die Fokussierung auf die Gegenwart soll dazu verhelfen, die eigenen Motive zu hinterfragen und eine tiefere Einsicht in die „wahre menschliche Existenz“ zu erlangen. Das eigene Bewusstsein, die Wahrnehmung und somit auch die eigene Betrachtung des Lebens mit all sei- nen Höhen und Tiefen lassen sich so verändern. Verweilen im Jetzt, Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst, den anderen und dem Leben, Gedankenkontrolle durch Fokussierung der Aufmerksamkeit (z. B. auf die Atmung) sowie das Üben des Nicht- bewertens sind die „Werkzeuge“ des Yoga, die zunehmend auch in der psychothera- peutischen Praxis Beachtung finden. Auch die Meditation wird mittlerweile als ein fester Bestandteil psychologischer Verfahren verstanden und hält vermehrt Einzug in den psychotherapeutischen Alltag.

1.2 Historische Entwicklung und Philosophie

Der Yoga ist eine auf philosophischen Schriften und mündlichen Überlieferungen gründende Praxis zur Selbstfindung. In diesem Buch möchte ich Ihnen in erster Li- nie die Ansichten und Übungen näherbringen, die für Ihre Gesundung wichtig sind.

Dafür müssen Sie sich nicht detailliert mit der historischen Entwicklung des Yoga oder des Buddhismus beschäftigen. Einige zeitliche Eckpunkte und Grundzüge der Philosophie, auf denen der Yoga fußt, helfen Ihnen jedoch dabei, mit der „Methode Yoga“ vertrauter zu werden und die Vorgehensweise ganzheitlich zu verstehen.

1.2.1 Die Veden

Die historischen Wurzeln des Yoga liegen in verschiedenen geistigen und spirituel- len Strömungen Indiens. Die erstmalige Verwendung des Yogabegriffes ist auf das vedische Zeitalter zurückzuführen (4500–2500 vor Chr.).

Während der Periode des Vedismus wurden die geistigen Voraussetzungen des Yoga geschaffen. Dem heutigen Yoga schon sehr ähnliche Praktiken wie eine systemati- sche Schulung von Körper und Geist wurden zuerst mündlich und anschließend ab ca. 1200 v. Chr. durch die Veden (das Buch des Wissens, Sanskrit, veda = Wissen), einer Sammlung religiöser Texte aus dem Hinduismus, auch schriftlich überliefert.

(21)

20 · Resilient durch Yoga

Die Grundgedanken des Yoga als auch die bestimmter Techniken der Meditation sind hier bereits zu finden. Heutzutage verfolgen vor allem achtsamkeitsbasierte psy- chologische Methoden wie z. B. die Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR), die Mindfulness-Based Cognitive Therapy (MBCT), die Akzeptanz- und Commit- menttherapie (ACT) und die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) den ursprüng- lichen „Yogagedanken“. Diese Methoden bringen Betroffenen bei, sich dadurch zu verändern, dass sie aufhören, sich verändern zu wollen, und helfen durch Akzep- tanz, Achtsamkeit und Interozeption. Die systematische Geistesschulung, wie sie bis heute unter anderem in der klinischen Psychologie praktiziert wird, verbunden mit der Schulung des Körpers (z. B. durch Bewegungstherapie), reicht folglich bis in die Bronzezeit zurück (Frauwallner & Pohlus, 2003).

1.2.2 Die Upanishaden

Upanishad bedeutet sinngemäß „die Lehre für diejenigen, die nahe bei den Meistern sitzen“. Die Entstehung dieser Schriftensammlung ist auf das Jahr 1500–1000 v. Chr.

zurückzuführen. Sie beschreiben eine die Veden abschließende und den Yoga prä- gende Periode. Nach dem Übersetzer und Interpreten der Upanishaden Paul Deussen (2003) besteht ihre zentrale Aussage aus folgenden Zeilen: „Du bist nicht dieser Kör- per, du bist nicht der Verstand, du bist nicht die Emotionen und Gedanken, du bist Atman, das Selbst, und dieser Atman ist in seiner Essenz nichts anderes als Brahman, das Absolute, das Urprinzip oder Gott.“ Dieses Zitat weist bereits auf den zentralen und ursprünglichen Yogagedanken hin, dass der Mensch mehr ist als lediglich das, was er bewusst als das „Selbst“ wahrnimmt. Das übergeordnete Ziel des Yoga, seinen wahren Kern durch unterschiedliche Yogatechniken zu ergründen, wird hier deutlich.

In den Upanishaden wird der Yoga erstmalig als Werkzeug zur Beherrschung der Sinne beschrieben und als ein Weg der persönlichen Heilung betrachtet (Hille- brandt, 1988, III, 3). Die Widerspenstigkeit und Rastlosigkeit der menschlichen Na- tur, die Leiden schafft, sowie die Notwendigkeit ihrer Schulung hat sich folglich in den vergangenen Jahrtausenden nicht verändert. Textdokumente aus dieser Zeit ver- weisen auf Yogapraktiken, die über verschiedene Atemtechniken das Bewusstsein des Menschen verändern und die Emotionen transformieren sollen. So beschreiben die Upanishaden (ca. ab 300 v. Chr.) meditative Techniken wie die Meditation des Mantra Om und einen sechsgliedrigen Yogapfad, vermutlich eine Vorstufe zum klassischen Yoga Patañjalis. Patañjali war ein indischer Gelehrter und der Verfasser der Yoga Sūtra, dem zentralen Ursprungstext des Yoga. Er gilt daher sozusagen als Vater des Yoga. In Abschnitt 1.2.4 wird noch einmal Bezug auf ihn genommen. Es gilt ferner als gesichert, dass Siddhartha Gautama (Buddha) um 500 v. Chr. in Yoga

(22)

Ursprünge, Entwicklung und modernes Yoga in der westlichen Welt · 21

geschult wurde und durch seine Yogapraxis die Frühgeschichte des Yoga geprägt hat.

Die zahlreichen Parallelen zwischen dem Yoga und dem Buddhismus sind auf dieses Zeitalter zurückzuführen.

1.2.3 Bhagavad Gı¯ta¯

Die Bhagavad Gītā gehört zu den wichtigsten Schriften des traditionellen Yoga. Ihre Ursprünge liegen um etwa 500 vor bis 400 n. Chr (Fischer, 2007). Die Entstehung der Bhagavad Gītā ist auf das indische Volksepos Mahabharata, also etwa auf die Zeit des Buddha oder der griechischen Philosophen, wie Platon oder Aristoteles, zurückzuführen. Sie vereinigt die Essenz des vedischen Wissens und ist eine der wichtigsten unter den zahlreichen Upanishaden in der vedischen Literatur (Bhak- tivedanta & Prabhupada, 1983). Die Bhagavad Gītā enthält eine tausende Jahre alte Philosophie, die in 18 Kapiteln die bis dahin bekannten Yogawege erläutert: Krishna, eine Inkarnation des Gottes Vishnu, lehrt seinen Schüler (Heerführer) Arjuna die Grundgedanken über das Leben, zeigt ihm sein göttliches Wesen und unterweist ihn in Verhaltensregeln zum Erkennen des Göttlichen. Arjuna hat der Kampfgeist ver- lassen und er fühlt sich verloren auf dem Schlachtfeld. Das Schlachtfeld kann auch mit dem „Schlachtfeld des täglichen Lebens“ gleichgesetzt werden. Um seine innere Kraft (Kampfgeist) wiederzufinden, lehrt Krishna Arjuna die bereits aus den Upa- nishaden bekannten Yogawege:

1. Karma Yoga: den Weg des rechten Handelns 2. Jnana Yoga: den Weg des rechten Wissens

3. Bhakti Yoga: den Weg der rechten Hingabe an Gott

1. Karma Yoga – der Pfad des Dienens

Karma kann als „Handlung“ oder „Tat“ übersetzt werden. Der Karma Yoga be- schreibt daher den Pfad des rechten Tuns und des selbstlosen Handelns. Das rechte selbstlose Handeln bezieht eine bewusste Geisteshaltung mit ein, die jeder Anhaf- tung an materielle Dinge und Situationen entsagt. Folglich ist das Zentrum des In- teresses das „Wie“ einer jeden Handlung. Alles, was wir tun, soll dem Karma Yoga zufolge achtsam im gegenwärtigen Moment erfolgen. Denn das menschliche Leid und die Unruhe des Geistes entstehen, wenn der Mensch über Vergangenes oder Zukünftiges nachsinnt und mit dem, was er jetzt hat, unzufrieden ist. Die Geistes- haltung des gegenwärtigen, wachen Daseins führt zu einer tiefen inneren Ruhe. Jede Tat wird dabei als eine Darbietung an Gott verstanden, ohne die Erwartung eines bestimmten Ergebnisses, ohne Absicht auf Gewinn und Belohnung. Heutzutage hat

(23)

22 · Resilient durch Yoga

das selbstlose Handeln an Bedeutung verloren. Die ständige Erwartung einer Ge- genleistung erzeugt Druck und negative Emotionen und fördert Unzufriedenheit.

Die Folge sind noch mehr Erwartungen und noch mehr Unzufriedenheit. Wir haben vergessen, dass „Selbstlosigkeit“ eine Tugend sein kann und sowohl Glück als auch persönliches Wachstum fördert.

2. Jnana Yoga – der Pfad der unterscheidenden Erkenntnis

Jnana Yoga beschreibt einen geistigen Übungsweg und dient der Erlangung einer allumfassenden Erkenntnis. Diese unterscheidende Erkenntnis bezieht sich auf das Erkennen dessen, was vergänglich ist, und seine Unterscheidung von dem, was un- zerstörbar – also ewig – ist. Es schließt auch die Selbsterkenntnis mit ein. Im Zent- rum steht die Frage nach dem Wesen des eigenen Seins. Der Weg dahin führt über die Vernunft (Feldenkrais, 1978), die für das „Voranschreiten“ zwar notwendig ist, im Übungsverlauf allerdings überwunden werden soll. Die Erkenntnis, von der der Jnana Yoga spricht, muss durch praktische Erfahrung erlebt werden. Sie basiert auf intuitivem Wissen und bestimmt von diesem Standpunkt aus unser Denken und Handeln: „Wer gläubig nach Erkenntnis strebt und seine Sinne ernst bezwingt, der eignet sich das Wissen an, das ihm den höchsten Frieden bringt“ (von Glasenapp, 1993). Im Yoga geschieht dieses „Erfahrenwerden“ durch die stetige und ausdauernde Yogapraxis. Durch Gegenwärtigkeit und Konzentration auf den Moment „fühlt“ frü- her oder später jeder Praktizierende, was unter Erkenntnis verstanden werden kann.

3. Bhakti Yoga – Pfad der liebvollen Hingabe an das Göttliche

Bhakti Yoga bedeutet liebvolle Hingabe und bezieht sich auf die mystische Gotteslie- be. Wer diesen Pfad beschreitet, findet seine Erfüllung in der liebenden Hingabe an das Göttliche. „Wir alle beginnen mit der Selbstliebe, aber irgendwann mündet unse- re Menschenliebe in der Gottesliebe. Die Liebe ist der kürzeste Weg zur Vereinigung mit Gott. So müssen wir die Liebe in jeder Form und gegenüber jedweder Kreatur üben“ (Hinnenberg, 1993). Der, der den Bhakti Yoga übt, begegnet Gott in all seinen Erscheinungsformen in einer liebevollen Haltung. Übertragen bedeutet das, dass er alle Lebewesen und alles, was ist, verehrt und achtet und eine tiefe Liebe gegenüber dem Sein empfindet. Das „Göttliche“ im Yoga bezieht vor allem die Erkenntnis ein, dass das Verurteilen und Ablehnen der Handlungen anderer ihren Ursprung im In- nern haben. Wir müssen lernen, uns selbst zu lieben und uns zu verzeihen. Nur so wird es möglich, seine eigenen und auch die Schwächen des Gegenübers zu lieben.

Da der Yoga atheistisch ist, ist der Begriff „göttlich“ hier im übertragenen Sinne zu verstehen. „Göttlich“ ist somit alles, was mit „den Augen der Liebe“ betrachtet wird.

(24)

Ursprünge, Entwicklung und modernes Yoga in der westlichen Welt · 23

1.2.4 Die Yoga Su¯tra von Patañjali

Die klassische Yogatradition ist auf die Yoga Sūtra von Patañjali (100 v. Chr.–500 n. Chr.) zurückzuführen. Wörtlich übersetzt bedeutet Sūtra „Faden“. Die Yoga Sūtra sind also gewissermaßen ein Leitfaden für die Yogapraxis bestehend aus ca. 195 kurzen Lehrsätzen (Sūtra).

Das Kernelement der Lehre von Patañjali ist der achtgliedrige Yogaübungspfad Ashtanga Marga (vgl. Abschn. 1.3), der bis heute recht bekannt ist und selbst in der populäreren westlichen Literatur öfter erwähnt wird. Patañjali betrachtet in seinen Schriften den Yoga als einen praktischen Weg der Befreiung des Menschen aus der Knechtschaft der Sinne: ,,Yoga ist jener Zustand, in dem die seelisch-geistigen Vor- gänge zur Ruhe kommen“ (Bäumer, 2003, S. 21). Die Yoga Sūtra wurden neueren Quellen zufolge ca. 325–425 n. Chr. verfasst und gelten im Vergleich zu den Veden, Upanishaden und der Bhagavad Gītā als nicht religiös (Maas, 2013). Sie enthalten Übungen, die als Vorbereitung für die angestrebte Meditation gelten. Zusammen mit der Bhagavad Gītā gehören die Yoga Sūtra zu den zwei wichtigsten Schriften des klassischen Yoga. Bis heute verfügen sie über eine authentische Referenz und unbe- strittene Autorität innerhalb der philosophischen Texte des Yoga.

Das menschliche Leid in den Yoga Su ¯tra

Die Yoga Sūtra befassen sich mit den Ursachen des menschlichen Leidens. Als zen- tral in diesem Zusammenhang gelten die Unruhe und die Sprunghaftigkeit des menschlichen Geistes. Dieser ist nicht in der Lage, im Hier und im Jetzt zu bleiben.

Stattdessen ist er mit den Ereignissen der Vergangenheit beschäftigt, plant die Zu- kunft oder verarbeitet und analysiert gegenwärtig stattfindende Begebenheiten. All das geschieht auf der Basis früherer Erlebnisse. Das bedeutet, dass alles, was wir erleben, durch die Gedankenmuster, die uns innewohnen, durch unsere Gewohnhei- ten, Glaubensüberzeugungen und (unbewusste) Lernprozesse gefärbt ist und daher nicht der Wahrheit und den Tatsachen entsprechen muss. Unser Verstand denkt und handelt genau so, wie er es im Verlauf des Lebens durch Wiederholung bestimmter Erfahrungen gelernt hat, und oftmals nicht so, wie es in einer bestimmten gegen- wärtigen Situation angebracht wäre. Die Unfähigkeit des Geistes, im Hier und Jetzt zu verweilen, erschafft Patañjali zufolge unnötiges Leid, da es zu unbedachten und unkonzentrierten Handlungen führt, die wiederum neues Leid zur Folge haben. Um den widerspenstigen und zerstreuten Geist wieder auf den rechten Weg zu führen, entwickelte Patañjali den achtgliedrigen Pfad (Ashtanga Marga). „Der rechte Weg“

bedeutet dabei nicht, eine absolute Gedankenstille zu erzeugen, sondern vielmehr, die Fähigkeit zu schulen, sich von den Bewegungen des Geistes, dessen Aufgabe es nun mal ist, Gedanken nachzuhängen, nicht beeindrucken zu lassen.

(25)

24 · Resilient durch Yoga

Der unstete Geist ist nicht die einzige Ursache für empfundenes Leid. Auch die Nichterfüllung der materiellen und egogeprägten Wünsche, körperliche Schwäche, aber auch eine unregelmäßige Atmung bedingen Leiden. Patañjali bietet in seinem Ashtanga Marga konkrete Techniken an, die dem Einzelnen dazu verhelfen, sein Ego zu beruhigen, seinen Körper zu stählen, seine Atmung zu schulen und seine Aufmerksamkeit zu lenken und auf nur einen Gegenstand auszurichten. Dies erfolgt über Asana, Pranayama und Konzentration mit dem Ziel der Versenkung. Gelingt es, dieses Ziel zu erreichen, wird bewusstes und konzentriertes Handeln möglich und das durch den Geist verursachte Leid nimmt ab. Laut den Yoga Sūtra legt der menschliche Geist dem Übenden bei der Erlangung dieses Ziels zahlreiche Steine in den Weg. Diese Behinderungen auf dem rechten Weg werden von Patañjali als inne- re Spannungen (Kleshas) bezeichnet.

Leidvolle innere Spannungen: die Kleshas

Patañjali zu Folge ist jeder Mensch mit leidvollen Spannungen (Kleshas) behaftet und versucht das ganze Leben lang, sich davon zu befreien. Übersetzt bedeutet Klesha „Plage, Befleckung, Leidenschaft“ und „bezeichnet alle, den Geist trübende Eigenschaften, die die Grundlage aller unheilsamen Handlungen bilden“ (Fischer- Schreiber, 1986). Die Kleshas sind tiefsitzende, dem Bewusstsein verborgene Kräfte, die sich wie ein Schleier über die Wahrheit legen und so zu Leid und Täuschung füh- ren. Übertragen auf psychische Störungen kann hier als Beispiel die Angststörung angeführt werden. Die falsche Annahme von Gefahr, wo eigentlich keine ist, verur- sacht die Angstssymptome und das tiefe Leid. Die Kleshas verschleiern unsere wahre Natur und hindern uns so, auf unserem Wege zur Selbsterkenntnis voranzuschrei- ten, was uns an der Verwirklichung eines glücklichen und erfüllten Lebens hindert.

Sie verhindern die menschliche Entfaltung und ein normales gesundes subjektives und soziales Erleben. Als die fünf Kleshas nennt Patañjali

1. das Nichtwissen (Avidya), 2. die Ichverhaftung (Asmita), 3. die Gier (Raga),

4. die Abneigung (Dvesha) und 5. die Angst (Abhinivesha).

Avidya – Nichtwissen, Verwechslung, Irrtum. Nach Patañjali bildet Avidya, das Nichtwissen, den Nährboden für die anderen vier Spannungen. Avidya hat ihre Wurzeln in der Subjektivität der menschlichen Erfahrung, die allerdings von dem Einzelnen als objektiv und allgemeingültig ausgelegt wird („Ich habe recht!“). Alles, was wir wahrnehmen, ist von den Erfahrungen geprägt, die wir in unserem bishe- rigen Leben gemacht haben. Je nachdem, in welche Richtung unsere Erfahrungen

(26)

Ursprünge, Entwicklung und modernes Yoga in der westlichen Welt · 25

reichen, ob sie positiv und erwünscht oder negativ und unerwünscht sind, entstehen automatische Assoziationen (Verknüpfungen) neutraler Objekte mit positiven oder negativen emotionalen Erfahrungen. So verknüpft ein Mensch, der vor allem posi- tive Erfahrungen mit Hunden gemacht hat, das Tier mit Eigenschaften wie Freund- schaft, Treue und Kameradschaft. Wurde eine Person in ihrer Vergangenheit von einem Hund gebissen, wird jede weitere Begegnung mit einem Hund automatisch Ängste schüren. Diese unterschiedlichen Erfahrungen führen wiederum dazu, dass neutrale Objekte oder Situationen nicht länger als neutral betrachtet werden, son- dern eine Wertung bekommen (Hund = gut / böse). Die wahre Natur der Dinge tritt in den Hintergrund. Eine falsche Anschauung entsteht und wird als wahr erach- tet. Diese Verwechselung führt zwangsläufig zur menschlichen Verirrung und zum persönlichen Leid, da es auf alle künftigen Begegnungen mit Hunden einwirkt und unsere Reaktion beeinflusst.

Asmita – Ichverhaftung, falsche Vorstellung von sich selbst. Asmita bezeichnet vor allem das menschliche Ego und all die Eigenschaften, die dem Ego zueigen sind. Das beinhaltet sowohl die falsche Einschätzung der eigenen Person (Unter- oder Über- schätzung) als auch einen übertriebenen Egoismus. Das, was wir von uns selbst hal- ten, ist nur selten als eine absolute Wahrheit anzusehen. Vielmehr spielen hier Prä- gungen aus unserer Kindheit und Jugend und all das, was die anderen Menschen von uns halten und was sie uns entsprechend vermitteln bzw. spüren lassen, eine große Rolle. Wurden wir in unserem bisherigen Leben übermäßig wertgeschätzt, neigen wir vielleicht dazu, uns und unsere Möglichkeiten zu überschätzen. Abwertungen der eigenen Person sowie lang andauernde Kritik und Nichtakzeptanz seitens der anderen resultiert in Minderwertigkeitsgefühlen und der Annahme der eigenen Un- zulänglichkeit. Beide Extreme führen zu einer falschen Vorstellung von sich selbst.

Asmita ist dafür verantwortlich, dass wir das, was wir Wahrnehmen (sehen), und das, was passiert (das Gesehene), aufgrund früherer Prägungen falsch auslegen und interpretieren. Die Folge dieser Fehlinterpretation ist unnötiges Leid.

Raga – Gier, Verlangen, Habenwollen. Raga beschreibt das unstillbare menschli- che Verlangen nach „mehr“. Alle Menschen hängen dem weltlichen Vergnügen nach, streben nach der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und halten, anstatt sich aus diesen Verstrickungen zu befreien, an guten und schlechten Vorlieben fest. Diese Form der Anhaftung kann sogar so weit gehen, dass sich manifeste Suchtstörungen entwickeln. Raga hat ihren Ursprung in einer erwünschten, bedürfnisbefriedigen- den Erfahrung, die unbedingt wiederholt werden möchte. „Dinge ziehen einen an, weil ihnen zwanghaft die Fähigkeit zugeschrieben wird, Glück zu bringen“ (Yoga Sūtra 2, zitiert in Sriram, 2006). Das Streben nach positiver emotionaler Erfahrung steuert die Gedanken, die wiederum das eigene Wollen und Handeln steuern. Ein destruktiver, leiderzeugender Kreislauf entsteht. Das Gegenteil der Raga verkörpert

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Man kann sich seines Fortschritts sicher sein, und zwar echten Fortschritts, wenn die Konzentration auf das Göttliche zu einer Lebensnotwendigkeit geworden ist, auf die man

Kontakt: datenschutz@yoga-vidya.de oder per Post: Datenschutz, Yoga Vidya e.V., Yogaweg 7, 32805 Horn-Bad Meinberg. Weitere Infos

Dieser Kurs ist jedoch speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Schmerzen, Rheuma, Schulter- und Rückenbeschwerden ausgerichtet.. Unter der fachkundigen Leitung einer

Dieser Kurs ist jedoch speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Schmerzen, Rheuma, Schulter- und Rückenbeschwerden ausgerichtet.. Unter der fachkundigen Leitung einer

Dieser Kurs ist jedoch speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Schmerzen, Rheuma, Schulter- und Rückenbeschwerden ausgerichtet.. Unter der fachkundigen Leitung einer

Der Kurs ist ideal für alle, die ruhige Bewegungen bevorzugen, ein verstärktes Bewusstsein zu ihrem Körper entwickeln möchten, und die auf die Erhaltung ihrer Gesundheit

Einen Yoga-Kurs, der sowohl für Einsteiger als auch Geübte geeignet ist, bietet die.. Volkshochschule (VHS) Ludwigshafen ab

Februar 2015, um 18 Uhr im Raum 10 der Volkshochschule (VHS) Ludwigshafen einen Überblick über Klassisches Yoga und Sampoorna Hatha Yoga gewinnen.. Teilnehmende lernen die