Conference Paper, Published Version
Seitz, Karlotta-Franziska; Heermann, Ulrike; Brüning, Claudia; Gönnert, Gabriele
Integration von Regenwasserbehandlungsanlagen in urbane Räume
Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen
Zur Verfügung gestellt in Kooperation mit/Provided in Cooperation with:
Technische Universität Dresden, Institut für Wasserbau und technische Hydromechanik
Verfügbar unter/Available at: https://hdl.handle.net/20.500.11970/110913 Vorgeschlagene Zitierweise/Suggested citation:
Seitz, Karlotta-Franziska; Heermann, Ulrike; Brüning, Claudia; Gönnert, Gabriele (2023):
Integration von Regenwasserbehandlungsanlagen in urbane Räume. In: Technische Universität Dresden, Institut für Wasserbau und technische Hydromechanik (Hg.):
Wasserbau und Wasserwirtschaft im 'Stresstest'. Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen 69.
Dresden: Technische Universität Dresden, Institut für Wasserbau und technische Hydromechanik. S. 19-22.
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46. Dresdner Wasserbaukolloquium 2023
„Wasserbau und Wasserwirtschaft im `Stresstest`“
A2-04
Integration von Regenwasserbehand- lungsanlagen in urbane Räume
Karlotta-Franziska Seitz Ulrike Heermann
Claudia Brüning Gabriele Gönnert
Stichworte: multicodierte Flächen, Biodiversität, Regenwasserbe- handlung, Verkehrssicherheit
1 Einleitung
In urbanen Räumen ist die Flächenverfügbarkeit begrenzt, der Nutzungs- druck hoch und die Begehrlichkeiten vielfältig. Zudem wird der Flächenbe- darf der Wasserwirtschaft ansteigen, um gesetzliche Verpflichtungen zur Verbesserung der Wasserqualität zu erfüllen. Immer häufiger sind multico- dierte Flächen nötig, die verschiedene Nutzungen kombinieren. Aspekte der Gestaltung und Sicherheit sind dabei in Einklang zu bringen.
Als Realisierungsträger der Freien und Hansestadt Hamburg ist der Landes- betrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) unter anderem für die Pla- nung und Umsetzung von wasserwirtschaftlichen Maßnahmen zuständig.
Dazu gehören Regenwasserbehandlungsanlagen (RWBA), die stark ver- schmutzen Niederschlagsabfluss von Straßenoberflächen reinigen, bevor das Abwasser in Gewässer eingeleitet werden darf. Aufgrund von erhebli- chen Flächenkonkurrenzen im urbanen Raum, gilt es multifunktional und in- tegrativ in den städtischen Lebensraum zu planen. Ein Baustein der integra- tiven Planung ist die Sicherheit, um Anlagen erlebbar und multikodiert her- stellen zu können.
Ein Retentionsbodenfilter (RBF) reinigt das Abwasser und kombiniert dabei den effektiven Feststoffrückhalt, Abbau der Organik und den dauerhaften Rückhalt von partikelgebundenen Stoffen (DWA-A 178). In der Vorstufe wer- den Leichtstoffe abgeschieden und Grobstoffe zurückgehalten. Im vertikal
Integration von Regenwasserbehandlungsanlagen in urbane Räume
durchströmten, abgedichteten und gedrosselt betriebenen Filterbecken fin- det neben der Filtration zusätzlich eine Reinigung durch die Aktivität von Mik- roorganismen statt. Der Filterkörper ist mit Schilf (Phragmites australis) be- pflanzt.
Um innerstädtische Flächen für RWBA wie RBF nutzen zu können, verfolgt der LSBG zwei Ansätze: eine systematische Gefährdungsbeurteilung (LSBG 2021), die das Umfeld und integrative Gestaltungsmöglichkeiten berücksich- tigt, und die naturnahe Gestaltung der RWBA.
2 Gefährdungsbeurteilung von RWBA
Ersticken, Ertrinken, Abstürzen, Eiseinbruch sowie Vergiftung oder Infektion durch hygienerelevante Bakterien im Abwasser stellen das Gefährdungspo- tential für Menschen ausgehend von RWBA dar. Sicherungsmaßnahmen sind zudem entsprechend den Anforderungen des Umfelds auszuwählen.
Relevante Anlageneigenschaften für die Gefährdung ausgehend von der An- lage sind beispielsweise Wassertiefen, Böschungsneigung, Absturzhöhen, Kriechöffnungen und Infektionsgefahren durch das Wasser. In Abhängigkeit vom räumlichen Umfeld wird eine Schutzzielstufe (SZS) von 1 (geringes Ge- fährdungspotential) bis 3 (hohes Gefährdungspotential) festgelegt. Die SZS 3 ist beispielsweise einzuhalten, sofern ein Aufenthalt von unbeaufsichtigten Kindern offensichtlich ist (z. B. Kindertagespflege, Spielstraße) oder die Er- kennbarkeit und Einschätzbarkeit der Gefährdung unzureichend ist.
Bei Integration von RWBA in urbane Räume stellt die SZS 3 die größte Her- ausforderung dar und fällt regelhaft in den Planungen des LSBG an. Wasser- tiefe, Böschungsneigung und Gestaltung der Böschung müssen entspre- chend umfeldverträglich gewählt werden, damit sich die Anlage in die Um- gebung einfügen lässt.
Für einen RBF, der in einen Park integriert werden soll, ist es beispielsweise denkbar die Wassertiefe auf das auf Spielplätzen nach DIN 18034-1 zulässige Maß (0,4 – 0,6 m) zu begrenzen. Andernfalls sind sogenannte Kinderschutz- bermen (Flachwasserzonen) mit einer Wassertiefe von 40 cm von einem Me- ter Breite vorzusehen (vgl. DGUV 2020) oder die Böschungsneigung auf 1:10 abzuflachen. Zusätzlich sollten Warnschilder auf schwankende Wassertiefen und Eiseinbruchgefahr hinweisen.
Eine räumliche Abtrennung kann dennoch nötig werden. Als einfache Einfrie- dung genügen nach DIN 14210 1,10 m Zaunhöhe. Alternativ kann eine geeig- nete Hecke gesetzt werden. Eine temporäre Einfriedung während der An- wuchsphase ist jedoch in jedem Fall unverzichtbar, da die Oberfläche noch nicht stabil ist und die Gefahr des Versinkens besteht.
3 Naturnahe Gestaltung
3.1 Bepflanzung
Als Monokultur angepflanzt kann der mit Schilf bewachsene RBF das Land- schaftsbild negativ beeinflussen. In einem Pilotprojekt des LSBG für eine na- turnahe und biodiverse Gestaltung eines RBF wird daher eine alternative Pflanzenwahl verwendet: Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea), Gelbe Sumpfschwertlilie (Iris pseudacorus) und Blutweiderich (Lythrum salicaria).
Laut Dobner und Holthuis (2011) entsteht durch die Kombination von Rohr- glanzgras und Sumpfschwertlilie „eine intensive Durchwurzelung, Trocken- resistenz, Schadstofftoleranz und hohe Transpirationsraten eine geeignete Alternative zu konventioneller Schilfbepflanzung“, die sogar eine verbesserte Entfernung von Schadstoffen durch Phytoextraktion zulässt. Die Blüte des Blutweiderichs wirkt sich zudem positiv auf die Biodiversität und das Land- schaftsbild aus.
3.2 Abdichtung
DWA A-178 empfiehlt die Verwendung einer Kunststoffdichtungsbahn (KDB) zur Abdichtung eines RBF. Alternativ wird in dem pilotierten Projekt eine mi- neralische Dichtung eingesetzt, die die Durchlässigkeitsanforderung nach DWA M-176 mit einem Durchlässigkeitsbeiwert von 1*10-8 m/s erfüllt. In der Planung wurden außerdem Bedenken bzgl. Schrumpfrissen bei Trocknung, Tiergänge und Durchwurzelung, Auftriebsgefahr, Filterstabilität und chemi- sche Beständigkeit überprüft. Die gewählte mineralische Abdichtung ist für den Ersatz der KDB im pilotierten Projekt geeignet.
4 Schlussfolgerungen und Ausblick
Die Integration von RWBA in urbane Räume, um sie erlebbarer und biodiver- ser mit besserer Aufenthaltsqualität herzustellen, ist herausfordernd aber
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möglich und nötig. Innovative Ansätze zur Gestaltung können dies ermögli- chen und so neben der Reinigung des Abwassers vor Einleitung einen positi- ven Beitrag zur Biodiversität leisten und ein attraktives Landschaftsbild schaffen ohne notwendige Sicherheitsaspekte zu vernachlässigen.
Danksagung – Die Autorenschaft dankt Leon Saam. Dieser Beitrag wird als Teil von Biodiverse Cities, ein Interreg-Projekt der Nordseeregion, durch die Europäische Union kofinanziert.
5 Literatur
LSBG (2021): Gefährdungsbeurteilung für Regenwasserbehandlungsanlagen.
Berichte des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer Nr.
18/2021. Hamburg 2021.
DWA-A 178, Retentionsbodenfilteranlagen. Arbeitsblatt, Stand Juni 2019.
Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.
(DWA).
Dobner, Ingo und Holthuis, Jens-Uwe (2011): Praxiserprobung und technische Optimierung eines neuartigen Hochleistungs-Pflanzenfilterverfahrens zur Behandlung belasteter Niederschlagswässer, AiF-Vorhaben-Nr: 15508 N/1 und N2, (Bremen, 2011)
DWA-M 176 Hinweise zur konstruktiven Gestaltung und Ausrüstung von Bauwerken der zentralen Regenwasserbehandlung und -rückhaltung.
Merkblatt, Stand November 2013.
DIN 14210: Künstlich angelegte Löschwasserteiche. Deutsches Institut für Normung e.V.
DIN 18034-1: Spielplätze und Freiräume zum Spielen – Anforderungen für Planung, Bau und Betrieb. Deutsches Institut für Normung e.V.
DGUV 2020: Außenspielflächen und Spielplatzgeräte Information 202-022.
Deutsche gesetzliche Unfallversicherung.
Autorinnen:
Dr.-Ing. Karlotta-Franziska Seitz; karlotta-franziska.seitz@lsbg.hamburg.de Ulrike Heermann; ulrike.heermann@lsbg.hamburg.de
Claudia Brüning; claudia.bruening@lsbg.hamburg.de
Prof. Dr. Gabriele Gönnert; gabriele.goennert@lsbg.hamburg.de Hydrologie und Wasserwirtschaft
Gewässer und Hochwasserschutz
Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (Hamburg) Sachsenfeld 3-5
20097 Hamburg
Tel.: +49 40 428 26 2873