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Export in die Sackgasse

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Academic year: 2022

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Herausgeber Germanwatch und

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

folgen für bäuerliche Höfe weltweit.

alternativen für die agrarpolitik

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iNHalt

1 VORWORT

2 EU-AGRARPOLITIK: Alle Bebel auf Export 3 FALLBEISPIELE

3.1 Deutschland: Bauer im Wachstumszwang 3.2 Afrika: Zukunft für Kleinerzeuger ungewiss 3.3 Paraguay: Sojaindustrie schadet Land und Klima 4 WAS TUN?

Impressum

Herausgeber Germanwatch e.V.

Büro Bonn, Kaiserstraße 201, D-53113 Bonn, info@germanwatch.de

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V., Bahnhofstraße 31, 59065 Hamm info@abl-ev.de

In Kooperation mit Brot für die Welt und MISEREOR 1. Halbjahr 2013

Verantwortlich für Inhalt Tobias Reichert und Berit Thomsen TitelfotoNEULAND

Layout und Gestaltung

YOOL - Werbeagentur für Nachhaltigkeit

Winchesterstraße 2, D-35394 Gießen, www.yool.de

Die Broschüre ist Teil des Kooperationsprojektes »Kohärenz umsetzen: Entwicklungsförderende und bäuerliche EU-Agrarpolitik!« von Germanwatch und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), gefördert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Mit fi nanzieller Unterstützung des BMZ. Der Herausgeber ist für den Inhalt allein verantwortlich.

Die europäische Agrarpolitik beeinfl usst die Landwirtschaft in Deutschland und anderen EU- Ländern. Über den Import und Export von Agrarrohstoff en wirkt sie sich auch auf die ländlichen Strukturen anderer Länder dieser Welt aus. Die EU-Agrarpolitik ist mit dafür verantwortlich, ob der Hunger bekämpft werden kann. Am Beispiel der Fleisch- oder Milcherzeugung lassen sich die Mecha- nismen beleuchten. Mit unserer Ausstellung »Mensch Macht Milch«1 , die seit mehreren Jahren er- folgreich durch Deutschland und weitere EU-Länder tourt und bereits mehr als 100-mal gezeigt wurde, ist uns eine wirksame öff entliche Sensibilisierung gelungen. Diese Broschüre greift insbe- sondere die agrarpolitischen Mechanismen am Beispiel der Fleischerzeugung auf.

Fleisch und Wurst sind aus unserem Speiseplan kaum weg zu denken. Über 85 Prozent der Deutschen essen es täglich. Längst ist der gute alte Sonntagsbraten, einst Luxus, alltäglich gewor- den – in bester Gesellschaft mit dem Hamburger oder Döner zwischendurch, dem Schnitzel XXL zum Mittagessen in der Kantine oder dem Pausenbrot mit Bärchenwurst.

Auch weltweit fi ndet sich immer häufi ger Fleisch auf dem Teller. Knapp 300 Millionen Tonnen Fleisch wurden 2012 weltweit produziert, mehr als viermal so viel wie 1960. Das entspricht einem durch- schnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von etwas über 40 Kilogramm Fleisch. Dabei wird in den Indus- trieländern Pro-Kopf weit mehr gegessen als in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dort sieht die europäische Ernährungsindustrie künftige Absatzmärkte für ihre Exporte.

Der Konsum ist unter anderem deshalb so gestiegen, weil Fleisch so günstig ist. Den wahren Preis für das billige Fleisch und das ständige Wachsen eines Sektors, das in der derzeitigen Ausrichtung mit die größten ökologischen und entwicklungspolitischen Probleme verursacht, zahlen aber die Tiere, die Umwelt, das Klima und die Bäuerinnen und Bauern.

Diese Broschüre beleuchtet am Beispiel der Schweinefl eischerzeugung, wie die EU-Agrarpolitik ausgerichtet ist und welche Wirkungen sie hat. Außerdem werden Handlungsoptionen aufgezeigt.

1 VorWort

1 Infos zu »Mensch Macht Milch«

abl-ev.de/themen/mensch-macht-milch.html und germanwatch.org/de/6244

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2 eu agrarpolitik

EU AGRARPOLITIK: Alle Hebel auf Export

Schweinefleisch im Weltmarkt

Der Weltmarkt für Schweinefleisch ist relativ klein. Sieben Prozent der weltweiten Produktion (7,6 Mio.Tonnen) werden dort gehandelt. Europas Anteil am Welthandel ist mit 20 Prozent ziemlich hoch. Davon kommt der größte Teil wiederum aus Deutschland. Ändert sich hier die Produktions- menge, hat dies auch Auswirkungen auf den Weltmarkt.

Ähnlich wie Milch landet immer mehr Schweinefleisch aus Europa, allen voran aus Deutschland, auf dem Weltmarkt. In armen Ländern stört das oftmals die Märkte und verursacht Probleme für die Bauern. Gleichzeitig findet ein rasanter und ungesunder Strukturwandel in der Landwirtschaft in Deutschland und anderen EU-Ländern statt. Auch der Klimawandel wird durch eine immer intensi- vere Milch- und Fleischerzeugung angeheizt. Die EU-Agrarpolitik stellt dafür die Weichen, allerdings in die verkehrte Richtung.

alle Hebel auf export

Weltweit wurden 2011 fast 291 Millionen Tonnen Fleisch erzeugt. Schweinefleisch ist dabei mit 110 Millionen Tonnen Spitzenreiter. Danach folgen Geflügelfleisch, Rind- und Büffelfleisch sowie Schaf- und Ziegenfleisch. Die EU ist nach China der zweitgrößte Schweinefleischproduzent mit einem globalen Anteil von einem Fünftel. In Deutschland werden fünf Prozent des weltweiten Schweine- fleisches erzeugt, obwohl hier gerade mal ein Prozent der Weltbevölkerung lebt. Deutschland ist innerhalb der EU der größte Erzeuger.

EU AGRARPOLITIK: Alle Hebel auf Export Foto: Fred Dott

(Fotograf aus Hamburg)

Foto: Philipp Nagel, Brot für die Welt

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EU AGRARPOLITIK: Alle Hebel auf Export

Landwirtschaft unter Exportdruck

Die Ausstellung »Mensch Macht Milch« zeigt, mit welchen Folgen die Überschussproduktion von Milch bereits seit Jahrzehnten vorangetrieben wird. Etwas anders sieht es bei Schweinefleisch aus.

In Deutschland wurde bis 2007 weniger Fleisch produziert als nachgefragt. Daher waren die Fleisch- importe auch höher als die -exporte. Seither steigen die Produktionsmengen. Der Selbstversor- gungsgrad für Schweinefleisch ist auf 115 Prozent (2011) gestiegen. Die deutsche Schweinebranche hat sich so zum Nettoexporteur entwickelt.

Gleichzeitig sind die Erzeugerpreise für Schweinebauern unter Druck. Das ist eine typische Reaktion, wenn ein Agrarrohstoffmarkt durch Überproduktion gekennzeichnet ist, wie es bei Schweinefleisch der Fall ist. Dagegen sind die Futterkosten, die einen Großteil der Produktionskosten ausmachen, seit 2008 stark angestiegen. Eine ungünstige Situation für die Schweinebauern in Deutschland. Im letzten Jahrzehnt haben ein Drittel aller Schweinebetriebe aufgegeben, während die Zahl der Schweine leicht gestiegen ist. Das Resultat ist ein starker und anhaltender Strukturwandel hin zu größeren und agrarindustriell wirtschaftenden Tierhaltungsanlagen.

Für die Erzeugung der Überschüsse verfügt Deutschland, ebenso wie die EU insgesamt, gar nicht über die notwendigen Ressourcen. Speziell eiweißhaltige Futtermittel in Form von Soja werden vor allem aus Südamerika importiert. Das blockiert Flächen für die Nahrungsmittelerzeugung in diesen Ländern und hat zudem negative Auswirkungen auf das Klima und die Ökosysteme. Gleichzeitig steigen die Exporte von Schweinefleisch. Auch wenn die Entwicklungsländer bei den deutschen Fleischexporten noch eine geringe Rolle spielen, haben die Exporte in arme Länder in den vergange- nen zehn Jahren um fast 3000 Prozent zugelegt. Schwellen- und Entwicklungsländer rücken als Absatzmarkt ins Blickfeld der Exportindustrie.

EU AGRARPOLITIK: Alle Hebel auf Export Foto: Fred Dott

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Die Rolle der Agrarpolitik in der EU und Deutschland

Die EU-Agrarpolitik setzte von Anfang an auf Produktionssteigerungen – und zwar mit Erfolg. Seit den achtziger Jahren wurden stetig mehr Lebensmittel erzeugt als verbraucht. Die Überschüsse landeten auf dem Weltmarkt, meist mit Hilfe von Exportsubventionen, dem bekanntesten und entwicklungsschädlichsten Instrument der EU-Agrarpolitik. Diese Subventionen sind stark in die Kritik geraten und konnten in den letzten Jahren mit wenigen Ausnahmen auf Null zurückgefahren werden, auch weil die Weltmarktpreise für einige Produkte deutlich gestiegen sind. Das ist positiv zu bewerten. Allerdings sind die Exporte bei vielen Produkten kaum zurückgegangen oder sogar gestiegen. Der Grund dafür ist, dass die Politik neue Wege beschritten hat, um die Bauern »fit für den Weltmarkt«

zu machen. Dadurch wurden und werden Bauernhöfe von agrarindustri- ellen Strukturen verdrängt.

Für die Molkereien senkte die EU die garantierten Preise für Milchpulver und Butter drastisch. Gleichzeitig hob sie die Produktionsobergrenze (Milchquote), die ohnehin schon über dem Verbrauch in der EU lag, konti- nuierlich an. Im Jahr 2015 soll die Milchquote gänzlich auslaufen. Die Ein- kommensverluste für die Landwirte werden teilweise durch das Zahlen einer Prämie abgefedert, die von der bewirtschafteten Fläche und nicht von der Erzeugung abhängig ist. Sie soll den Landwirten dabei helfen, auch mit Preisen zurechtzukommen, die die Kosten nicht mehr decken.

Für Schweinefleisch gab es weniger marktpolitische Instrumente als für Milch. Hier wirkten andere Mechanismen. Besonders wichtig ist die Inves- titionsförderung, mit denen Stallbauten für leistungsstarke und wachs- tumswillige Betriebe subventioniert werden. Kleinere Betriebe waren und sind von der Förderung meist ausgeschlossen. Von produktionsunab- hängigen Flächenprämien profitieren Schweinehalter direkt, wenn sie eigene Flächen etwa zum Futteranbau bewirtschaften.

Wie bei der Milcherzeugung ermöglichen sie durch die fehlende Anbindung an Kriterien wie Umweltschutz und Beschäftigung, dass die inländischen Preise unter die Produktionskosten sinken. In Deutschland erlaubte das Baugesetzbuch zudem bis vor Kurzem das privilegierte Bauen von Tierhal- tungsanlagen außerhalb von Dörfern (und Städten). Wachstumsbetriebe konnten demnach ganz ohne Bebauungsplan bauen. Erste Ansätze, dies zu ändern, sind noch viel zu zaghaft. Ähnliches gilt für den Tierschutz:

Maßnahmen, die die Tiere an intensivere Haltungsformen »anpassen«

sollen, wie das Abschneiden der Schwänze (Kupieren) oder das betäu- bungslose Kastrieren, werden nicht wirksam eingedämmt. Auch dem gestiegenen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung wurde mit der jüngsten Novellierung des Arzneimittelgesetzes nichts Wirkungsvolles entgegengesetzt.

Die so geförderte Ausrichtung der Erzeugung auf niedrige Kosten und große Mengen hat in Deutschland und anderen EU-Ländern die Erzeuger- preise für Milch- und Schweinefleisch so weit nach unten gedrückt, dass Exporte auch ohne Exportsubventionen möglich geworden sind. Zugleich werden die Kosten für die Ernährungsindustrie gesenkt, für die Getreide, Fleisch und Milch als Rohstoffe dienen.

Die Agrarindustrie profitiert

Die verschiedenen agrarpolitischen Instrumente haben entweder die Ausdehnung der Milch- und Schweinefleischproduktion aktiv unterstützt oder der anhaltenden Entwicklung in Richtung indus- trieller Tierhaltung wenig entgegengesetzt. Zugleich sind die Milch- und Schweineerzeuger der übergroßen Marktmacht der Ernährungsindustrie ausgesetzt. Molkereien und Schlachtunterneh- men können in einer dauerhaften Situation der Überschussproduktion den Bauern gegenüber bequem die Preise nach unten diktieren.

Die Konzentration in der deutschen Schlachtindustrie ist bereits stark vorangeschritten. Die vier größten Schlachtereien Tönnies, Vion, Westfleisch und D&S teilen sich einen Marktanteil von 60 Prozent. Ihr erklärtes Ziel ist, Absatzmärkte auf dem Weltmarkt zu erobern. Die Überproduktion und der damit verbundene Preisverfall kommt ihnen zu Gute. Somit ist die EU-Agrarpolitik auch ganz in ihrem Sinne ausgestaltet.

Das Nachsehen haben Bäuerinnen und Bauern in Deutschland, Afrika und Paraguay, wie die folgenden Fallbeispiele zeigen.

EU AGRARPOLITIK: Alle Hebel auf Export EU AGRARPOLITIK: Alle Hebel auf Export Foto: NEULAND

Foto: Fred Dott

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3 fallbeispiele

➜ Es ist Wahnsinn.

Die Großen werden immer größer «

FALLBEISPIELE: Deutschland FALLBEISPIELE: Deutschland

DEUTSCHLAND

bauer im Wachstumszwang

Schaut man aus dem Küchenfenster von Martin Ramschulte, dann sieht man: Geradeaus. Sein Schweinestall mit 950 Mastplätzen. Auf zehn Uhr. Der Schweinestall seines Schwagers mit 170 Sauenplätzen und einige Schritte dahinter der neue Maststall, ebenfalls vom Schwager, mit 1600 Plätzen. Am Horizont weitere Hähnchen- und Schweineställe. Willkommen im Kreis Borken, Nord- rhein-Westfalen. Dort bündelt sich die Fleischerzeugung.

Ramschultes Hof liegt unweit der Kleinstadt Schöppingen im westlichen Münsterland. Es ist ein Nachmittag kurz vor Winterbeginn. Er harkt den Hofplatz. Alles wirkt fast steril. Kaum zu glauben, dass nur einige Schritte weiter mehrere hundert Schweine sein sollen. Nach der Hygieneschleuse und in entsprechender Schutzbekleidung tut sich ein schmaler Gang auf. Sechsundvierzig Schritte lang. Elf Türen. Dahinter separat die Mastabteile mit je vier Buchten. Vollspalten und Schweine.

Alle Fotos: Fred Dott

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»Früher hat mir die Landwirtschaft richtig Spaß gemacht«, erzählt Ram- schulte. »Da sind die Schweine im Stroh gesprungen. Das war so schön anzusehen. Man hörte kein Husten und die haben sich auch nicht die Schwänze abgebissen.« Er erzählt, dass er früher noch Klümpers hieß. Da arbeitete er als Betriebshelfer. Auch beim Betrieb Ramschulte hat er aus- geholfen. Im Jahr 1977 war das. Und von dort ist er dann nicht mehr weiter- gezogen. Das kinderlose Bauernpaar Ramschulte hat ihm den Hof überge- ben. »Damals hatte der Betrieb fünfzig Bullen und zwanzig Sauen«, sagt Martin Ramschulte.

»Den Betrieb hätte ich in der Größe gerne weitergemacht. Die Ställe hätten erneuert und verbessert werden müssen. Man muss doch nicht immer wachsen. Aber das ist preislich nicht drin«, sagt Ramschulte. Im Jahr 1980 baute er einen neuen Stall für vierhundertfünfzig Mastschweine.

Zwei Jahre danach erweiterte er um achtzig Sauen und zog die Ferkel sel- ber auf. Sechzehn Winter später der Sprung auf 950 Plätze. Nur noch Schweinemast. »Jetzt ist alles viel einseitiger«, sagt Ramschulte.

Viel Ratlosigkeit hängt in der Stallluft. Gentechnisch verändertes Soja- schrot? »Ich bin da auch nicht für. Auch dieses Glyphosat: Erst wachsen lassen, dann stirbt alles ab«, sagt der Bauer. »Aber wir kriegen auch keinen Cent mehr, wenn wir Sojaschrot ohne Gentechnik füttern.«

Schwänze kupieren verbieten? »Das wäre schwierig für uns. Das sind die Begleiterscheinungen der immer intensiveren Haltung.«

Dumpingexporte in Entwicklungsländer? »Das passt mir überhaupt nicht.

Warum müssen wir aus dem kleinen Münsterland für den großen Welt- markt produzieren? Warum lässt man die Entwicklungsländer nicht in Ruhe? Außerdem verschwenden wir Ressourcen, die uns gar nicht gehö- ren.« Das Thema Antibiotika bleibt unangesprochen.

Die aktuelle Politik und die Agrarindustrie diskutierten nur darüber, dass die Bauern mehr Menge machen müssten, um über die Runden zu kom- men. Langsam werde auch in landwirtschaftlichen Kreisen eingesehen, dass es so nicht weitergehe, berichtet Ramschulte. »Die kritische gesell- schaftliche Debatte kommt auch bei den Bauern an und hat eine Wirkung.

Das ist gut. Die sehen das doch auch kritisch. Aber wo ist der Ausweg? Da stehen dann die politischen Blockierer im Weg. Ich jedenfalls stalle weni- ger Schweine pro Bucht auf. Die haben jetzt mehr Platz.«

von Berit Thomsen

FALLBEISPIELE: Deutschland FALLBEISPIELE: Deutschland

Alle Fotos: Fred Dott

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AFRIKA

Zukunft für kleinerzeuger ungewiss

Brot für die Welt begleitet schon viele Jahre am Beispiel der Fleischerzeugung kritisch die Folgen der exportorientierten EU-Agrarpolitik, vor allem in afrikanischen Ländern. Agrarhandelsreferent Francisco Mari kennt die Situation vor Ort.

Die Schweinefleischexporte aus Europa nach Afrika haben in den letzten Jahren deutlich zuge- legt. Was vom Schwein wird denn dorthin exportiert?

F.M. Rund 70 Prozent der Exporte bestehen vor allem aus Schweinefüßen und teilweise auch aus Schweinebeinen. Außerdem werden noch Innereien und Köpfe nach Afrika verkauft. Das sind die drei Hauptbestandteile. Die werden auch verhältnismäßig billig angeboten. Der Importeur in Afri- ka zahlt gerade mal 20 bis 80 Cent für das Kilogramm aus Europa. Selbst mit Zöllen und weiteren Kosten gelangt das Kilo Fleisch dann nicht selten für unter einen Euro auf den lokalen afrikanischen Märkten. Wir stellen im Moment auch fest, das erhebliche Exportmengen aus der EU nicht mehr nach Russland geliefert werden, sondern stattdessen nach Südafrika. Auf dem Weltmarkt findet eine besorgniserregende Exportverschiebung in arme Länder statt.

FALLBEISPIELE: Afrika Francisco Mari (re.) im Gespräch

Foto: Philipp Nagel, Brot für die Welt

Foto: Rudolf Buntzel, Evangelischer Entwicklungsdienst

Foto: Philipp Nagel, Brot für die Welt

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EU AGRARPOLITIK: Alle Hebel auf Export

Welche Folgen hat das für die lokalen Kleinerzeuger vor Ort?

Da muss man sich die gesamte Wertschöpfungskette anschauen. In der Elfenbeinküste gibt es eine ausgeprägte afrikanische Mittelschicht, die auch hochwertige weiterverarbeitete Produkte wie Wurst und Salami nachfragt. Hier finden die Konsumenten in den Supermärkten die Importwurst, die günstiger ist als die lokal hergestellte. Die dortigen Schlachtereien und Händler sind jetzt schon massiv davon betroffen. Noch sind die Mäster an Verträge gebunden und spüren nicht viel davon.

Aber laufen die Verträge aus, dann werden sie auch mit hineingezogen. Der Preisdruck wird sich dann auf allen Ebenen durchschlagen. Dadurch wird wegkonkurriert, was schon aufgebaut ist. In Ländern, in denen es noch keine ausgeprägte Fleischerzeugung gibt, lassen sich Schweinefleisch- importe aus der EU besonders lukrativ absetzen. Das behindert dann den Aufbau einer kleinbäuerli- chen Fleischerzeugung. Es ist auch bemerkbar, dass bei nachhaltigen Agrarprogrammen der Aufbau einer Tierhaltung durch internationale Geber stark hinterher hinkt, denn das billige Importschwein ist schon da und damit eine bedrohliche Konkurrenz.

Nehmen die Betroffenen das einfach so hin?

In der Elfenbeinküste etwa konnte ein Importschutz für Geflügel erwirkt werden. Da hat sich schon einiges getan. Das nehmen auch die Schweinemäster vor Ort wahr und sie wollen das für sich ein- fordern. Dafür haben sie Untersuchungen in Auftrag gegeben. Das ist nicht einfach, da im WTO-Ab- kommen solche Importverbote eigentlich nicht erlaubt sind. Aber da die Geflügelhalter es trotzdem durchgesetzt haben, überlegen die Schweinemäster, mit Importquoten zumindest die Menge des Schweinefleisches aus dem Ausland zu reduzieren. Generell ist der Organisationsgrad von Geflü- gelhaltern größer als von Schweinemästern. Das liegt auch daran, dass der Sektor zu großen Teilen noch im Aufbau ist.

Welche Handlungsansätze schlagen Sie in der EU vor?

Bisher hat die EU-Agrarpolitik verweigert, eine Marktstörung in Entwicklungsländern überhaupt erst festzustellen. Das muss sich umgehend ändern und darin münden, dass in der EU-Agrarpolitik ein Beschwerdemechanismus für die betroffenen Länder eingeführt wird, damit diese mit Unter- stützung der EU vor Ort Schutzmaßnahmen ergreifen können. Wir sind auch der Meinung, dass das Tiermehlverfütterungsverbot wieder aufgehoben werden müsste, denn dadurch könnten Exporte von Schlachtabfällen reduziert werden.

Vielen Dank!

FALLBEISPIELE: Afrika

Foto: Philipp Nagel, Brot für die Welt

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PARAGUAY

sojaindustrie schadet land und klima

Noch ist der Acker nackt. Doch in Kürze wird hier Soja wachsen. Soja soweit das Auge reicht. Meh- rere Hektar sattes Grün, ausgesät in Reih und Glied. Wehmütig schaut der Kleinbauer Dionisio Go- mez auf das Feld. Es war mal seins. Doch aus finanzieller Not hat er es an Großgrundbesitzer ver- kauft. Von den ursprünglich zehn sind ihm lediglich zwei Hektar geblieben. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich meinen Hof aufgeben muss«, sagt der 70-jährige Kleinbauer aus Pastereo im östlichen Paraguay. Und er ist kein Einzelfall. Der Sojaanbau hat den Konzentrationsprozess in dem südame- rikanischen Land beschleunigt. Mittlerweile gehören fast 85 Prozent des Landes nur 2,5 Prozent der Landbesitzer. Die Kleinbauern teilen sich weniger als fünf Prozent des Ackerlandes.

Zu ihnen gehören auch zunehmend die paraguayischen Indigenen-Gemeinden. Mehr als die Hälfte von ihnen besitzt keinen Landtitel. »Früher hatten wir 150 Quadratkilometer Land. Wir hatten keine Besitztitel, aber außer uns indigenen Familien lebte hier ja keiner«, erzählt Don Anselmo, Vertre- ter der Indigenen-Gemeinde Jaguary. »Wir konnten umherziehen, wie wir wollten.« Damals hatten sie noch genügend Tiere zum Jagen, genügend Früchte zum Essen, genügend saubere Flüsse zum Fischen. Dann kamen die Siedler, zumeist Zuwanderer aus Brasilien, Asien und Europa, und be- gannen, Weiden und Äcker einzuzäunen. Sie fällten immer mehr Bäume für immer neue Sojafelder.

Heute sind 80 Prozent der Wälder Ostparaguays verschwunden, unzählige Flüsse versiegt und auf dem fruchtbaren Boden gedeiht Soja in ausgedehnten Monokulturen. Insgesamt 2,8 Millionen Hektar, drei Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche, sind mit der proteinhal- tigen Bohne bepflanzt. Mit dem größten Teil der Ernte werden Tiere in Europa gemästet. Ein Milliardengeschäft, das in der Hand multinationaler Konzerne und ausländischer Großbauern ist. »Sie werden immer reicher und wir immer ärmer«, beobachtet Don Anselmo, der hagere Guarani-Häuptling. Das kirchliche Hilfswerk MISEREOR hat die Situation in Paraguay jüngst in Deutschland öffentlich gemacht, um beispielhaft die Folgen der steigenden Sojaexporte aufzu- zeigen. Auch ausgelöst durch den zunehmenden Sojahunger der europäischen Fleischindustrie.

Dennoch regt sich Widerstand: »Wir sind gerade erst wach und unabhängig geworden«, sagt Vidal Toledo, Präsident des Kleinbauernverbandes von Carayao. Daher setzt sich sein Verband zusammen mit den indigenen Gemeinden, den landlosen Kleinbauern und der Sozial- und In- digenen-Pastoral (Team der Diozese Coronel Oviedo) für den Kampf gegen die Großgrundbe- sitzer und die industrielle Landwirtschaft ein. »Schließlich«, so fährt Vidal Toledo fort, »haben wir große Träume, wie wir in Harmonie mit der Natur anbauen und die Menschen mit gesunden, ökologischen Nahrungsmitteln versorgen können.«

Soja ist wegen seines hohen Eiweißgehalts ein hervorragendes Futtermittel für die Tiermast.

Seit Jahren boomt daher der Anbau in Lateinamerika: In nur 15 Jahren hat sich die Sojaproduktion, meist gentechnisch verändert, verdoppelt. Allein die Europäische Union importiert jährlich ca.

35 Millionen Tonnen Soja vor allem aus Brasilien, Argentinien und Paraguay. Die EU verbraucht dort über 19 Millionen Hektar Land, während sie nur drei Prozent der eigenen Ackerfläche (ohne Flächen für Obst und Gemüse) für den Anbau von Eiweißpflanzen nutzt. Nur ein Fünftel der ei- weißhaltigen Futtermittel für die Tiermast wird in der EU selbst produziert. Die EU importiert damit indirekt dreimal die Ackerfläche Deutschlands.

Dionisio Gómez Foto: Kopp/MISEREOR Foto: Fred Dott

FALLBEISPIELE: Paraguay FALLBEISPIELE: Paraguay

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WAS TUN?

klimawirkungen von

tierproduktion, futtermittelanbau und -import

Die Landwirtschaft ist eine wichtige, wenn auch nicht die entscheidende Quelle von Treibhausgasen in Deutschland. Ihr lassen sich etwa 15 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland zuordnen. Das entspricht 111 Millionen Tonnen Kohlendioxid. In diesen Wert sind auch wichtige Vorleistungen wie Dünger und importierte Futtermittel eingerech- net. Mehr als zwei Drittel davon entstehen in der Fleisch- und Milchproduktion. Zum einen direkt durch Lachgas und Me- than aus Verdauungsprozessen und Düngerwirtschaft, zum anderen dadurch, dass 40 Prozent der Getreideproduktion in Deutschland als Futter verwendet werden und Futtermittel zudem etwa zwei Drittel der Agrarimporte ausmachen. Soja- bohnen und Sojaschrot stellen dabei den Großteil der Futtermittelimporte. Der Sojaanbau verdrängt nicht nur Kleinbauern, er verursacht auch besonders hohe Emissionen, da für die zunehmende Produktion Regenwald und Savanne in Ackerflä- che umgewandelt werden. Dabei werden geschätzt 18 Millionen Tonnen Kohlendioxid allein beim Anbau des Soja für den deutschen Markt freigesetzt.

Um die deutschen Klimaschutz-Ziele zu erreichen, müssen auch die Emissionen aus der Landwirtschaft deutlich verrin- gert werden. Eine andere Form der Tierhaltung, die weniger auf importiertes Sojafutter setzt, ist dazu unabdingbar. In weniger intensiven Produktionssystemen kann auch die bisher kaum beachtete Fähigkeit landwirtschaftlicher Böden, Kohlenstoff zu binden, besser genutzt werden. Vor allem nachhaltig genutztes Weideland und der vermehrte Anbau heimischer Eiweißfuttermittel bieten da große Möglichkeiten.

Vorschläge für die eu agrarpolitik

→ Kostendeckende Erzeugerpreise

Das Instrument der Exportsubventionen ist abzuschaffen. Es müssen Konzepte weiterentwickelt werden, um Überschüsse zu vermeiden. Der vom EU-Parlament für den Milchmarkt in die Diskussion gebrachte freiwil- lige Lieferverzicht zur Preisstabilisierung sollte beschlossen werden und könnte auch für den Ferkelmarkt angewendet werden. Erst in ausgewo- genen Marktverhältnissen haben Schweineerzeuger die Chance, kosten- deckende Erzeugerpreise gegenüber der Schlachtindustrie einzufordern.

Dazu muss die Marktmacht der Bauern gestärkt werden, zum Beispiel indem sie ihre Interessen gegenüber den Abnehmern gemeinsam vertre- ten. Ziel ist eine bedarfsorientierte und auf eigene Ressourcen ausgerich- tete Erzeugung.

→ Agrarsubventionen an gesellschaftliche Leistungen knüpfen

Insbesondere die flächengebundenen Direktzahlungen – der größte Anteil der Agrarsubventionen – sind davon abhängig zu machen, ob die Betriebe eine wirksame Fruchtfolge einhalten und mindestens 20 Prozent Eiweiß- futtermittel (Leguminosen) anbauen. Außerdem sind die Arbeitskräfte bei den Direktzahlungen zu berücksichtigen, damit bäuerliche Höfe stärker gefördert werden als rationalisierte Strukturen. Die Investitionshilfen sollten nicht größere Ställe fördern, sondern solche, die dem Tierschutz besonders gut entsprechen.

→ Handelspolitik qualifizieren

Die EU muss Entwicklungsländern ermöglichen, ihr Märkte vor Importen zu schützen, die lokale Märkte stören. Die Ausrichtung auf Exporte in Schwellen- und Entwicklungsländer muss zurückgenommen werden. Im Gegenzug sollte auch der Zugang zum europäischen Markt durch ökologi- sche und soziale Standards qualifiziert werden, sodass die exportierenden Länder in sozialer und ökologischer Hinsicht profitieren.

→ Internationale Verantwortung

Die internationale Verantwortung und das »Do no harm«-Prinzip müssen zentrale Kriterien für die Umsetzung der EU-Agrarpolitik sein.

Dazu sollte ein Export- und Import-Wirkungsmonitoring eingeführt, und ein Beschwerdemechanismus für Entwicklungsländer und Produzenten etabliert werden.

4 Was tuN?

Foto: Berit Thomsen

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WAS TUN ?

Vorschläge für Deutschland

→ Agrarfabriken nicht privilegieren

Die jüngste Novellierung des Baugesetzbuches hat aufgrund des gesehl- lschaftlichen und bäuerlichen Drucks die Verbesserung erbracht, dass nun die niedrigsten Obergrenzen (1500 Mastschweine, 560 Sauen, 4500 Ferkel) nach dem Gesetz der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gel- ten. Allerdings bleibt die Ausnahme, dass Betriebe, die Flächen für mehr als 50% der Futtererzeugung nachweisen können, auch oberhalb dieser Größenordnungen weiterhin privilegiert bauen können. Flächenstarke Betriebe allen voran in Ost- und Norddeutschland können also weiterhin ohne Bebauungsplan und damit ohne Mitwirkungsmöglichkeit der betrof- fenen Gemeinden bzw. Kommunen Großanlagen bauen. Deshalb muss im Baugesetzbuch auch diese Lücke noch geschlossen werden.

→ Tiergerechte Haltung

Tierschutzgesetze sollten im Sinne einer tiergerechten Nutztierhaltung verbessert und bestehende Regeln wirksam umgesetzt werden. Dazu gehört beispielsweise die sofortige Umsetzung der Regelung, dass Kas- trieren nur unter Betäubung stattfinden darf und Tiere Zugang zu Stroh haben.

→ Antibiotika in der Tierhaltung verringern

Es ist positiv, dass neuerdings im Arzneimittelgesetz ein Monitoringsys- tem für den Antibiotikaeinsatz verankert ist. Aber es fehlen noch wirksa- me Maßnahmen zur Verringerung von Antibiotika.

freiwillige

tierschutzstandards

Das Leuchtturmprojekt Neuland als Praxisbeispiel

Gerade in der Tierhaltung stellen immer mehr Menschen Anforderungen, die über gesetzliche Stan- dards für das Tierwohl hinaus gehen. Schlachtunternehmen und Einzelhandel reagieren auf diese Ansprüche und arbeiten auch mit Tierschutzverbänden an neuen Tierschutzlabeln. Diese Initiativen sind zu begrüßen, aber auch kritisch zu begleiten, um zu verhindern, dass sie bei reiner Öffentlich- keitsarbeit stehen bleiben.

Ziel solcher Initiativen muss sein, wirksame Tierschutzkriterien in einem breiteren Markt zu ver- ankern, wie sie das seit 25 Jahre bestehende bäuerliche Label Neuland definiert. Neulandbetriebe dürfen eine bestimmte Größe nicht überschreiten. Der Einsatz von Importfuttermitteln ist ebenso verboten wie Gentechnik in der Fütterung. Nasenringe, das Kupieren von Schwänzen und Abkneifen der Zähne sind nicht erlaubt. Die Schweine in einem Neulandbetrieb liegen auf Stroh und haben Auslauf nach draußen. Außerdem gibt es Bestands- und Flächenobergrenzen. Das Label ist auch an eine Vermarktungsstrategie geknüpft, mit der die Erzeuger faire Preise bekommen. Neuland ist im Bereich des Tierschutzes und bäuerlicher Wirtschaftsweisen federführend in Deutschland und ist ein praktisches Beispiel für eine zukunftsfähige Ausrichtung der Fleischerzeugung.

WAS TUN?

Foto: NEULAND

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Die Broschüre ist ein Gemeinschaftsprojekt von

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V.

www.abl-ev.de

Germanwatch e.V.

www.germanwatch.org

In Kooperation mit

Brot für die Welt

www.brot-fuer-die-welt.de

Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e.V.

www.misereor.de

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