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PJ84_S341-353_Markl_Die Natur der Dinge oder Bericht aus Oxford

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B E R I C H T E U N D D I S K U S S I O N E N

„Die Natur der Dinge“ oder Bericht aus Oxford

von Karl-Peter M A R K L (Oxford)

R ad ikalph ilosoph en in G roß britannien sind akadem ische Philosophielehrer, die zw ar oft ein gewisses Interesse fü r M arx zur Schau stellen, meistens aber schon zufrieden wären, wenn die H ochburgen ihres Faches etw as weniger vom M onopol der „O x fo rd P h ilosoph y“ beherrscht wären. Letzteres ließe sich nach einstim m iger Ansicht u. a. auch daran messen, w ieviel kontinentaleuropäische Philosophie in die C urricula aufgenom ­ men w ird. K ontinentaleuropäisch w ill hier im weitesten Sinn verstanden werden. Denn sow ohl gegenw ärtige A utoren um und nach H eidegger oder G adam er oder auch M er­

leau-P onty oder H y p p o lite, gan z zu schweigen von französischen Strukturalisten oder Leuten w ie H aberm as sind (in den A bteilungen fü r Philosophie!) ebenso n o n g r a t a wie H egel, seine V orläu fer und seine Schüler. H eidegger selbst w urde so fort nach Erscheinen von S e in u n d Z e it von G ilbert R y le exkom m uniziert. D as im pliziert bewußt, daß letz­

terer bis zu seinem T o d im N ovem ber 1976 wie nur wenige die R o lle eines H ohepriesters füllte.

F ast der einzige G rund dafü r, daß K a n t in O x fo rd akzeptabel erscheint, besteht in P. F . Straw sons Interesse an ihm. A ll dies zeigt an, daß es eine O xford -P h ilosop h ie gibt und daß diese sich von außen, besonders vo m Blickpunkt ihrer erklärten Gegner, auch leicht identifizieren läßt. Sie dom iniert fa st alle F aku ltäten für Philosophie in E n gland.

Wenn m an, w as weitgehend berechtigt w äre, die analytische Philosophie mit ihr gleich­

setzt, so gilt die institutioneile V orm achtstellung auch für die meisten und sicherlich für die besten amerikanischen Institutionen in Princeton, M ichigan, S tan fo rd , C ornell und vielleicht noch H a rv a rd und Berkeley.

B islan g w ar es ein M erkm al dieser Bew egung, daß ihre V ertreter nicht Bücher mit dem im pliziten Anspruch au f V ollständigkeit, Abgeschlossenheit oder En dgültigkeit schrieben, sondern A rtikel, die nur den Anspruch erheben, zum Gesam tw issen beizu­

tragen, es von innen zu vervollstän digen , auszudehnen oder zu korrigieren. Auch Straw - sons Bücher bestehen m it A usnahm e von I n d i v i d u a l s alle aus K urzbeiträgen , die jeweils zunächst in den Jou rn alen erschienen w aren. The C o n c e p t o f M in d ließ sich nur durch die Sonderstellung G ilbert R yles erklären und gew ann in dem Zusam m enhang etw as Bibelhaftes.

E rst neuerlich komm en mehr schwergewichtige Veröffentlichungen heraus, die von A n fan g an als Bücher kon zipiert waren. D as herausragendste davon d ü rfte Michael D um m etts au f zw ei B än de angelegte Studie über Frege sein. „Frege, G ödel, D u m m ett“

hört m an die O xfo rd er schwärmen. In allen wesentlichen Hinsichten ist dam it das Blickfeld abgesteckt. L o gik dom iniert. W orauf sie aufbaut, unterliegt dem K o d e x der

„o rd in ary lan gu age“ vermischt mit Humeschem Em pirizism us.

D em In h alt nach gan z „O x fo rd e r Schule“ ist A nthony Q uintons T h e N a t u r e o f T h in g s1, dessen Them a vo n L u krez entliehen ist. Obschon dies nicht m it den gleichen

1 Anthony Quinton, The Nature of Things (London 1973, IX u. 394'S.) wurde gleich nach seinem Erscheinen in fast allen englischsprachigen Philosophiezeitschriften rezensiert und sehr breit diskutiert. Die ersten Besprechungen seien hier aufgeführt: M. R. Ayers, The Nature of

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Ansprüchen au ftritt w ie D um m etts F r e g e , P h ilo s o p h y o f L a n g u a g e , sind die seinen nicht weniger hoch. Q uinton unternahm , w as längst fä llig w ar, au f die G efah r hin, gegen ein ungeschriebenes G esetz zu verstoßen. E r, der selbst am altehrw ürdigen „N e w C o l­

lege“ lehrt, faß te die O xford ph ilosoph ie zum Stan d der auslaufenden sechziger Jah re in einem Buch zusam m en. E r ta t dies nicht als Außenseiter oder gar als einer der vielen Gegner, sondern in seiner Funktion als einer der aktivsten und w ortgew andtesten V er­

treter der Schule selbst. E r tat dies auch nicht, indem er ü b e r die Schule schrieb, sondern indem er zusam m enfaßte, w as er v o n ihr gelernt hat, u n d das ist fü r viele gleichbedeu­

tend dam it, w as m an von ihr überhaupt lernen kann. Denn Q uinton gelingt es nicht nur, sein M aterial k lar zu gliedern und verständlich zu präsentieren, sondern auch ein lexikalisches Wissen an den T a g zu legen. In Stil, A nlage und Rückbezügen au f K lassi­

ker ist dieses W erk w ie geschaffen als G esam tüberblick fü r Philosophen, die m it O x fo rd nicht vertraut sind.

The N a t u r e o f T h in g s ist perfekt organisiert. E s ist so um greifend, wie es unter dem Vorzeichen des logischen M aterialism us sein kann. Russells logischer A tom ism us sowie das Program m der logischen A nalyse, die jeder Synthese vorausgeht, ist dabei nicht aufgegeben. Q uinton findet jedoch, Philosophie sollte neben den nichtpsychologischen A nsätzen, denen gemäß Feststellungen, Annahm en und Sätze nur durch ihre logischen Beziehungen au f W ahrheit geprüft w erden können, auch psychologische A n sätze beden­

ken. D iese bestehen aus intuitiven Sätzen. Sie reflektieren Erfahrungen und Sinnesw ahr­

nehmungen erster H an d , und zw ar d ir e k t e Perzeptionen. A . J . A yer verw endet hierfür den Ausdruck „direktes Bew ußtsein“ (T h e F o u n d a t io n s o f E m p i r i c a l K n o w le d g e [L o n ­ don 1940] 20) und füh rt als R ichtigkeitskriterium fü r die beschreibenden Ausdrücke den anstandslosen Sprachgebrauch an. Q uinton kom m t es au f eine größere B reite als die der strengen logischen A n alytiker an. D ies ist schon aus dem dreiteiligen P lan seines W erks ersichtlich. D er erste Teil (I) über S u b s t a n z („Su b stan ce“ ) oder Dinglichkeit deutet den genannten M aterialism us an. Sein Anliegen ist ontologisch. D in ge sind ganz einfach vorgegeben. E s fo lg t (II) W issen („K n o w le d ge“), das als ein System parallel zu den D ingen oder abhängig von ihnen angelegt ist. U n d schließlich (I II ) gibt es die I d e e n („ Id e a s“ ), die besonders in jenem Bereich der M etaphysik relevant werden, der nicht der positivistischen K ritik anheim fällt. D ies bedeutet, daß er, wenn auch nicht empirisch, so doch logisch verifizierbar oder wenigstens falsifizierbar ist. Dieser Bereich konstituiert sich also aus jenen Einheiten (eben den Ideen), die neben materiellen Dingen für fundam ental gehalten und oft fü r ebenso logisch unabhängig wie diese konkreten und selbst konsistenten und irreduziblen Einheiten erklärt werden.

U m es vorw egzunehm en: Q uintons These lautet (und dies ist ihr m aterialistischster Anspruch), daß die logische H an d h abu n g solcher Einheiten diese immer au f eine von zw ei Weisen an ursprünglich m ateriellen Einheiten festmachen muß. Entw eder hat m an es m it idealen G egenständen zu tun. In diesem F all können die V erbindungen und W er­

tungen immer au f konkrete D in ge z u r ü c k g e fü h r t w erden. O der m an hat es zu tun mit jenen theoretischen Einheiten, die wissenschaftlichen D isk u rs ausmachen. D iese können

Things, in: Philosophy, Vol. 49 (London 1974) 401-413. Tyler Burge, Briefer Book Review, in:

International Philosophical Quarterly, Vol. X IV , N r. 3 (New York 1974) 363-367. H artry H.

Held, Book Review, in: Philosophical Review, Voi. L X X X IV , Nr. 1, whole Nr. 449 (January 1975) 97-102. T. L. S. Sprigge, Quinton's Half-Hearted Ontology, in: Inquiry, Vol. 17, N r. 3 (Oslo 1974) 355-366. Leslie Stevenson, Book Review, in: The Philosophical Quarterly, Voi. 24, Nr. 94 (University of St. Andrews 1974) 78-81. Michael Welbourne, Review, in: Ratio, ed.

Stephan Körner, Vol. X V I (Oxford 1974) 243-247.

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Berichte und Diskussionen

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in der Regel m it konkreten D ingen id e n tif iz ie r t werden (siehe Einleitung zum m eta­

physischen Teil, 249).

D ie D iskussion der Id en tität und der (M ethode der) Identifizierung yon D ingen läuft au f eine Beschreibung des allgemeinen C h arakters von konkreten D ingen in einem als absolut gegebenen R aum -Z eit-K oordinaten system hinaus. Innerhalb dieses System s fin­

den sich die konkreten D in ge (a), die ihrerseits letztgültige eigene und nicht w eiter hin- terfragbare m aterielle Id en tität haben. E s sind diese Gegenstände an und für sich ( a ) , welche zu r Substanz (ß) erklärt w erden, obw ohl auch das Raum -Z eit-Schem a (γ) als a p r i o r i vorgegeben angesehen w erden w ird. Ziemlich zw ingend folgt aus (et) und (ß) der zw eite Teil (II). Ihm gemäß sind jene konkreten ontologischen Einheiten auch E n dstation en fü r das Wissen.

D ie F rage nach Fundam enten in dem Sinne von „E xisten zen “ , die logisch unabhängig von irgendwelchen anderen D ingen oder Phänom enen sind, scheint vorerst eimal be­

antw ortet zu sein. W o im m er und w ann im m er diese F rage überzeugend geklärt w ird, ist dam it auch die F rage der Trennung v o n Schein (appearance) und Sein (thing) geklärt.

D ies im pliziert drei Sätze.

1. „Se in “ und „D in g “ sind gleichgesetzt.

2. Wenn auch die Unterscheidung geklärt ist, so bleibt die F rage nach den genauen Beziehungen von S e in und S ch ein doch noch unklar.

3. D er U nterschied zwischen Sein u nd Schein ist w eder identischm it, noch p arallel zum Unterschied zwischen Existenz und Wissen oder O ntologie und Erkenntnis.

D ie konkreten D inge (a) sind fundam ental. Sätze über diese D in ge bedeuten das, was ist. Z ugan g zu ihnen (diesen D ingen) verschafft m an sich durch Sinneswahrnehmungen seinerseits und Erscheinungen (Erscheinungsformen) ihrerseits. O bw ohl Q uinton diese konkreten D in ge als direkt perzipiert beschreibt und dem vorlogischen Bereich der Intuition zuordnet, muß ja auch ihre Perzeption und gewiß ihre jew eilige Form ulierung (z. B. ß) eine F orm annehmen. W ir benötigen also B egriffe oder V orstellungen von Form en direkter und indirekter Perzeption. A u f jeden F all treten auch die Gegenstände indirekter W ahrnehmung in E rsc h e in u n g . Sie erscheinen, wenn sie dies auch als Seins­

gegenstände und nicht als Scheinsgegenstände oder, genauer gesagt, in der F orm von Sätzen über Seinswahrnehm ungen und nicht von Scheinswahrnehmungen tun. Q uinton schließt nämlich auch (213), daß es keine spezielle K lasse von A usdrücken oder gar W orten gibt, die Seinsgegenstände im G egensatz zu Scheinsgegenständen benennen.

V ielm ehr kann unter gegebenen U m s t ä n d e n jeder A usdruck entw eder Sein oder Schein zum G egenstand haben. So haben w ir, wie die E n glän d er sagen würden, wenigstens vier „K an d id ate n p aare “ fü r die grundlegende D ifferenzierung: Sein und Schein schlecht­

hin, Seinsgegenstände und Scheinsgegenstände, Seinsausdrücke und Scheinsausdrücke, Seinswahrnehmungen und Scheinswahrnehmungen. A lle sind irgendw ie form ell zu unterscheiden. Irgendw o zwischen Gegenständen (rein ontologisch), W ahrnehmungen und A usdrucksform en gibt es dann noch einen fün ften Begriff, nämlich Feststellungen (statem ents). W as im m er hierüber noch zu sagen sein w ird, bisher hän gt viel von den U m s tä n d e n , dem K on text, ab.

So w ill es fa st scheinen, als hätten w ir auch noch ein P a a r von Seinsum ständen und Scheinsum ständen oder gar eine Seinssprache (im Sinne von K om m un ikation spraxis oder Sprachlichkeit, nicht aber von G ram m atik oder W örterbuch) und eine Scheins­

sprache, wobei sich dann wohl ziemlich unvermeidlich der alte Zw eifel (P lato, Theae­

tetus, 158) nach der R e a litä t oder dem w ahren Seinscharakter eines gegebenen oder em pfundenen U m stan ds erhebt (auch neuerlich: N o rm an M alcolm , D r e a m in g [Lon don 1959]). D ie G efah r philosophischer Fehlgeburten läß t sich nicht ausschließen. U n d doch klin gt dies fa st w ie W ittgensteins G edan ke von der K ontextgebundenheit von Sätzen

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und Bedeutungen. A ber auch dann kom m t m an ohne ein K riterium für die beanspruchte T rennbarkeit von Sein und Schein nicht aus. D a Q uinton keine T ypifizierung von U m ­ ständen einführt und eine K lassifizierun g von W orten strikt ablehnt, muß er sich auf etw as anderes berufen. D ies ist die F orm der W ahrnehmung. E s ist das I n tu it iv e . D as K riterium fü r letztendlich konkrete D in ge ist also der M odus seiner Erkenntnis. Dieser soll d ir e k t sein. D a s ist wichtig, insofern schon als es dem oben angedeuteten Psycho­

logism us V orrang über die logische V erankerungstheorie gibt. E s hat den Anschein, als gewinne das P a a r der W ahrnehmungen entscheidende Bedeutung. Wenn dies nicht trügt, erklärt es, w arum Teil I und T eil I I von The N a t u r e o f T h in g s nicht unabhängig von ­ einander zu denken w ären. D enn auch der ontologische hängt vom erkenntnistheore­

tischen ab. D a s K riteriu m dafü r, w as letztlich ein konkretes D in g ist, ist die Form seiner Erkenntnis.

A ber ebenso wichtig w ie die W ahrnehmungs-, Anschauungs- oder Erkenntnisform ist es, daß Q uinton die „endgü ltigen “ Feststellungen über konkrete D inge, so fundam ental und logisch unabhängig von anderen Feststellungen sie auch sein mögen, nicht als absolut ausgibt. Sie können korrigiert werden. D ie Fèststellung beruht au f der Form der W ahr­

nehmung. Wenn und insofern als diese d ir e k t ist, sind sowohl die Feststellung w ie ihr G egenständ konkret und unabhängig von anderen Feststellungen oder Gegenständen.

Q uinton jedoch ist kein D ogm atiker. Ebenso wie sich Feststellungen in der P rax is nie außerhalb vo n K on texten treffen lassen, w ürde er den obigen A n satz nicht verabsolu ­ tieren. D ie Feststellungen einer intuitiven W ahrnehmung und eines konkreten D ings sind immer auch abhän gig von anderen Feststellungen. Auch wenn m an postuliert, daß rein ontologisch die W elt aus raum -zeitlich individuierbaren konkreten D ingen besteht, so ist dam it nicht das wesentliche Problem des Z ugangs zu diesen Dingen oder G egen­

ständen gelöst. D e r W ahrheitsw ert einer jeden Feststellung hierüber läßt sich nicht nur (oder vielleicht überhaupt nicht) an ihrer direkten Beziehung zu jenen Gegenständen messen, sondern aus ihrem V erhältnis zu anderen Feststellungen ablesen.

D as D irekte und In tuitive an ihrer W ahrnehmung bürgt nur fü r einen Teil der „K o n ­ kretheit“ der so wahrgenom m enen D in ge und einen noch geringeren Teil der W ahrheit ihrer Feststellungen. Logische W iderspruchsfreiheit zwischen w ahren Sätzen ist vo rau s­

gesetzt. Flieraus ergibt sich fü r Q uin ton die M öglichkeit, intuitive Feststellungen zu k o r­

rigieren. D enn eine intuitive und som it direkte Seinsfeststellung w ird zu r Scheinsfest­

stellung, so b ald ihre A u th en tizität durch das Ü bergew icht w idersprechender indirekter Feststellungen (von der A rt logischer D eduktionen von anderen W ahrheits- oder Seins­

feststellungen intuitiver N a tu r) in F rage gestellt w ird. A ber am E n de jeder deduktiven K ette finden sich immer intuitive A nker.

In dieser A rgu m en tation scheinen die B egriffe G egenstand, Feststellung und W ahr­

nehmung etw as durcheinander geraten zu sein, besonders in bezug au f die logische W i­

derspruchsfreiheit. D aß rein ontologische G egenstände nicht als logisch kontradiktorisch bezeichnet w erden können, ist unbestreitbar. D ies liegt daran , daß sie überhaupt nicht G egenstände von L o g ik sind. Zu solchen Gegenständen werden sie erst, oder in solche G egenstände w erden sie erst übersetzt, wenn sie wahrgenom m en (besonders im Sinne von „fü r w ah r erk lä rt“ ), festgestellt und ausgedrückt w erden. E rst dann erhebt sich die F rag e nach W idersprüchen. E s stellt sich heraus, daß Q uinton trotz seines erklärten M aterialism u s nichts m it den G egenständen a l s so lc h e n (1) anzu fangen weiß. U n d dies ist richtig so. Sein lo g isc h e r M aterialism us hat Feststellungen (statem ents) zum Gegen­

stand. Zwischen Feststellungen (2) gibt es natürlich die M öglichkeit des logischen W ider­

spruchs. U m letzteren jedoch stichhaltig zu machen, brauchen w ir neben dem obigen S atz, daß G egenstände a n sich nicht widersprüchlich sein können, auch noch den Satz, daß die Feststellungen von Gegenständen w iderspruchsfrei sein müssen, insofern w enig­

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Berichte und Diskussionen

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S

stens als sie letztlich gültig, wirklich und w ah r sein sollen oder sich au f letztgültige D inge direkt stützen.

Wenn dies alles akzeptiert ist, liegt im m er noch kein K riteriu m dafü r vor, welches von zw ei logisch widerspruchsfreien alternativen W eltbildern oder Feststellungssystem en w ahr ist. D er Satz, daß nur eines w ah r sein kann, ist oben im pliziert. A ber das K rite ­ rium der Intuition bezieht sich natürlich ebenso wie das der D ir e k t h e it nicht au f F est­

stellungen. Genaugenom m en gibt es keine intuitive Feststellung. W ovon m an sprechen kann, sind intuitive W ahrnehmungen, Perzeptionen und allenfalls noch Anschauungen (3). D ie Tatsache, daß P ostulate und K riterien hier über wenigstens drei verschiedene N iv e au s (1), (2), (3) verstreut sind, macht das A rgum ent nicht überzeugender und läßt wichtige Fragen unbeantwortet.

So hängt Q uintons Unterscheidung von Sein und Schein (und zwischen Eigenschaften und Erscheinungen) a u f dem N iv eau der Feststellungen (und ind irekt auch a u f dem der G egenstände selbst) von seiner W ertung verschiedener, gelegentlich einander w iderspre­

chender W ahrnehmungen, oder genauer: von Form ulierungen (4), die solche W ahrneh­

mungen oder ihre Gegenstände ausdrücken, ab. D a s endgültige W ahrheits- oder W irk­

lichkeitskriterium w ird a u f diese W eise verschoben. E s findet sich innerhalb eines un­

genannten Regelsystem s von Sprache und K om m un ikation w ieder. Form ell bietet es keine unzw eideutige Lösu ng d afü r, w ieviel indirekte A rgum entation eine „G ew ichts­

einheit“ von intuitiver E v id en z aufw iegt. D ie Tatsache bleibt: W ahrnehm ungen und Sätze können widersprüchlich sein, G egenstände (in ihrer raum-zeitlichen Einzigkeit) nicht.

D as P r o b le m d e r I d e n t i t ä t solcher konkreter D in ge ist speziell gebunden an die an a­

lytische Sprache der Philosophie nach O x fo rd -A rt. S o form uliert Q uinton einen w ei­

teren Unterschied zwischen W ahrnehmungen und Eigenschaften. W ie w ir sahen, können W ahrnehmungen und „W ahrnehm ungsgegenstände“ , die sich kaum von „A nschauun­

gen“ unterscheiden dürften, direkt und weniger direkt erscheinen. Eigenschaften dagegen sind vor allem G egenstand von Beobachtungen. So gelangt m an zu r Trennung zwischen einerseits W ahrnehmungen und Erscheinungen, die ein D in g ausmachen, und anderer­

seits Eigenschaften, die ihm nach Beobachtung zugeordnet w erden und die es b e sitz t.

D er Unterschied ist, daß es seine Erscheinung nicht b e s it z t, sondern mit ihr id e n tisc h ist.

A u f diese Weise w ird das P rin zip der Id en tität oder Gleichsetzbarkeit von nicht weiter unterscheidbaren Eigenschaften m it dem, w ovon sie Eigenschaften sind, zurückgewiesen (identity o f indiscernibles).

S o ist ein D in g identisch mit seiner Erscheinung, nicht aber m it seinen Eigenschaften.

H ier ergibt das englische W ort „p ro p e rty “ eine noch stärkere Z w eideutigkeit als das deutsche „Eigenschaft“, obw ohl dieses ja auch das Elem ent „eigen “ im Sinne von „eig­

nen“ oder „besitzen “ beinhaltet. „P ro p e rty “ bereitete schon zu Lockes Zeiten Schw ierig­

keiten, da es sowohl Eigenschaft oder Q u alität w ie Eigentum oder Besitz bezeichnen kann. Im letzteren Sinn verliert ein D in g oder Wesen eindeutig nicht seine Identität, wenn es seine „p ro p e rty “ verliert. U n d doch können, w ie w ir gesehen haben, auch E r ­ scheinungen und Id en tität eines D inges und gewiß seine Eigenschaften nicht nur mehr oder weniger direkt w ahrgenom m en werden, sondern sich nach kritischer Beleuchtung als dem D in g äußerlich und frem d heraussteilen. In solchen F ällen ist die Erscheinung dem D in g noch nicht einmal eigen, sondern w ird ihm fälschlich oktroyiert.

Q uinton v e rfolgt die Fragen nach der „In d iv id u a litä t“ eines D in gs und nach dem, w as seine „Id e n tität“ ausmacht. In d iv id u alität ist die feststellbare u nd festgestellte E in ­ zigkeit einer Sache. N ach Q uintons Gebrauch der B egriffe Eigenschaft, Q u alität und P räd ik at können zw ei D in ge genau identische Eigenschaften, Q u alitäten und P räd ik ate besitzen, ohne deswegen zu einem einzigen zu verschmelzen. D enn P osition im R au m ist

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n ich t eine solche Eigenschaft, Q u alität oder ein solches P räd ik at, von denen jede oder jedes von einem jeden D in g entweder besessen w ird oder nicht besessen w ird. L o kalisie­

rung ist also In dividu alisieru ng und nicht Identifizierung. O bw ohl es sich von jedem R au m -Z eit-In d ikator zeigen ließe, daß auch er entweder au f ein D in g zutrifft oder nicht, erklärt Q uinton die räumlichen und zeitlichen K oord in aten in Anlehnung an G oodm an zu „essentiellen In d ivid u a toren“ und „K on k retoren “ .

D as fä llt ihm um so leichter, als er erklärterw eise davon ausgeht, daß zu jedem bestimmten Zeitpunkt beliebig und unendlich viele D in ge existieren können, vo rau s­

gesetzt (w as Q uinton tatsächlich voraussetzt), sie sind an verschiedenen O rten. Solche Lokalisierungen eines G egenstandes ändern nichts an der Tatsache, daß seine In d ivid u a­

lität letztendlich ist und daß er keiner anderen G egenstände oder Bezüge au f sie bedarf.

W ie dabei die K oord in aten ohne B ezug au f D in ge zum A usdruck gebracht oder er­

messen werden, bleibt rätselhaft. In Q uintons K ategoriensystem , das weitgehend dem aller analytischen Philosophen ebenso w ie dem von K a n t entspricht, erfahren R au m und Zeit nicht nur keine R elativierun g, sondern unterliegen allein genommen auch keinen Schranken. Id en tität ist darin im G egensatz zur R au m zeitkoord in ate etw as, w as meh­

rere D in ge gem einsam haben können. Sie h at m it Gleichheit oder Ähnlichkeit, nicht je ­ doch m it E in zigartigk eit zu tun. D ies entspricht dem Sprachgebrauch „zw ei oder mehr D in ge sind identisch“ , „zw ischen ihnen besteht Id en tität“ . Je d e räumliche C h arakteri­

sierung ist dagegen unzw eideutig.

Sprachgebrauch ist überhaupt das, w as fast unvermeidlich einen ausschlaggebenden Stellenw ert annim m t. Q uintons epistem ologische Form ulierungen machen dies ganz offensichtlich. D am it gerät er (glücklicherweise!) mit der positivistischen Version von M aterialism us, wie etw a der australischen, in K on flikt. Ihr gemäß w ird nicht nur postu­

liert, daß geistige Z ustände nichts anderes als physische Zustände im Gehirn sind, son­

dern zusätzlich noch versucht, dies durch logisch empirische A rgum ente zu „bew eisen“ .2 D ieser sogenannte australische M aterialism us h at nichts zu tun m it irgendeiner Form von M aterialism us, die kontinentaleuropäischen Philosophen bislang bekannt w ar.

Wenn ein K ritik er Q uinton vorw irft, ihren M aßstäben dafü r, w as m aterialistisch ist, nicht gerecht zu werden, so erhebt sich nur die F rage: W ofür soll das ein L o b sein?

Offensichtlich ist z. B., daß Q uinton nicht rein ontologisch m aterialistisch ist oder zu sein versucht. D a s Logische an seinem M aterialism us ließe sich in rein Ontologischem nicht unterbringen. D ies h at verschiedene K ritik er veranlaß t, eine von zw ei Strategien zu verfolgen. E ntw eder w ird der gesam te Anspruch au f „M aterialism us“ zurückgewie­

sen, w as nicht nur von australischer Seite, sondern w ohl auch von seiten des dialekti­

schen M aterialism us geschehen könnte, oder (vielleicht etw as stichhaltiger!) w ird Q uin­

ton beschuldigt, nicht o n to lo g isc h , sondern „n u r“ e p iste m o lo g isc h an den S atz zu glau ­ ben, daß es in der letzten In stan z konkrete D inge m it R aum -Zeit-D im ensionen sind, die R e alität ausmachen.

2 Ihr Hauptvertreter, der zunächst in einer kurzen Studie über Berkeley (B erk eley ’s Theory of Vision [Melbourne I960]) Hume dafür kritisierte, daß er Laute, Geschmäcke und Gerüche nur deshalb nicht als räumlich anerkannte, weil sie keine räumlichen Eigenschaften haben, ist D. M.

Armstrong. In einem Philosophiemilieu, in dem praktisch alle gegenwärtigen deutschen und französischen Philosophen verpönt sind, fand dieser Armstrong anstandslos Gehör. A M a te ria list Theory o f the M in d (1968), dessen Unsinnigkeit allmählich von englischen Studenten zum Sprich­

wort gemacht wird, wurde unter der Herausgeberschaft der wohletablierten Professoren Ted Hondrich und Bernard Williams in die Reihe der International Library of Philosophy and Scientific Method aufgenommen, und sein ebenso bedeutungsloses aber kürzeres Buch B elief, T ru th an d K n o w le d g e (1973) wurde sogar von der Cambridge University Press veröffentlicht.

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Berichte und Diskussionen

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Beide Strategien entbehren der Schärfe. W ie angedeutet, beschäftigt sich Q uinton zw ar mit dem „ontologischen" S atz (I ): „W as letztendlich und autonom e x is tie r t , sind D in ge", und verbindet diesen direkt m it dem erkenntnistheoretischen S atz (I I ) : „W as letztendlich und unabhängig von anderem W issen g e w u ß t w erden kann, sind G egen­

stän de“ (w obei Gegenstände nicht nur Gegenstände des Wissens sind, w as diesen zweiten S atz zu r T au tologie degradieren w ürde, sondern D in ge im Sinne des ersten Satzes). A ber trotz des V orw urfes, Sätze (I) und (II) und som it O ntologie und Erkenntnis seien für ihn grundsätzlich getrennt, schlägt Q uinton effektiv eine Brücke. D as m ag unbewußt geschehen sein. Ih r M aterial jedenfalls ist das M edium , in n e r h a lb dessen 'die kritisierte Trennung selbst erst konkretisiert werden könnte, nämlich Sprache3. O hne ausdrücklich als Sprachphilosoph zu paradieren, geht Q uinton nie über das hinaus, w as sich k lar und allgem einverständlich (als F e s ts t e llu n g ) ausdrücken läßt. D ies füh rt nicht nur zu dem erfreulichen Ergebnis, daß sein Buch durchweg k lar und sehr lesbar erscheint, sondern auch dazu, daß seine Theorie jene Z urückhaltung übt, die sich a u f lo g isc h e S ä t z e u n d d in g b e z o g e n e G la u b e n s s ä t z e beschränkt.

D ies bedeutet, daß jeder ontologische, erkenntnistheoretische und metaphysische S atz im M edium einer mehr oder weniger konventionell etablierten Sprache m itteilbar zu sein hat. E s bedeutet auch, daß in einem solchen K om m un ikationsm edium Elem ente von O ntologie, Epistem ologie und sogar M etaphysik vereint sind, dergestalt, daß es wohl w ahr ist, daß sich kaum etw as ontologisch ausdrücken läßt, ohne daß der A u s­

druck selbst auch etw as Erkenntnistheoretisches beinhaltet, aber auch dergestalt, daß nicht zutriflf, w as K ritik er Q uinton vorgew orfen haben, nämlich daß sein T ra k ta t epistem ologisdi und nicht ontologisch sei. E s ist beides. Denn die Erkenntnis, daß O nto­

logie in Sprache erscheint, ist banal.

W ir sahen, wie letztendlich den konkreten und m ateriell in R au m -Z eit-K oordinaten erfaßbaren Dingen G ü ltigkeit zugesprochen w urde. D ies w irft weitere Fragen auf. Wie verhalten sich Substanz und D in ge zueinander und welche R o lle spielen ihnen gegenüber die M edien und Form en, in denen sie zum A usdruck gebracht werden?

Zunächst sei klargestellt, daß das P o stu lat über die Letztendlichkeit raum zeitlich determ inierter und individuierter G egenstände von einigen A nnahm en abhängt, die heutzutage weniger denn je evident sind und die m an als Newtonsche a p r io r is k arikie­

ren könnte. In keiner H insicht scheint Q uin ton über die raum -zeitliche Seite des K an t- schen K ategoriensystem s hinauszugehen. D ies ist um so überraschender, als fa st gleich­

zeitig zw ei umfangreiche und gewichtige W erke über R au m und Zeit die A ngloam eri- kanische Philosophie bereicherten. Eines davon ist vo n J . R . L u cas vo m M erton C o l­

lege, O xfo rd , und trägt den T itel A T r e a tis e o n T im e a n d S p a c e (London 1973), das andere von Law rence S k lar heißt S p a c e , T im e a n d S p a c e t im e (Berkeley 1974). Z usam ­ men schildern sie, wie selbst die Newtonsche Theorie zunächst von M ach und dann von der allgemeinen und der speziellen R elativitätstheorie überholt w urde und w ie so ver­

schiedene Theoretiker wie M inkow ski, Riem ann, P au li, Loren tz und m it seinem absolu ­ ten R otation sm odell der W elt sogar K u rt G ödel die A n sätze vo n Einstein leichter v e r­

ständlich machten oder verfeinerten. Q uin ton behandelt keinen dieser A utoren (auch wenn er G ödel in anderem, Z usam m enhang k u rz erw ähnt, 110) und scheint auch von der monistischen Sicht in der T rad ition Spin ozas nichts wissen zu wollen, in der nicht

3 Wir brauchen den Begriff hier noch nicht einmal besonders weit auf alle Kommunikation auszudehnen, sondern können uns an die „ordinary language" der Oxforder Philosophen hal­

ten.

(8)

eine P lu ralität von Einheiten, sondern das U niversum als ganzes die letzte und einzig autonom e Substanz darstellt.4

N achdem die Raum -Zeit-Schreibw eise nach Euklidischer A rt von jeder denkbaren Z w eideutigkeit, P lu ralität oder ,gar W idersprüchlichkeit p urifiziert wurde, können die

„synthetischen a p r i o r i“ auch nur noch unzw eideutig sein. W iderspruch als letzten d­

liches P rin zip oder als B estandteil eines solchen P rin zip s ist som it unzulässig. D ies macht es leicht, sich ein entsprechendes K oord inaten system vorzustellen, in dem in letzter In stan z ein jedes D in g unabhän gig von „Schein“ , der trügen kann, immer k lar als S e in s g e g e n s t a n d einzuordnen, zu plazieren u n d som it zu „in d ivid u ieren “ ist. D aß dies eine im Licht der R elativitätsth eo rie nicht vertretbare Sim ultan eität und Aus- klam m erung des Z eitfak to rs voraussetzt, w ird der K ritik schwerlich standhalten.

Selbst w enn w ir au f dem rein ontologischen N iv e a u das eindeutige R aum system akzeptieren, w as u. a. natürlich voraussetzt, daß w ir dite Isolierfäh igkeit des rein Ontologischen bejahen, sin d w ir doch nicht zu der A nnahm e gezw ungen, daß unsere wissenschaftlichen M ethoden, Erkenntnisse und sprachlichen M ittel diese „rein onto*

logische“ W elt a d äq u at (im Sinne vo n w iderspruchsfrei) w iderspiegeln können. Für den extrem en F all, daß auch dies angenom m en w ird, bleibt doch die Id en tität des Spiegels oder jener, die den Spiegel oder die Spiegelung zur A nw endung bringen, unberücksichtigt. J . R . Lu cas diskutiert die P roblem atik der Id en tität und R o lle gerade dieser letzteren, sow ie ihrer Beziehungen u nd K om m un ikationen im Licht Lorentzscher T ransform ationsm uster. Q uin ton erw ähnt sie nicht. U n d doch w äre die F rage nach der letztendlichen G ü ltigk eit konkreter D in ge noch einm al zu stellen, und zw a r in B ezug au f das Subjekt, das entw eder das D in g selbst oder seine G ü ltigkeit oder beide w ah r­

nim m t, erkennt, kennt, zu seinem W issen macht oder feststellt. D in ge oder ihre G ü ltigkeit ohne Subjekte, fü r die sie gü ltig oder dinghaft sind, können nicht in Erschei­

nung treten od er zum Schein w erden.

E s ist w ohl der Einfluß einer langen H u m etrad ition au f Q uintons logischen M ate ria­

lism us, der ihn zu einer antisubjektiven H a ltu n g führte. Problem atisch w ird sie, wenn m an gleichzeitig die Betonung des Intuitiven, der W ahrnehm ung und der E r ­ kenntnisw eisen im A uge behält. Gewöhnlich ziehen sich O x fo rd er Philosophen auf die P osition zurück, daß Sprache schlechthin und besonders die A lltagssprache (ordin ary language), wenn nicht dem Su bjekt jeden D iskurses, so doch seiner gesam ten Ä uße­

ru n g sk ap azität gleiichzusetzen ist. D a s Su bjekt von Sprachperform an z, so könnte man fast im Sinne H erders argum entieren, ist nicht der Einzelne, sondern die Sprachgesell­

schaft. E s ist so universell, daß m an sich au f seine Ä ußerungen beschränken kann, ohne seine allgem einere Id en tität in F rage zu stellen. E s ist öffentlich u n d seine Struktur w ird nicht w eiter hin terfragt. In Q uintons Sicht (131) sin d H um es empirische Begriffe und empirisches Begreifen nicht abh än gig vom m o d u s ihrer A kquisition, sondern von möglichen u n d tatsächlichen Form en der A nw endung von K onzepten. Durch A nw en­

dungskriterien lassen sich aber gemäß w ohlbekannter Form ulierungen z. B. von R us-

4 Schon 1962 (in Philosophy, Vol. X X X V II, Nr. 140, 130-147) legte sich Quinton auf die folgende Position fest (ebd. 138): „. . . even if it is not true that absolutely everything can be located in one space and one time, everything real, provided that it is spatial and temporal at all, can be so located. If the suggestion that such locatability is a criterion of being real is cor­

rect, it follows that the thesis of unity in its revised form is a necessary truth. Now this is essentially the thesis of K ant.“ (ebd. 141) „I believe that there is an important asymetry . . . between space and time . . . a coherent multi-spatial myth can be envisaged but not a coherent multi-temporal one.“ Die Vorstellung, daß Raum und Zeit nicht als rigoros getrennte K ate­

gorien verstanden zu werden brauchen, bleibt unerwähnt.

(9)

Berichte und Diskussionen

349

sei ( A n I n q u ir y in to M e a n in g a n d T r u t h [L on don 1940] 83) und Geach (M e n t a l A c t s , [L on d on 1957] 22) auch B egriffe identifizieren, die nicht empirisch, sondern rein logisch sind. Q uinton nennt diese a p r io r i u nd beschreibt -sie als im wesentlichen syn ­ taktisch. Gewisse G laubenssätze (134) können also angeboren sein, wie z. B. das Kantsche synthetische a p r io r i von K a u salitä t oder w enigstens ein Sinn für sie, der sie zu r sprachlichen oder praktischen U n v erm eidbarkeit erklärt. Locke zu fo lge sin d syn­

thetische G laubensgegenstände ebenso wie rein empirische allen falls probabilistisch und som it nur h o n o r is c a u s a als W issen ausgew iesen. Echtes W issen und Sicherheit sind a p r io r i im analytischen Sinn.

W as sind nun im G egensatz zu all diesen Begriffen die Fundam entalfeststellungen oder „b asis Statem ents“ ? Sin d auch sie wesentlich durch ihre A nw endung, ihren P latz oder ihre R o lle innerhalb der Sprachgemeinschaft charakterisiert? D iese F ragen führen zurück zu dem Problem , das ich oben erw ähnte. D enn fü r Q uin ton ist eine Feststellung nicht ein S atz, der objektiv und rein sprachlich gegeben ist. V ielm ehr ist es etw as, w as m an als die Idee oder g ar die W irklichkeit des Satzes bezeichnen kann. So beschreibt er als Feststellung z. B. das, w as gem eint ist, wenn du gestern zu m ir sagtest, „D u w irst m orgen kran k sein“ und ich sage heute „Ich bin k ra n k ". D ie Feststellung ist ein und dieselbe, insofern als sie ein und denselben T atb estan d zum In h alt hat.

H ierv on leitet Q uin ton ab, daß Feststellungen intuitiv sein können. Gleichzeitig können sie in verschiedenen W orten oder Sätzen und vo n verschiedenen A utoren fo r­

m uliert w erden. Durch alle diskursiven Ä ußerungen lugt ein W eltbild kohärenter Feststellungen. U n d doch dürften es im E n deffekt diese Sätze oder Ä ußerungen sein, die das G rundlegende an den Feststellungen ausmachen, denn ohne satzähnliche A u s­

drücke gibt 'es keine Feststellungen. „O sten sive“ , anschauliche oder darstellende Sätze geben jenen intuitiven, direkten u nd als a p r io r i anerkannten Feststellungen erst A us­

druck. Ohne A usdruck keine Feststellung.

Q uinton verw ah rt sich nur gegen eines, näm lich daß diese F ord eru n g der Anschau­

lichkeit von Sätzen die Bestim m ung von Fundam entalfeststellungen beliebig im Sinne vo n „su b jek tiv “ oder „solipsistisch“ w erden läßt. E s ist gem äß der Ö ffentlichkeits­

funktion nicht der F all, d aß jeder Sprache verw enden u n d produzieren oder Sätze form ulieren kann, als ob dies eine vollkom m en p riv ate A ngelegenheit sei. W ie es (a) W ahrheitskriterien gibt, so gibt es auch (b) öffentliche K riterien d afü r, welche S a tz ­ form en zur A nw endung gebracht w erden können. O ffen bleibt die alte F rage nach der

„G ew ich tsverteilun g“ oder danach, welchem vo n beiden, (a) oder (b), P rio rität gebührt.

In seiner Stim m ung von ontologischem M aterialism u s scheint Q uinton (a) v o rzu ­ ziehen und in der R au m -Z eit-R ealität verankern zu w ollen. M ehrere K ritik e r haben a u f die Ä hnlichkeit dieses Schemas m it den V orstellungen K an ts .hingewiesen. A ber es läßt sich noch etw as mehr dazu sagen: N ehm en w ir einm al den S a tz [M ] : „H ie r ist ein Buch.“ M it 'seiner H ilfe w ürde Q uinton versuchen, der oft diskutierten P roblem atik der Russellschen „th is“ zu entrinnen. D enn vo n dem „ H ie r “ (in [M ]) kan n nicht gesagt w erden, daß es nicht irgendw elche spezifischen R au m -Z eit-K oordin aten habe.

W ichtig u n d gewöhnlich übersehen ist nun die Frage, wie m an zu Sicherheit gelangt.

D ie A n tw o rt d a r a u f ist m aterialistischer als die V erabsolutierun g von R au m u n d Zeit nach euklidischer M an ier und unter Einschluß von Leerräum en. N icht d as W ort „ H ie r “ oder irgendeine m it ihm verbundene nicht-verbale L o kalin d ik atio n , die dem R u ssell­

schen „th is“ entsprechen w ürde, sondern die Gegenständlichkeit des Buches stellt sicher, daß der S a tz [M ] nicht raum -zeitlich unterdeterm iniert ist. N icht das ab strak te R aum - Z eit-System ist ontologisch vorgesehen, sondern die G egenstände, in B ezu g au f w el­

che Räum lichkeit und Zeitlichkeit erkannt, festgestellt u n d gemessen w erden. U n d wenn es in unserer Erkenn tnis nicht die G egenstände selbst sind, so sin d es ihre Fest-

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Stellungen in der F orm von Sätzen und Begriffen innerhalb öffentlichen D iskurses, die das R au m -Z eit-B ild projizieren helfen. D er C am bridger Ph ilosoph Ia n H acking in seinem neuesten Buch (W h y D o e s L a n g u a g e M a t t e r to P h ilo s o p h y ? [C am brid ge 1975]) form uliert die Sprachgebundenheit empirischer Forschung wie fo lg t: . we m ust be able to report the outcom e o f a crucial experim ent in w ords. There m ust be a sentence, scholarly p ap er or even a book r which says th at experim ent E w as perform ed at a specific time an d place, and result R occurred and there m ust be a co n trary possible report r*, sayin g E w as m ade at the stated tim e an d p lace but R did not occur“

(1 1 7 -1 1 8 ). O bw ohl ich der M einung bin, daß es nicht so sehr au f die Feststellung von Zeit und O rt (time an d space), als au f die fü r das E xperim en t relevanten Bedingungen ankom m t, die sehr w ohl von seiner räumlichen Position oder dem Z eitpunkt seiner D urchführung u n abh än gig sein können, scheint m ir H ackin g in seinem wesentlichen A rgum ent recht zu haben. Em pirische Forschung ist nicht tautologisch. Ihre Erken n t­

nisse gehen über das rein Sprachliche hinaus, auch wenn sie jew eils sprachlich auszu­

drücken sind.

Sow eit profession elle Philosophie und menschliches D enken schlechthin sich in Sprache abwickeln, ist in ih r die Unterscheidung zwischen M aterialisten und anderen ebenso wie die zwischen O ntologie und E pistem ologie unverm eidlicherw eise selbst sprachlich. D ah er ist es w ohl nicht richtig und sicher unfair, Q uinton vorzuw erfen, daß er seinen M aterialism us innerhalb dieses M edium s u nd bis zu einem gewissen G rad in spätw ittgensteinschem Bewußtsein präsentiert. W enn das K ategorische an diesem M edium stillschw eigend vorausgesetzt w ird, läß t sich Q uinton in der T a t als Ph ysikalist bezeichnen. D a s bedeutet, er glaubt, daß gewisse Fundam entalfeststellungen den letzten G ru n d für W issen abgeben u n d daß diese als p h y sisc h e G e g e n s t ä n d e be­

zeichnet w erden können oder wenigstens der Id ee solcher G egenstände am nächsten komm en. W as er jedoch zu übersehen scheint, ist, daß physikalisches D enken sich weniger denn je rein gegenständlich gebärdet. Es ließe sich ohne allzu große Schwierig­

keiten ein Physikalismuls entw erfen, der so gar anti-gegenständlich ausfallen könnte.

Bisher so llte gezeigt w erden, wie kohärente, fun dam en tale und logisch unabhängige Feststellungen ein W eltbild konstituieren, in dem m an von allgem ein zugänglichen und öffentlich beobachtbaren G egenständen sagen konnte, sie seien die ontologischen Bausteine einer, w ie sich herausstellte, w iderspruchsfreien W elt. Sichergestellt (so sicher wie öffentlicher D isk u rs dies garantieren kann) w urden diese Elem ente durch direkte und intuitive („osten siv e“ ) W ahrnehm ungen. D a s P rogram m des dritten T eils deutete ich schon an. O bw ohl aus dem bisherigen nicht fo lg t, daß die m ateriellen Gegenstände, die logisch vonein ander unabhän gig sind, die einzigen B asiskategorien sind, soll je tzt bewiesen w erden, daß alle anderen K atego rien entw eder au f m aterielle D in ge zurück­

geführt oder m it ihnen identifiziert w erden können. D ies ist die O x fo rd er S ta n d ard ­ haltung gegenüber M e t a p h y s ik .

D em oben G esagten zufolge, steht hier eine gan ze Schlange von V erw irrungen an.

H ab en w ir es m it einer kosm ologischen oder epistem ologischen H ierarchiekonstruktion zu tun, an deren B asis sich jene „tru ly concrete, self-subsistent entities“ (240) befinden,

„w hich can he said an d know n to exist w ithout reference to things o f any other categ o ry ?“ U n d wenn solche Einheiten m ateriell sein sollen, in welchem Sinn und gemäß welchem M aß sind sie dies? Sind sie m ateriell, sow eit sie physisch sind? F o lgt nicht ihre fun dam en tale Position aus ihrer U n abh än gigk eit viel mehr als aus der T a t­

sache, daß sie m ateriell sind? U n d w as ist diese logische U n abh än gigkeit w ert, wenn m an bedenkt, daß erstens L o g ik nicht ein prim äres B indem ittel zwischen freien G egen­

ständen a l s so lc h e n ist, zw eitens solche G egen stän de p e r d e fin itio n e m ungebunden, eben unabhän gig sind, u nd drittens jede Ä ußerung oder sprachliche R epräsen tation

(11)

Berichte und Diskussionen

351

solcher D in ge n otw en dig nicht gan z (und auch nicht logisch!) unabhän gig von anderen Ä ußerungen oder R epräsen tation en sein kann, sofern sie alle T eil einer zusam m en­

hängenden Sprach praxis sind? D iese und ähnliche Fragen und ihre A ntw orten könnten Bücher füllen. So sei hier nur noch bem erkt, daß natürlich der Bew eis der M öglichkeit, alle K ategorien logisch a u f „m aterial th in gs“ reduzieren oder m it ihnen gleichsetzen zu können, nicht ausreicht, um andere R eduktion en au f andere B asiskategorien w eniger stichhaltig zu machen.

D aß Q uinton nicht irgendeine, beliebige erkenntnistheoretische Stru k tu r w illkürlich m it einer m aterialistischen B asis auszustatten verm eint, geht aus seinem V erständnis vo n Straw sons B e itrag hervor. In seiner I n t r o d u c t io n to L o g i c a l T h e o r y lehnt Straw - son es als u nzulässig „m etaphysisch“ ab, B asistyp en oder B asiskategorien zu isolieren, au f deren G run dlage Feststellungen über alle möglichen D in ge interpretiert w erden können. Q uin ton zufolge ist dies nicht im W iderspruch m it der K ategorienhierarchie in jenem „Versuch einer beschreibenden M etap h y sik “ : I n d i v i d u a l s : „b asic p articu lars (m aterial things and em bodied persons), non-basic p articu lars (events, m ental states, theoretical constructs) an d n on -particu lars (qualities, relation s)“ (Q uinton 246). Denn diese H ierarchie ist nicht e p is te m o lo g is c h , sondern r e f e r e n tie ll. O hne irgendeine B ezie­

hung zu Straw sons „b asic p articu lars" oder Q uintons eigenen „m ate rial things“ (so sagt letzterer) kann m an andere K ategorien oder Feststellungen nicht verstehen.

Ich w ill dies nun nicht anzw eifeln, sondern mich beschränken a u f einen Teil dessen, w as sich vo n diesem Schema ableiten ließe. D in ge a n sich und von ihnen od er ihren Erscheinungen in tu itiv oder direkt abgeleitete richtige Feststellungen sind w iderspruchs­

frei. N u r in Beziug a u f sie kan n m an andere, also auch falsche oder ab strak te oder metaphysische Feststellungen verstehen. D arau s fo lgt, daß m an, ausgerüstet m it den unabhängigen, richtigen Feststellungen über (oder von) m ateriellen D ingen, eine in der P rax is w iderspruchsvolle W elt „ricbtigstellen“ kann. D as Problem ist, daß G egenstände und ihre natürliche und so ziale A nordn un g nicht im m er der L o g ik gehorchen und daß vom Blickpunkt dessen, der sich in der praktischen W elt voller W idersprüche befindet, verschiedene und nidht im m er logisch konsistente O rdnungen sich feststellen lassen. D er öffentliche u n d einstim m ig anerkannte Durchbruch zu r logisch m ateriellen O rdnung m ag zw ar von verschiedenen Bew egungen angestrebt w erden, scheint aber schon wegen der M öglichkeit ihrer Verschiedenheit unm öglich od er w enigstens unmenschlich.

Q uin ton diskutiert in Teil I I I die Begriffe 1) E s s e n z oder ideale, abstrakte O bjekte, 2) theoretische Einheiten u n d K ausalverbind un gen , die er I d e e n nennt, 3) G e is t (m ind) und G eisteszustände u n d 4) W e rte (values). A us R aum gründen u n d in F ortset­

zung der bisherigen A rgu m en tation w ill ich mich a u f letzteren beschränken. D as A n ­ liegen ist praktisch. E s geht nicht darum , welche Feststellungen w a h r oder fa ls c h sind, sondern gemäß welchen m an r ic h tig od er fa ls c h handelt.

M it dieser Unterscheidung sind w ir in m e d ia s re s. Q uinton resüm iert die lange D ebatte über antinaturalistische E th ik seit G . E. M oores P r i n c i p i a E t h i c a (1903).

H au p tstation en in ihr sind C arn ap , A yer, Stevenson u n d H are . Besonders die beiden letztgenannten revidierten M oores Sicht, daß w ertende Begriffe Tatsachenfeststellungen seien, auch wenn siie sich nicht au f N atu rzu stän d e beziehen. Sie führten die Undefinier- barkeit v o n Begriffen w ie „ g u t“ au f den logischen D ualism us v o n Feststellungen und W ertungen zurück. Ihnen zu fo lge sind Tatsachenfeststellungen kategorisch anders als W erturteile.

Indem er M oores G leichsetzungsstrategie besonders in B ezug a u f kom plexe Begriffe und D efinitionen zu unzulässigen Vereinfachungen erklärt und folglich dessen W ider- spruchskritarium fü r ihre R ichtigkeit ablehnt, schließt Q uinton, daß M oore und, insofern als er dessen A rgum ent übernahm , auch A yer, nicht in der L ag e w aren, ihren

(12)

A n tinaturalism us überzeugend zu präsentieren. D a s beißt natürlich noch nicht, daß A ntinaturalism us in der E th ik schlechthin falsch sei. Im wesentlichen bedeutet es nur, daß M oores M anier, Id en tität von Seinsgehalten, Bedeutung von F ragen u nd logische 'Widersprüche v o n Feststellungen zu bew eisen, Q uinton nicht überzeugt. W as Stevenson und H a re betrifft, findet Q uinton, daß sie echte und wichtige Unterschiede zwischen W erturteilen und gewissen Tatsachenfieststellungen form uliert haben, ohne dadurch, wie behauptet, das antinaturalistische P rin zip gerechtfertigt zu haben. D ies füh rt zu dem Schluß, daß eine tiefe Trennung besteht zwischen theoretischen Äußerungen, deren A nnahm e letztlich Glaubenssache ist, und praktischen Ä ußerungen, deren A n ­ nahme direkte A usw irkungen au f V erhalten u n d H an d lu n g h at. A ber W erturteile sind nicht die einzige A rt v o n praktischen Ä ußerungen.

„T h e p rin ciple o f the p ractic ality o f v alu e“ ist Q uintons letzter T o rp ed o gegen M oores alten D am p fe r. W erturteile sin d nicht n ur nicht Feststellungen über n a tü r lic h e Tatsachen, sondern g a r keine Tatsachenfeststellungen. Q uintons P rin zip sagt, daß alle Feststellungen theoretisch u nd alle praktischen Ä ußerungen eben praktisch seien. D a ­ m it w äre M oore w iderlegt oder w enigstens w idersprochen. Insofern als praktische Ä ußerungen n ic h t-th e o re tisc h sind, w äre gleichzeitig ein M aß fü r die fact-valu e-T ren - nung angeboten. A ber hierbei will es Q uinton nicht belassen. D enn es läß t sich zeigen, daß Feststellungen in der F orm theoretischer Ä ußerungen, besonders wenn sie begeh­

rende (appetitive) Feststellungen sind, gewöhnlich auch praktisch w irken.

„P ra k tik a litä t“ ist dah er eine Eigenschaft der W erturteile ebenso wie aller begeh­

renden Feststellungen, Im p e rativ e u. ä. A ber diese Eigenschaft ist schlecht zu verein ­ baren m it dem Form alism u s dom inierender ethischer Theorien, die letztlich nicht an Zwecke oder kon krete Ergebnisse gebunden sind. Q uinton erw äh n t vier K riterien fü r form al ethische W erturteile: V erallgem einerungsfähigkeit, kategorischen oder au f andere W eise bedingungslosen u n d absoluten G ültigkeitsanspruch, übergeordnete A u to ­ rität, A utonom ie. G an z abgesehen davon, daß diese sich w eitgehend überschneiden, schließt Q uinton, daß keines von ihnen praktisch so bedeutungsvoll, und allgem ein­

gü ltig ist, w ie sein eigenes P rin zip allgem einer Z ufriedenstellung (oder „genereller S a tisfak tio n “ ).

Wesentliche B estandteile dieses P rin zip s sind die Sätze: jede H an d lu n g ist durch ein V erlangen m o tiviert; jedes V erlan gen ¡strebt nach B efriedigu ng. D iese Sätze im p li­

zieren logisch eine Reihe von anderen, ebenso w ie sie logisch gewisse A nnahm en v e r­

bieten. E s w äre ein m a te r ie lle s K riterium , wenn W erturteile fü r m oralisch erklärt w ü r­

den im Licht der konkreten Zufriedenstellung oder des physischen Schadens, die sie bew irken. U n ter Berücksichtigung lan gfristiger Sicherheit, geringer K osten oder gerin­

gen Z eitaufw an des, oder G efälligk eit könnte das K riteriu m aber z. B. auch k lu g od er b e d a c h ts a m , tech n isch od er ä sth e tisc h sein. D ies kom m t dem, w as m an in tuitiv für m oralische K riterien hält, viel näher u n d beh andelt obendrein M o ralität als ihrer N a tu r gem äß ¡etwas Soziales u n d als das, w as k ollab o rativ e In teraktion regelt und som it sichert. S o jed en falls sieht Q uinton die D in ge und ihre W erte.

Zw ei Sachen sind hier besonders interessant. D ie erste ist Q uintons starke Sprache über M oore. D ie zw eite betrifft, w as m ir als eine U n k larh eit erscheint. D enn einer­

seits w ill Q uin ton den utilitaristischen A n satz u n d andererseits die m aterielle Bestim ­ m ung von Zufrieden stellung beibehalten. W ie alle U tilitaristen glaubt er aber auch an totale Q u an tifizierbarkeit u n d T ran sitiv ität von W ertungen. W erturteile u n d be­

gehrende Feststellungen können som it nie rain q u alitativ sein. W ie sehr auch im m er ich einen Spo rtw agen einer K irsche vorziehe, es muß eine M enge von Kirschen geben, die fü r mich u n d m eine B egierde einen Spo rtw agen aufw iegen. Leid er geht dies nicht k lar aus dem besprochenen K a p ite l hervor. Z um G lück gibt es K läru n g in einem

(13)

Berichte und Diskussionen

353

weiteren Buch, das Q uinton auch 1973 herausbrachte und das sich m it U tilitarism u s ( U t i l i t a r i a n E t h ic s [L o n d o n ]) beschäftigt.

Q uintons U tilitarism u s ist eine m ildere V ersion von J . S. M ills „G reatest H ap p in ess P rin cip le“ . M o ralität hat dem zufolge einen spezifischen Inhalt, nämlich „G lü ck “ und/

oder „W o h lfah rt“ . A ls ein P rin zip unter vielen ist das utilitaristische nicht falsch, wenn auch sein A llaingültigkeitsanspruch fehl am P latze ist. D as G lückseligkeitskriterium (oder M aß „genereller S a tisfak tio n “ ) kann als gem einsam er N enner oder „B enenner“

von Begierden und Wünschen aller A rt und ihrer Zufriedenstellung betrachtet werden.

E s im pliziert M eß barkeit und Vergleichbarkeit, in deren N am e n dann das erw ähnte gem ilderte P rin zip in A nw endung gebracht w erden kann. E s lautet „W as H an d lun gen zum G egenstand m oralischer W ertungen macht, ist ih r Einfluß a u f Glück oder W ohl­

fa h rt der B etroffenen“ . D a auch dies uns nicht verrät, w ie die W elt q u alitativ zu gestal­

ten ist, in der m an aus moralischen G ründen vorziehen sollte zu leben, oder w er jeweils als „betroffen “ anzuerkennen ist, bleiben wesentliche Fragen der E th ik unbeantw ortet, besonders in A nbetracht unserer zunehm enden M acht, Aussehen und Bedingungen dieser W elt zu beeinflussen. D er von Q uinton vertretene „M aterialism u s“ endet hier.

D ie H altu n g gegenüber M oore ist in U t i l i t a r i a n E t h ic s näher .erläutert und gerecht­

fertigt dadurch, daß P r i n c i p i a E t h i c a als Q uelle fü r A n tikognitivism us fungiert. Auch wenn m an aus diesen und anderen G ründen m it Q uintons U rteil über M oore einver­

standen ist, bleibt noch viel zu sagen, b ev or eine kogn itive und gleichzeitig substan­

zielle Theorie der E th ik über d as Stadium von A ndeutungen hinauskom m t. A b er ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist vielleicht besser als die langen Irrw ege von Schlafw andlern.

O bw ohl T h e N a t u r e o f T h in g s in seinen z w ö lf K ap iteln viele kleine Schritte und darunter auch viele richtige macht, bleibt noch aine w eite Strecke zu überbrücken, bevor dieser A n satz u nd m it ihm vielleicht der G roßteil des hiesigen Philosophi,erens jenen Durchbruch leistet, den einige seiner V ertreter fü r unverm eidlich halten. D as E rfre u ­ lichste an Q uintons B eiträgen ist seine Bereitschaft, auch andere zu W ort kom m en zu lassen. G erade unter diesem Gesichtspunkt kann ich m ir keinen besseren Botschafter O xfo rd s vorstelletn als ihn. Wenn es dabei trotzdem zu gelegentlichen Schw ierigkeiten kom m en sollte, so nicht, w eil es ihm an diplom atischem Geschick fehlt.

Majakovskij und Lukács: Zwei Antworten auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Verdinglichung und Revolution

von Ingeborg F L E I S C H H A U E R (Jerusalem)

D ie Erw artungen, die Sozialisten in R u ß lan d und anderen L än dern E u ro p as au f die O ktoberrevolution projizierten , besaßen oft einen T otalitätsch arakter. D ie Theorie der sozialistischen R evolu tion , die von den K lassik ern des M arxism us entwickelt und von den russischen orthodoxen M arxisten unter eigener Z ielsetzung konkretisiert w urde, hatte dieser Tendenz den W eg bereitet. Zw ei B estandteile der Theorie w aren im Besonderen geeignet, T otalitätserw artun gen wachzurufen. Einerseits w urde dem P ro letariat eine A rt säku larisierter M essias-Fun ktion verliehen: D as P ro letariat w erde, nach der Form ulierung M arx ’, die alte O rdnung zerbrechen und m it seiner Selbstbe­

freiu ng a lle unmenschlichen Lebensbedingim-gen der bestehenden Gesellschaft aufheben.

E s soll, w ie Lenin in seiner A uslegung des K o m m u n is t is c h e n M a n if e s t e s zeigte, als

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