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Die Entstehung der modernen Welt in der frühen Neuzeit

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Academic year: 2022

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Reihe 13 S 1

Verlauf Material Klausuren Glossar Literatur

I/F2

Die Entstehung der modernen Welt in der frühen Neuzeit

Dr. Peter Lautzas, Mainz

Klassenstufe:10. Klasse

Dauer:8 Stunden

Aus dem Inhalt:Kaisertum, Landesfürsten und Mitwirkung der Stände, Frühkapitalis- mus und Verlagssystem, globaler Handel und Ausweitung des Weltbildes, Renais- sance in Kunst und Politik, moderne Natur- wissenschaft und Fortschrittsglaube

Kompetenzen:

– die frühe Neuzeit als Scharnier zwischen Mittelalter und Neuzeit beschreiben kön- nen

– die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Veränderung in den einzelnen Berei- chen erkennen können

– die Konfliktpotenziale vorwärtsdrängen- der und beharrender Kräfte erkennen und einschätzen können

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n der frühen Neuzeit werden die Wei- chen für unser modernes Europa ge- stellt. Hier entstehen Denkweisen, die neue Impulse für Wirtschaft und Wissenschaft liefern – allerdings bei gleichbleibendem Gesellschaftsaufbau.

Gleichzeitig entwickeln sich neuen Ide- en von der Individualität des Menschen.

Dieses Menschenbild, losgelöst von kirchlicher Bevormundung, führt zu einer Zersplitterung der Glaubensvor- stellungen und endet in einer zerstöreri- schen Selbstzerfleischung im Dreißig- jährigen Krieg. Ihre Schülerinnen und Schüler beleuchten anhand von Quel- lentexten und Bildern diese komplexe, aber sehr spannende Zeit.

Bild: picture alliance / Heritage Images

Der Mensch steckt den Kopf durch das Himmelsgewölbe, Holzschnitt 1888.

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Verlauf Material Klausuren Glossar Literatur

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rungswachstum, Zunahme der landwirtschaftlichen Nutzfläche durch Rodungen und Siedlungsbe- wegungen, Städtegründungen, Aufschwung von Handwerk und Handel, Verbreitung der Geldwirt- schaft. Seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde diese Aufschwungsphase von einer vor al- lem die Landwirtschaft erfassenden Krise abgelöst, die durch die seit 1348 Europa mehrmals überziehenden Pestwellen verschärft und verlängert wurde. Seit etwa 1470/1480 setzte dann eine Er- holung der Wirtschaft ein, die in die das „lange 16. Jahrhundert“ bestimmende Prosperität überlei- tete. Das ist eine allgemeine Tendenz, bei der man nicht vergessen darf, dass einzelne soziale Grup- pen und die verschiedenen Regionen Europas von der wirtschaftlichen Entwicklung ganz unterschiedlich betroffen waren. So war z. B. die Hochkonjunktur des 16. Jahrhunderts für Hand- werksgesellen, Lohnarbeiter und auf Nahrungsmittelzukäufe angewiesene Kleinbauern eine Zeit des Niedergangs und der Verarmung, ganz im Gegensatz zu der für diese Gruppen relativ günstigen Ent- wicklung während der spätmittelalterlichen Agrarkrise.

Frühneuzeitliche Globalisierung

Die große Zeit Venedigs – Zentrum des traditionellen Gewürzhandels – ging im Verlauf des 16. Jahr- hunderts zu Ende. Sevilla nahm im Zuge der spanischen Entdeckungen seinen berühmten, sensatio- nellen Aufschwung. Mit Antwerpen und dem in dieser Stadt konzentrierten oberdeutschen Handels- kapital verfügte Spanien im 16. Jahrhundert freilich über ein weiteres Handelszentrum. Antwerpen stach Sevilla vor allem dadurch aus, dass es sich nicht auf den Westindienhandel beschränkte, son- dern die Vielfalt der europäischen Handelsströme in sich aufnahm und z. B. den handelspolitischen Nutzen einer Vermittlung der neuen, preiswerten in den Manufakturen hergestellten Textilien in den Mittelmeerraum erkannte. Doch Antwerpen konnte sich aufgrund der politischen Veränderungen nicht entsprechend seinen Möglichkeiten entwickeln. Nach der Ablösung der nördlichen Niederlan- de von Spanien nämlich übernahmen andere europäische Handels- und Hafenstädte seine Rolle, vor allem Amsterdam. Ihr überragender Vorteil war der Getreidehandel mit dem Osten. Mit dem Auf- schwung dieser Stadt war die Gewichtsverlagerung der europäischen Wirtschaft im Zeichen des Be- völkerungsanstiegs und der Agrarkonjunktur endgültig vollzogen.

Der geistig-kulturelle Umbruch

Der mittelalterliche Mensch lebte philosophisch und mental in einem klar definierten Werthorizont, wie ihn die Bibel bzw. die sie auslegende Kirche vorgab, und war sozial in der Gemeinschaft der christlichen Familie und Sippe verankert. Vereinzelung, Loslösung aus der angestammten Gruppe wurde negativ gewertet und betraf die sozialen Randgruppen von Ausgestoßenen, unheilbar Kran- ken und Gebannten. In der Renaissance erfolgte eine Neubewertung der Vereinzelung in Form des Individuums. Dieses Individuum war sich nun seines Wertes als Einzelmensch bewusst und bedurf- te nicht mehr der christlich-kirchlichen Bestätigung seiner Daseinsberechtigung, es war autonom, selbstbestimmt, konnte seine Persönlichkeit – zumindest im geistigen Bereich – frei entfalten und sah sich in ausgeprägtem Selbstbewusstsein im Besitz der Kräfte, das Leben im Alleingang meistern zu können. Diese Vorstellung vom Wert des Individuums, des Individualismus geht auf das Erbe der griechischen Antike, die ja wiederentdeckt wurde, zurück und ist Ausgangspunkt für eine Dynamik, die sich schließlich auf alle Lebensbereiche auswirken sollte, die Neuzeit prägte und zur Grundlage unserer politischen und sozialen Gleichheitsvorstellungen wurde. Zentral ist die Rationalität, das heißt die vernunftmäßige Analyse, Erklärung und Gestaltung der Umwelt und des eigenen Lebens.

Dieses Merkmal sollte später in der Aufklärung eine weitere Vertiefung erhalten. Diese nicht an fremdbestimmende Mythen, Glaubenssätze und Ideologien gebundene Denk- und Verhaltensweise schuf die Voraussetzung für innovative Lösungen und erlaubte eine sachgerecht sich an die Verhält- nisse und Probleme anpassende Flexibilität im Umgang mit ihnen.

Die Herausbildung der Individualität war eine Voraussetzung für die später entstehende Demokratie als Staatsform. Die auf irdische Erfolge abhebende protestantische Ethik war ein weiterer Motor für Aktivität und Entwicklung. Auch die vielen Einflüsse fremder Kulturen, die durch Kontakte vielfältiger Art gewonnen werden konnten, wurden in der Regel offen aufgenommen und in rationaler Überle- gung gewinnbringend in die eigenen Denk- und Handlungssysteme eingegliedert.

Didaktisch-methodische Überlegungen

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einigermaßen zuverlässig planen wollen, müssen wir die elementaren Bedingungen unserer heuti- gen Existenz kennen, ihnen analytisch bis zu den Wurzeln auf den Grund gehen, ihre historische Ent- wicklung verfolgen und dabei Sonder- und Irrwege erkennen, aber auch konstruktiv-zukunftsträchti- ge Linien festmachen. Erst dann können wir sinnvoll mit Korrektur- und Gestaltungsmaßnahmen ansetzen und grundlegende Weichenstellungen vornehmen. Wir stehen heute z. B. in vielen Berei- chen vor Grenzen des Wachstums: Wie sind Fortschrittsglaube und Wachstumsideologie verändert weiterzuführen? Wir erleben eine Medienrevolution von globalem Ausmaß, ungeahnter Tragweite und Entwicklungsmöglichkeit: Wie können wir sinnvoll damit umgehen, um die Herrschaft darüber zu behalten? Die Marktwirtschaft, die gewaltige Potenziale freigesetzt und uns großen Wohlstand be- schert hat, scheint zu kippen: Wie können wir in einer globalisierten Welt Wohlstand erhalten? Na- tionalstaatliche Steuerungen werden in unserer globalisierten Welt immer schwieriger, wie man z. B.

am Finanzsektor erkennen kann: Welche weltweiten Ordnungsinstrumente stehen zur Verfügung oder sind zu schaffen? Gesellschaftliche und politische Veränderungen kündigen sich nicht zuletzt deshalb an: Nach welchen Prinzipien gestaltet sich der Wandel und wie können wir ihn steuern? Eine Scharnierstelle für unser Denken und Handeln heute in diesen und vielen anderen Bereichen ist die Epoche der frühen Neuzeit, in der die grundlegenden Voraussetzungen für unsere moderne Welt ent- stehen und geschaffen werden. Bei der frühen Neuzeit müssen wir mit unserer Analyse ansetzen. Die geografischen Zentren waren dabei Italien und Flandern.

Interdependenz und Multikausalität als zentrale Kategorien

Der Wandlungsprozess vom Mittelalter zur Neuzeit, der sich in der Epoche der frühen Neuzeit voll- zieht, erfasst, auch noch zeitlich und räumlich versetzt, alle Bereiche des staatlichen und privaten Le- bens. Das macht die Betrachtung so umfangreich. Dabei wirken die einzelnen Bereiche im Sinne der Interdependenz ständig aufeinander ein, sind verzahnt und sind deshalb jeweils nur als multikausa- le Erscheinungen zu begreifen. Das macht die Betrachtung so schwierig. Die im Folgenden aus prak- tischen Gründen getrennten Sachbereiche sind deshalb immer in der Zusammenschau mit den an- deren zu sehen, wobei schon die Abfolge mehr pragmatischen als inhaltlich stringenten Überlegungen folgt. Bei Berücksichtigung dieser Bedingungen lassen sich formulieren:

Sequenz 1: Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation im 15. und 16. Jahrhundert Sequenz 2:Wirtschaft und Gesellschaft in der frühen Neuzeit

Sequenz 3: Frühneuzeitliche Globalisierung Sequenz 4: Der geistige-kulturelle Umbruch

Unterrichtsmethodischer Einsatz

Bei diesem Thema kommt es zunächst auf den Erwerb grundlegender Wissenskompetenz an, die an- gesichts der Disparatheit und Vielschichtigkeit des Gegenstandes am günstigsten durch den Einsatz kooperativer Lernmethoden wie Think-Pair-Share, Gruppenpuzzle oder Gruppenarbeit gewonnen werden kann. Die Zusammenführung der Einzelaspekte sollte dann im gemeinsamen Gespräch un- ter Leitung der Lehrkraft erfolgen. Wichtig ist dabei nun ferner, dass auch sehr bewusst der Bereich der Urteilskompetenz angesteuert wird, d. h. die Wissenselemente und Erkenntnisse sollen nicht nur als historische Phänomene behandelt werden, sondern grundsätzlich immer auf ihre gestaltende Auswirkung auf unsere heutige Welt bezogen bzw. auf Erklärungsmuster für diese überprüft und da- nach befragt werden. Erkannte Grundprinzipien können dann als Anlass dafür genutzt werden, sich über eine Gestaltung der Zukunft Gedanken zu machen.

Die Thematik „Frühe Neuzeit“ ist aufgrund der breiten inhaltlichen Fächerung besonders für fächer- übergreifende Zusammenarbeit geeignet. Dies kann in der Vergabe von vertiefenden Zusatzarbeiten geschehen oder in einer konkreten Kooperation – zeitgleich oder versetzt – mit anderen Unterrichts- fächern. Besonders geeignet erscheinen die Fächer Deutsch (Entstehung der deutschen Hochspra- che, Medienrevolution), Religion (Reformation und katholische Reform), Philosophie (Empirie und Rationalismus), Physik (neues Denken, Forschen und Erfinden), Chemie (von der Alchemie zur wis- senschaftlich fundierten Chemie), Bildende Kunst (menschenbezogene Abbildungen), Musik (Kir- chenlieder), Geografie (Entdeckung der Welt), Biologie (wissenschaftliche Erforschung des mensch- lichen Körpers) und Medienkunde (frühneuzeitliche Medienrevolution). Unter dem europäischen Aspekt können auch die fremdsprachlichen Fächer ihren Anteil dazu beitragen, indem sie die kultu- relle Prägung jener Zeit in den entsprechenden Ländern betrachten und erarbeiten.

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Reihe 13 Verlauf Material S 1

Klausuren Glossar Literatur

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Materialübersicht

Stunde 1/2 Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation im 15. und 16. Jahrhundert

M 1 (Ab) Das Kaisertum – Gruppe A

M 2 (Ab) Die Wahlkapitulation Karls V. – Gruppe B

M 3 (Ab) Landesfürsten und Landstände im Reich – Gruppe C M 4 (Ab) Mitwirkung der Stände – Gruppe D

Stunde 3/4 Wirtschaft und Gesellschaft in der frühen Neuzeit

M 5 (Ab) Frühkapitalismus M 6 (Ab) Das Verlagssystem

M 7 (Ab) Konstanz der Gesellschaftsordnung

Stunde 5/6 Frühneuzeitliche Globalisierung

M 8 (Ab) Auf der Suche nach einem Seeweg nach Asien M 9 (Ab) Die Folgen der Entdeckungsreisen

Stunde 7/8 Der geistig-kulturelle Umbruch

M 10 (Fo) Eindrücke der Renaissance

M 11 (Ab) Die Renaissance als Epoche – Gruppe A M 12 (Ab) Das neue Selbstbewusstsein – Gruppe B M 13 (Ab) Die Kunst der Renaissance – Gruppe C

M 14 (Ab) Die neue Auffassung von Politik – Politik als rationaler Mechanismus – Gruppe D

M 15 (Ab) Entstehung der modernen Naturwissenschaft – Gruppe E

Lernerfolgskontrolle

M 16 (LEK)

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Das faustische Lebensgefühl

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Klausuren Glossar Literatur

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M 3 Landesfürsten und Landstände im Reich

Als wichtigstes Mittel des Landesfürsten zur inneren Stabilisierung seines Herrschaftsge- bietes gegenüber seinen Landständen wurden in den Territorien des Reiches effektive Be- hörden eingerichtet, die hauptsächlich das Gerichts- und Finanzwesen betrafen. In ihnen waren Berufsbeamte tätig, die aus dem aufstrebenden Bürgerstand stammten.

Ebenso wie der Kaiser auf Reichsebene durch die im Reichstag versammelten Reichsstän- de eingeschränkt wurde, war die Macht der Landesherrn wiederum durch die Mitsprache- rechte und Ansprüche der Landstände (niederer Adel, Klerus, Landstädte) begrenzt. Im Ge- gensatz zum Kaiser gelang es allerdings schon damals einzelnen Landesfürsten, wie dem Herzog von Bayern oder dem Markgrafen von Hessen, ihre Position in den Territorien durch den Aufbau eines Beamtenapparates und einer vom Fürsten kontrollierten Gerichtsorgani- sation zu stärken und den Einfluss der Stände zurückzudrängen. Die Durchsetzung des Ab- solutismus und die Ausschaltung der politischen Mitsprache der Stände erfolgten jedoch erst im Laufe des 17. Jahrhunderts, und dann bei Weitem auch nicht in allen deutschen Ter- ritorien.

Im Übrigen bildete das Gegen- und Miteinander von König bezie- hungsweise Landesherr und Ständen keine auf Deutschland beschränkte Erscheinung. Überall in Europa gab es auf der Ebene des Gesamtstaates oder der ein- zelnen Provinzen im Spätmittelal- ter und der frühen Neuzeit Stän- deversammlungen. Die wohl bekannteste war das englische Parlament. Allerdings verlief in mehreren europäischen Staaten die Entwicklung keineswegs in Richtung einer Stärkung des stän- dischen Einflusses – wie auf der Ebene des Reiches in Deutsch-

land –, sondern wie in einigen deutschen Territorien eher in Richtung auf den Ausbau der Macht des Königs. Vor allem in Frankreich war dies der Fall. Hier war es den Königen, die anfangs nur über ein kleines Gebiet um Paris geherrscht hatten, seit dem 12. Jahrhundert gelungen, die Erbmonarchie durchzusetzen, die meisten der Lehensfürstentümer (Norman- die, Champagne, Burgund, Toulouse u. a.) nach und nach in ihre Gewalt zu bringen und sich eine von den Ständen weitgehend unabhängige Machtgrundlage (Beamte, Steuern, ste- hendes Heer) zu schaffen. Im Hundertjährigen Krieg (1337–1453) brachte der Sieg über den englischen König, der weite Teile West- und Südwestfrankreichs formal als Lehnsmann des französischen Königs beherrscht hatte, diesen Prozess der Machtsteigerung vorläufig zum Abschluss. Frankreich war um 1500 der geschlossenste und mächtigste Staat in Europa.

Text: Dr. Peter Lautzas

Aufgaben

1. Erkläre den Unterschied von Reich und Territorien im Hinblick auf die ständische Mitbe- stimmung.

2. Ordne diese deutsche Entwicklung in den europäischen Rahmen ein.

3. Formuliere das für Deutschland und Frankreich unterschiedliche Gesamtergebnis dieser

Schloss Johannisburg in Aschaffenburg

Bild: Thinkstock/iStock

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M 7 Konstanz der Gesellschaftsordnung

Die teilweise veränderte Wirtschaftsweise hatte in der frühen Neuzeit vergleichsweise we- nige Auswirkungen auf die Gesellschaft. Ihre spätmittelalterliche Struktur sollte sich lang- sam und erst in späteren Zeiten deutlich ändern.

Die wirtschaftliche und politische Entwicklung des Spätmittelalters verursachte eine tiefe Krise des (niederen) Adels. Im römisch-deutschen Reich fand diese Krise ihren Ausdruck im Gegensatz zwischen Reichsritterschaft und landsässigem Adel einerseits sowie Landes- fürsten und Städten andererseits (Raubrittertum und Revolten des nach Veränderungen im Kriegswesen nicht mehr benötigten Ritters). Diese Entwicklungen sollten jedoch ebenso wenig wie der Aufstieg Bürgerlicher in Wirtschaft (Frühkapitalismus) und Politik (Fürsten- dienst, v. a. der Verwaltung) den Blick dafür verstellen, dass die europäische Gesellschaft noch lange vom Adel bestimmt war, der im 16. und 17. Jahrhundert sogar in seiner wirt- schaftlichen und sozialen Position gestärkt wurde. Im Hinblick auf die Gesellschaft lässt sich das 16. Jahrhundert also nur sehr bedingt als Beginn der Moderne bezeichnen.

Auch die städtische Welt blieb weiterhin von der im Spätmittelalter entstandenen sozialen Schichtung und ihren Konflikten bestimmt:

städtische Oberschicht aus (als Großkaufleute und Bankiers tätigen) Patriziern, zünftig organi- sierte Handwerker, eine wachsende Unter- schicht (Lehrlinge, Gesellen, Lohnarbeiter) so- wie die im 16. Jahrhundert zahlenmäßig sprunghaft ansteigende Gruppe der auf private und öffentliche Unterstützung angewiesenen Armen, Kranken, Bettler und Vagabunden. Im

Zentrum der städtischen Politik standen weiterhin die Auseinandersetzungen zwischen dem Patriziat und den um die Teilhabe an der politischen Macht ringenden Zünften.

Die überwältigende Mehrheit der Menschen lebte und arbeitete auch um 1500 noch auf dem Land. Die meisten Bauern waren in das System der Grund-, Leib- und Gerichtsherr- schaft eingebunden und damit vom Adel rechtlich abhängig. Der sich ausdehnende früh- moderne Territorialstaat begann, die Bauern nun steuerlich und herrschaftsmäßig intensi- ver zu erfassen. Ein rascher Bevölkerungsanstieg, Teuerungen und höhere Abgaben sowie die Forderungen nach politischer Mitbestimmung und die religiösen Gleichheitsvorstellun- gen der Reformation führten, besonders im Südwesten, in den Jahren 1524–1526 zu einem regelrechten „Bauernkrieg“, der sich hauptsächlich gegen die hohe Steuerlast richtete. Al- lerdings ist zu bedenken, dass die Bauernschaft keine einheitliche soziale Schicht bildete.

Zwischen landlosen, am Rande des Existenzminimums lebenden Landarbeitern und für den Markt produzierenden, reichen Großbauern klaffte eine gewaltige Lücke.

Text: Dr. Peter Lautzas

Aufgaben

1. Fasse zusammen, wie sich die Lage für Adel, städtisches Bürgertum und Bauernschaft in der frühen Neuzeit darstellte und wodurch sie bestimmt war.

2. Beurteile, in welchem Ausmaß die neue Wirtschaftsform gesellschaftliche Veränderun- gen herbeiführte.

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M 13 Die Kunst der Renaissance

Neu war der Typ des wissenschaftlich geschulten Künstlers. Mit ihrer großen, begnadeten, zu originalem Schöpfertum fähigen Künstlerpersönlichkeit konnten sie zu einem hohen ge- sellschaftlichen Rang aufsteigen. Dies entsprach der Rolle der Individualität in der Renais- sance und bot den Städten Möglichkeiten zur Selbstdarstellung. Eine typische Erscheinung dieser Epoche ist das Universalgenie, eindrucksvollstes Beispiel dafür ist Leonardo da Vin- ci (1452–1519): herausragender Maler, Bildhauer, Dichter, Architekt, Ingenieur, Gelehrter, Theoretiker und Praktiker zugleich.

Im Gegensatz zur religiösen Kunst des Mittelalters, die ausschließlich Themen der außerweltlichen Reali- tät (Jenseits) des christlichen Glaubens aufnahm, wandte sich die Kunst nunmehr ganz der innerweltli- chen Realität (Diesseits) zu. Den Kern der Renais- sance-Kunst bildete, nach dem Vorbild der Antike, ein gänzlich verändertes Verhältnis zur Natur. Aufgrund genauer Beobachtung sollte die Natur nun mithilfe von Mathematik und Geometrie möglichst wahrheits- getreu wiedergegeben werden. So wurden auch in der Architektur die Gesetze antiker, am Menschen ori- entierter Harmonie mithilfe von Geometrie und Sym- metrie im Zentralbau verwirklicht. Die Architektur beschränkte sich nun nicht mehr allein auf Kirchen- bauten, also den Sakralbau, sondern auch auf Adels- paläste und Bürgerhäuser, also den Profanbau.

Im Mittelpunkt der Malerei standen nach wie vor christliche Motive, nun aber mit neuen Gestaltungs- mitteln dargestellt. Statt des goldenen Grundes und der Ansiedlung der Szenen außerhalb des wirklichen Raumes, wurden nun beim Gemälde natürliche Farben, atmosphärisches Licht und Perspektiven ver- wendet und die Szene in einen naturhaften Raum ein- gebettet. Die Figuren wurden mit Körper, Gesichts-

ausdruck und Kleidern ausgestattet und bildeten nun die Realität ab. Auch machte sich der Mensch nun selbst zum Gegenstand eines Gemäldes, z. B. in vielen Rembrandt-Werken.

Nach und nach verselbstständigte sich die Darstellung der Weltlichkeit und trat gleichbe- rechtigt neben die christliche Kunst. Aufgrund der Hinwendung zum Menschen entstand als neuer Zweig außerdem die Porträtkunst.

Deutschland erreichte die Renaissance-Kunst in sehr abgeschwächter Form ab ca. 1500. Be- kanntester deutscher Renaissance-Künstler ist Albrecht Dürer (1471–1528), der im Geiste der Zeit wie Leonardo da Vinci über die Malerei zu anatomischen Studien kam, damals ein schlimmes Vergehen.

Text: Dr. Peter Lautzas

Aufgaben

1. Präzisiere, wie sich die Kunst der Renaissance von der des Mittelalters unterscheidet.

2. Gib wieder, wie sich speziell die Malerei verändert.

3. Überlege, weshalb sich die Darstellung des (Normal)Menschen besonders in den Nie- derlanden so intensiv niederschlug.

Gruppe C

Der vitruvianische Mensch nach Leonardo da Vinci

Bild: Thinkstock/iStock

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M 16 Das faustische Lebensgefühl

Was als geistige Auswirkung der Renaissance im deutschen Kulturraum am sichersten fass- bar und als grundlegende Prägung anzusehen ist, ist das geistige Lebensgefühl eines ruhe- losen, nach Erkenntnis strebenden Menschen, wie ihn Goethe in seinem „Faust“ eindring- lich dargestellt hat: der Mensch, der sich mithilfe seines Verstandes um jeden Preis eine neue Gewissheit ver- und erschaffen muss.

Nacht

In einem hochgewölbten, engen gotischen Zimmer Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte.

Faust:

Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin,

Und leider auch Theologie

Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.

Da steh` ich nun, ich armer Tor, Und bin so klug als wie zuvor!

Heiße Magister, heiße Doktor gar, Und ziehe schon an die zehen Jahr‘

Herauf, herab und quer und krumm Meine Schüler an der Nase herum – Und sehe, dass wir nichts wissen können!

Das will mir schier das Herz verbrennen.

Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;

Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel – Dafür ist mir alle Freud entrissen,

Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, Die Menschen zu bessern und zu bekehren.

Auch hab‘ ich weder Gut noch Geld, Noch Ehr‘ und Herrlichkeit der Welt;

Es möchte kein Hund so länger leben!

Drum hab‘ ich mich der Magie ergeben, Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis würde kund;

Dass ich nicht mehr mit saurem Schweiß Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;

Dass ich erkenne, was die Welt Im Innersten zusammenhält,

Schau‘ alle Wirkenskraft und Samen, Und tu‘ nicht mehr in Worten kramen.

J. W. v. Goethe: Faust. Der Tragödie erster Teil, Zeile 354–417.

Aufgaben

1. Erkläre, in welcher Lebenslage sich Faust hier befindet. Beziehe dazu die Angaben zur Szenerie mit ein.

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Bild: picture-alliance / akg-images

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Faust in seinem Studierzimmer

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