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Konfigurationen zwischen Spiritismus, Wissenschaft und Literatur bei William und Henry James

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Academic year: 2022

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Spiritismus, Wissenschaft und Literatur bei William und Henry James

Magisterhausarbeit im Fach Nordamerikastudien John F. Kennedy-Institut

Freie Universit¨ at Berlin Philipp Albers Matrikelnummer 3178193 Chausseestr. 131, 10115 Berlin

Tel. 030 / 281 4216

E-Mail: philipp.albers@berlin.de Betreuer: Prof. Dr. Heinz Ickstadt

Januar 2002

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 3

2 Okkulte Medien / Medien des Okkulten 8 2.1 Geisterverkehr . . . 9 2.2 Mesmer und seine Fluida . . . 11 2.3 Harmonie, Kommunikation, Elektrizit¨at: Die spiritistische Kos-

mologie des Andrew Jackson Davis und ihre literarische ¨Uber- bietung bei Edgar Allan Poe . . . 14 2.3.1 Harmonie und Hierarchie . . . 18 2.3.2 Harmonie und Kontakt . . . 23 2.3.3

”Mesmeric Revelation“: Literarisierung des Davis’schen Diskurses . . . 25 2.4 Klopfger¨ausche und leuchtende H¨ande: Spiritismus als Gei-

stertelegraphie . . . 28

3 ”The Unclassified Residuum“ 31

3.1 William James’ Formulierung des epistemologischen Dilem- mas des Spiritismus . . . 33 3.2 Die Gr¨undung derSociety for Psychical Research: Experimen-

talisierung des Spiritismus . . . 36 3.3 ”The Hidden Self“: Die Konzeption und Bedeutung des Sub-

liminalen bei James . . . 47 3.3.1 Grenzf¨alle des Bewußtseins in den Principles of Psy-

chology (1890) . . . 48 3.3.2 Exkurs: Frederic Myers und die automatischen Auf-

zeichnungen und ¨Ubertragungen des Subliminal Cons- ciousness . . . 55 3.4 Das subliminale Bewußtsein in James’ Untersuchungen ¨uber

”Exceptional Mental States“ und in denVarieties of Religious Experience . . . 66

1

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4 ”Mystic Enlargement of Vision“ 69 4.1 ”A Splendid Presence“:

”Sir Edmund Orme“ . . . 73 4.2 Die Inszenierung epistemologischer Konflikte in The Turn of

the Screw . . . 76 4.3 Geist, Doppelg¨anger, Projektion: Entgrenzungen des Sublimi-

nalen in

”The Jolly Corner“ . . . 82

5 Schluß 86

5.1 ”Carrying the Field of Consciousness Further and Further“:

William und Henry James ¨uber Unsterblichkeit . . . 86 5.2 Resum´ee . . . 91

Literaturverzeichnis 93

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Kapitel 1 Einleitung

Okkultismus und Magie erleben in der zweiten H¨alfte des neunzehnten Jahr- hunderts, insbesondere seit 1880, eine Renaissance sowohl in Amerika als auch Europa. Diese

”Wiederkehr der Magie“1 schl¨agt sich nieder in einer vielseitigen Besch¨aftigung mit okkulten und magischen Ph¨anomenen in reli- gi¨osen, wissenschaftlichen und literarischen Diskursen. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem 1848 mit den ber¨uhmten

”Rochester Rappings“ der Geschwister Fox einsetzenden modernen Spiritismus zu. Diese heterogene, keineswegs einheitliche Bewegung erlangte in den 1850ern enor- me Verbreitung und Popularit¨at in den USA. Die Bedeutung des Spiritismus beschr¨ankt sich jedoch nicht auf die Dekade vor Beginn des B¨urgerkriegs – auch und gerade in den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts spielt der Spiritismus eine wichtige Rolle in der amerikanischen Kultur. Wei- terhin ist zu betonen, daß der Spiritismus zwar in Amerika entsteht und dort besonders ausgepr¨agt ist, daß er jedoch auch in den europ¨aischen L¨andern, insbesondere in England, Frankreich, Deutschland und Italien, gleichermaßen Bedeutung erlangt hat. Viele bekannte amerikanische Medien haben Tour- neen in Europa unternommen, traten in Pariser Salons oder in Londoner Vortragss¨alen auf, und trugen so zur Verbreitung des Spiritismus in Europa bei.

Dieses Auftauchen des Spiritismus in der Mitte des neunzehnten Jahr- hunderts, also in einer Epoche, die von zunehmender S¨akularisierung, wis- senschaftlichem Positivismus und tiefgreifenden technologischen Neuerungen gepr¨agt ist, stellt ein Ph¨anomen dar, dessen kulturgeschichtliche und wis- senschaftshistorische Bedeutung bis dato nur unzureichend untersucht wor- den ist und das eine Reihe von Fragen aufwirft: Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem Verlust der gesellschaftlichen Deutungsmacht eines

1So der Untertitel der Studie von Stockhammer (2000).

3

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christlich gepr¨agten Weltbildes zugunsten rationalistisch-wissenschaftlich ge- pr¨agter Deutungsschemata einerseits und dem gleichzeitigen Aufstieg unter- schiedlicher Formen okkulter bzw. esoterischer

”privater“ Erfahrungsreligio- sit¨at (vom Spiritismus ¨uber den Transfer und die Aneignung fern¨ostlicher Religionen und Meditationstechniken bis hin zu Madame Blavatskys Theo- sophie) andererseits? Welche Rolle spielen die spiritistischen Praktiken und Theorien in der Ordnung des Wissens? Welche Interaktionen finden statt zwischen den spiritistischen Fallgeschichten mit ihren vielf¨altigen Ph¨anome- nen einerseits und der im Entstehen begriffenen Psychologie andererseits?

Die Arbeit verfolgt das Ziel, den Spuren dieser diskursiven Gemengelage im sp¨aten neunzehnten Jahrhundert nachzugehen, in der sich wissenschaftli- che mit okkulten, parapsychologische mit literarischen Elementen ¨uberkreu- zen. Der moderne Spiritismus stellt keine monolithische Diskursformation dar, vielmehr handelt es sich um eine heterogene Vielfalt diskursiver Prakti- ken, okkulter Theoreme und philosophischer Positionen, die die unterschied- lichsten Felder des Wissens von den R¨andern her infiltriert. Der moder- ne Spiritismus bildet Konfigurationen mit anderen Wissensfeldern, er findet Eingang in die empirischen Wissenschaften, in Medizin und Psychologie, in die Philosophie und in die Literatur. Umgekehrt partizipieren diese Diskurse am Spiritismus: er wird nicht nur zum Objekt ihres Wissens sondern seine Vorstellungen von

”psychischen Kr¨aften“ und geisterhaften Manifestationen, seine rhetorischen Figuren informieren diese Diskurse.

In exemplarischer Weise manifestieren sich die Knotenpunkte dieses in- stabilen Diskursensembles in den Texten zweier bedeutender Exponenten der amerikanischen Kultur des sp¨aten neunzehnten Jahrhunderts: den beiden Br¨udern Henry und William James. Schriftsteller der eine, Philosophie- und Psychologieprofessor der andere.

William James besch¨aftigte sich Zeit seines Lebens – beginnend mit der Rezension eines spiritistischen Traktats im Jahre 1869 bis zu seinem letzten Lebensjahr 1910 – auf vielf¨altige Weise mit spiritistischen Ph¨anomenen. Die vorliegende Studie versucht zu zeigen, daß es sich dabei nicht um ein bloß marginales Thema im Œuvre von William James handelte. Die von ihm untersuchten Grenzph¨anomene stehen vielmehr in engem Zusammenhang mit zentralen Problemfeldern seines Denkens, mit seiner Psychologie, aber auch mit seinem Entwurf einer pragmatistischen Philosophie.

Henry James war gegen¨uber der viktorianischen Mode der spiritistischen Zirkel und S´eancen eher reserviert eingestellt. Dennoch findet das Okkul- te auf unterschiedlichen Ebenen Eingang in zentrale Texte, etwa in The Turn of the Screw. James beschreibt in seinen

”ghostly tales“ in extenso Geistererscheinungen, aber auch in nicht explizit ¨ubernat¨urlichen Geschich- ten werden Relationen zwischen Personen, ihre Wahrnehmungsprozesse und

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Bewußtseinszust¨ande unter R¨uckgriff auf okkulte Muster beschrieben. Der Grenzbereich des Okkulten und ¨Ubernat¨urlichen liefert f¨ur den sp¨aten Ja- mes Metaphern und Modelle f¨ur ein ¨asthetisches Bewußtsein im Angesicht ultimativer, sublimer Erfahrungen.

Die Arbeit m¨ochte sich jedoch nicht mit dem Aufweis der Rolle, die spiriti- stische und okkulte Elemente im Werk von William und Henry James spielen, begn¨ugen; es geht ihr nicht um eine bloße Rekonstruktion von

”Einfl¨ussen“.

Die Frage ist deshalb nicht, inwiefern etwa okkultistische Quellen und die Untersuchung spiritistischer Praktiken Eingang in die Psychologie von Wil- liam James gefunden haben oder inwieweit spiritistische Fallgeschichten als motivisches Arsenal f¨ur die Geistergeschichten eines Henry James dienten.

Es geht vielmehr um die Austauschbeziehungen zwischen diesen unterschied- lichen Diskursen, die sich in ihren ¨Uberschneidungen und Abgrenzungen von- einander zugleich gegenseitig voraussetzen und erm¨oglichen. Es geht um den interdiskursiven Transfer der Zeichen und um die vielf¨altigen Umcodierun- gen, die diese dabei erfahren.

Der moderne Spiritismus stellt keineswegs eine simple Gegenbewegung zum herrschenden Positivismus und Naturalismus der Wissenschaften dar, sondern ist auf sehr enge und komplexe Weise mit ihm verkn¨upft. Der Spi- ritismus ist keine unzeitgem¨aße Verirrung in den Aberglauben, sondern ein kulturhistorisch ¨außerst komplexes Ph¨anomen, das in zentrale Konflikte im Denken des neunzehnten Jahrhunderts involviert ist. Dazu geh¨oren z. B.

die Debatten ¨uber Materialismus und Idealismus, Auseinandersetzungen um physikalische und metaphysische Theorien des ¨Athers, die Entdeckung des Unbewußten und die Spaltung des Subjekts, oder die Entdeckung und Sicht- barmachung

”unsichtbarer Welten“ (z. B. durch Photographie und R¨ontgen- apparate). Nicht zuletzt ist die spiritistische Kommunikation mit den Gei- stern Verstorbener eng verbunden mit den zur selben Zeit entstehenden tech- nischen Kommunikationsmedien, vor allem mit dem elektrischen Telegraphen und seiner M¨oglichkeit einer quasi instantanen, bidirektionalen Kommunika- tion ¨uber große Distanzen. ¨Ahnliches ließe sich am Ende des neunzehnten Jahrhunderts f¨ur die entstehende Radiotechnik aufzeigen, die erneut ein Mo- dell f¨ur den Geisterverkehr abgibt und deren Diskurs selber von spiritistischen Spekulationen durchsetzt ist.

Als”Anomalie“ im diskursiven Gef¨uge des sp¨aten neunzehnten Jahrhun- derts irritiert der Spiritismus mit seinen

”seltsamen“ Ph¨anomenen und seiner hyperbolischen Rhetorik die herrschende epistemologische Ordnung. Verbun- den ist er darin mit zwei weiteren Komplexen, die zur gleichen Zeit eben- falls die epistemologischen Grundlagen des Wissens ersch¨uttern: Psyche und Technik. Insbesondere die von den sich seit Mitte des neunzehnten Jahrhun- derts formierenden neuen empirischen Wissenschaften vom Menschen her-

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vorgebrachten Erkenntnisse ¨uber bisher ungekannte,

”paranormale“ Leistun- gen der menschlichen Psyche (hierbei sind vor allem die Forschungen ¨uber Hypnose und die damit verbundenen Ph¨anomene alternierender oder sogar multipler Pers¨onlichkeit zu nennen) irritieren das dominante Wissen der Zeit.

Gleiches gilt f¨ur die neuen technischen ¨Ubertragungs- und Speichermedien, die um 1900 ein neues

”Aufschreibesystem“ (Kittler) instituieren. Ihnen wer- den vielfach magische Wirkungen zugeschrieben und sie produzieren phan- tasmatische Effekte wie die Vorstellung einer

”spiritual telegraphy“, oder die M¨oglichkeit von

”Geisterphotographie“.2 Der Spiritismus ist innerhalb dieser Konstellation neuer Wissensformen und Technologien zu verorten; er bewegt sich, wie Robert Stockhammer k¨urzlich ausgef¨uhrt hat, im Span- nungsfeld von

”Psychomagie“,

”Technomagie“ und

”Wortmagie“ (also dem Feld von Literatur und Dichtung).3 Dabei bildet er jedoch keine konsistente, homogene Diskursformation im Sinne Foucaults, deren Aussageregeln, Prak- tiken und Produktionsbedingungen sich diskursanalytisch eindeutig angeben ließen. Vielmehr sind Okkultismus und Spiritismus um die Jahrhundertwen- de heterogene Komplexe, die in ganz unterschiedliche Wissensfelder diffun- dieren, sich in ihren Praktiken in metaphorischer und nichtmetaphorischer Weise mit technischen Apparaten verflechten, und sich gleichsam parasit¨ar an wissenschaftliche Experimentalkonfigurationen und Argumentationsfigu- ren anheften. Sie sind, wie Stockhammer im Hinblick auf die Rolle der Magie um 1900 insgesamt dargelegt hat,

”Verfahren zum Umgang mit Randzonen“

und gewinnen den Status einer

”omnipr¨asente[n] Marginalit¨at“.4 Der Befund einer omnipr¨asenten Marginalit¨at kann vor einem zweifachen Mißverst¨and- nis bewahren: erstens vor dem Mißverst¨andnis, den Spiritismus als eine un- terdr¨uckte oder gar subversive Wissensform zu verstehen, deren verdr¨angte Geschichte es nun zu schreiben gelte. Zweitens vor dem Mißverst¨andnis, im Spiritismus bloß eine fehlgeleitete ¨Uberspitzung – gleichsam die okkulte Kehrseite – eines positivistischen Erkenntnismodells zu sehen, das auf einer naiven Wissenschaftsgl¨aubigkeit beruht, die ihr Vertrauen in die empirisch- wissenschaftliche Demonstrierbarkeit von

”Fakten“ setzt.

Stattdessen ist nachzuvollziehen, wie die Einlagerung von Spiritismus und Okkultismus in das Diskursgef¨uge am Ende des neunzehnten Jahrhunderts diese zugleich herausfordert, reproduziert und transformiert. Zeitgen¨ossi- sche Etikettierungen, die den Spiritismus als

”irrational“,

”naiv“, oder

”Irr- glauben“ kennzeichnen, sind nicht als gegeben zu verstehen, sondern als nachtr¨agliche Effekte von Prozessen und Verhandlungen, in denen solche

2Vgl. Kittler (1986), pp. 22–25. Im Hinblick auf Geisterphotographie bemerkt Kittler:

Medien liefern schon immer Gespenstererscheinungen“ (p. 22).

3Stockhammer (2000).

4Stockhammer (2000), p. x.

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Zuschreibungen keinesfalls evident sind. Solche Zuschreibungen, die etwa den Spiritismus als naiven Aberglauben dem wissenschaftlichen Wissen ge- gen¨uberstellen, sind also Ergebnis von agonalen Konflikten, nicht ihre Ursa- che.5

Im Verh¨altnis von Spiritismus und Literatur ist zu untersuchen, wie sich Figurationen des Okkulten in die Literatur einschreiben, wie das spiritistische Wissen poetisiert wird. Die Literatur erm¨oglicht die Inszenierung, Anord- nung, und Infragestellung von Wissensdiskursen. Sie ist auch der privilegierte Ort f¨ur Manifestationen deklassierter bzw. marginalisierter Wissensformen, die im Zuge ihrer ¨asthetischen Umschreibung aufgewertet und refunktionali- siert werden.

Schematisch zusammengefaßt: Die Arbeit nimmt das Verh¨altnis von Wis- senschaft und Literatur bei William und Henry James in den Blick. Die Kopplung beider Bereiche wird dabei ¨uber ein Drittes hergestellt: den Spiri- tismus. Dieser fungiert einerseits als Objekt von Wissensanordnungen, expe- rimentellen Beobachtungsstrategien, sowie literarischen Texten. Der Spiri- tismus ist auf vielf¨altige Weise thematisch pr¨asent: in wissenschaftlichen Un- tersuchungen von Geistererscheinungen, in minuti¨osen Beschreibungen von S´eancen, in literarischen Umschreibungen von Geistergeschichten. Anderer- seits tritt er auf als Modell f¨ur solche Wissensanordnungen (z. B. in auf dem spiritistischen Geisterverkehr fußenden Konzeptionen des Unbewußten als ¨Ubertragungsmedium einer h¨oheren Wirklichkeit) und als Modell f¨ur die poetische Konstitution literarischer Texte (z. B. in der Effektivit¨at litera- rischer Texte als actio in distans, als Fernwirkung, die Lesen als einen der Telepathie ¨ahnlichen Prozeß konzipiert). Die Relationen und Interferenzen zwischen diesen Bereichen sollen also im folgenden vervielf¨altigt werden, an- statt sie durch Dominantsetzung eines Bereichs und monokausale Erkl¨arun- gen zu reduzieren.

5Siehe dazu die instruktiven Arbeiten von Bruno Latour, insbesondere das Kapitel

Tribunals of Reason“ in Latour (1987), pp. 179–213.

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Kapitel 2

Okkulte Medien / Medien des Okkulten: Der Spiritismus im Feld des Wissens ca. 1850

Kommunikation mit Engeln, Kontaktaufnahme mit der Geisterwelt, das Spre- chen mit den Toten – all das sind kultur- und religionsgeschichtlich bedeutsa- me und weit zur¨uckreichende Praktiken. Immer geht es dabei um die Span- nung zwischen der Suche nach einem unmittelbaren Kontakt mit dem G¨ottli- chen bzw. der Geisterwelt und der Notwendigkeit einer medialen Vermittlung der Kommunikation. Um mit der Welt der G¨otter und Geister in Verbindung zu treten, muß auf Codes (z. B. Sprachen der G¨otter, Zeichen g¨ottlicher Of- fenbarung, die der Auslegung bed¨urfen, magische Beschw¨orungsformeln, oder die inspirierten Sprachen des Zungenredens), Kommunikationskan¨ale (etwa Orakel oder heilige Orte und ihre Architektur), rituelle Praktiken (z. B.

Opfer) und K¨orpertechniken (Trance- und Ekstasetechniken, Askese, Dro- gen) zur¨uckgegriffen werden. Selbst die unio mystica ist nicht denkbar oh- ne spezifische K¨orpertechniken und kulturelle Praktiken, die das materiel- le Substrat – das Medium – der mystischen Verschmelzung bilden. Diese Spannung von Mediation und Unmittelbarkeit, von Verbindung und Tren- nung im Verh¨altnis von Selbst und Anderem, Menschlichem und G¨ottlichem bzw. Geisterhaftem steht in einer engen Wechselbeziehung mit den jeweiligen Kommunikationsformen und -medien, die einer Kultur zur Verf¨ugung stehen und ist dementsprechend in unterschiedlichen Kulturen und im Verlauf der Geschichte auf ¨außerst vielf¨altige Weise ausgestaltet worden. In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erf¨ahrt mit der explosionsartigen Verbreitung neuer Aufzeichnungs- und ¨Ubertragungsmedien der Begriff und das Problem

8

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der Kommunikation einen radikalen Bedeutungswandel.1 Die M¨oglichkeiten der neuen Kommunikationsmedien und die kulturellen Reflexionen, die sie evozieren, transformieren deshalb auch die Vorstellungen und Praktiken des Geisterverkehrs. Nirgendwo wird dies deutlicher als im modernen Spiritis- mus.

2.1 Geisterverkehr

Seit die Geschwister Fox am 31. M¨arz 1848 in einem Vorort von Rochester, im Burned-Over-District von New York erstmals mit Hilfe von Klopfger¨auschen mit dem Geist eines angeblich im selben Haus ermordeten Hausierers kommu- nizierten, hat sich der Diskurs des Okkultismus gewandelt und man spricht bereits kurze Zeit sp¨ater vom

”modernen“, vom

”neueren“ oder auch vom

”wissenschaftlichen“ Spiritismus.2

Ganz allgemein l¨aßt sich der moderne Spiritismus definieren als eine spe- zifische Form des Glaubens an die Unsterblichkeit der Seele. Nach spiritisti- scher Vorstellung ¨uberlebt die menschliche Seele den Tod des K¨orpers und lebt im Jenseits (das h¨aufig als

”summer-land“ bezeichnet wird) weiter. Ent- scheidend f¨ur den Spiritismus ist dabei der Umstand, daß die Geister oder Seelen der Verstorbenen aus dem Jenseits mit uns Lebenden auf der Erde

1So legt Peters (1999) den Schwerpunkt seiner

Geschichte der Idee der Kommunikati- on“ auf das neunzehnte Jahrhundert. Vgl. auch seine Einsch¨atzung:

[...] only in [William]

James’s lifetime (1842–1910) did communication acquire its grandeur and pathos as a con- cept“ (p. 5).

2Geschichten des Spiritismus gibt es viele, kaum jedoch eine, die die kultur- und wis- senshistorische Bedeutung und Funktion des Spiritismus ausleuchtet.

Geschichten“ des Spiritismus erscheinen bereits, als die Bewegung nur wenige Jahre alt ist, und alle erz¨ahlen aufs Neue die Ursprungsgeschichte der Entdeckung der Geisterkommunikation im Haus der Foxes, zumeist in propagandistischer oder in polemisch-denunzierender Absicht. (Zu die- sen fr¨uhen Berichten und der Kontroverse um die

Fox Ph¨anomene“ siehe die Zusammen- fassung in Podmore (1902), I, pp. 179–201.) Als typisch f¨ur ersteren Fall kann Hardinge (1870/1970) angesehen werden. Podmore (1902), h¨aufig heute noch als Standardwerk zitiert, liefert eine gr¨undliche, selbst f¨ur viele Mitglieder der Society for Psychical Rese- arch– der Podmore angeh¨orte – zu kritisch-skeptische Darstellung. Aus pro-spiritistischer Sicht dann wieder die zweib¨andige Arbeit des Autors von Sherlock Holmes, Sir Arthur Co- nan Doyle (1926). An neueren Arbeiten sind zu nennen: Nelson (1969), der erste Teil der vorz¨uglichen kulturgeschichtlichen Studie von Moore (1977); ¨ahnlich, aber auf Großbritan- nien bezogen Oppenheim (1985); die Reaktionen auf den Spiritismus in der amerikanischen Literatur untersucht Kerr (1972); den Zusammenhang von Frauenrechtsbewegung und Spi- ritismus beleuchtet Braude (1989); eine religionsanthropologisch inspirierte Analyse liefert Carroll (1997); ein kurzer, aber sehr instruktiver Abriß des Spiritismus im Hinblick auf seine wichtige Bedeutung f¨ur die Geschichte der Kommunikation und ihrer Medien im neunzehnten Jahrhundert findet sich bei Peters (1999), pp. 89–108 und passim.

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Kontakt aufnehmen und kommunizieren k¨onnen. Was den Spiritismus von anderen Formen des Geisterglaubens unterscheidet, ist die Art und Weise, wie der Geisterverkehr inszeniert wird. Die Kontaktaufnahme mit den Toten findet statt in S´eancen, die in kleinen, privaten Zirkeln in den abgedunkelten Salons viktorianischer H¨auser abgehalten werden; der Geisterverkehr wird aber auch ¨offentlich in großen Vortragss¨alen vorgef¨uhrt. Hunderte von priva- ten und professionellen Medien veranstalten seit der Jahrhundertmitte solche S´eancen, in denen die Geister der Verstorbenen mit ihren auf der Erde zur¨uck- gebliebenen Verwandten, Geliebten oder Freunden kommunizieren, die als so- genannte

”sitters“ bei einer S´eance ¨uber das Medium diesen Kontakt suchen.

Die Medien fungieren dabei als Mittler zwischen der Geisterwelt und den S´eanceteilnehmern. Verfallen in einen der Hypnose ¨ahnlichen Zustand – der mediumistischen Trance – stellen sie den Kontakt her. Seltsames geschieht in diesen Sitzungen: Klopfger¨ausche ert¨onen; Tische, St¨uhle und andere M¨obel bewegen sich wie von Zauberhand gef¨uhrt durch den Raum; es wird auf un- sichtbaren Instrumenten musiziert; irisierende Leuchterscheinungen tauchen auf und verschwinden wieder; die Geister schreiben mit unsichtbarer Hand Botschaften auf ein Blatt Papier, das zuvor zusammen mit einem Stift in einer Holzkiste oder einem anderen Gef¨aß eingeschlossen wurde (diese Botschaften wurden oftmals in Spiegelschrift oder fremden Sprachen verfaßt); und seit et- wa 1870 materialisieren sich die Geister als mit durchscheinenden Umh¨angen behangene Wesen und werden auf sogenannten Geisterphotographien fest- gehalten. Neben diesen

”physikalischen“ Manifestationen (die so genannt werden, weil in ihnen die Geister in der sichtbaren, physischen Realit¨at er- scheinen bzw. in diese eingreifen) kann in den

”psychischen“ Manifestationen das Medium selbst zum Sprachrohr der Geister werden: in Trance entr¨uckt, beginnt das Medium in fremden Zungen zu sprechen oder automatisch zu schreiben, oder es wird von einem sogenannten

”control-spirit“ besessen, der Kontakt zu anderen Geistern herstellt, die auf diese Weise durch das Medium hindurch sprechen und den S´eanceteilnehmern Trost und Rat spenden.

Diese Ereignisse erregten unerh¨ortes Aufsehen – der Spiritismus ist ohne Zweifel eines der großen sensationalistischen (Medien-)Spektakel des neun- zehnten Jahrhunderts, in dem sich die unterschiedlichsten religi¨osen, kos- mologischen und wissenschaftlichen Vorstellungen synkretistisch miteinander vermengen; ein Spektakel, an dem Gaukler, Scharlatane und selbsternannte

”Professoren“ ihr Geld verdienen; ein Spektakel, das in den unterschiedlich- sten Reformbewegungen – Frauenbewegung, Abolitionismus, Vegetarismus, etc. – Anh¨anger und Verb¨undete findet; ein Spektakel schließlich, das heftige Reaktionen auf Seiten seiner Anh¨anger wie seiner Gegner evoziert, und an dem sich nicht zuletzt die literarische Imagination entz¨undet.

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2.2 Mesmer und seine Fluida

Der Spiritismus stellt einen signifikanten Einschnitt in der Geschichte des ok- kulten Denkens und des Geisterglaubens dar, der zugleich das Denken ¨uber Kommunikation und ¨uber die F¨ahigkeiten des Bewußtseins im neunzehnten Jahrhundert ver¨anderte und der selbst wiederum von zur gleichen Zeit statt- findenden Innovationen auf diesen Gebieten, insbesondere der Einf¨uhrung der elektrischen Telegraphie durch Samuel F. B. Morse 1843, ver¨andert worden ist. Dennoch gibt es zweifellos eine Vorgeschichte des modernen Spiritis- mus, in dem diverse okkulte, religi¨ose und wissenschaftliche Traditionen zu einer neuen Form des Okkultismus kondensieren. Der wichtigste Vorl¨aufer des Spiritismus ist sicherlich der Ende des achtzehnten Jahrhunderts entste- hende Mesmerismus, an dem sich bereits wesentliche der f¨ur den Spiritismus virulenten Strukturen aufzeigen lassen.

Franz Anton Mesmer (1734–1815) war als Arzt vor allem in Wien und Paris t¨atig und entwickelte eine Heilmethode, die als

”animalischer“ Ma- gnetismus,

”thierischer Magnetismus“ oder eben schlicht als

”Mesmerismus“

bekannt geworden ist.3 Er definierte den von ihm 1775 entdeckten animali- schen Magnetismus als eine ¨außerst feine physikalische Substanz, als ein den ganzen Kosmos und alle K¨orper durchdringendes universelles

”Fluidum“, das von Organismus zu Organismus und vom Organismus zum Kosmos fließt und das, wie der physikalische Magnetismus, auf Distanz wirkt. Mit sei- ner Fluidaltheorie bewegt sich Mesmer, der sich als Aufkl¨arer verstand, im Feld der g¨angigen, wenn nicht avancierten naturwissenschaftlichen Theorien und Termini des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts.4 Das magnetische Fluidum sollte nach Mesmers Vorstellung mittels ¨Ubertragung vom Arzt auf den Patienten die durch Stockungen der K¨orpers¨afte hervorgerufenen Krank- heiten heilen. Damit verbindet er auf eigent¨umliche Weise die Vorstellung von Magnetismus (und Elektrizit¨at) als einem Fluidum, das sich unter ge- wissen Umst¨anden von einem K¨orper auf einen anderen ¨ubertragen l¨aßt, mit der zuerst von Descartes postulierten Idee eines Nervenfluidums. Zirkulati- on, Kommunikation und ¨Ubertragung dieses unsichtbaren Fluidums nehmen einen prominenten Platz in Mesmers System ein. ¨Ahnliches gilt, wenn auch in anderer Form, f¨ur den aus dem Mesmerismus hervorgehenden Spiritismus.

1778 tauchte Mesmer in Paris auf und praktizierte dort als Arzt bis 1784,

3Zu Mesmer und Mesmerismus siehe Darnton (1968/1986) und Wolters (1988).

4Zum Ort Mesmers im wissenschaftlichen Feld des achtzehnten Jahrhunderts vgl. Darn- ton (1968/1986), pp. 13–49, zur Verbreitung von Fluidaltheorien pp. 18–20. Darnton res¨umiert:

Tats¨achlich gab es genug Fluida, die von gen¨ugend Wissenschaftlern und Philosophen propagiert wurden, um den Kopf eines jeden Lesers im 18. Jahrhundert zu verwirren“ (p. 20).

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allerdings ohne Approbation der medizinischen Fakult¨at. Mesmers unortho- doxe Behandlungsmethode wurde rasch Mode und l¨oste einen wissenschaft- lichen und politischen Skandal im Paris des Anci`en Regime aus. Er hatte zun¨achst mit dem Auflegen von Magneten experimentiert, sp¨ater bestrich er die K¨orper seiner Patienten nur mit seinen H¨anden und konnte sogar Wir- kungen erzielen, wenn die H¨ande den K¨orper des Patienten gar nicht ber¨uhr- ten. Daraus schloß er, daß er selber ¨uber magnetische Kr¨afte verf¨uge, die er auf seine Patienten ¨ubertragen k¨onne. Zur Speicherung, Verst¨arkung und Ubertragung des animalisch-magnetischen Fluidums entwarf Mesmer ein so-¨ genanntes

”magnetisches Pult“, das sp¨ater in Paris alsbaquetbezeichnet wur- de. Dasbaquet bestand aus einem h¨olzernen Zuber, der mit Glassplittern und Eisensp¨anen gef¨ullt wurde. Diese wurden mit Wasser bedeckt und schließ- lich der Zuber zugedeckt. Durch den Deckel steckte Mesmer Eisenst¨abe, die am aus dem Zuber herausragenden Ende abgewinkelt und deren Enden zugespitzt waren. Durch feuchte Seile, die den Patienten um Hand- oder Fußgelenke gebunden wurden, konnten diese an das baquet

”angeschlossen“

werden. In den Mesmerschen S´eancen versammelten sich mehrere Teilneh- merinnen (seine Patienten waren zumeist weiblichen Geschlechts) um das baquet herum, das von Mesmer zuvor magnetisch

”aufgeladen“ worden war, und richteten die Spitzen der Eisenst¨abe auf ihre K¨orper. Verbunden durch H¨andehalten oder die eben erw¨ahnten Schn¨ure, floß das magnetische Fluidum durch die K¨orper der Anwesenden und ¨ubte so seine heilenden und

”harmo- nisierenden“ Wirkungen aus. Die magnetische Wirkung wurde h¨aufig durch Musik verst¨arkt, die Mesmer selbst auf der Glasharmonika, einem von Atha- nasius Kircher erfundenen und sp¨ater von Benjamin Franklin verbesserten Instrument, spielte.5

Das baquet und das Setting der mesmeristischen S´eancen verweisen auf die Geschichte der Elektrizit¨at, auf Elektrisiermaschinen, Leydener Flaschen und den von Franklin erfundenen Blitzableiter. Der Mesmerismus ist nicht denkbar ohne den Elektrizit¨atszauber des achtzehnten Jahrhunderts. Das ist in struktureller Hinsicht bedeutsam: Mesmer greift Ph¨anomene der da- maligen Experimentalwissenschaften (z. B. elektrische Entladungen, Expe- rimente mit Magneten, etc.) auf, transformiert sie und bindet sie in sein System des animalischen Magnetismus ein. Das ist m¨oglich, weil Ende des achtzehnten Jahrhunderts die Ph¨anomene des Magnetismus und insbesonde- re der (statischen) Elektrizit¨at zwar experimentell erzeugt, aber noch nicht physikalisch-mathematisch beschrieben werden konnten. Dieses Defizit, die- se L¨ucke zwischen experimentellem Effekt und ad¨aquater Theorie f¨uhrte zur

5Vgl. die Abbildungen mesmeristischer S´eancen in Darnton (1968/1986), pp. 15, 16 und 19.

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Aneignung und Transformation dieser Ph¨anomene in magischen, okkulten, und (para-)wissenschaftlichen Diskursen und Kosmologien. Elektrizit¨at und Magnetismus erscheinen als vitale Kr¨afte und kosmologische Prinzipien, ih- nen werden okkulte bzw. magische Eigenschaften zugeschrieben. Eine ganz

¨ahnliche Bewegung l¨aßt sich dann ein halbes Jahrhundert sp¨ater beim Spiri- tismus beobachten, wenn auch unter den ver¨anderten Bedingungen des wis- senschaftlichen Denkens in der zweiten H¨alfte des neunzehnten Jahrhunderts.

Wichtiger noch sind vielleicht die psychischen Effekte, die in den mes- meristischen S´eancen erzielt wurden: seine Patientinnen gerieten in Krisen- zust¨ande, verfielen in hysterische Konvulsionen oder wurden ohnm¨achtig.

Die wichtigste Erscheinungsform dieser nach Mesmers Ansicht durch ¨Uber- tragung des magnetischen Fluidums, nach Ansicht seiner Gegner durch blo- ße Suggestion induzierten Zust¨ande war sicherlich der Somnambulismus, al- so das, was man heute als Trance oder Hypnose bezeichnen w¨urde.6 Im somnambulen Zustand befand sich der Patient im Rapport mit dem Magne- tiseur und gehorchte scheinbar willenlos dessen Befehlen. Die im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts immer wichtiger werdenden Debatten ¨uber Wil- lenskontrolle, Besessenheit, Faszination und Verf¨uhrungsmacht, die sich in der diabolischen Figur des Magnetiseurs bzw. Hypnotiseurs kristallisieren, haben hier ihren Ursprung.

Die durch Mesmers spektakul¨are Heilerfolge ausgel¨oste Debatte kreiste in der Hauptsache um folgendes Problem: Sind die Effekte der fluidalen Einwirkung beobachtbar und ist das Fluidum als Agens nachweisbar, oder entspringen sie bloß der Phantasie, handelt es sich also um Selbstaffektion durch Imagination? Eine zur Aufkl¨arung des Mesmerschen Treibens von Ludwig XVI. eingesetzte k¨onigliche Kommission (an der neben Lavoisier und Guillotin auch Benjamin Franklin beteiligt war) besch¨aftigte sich nicht so sehr mit Mesmers Heilerfolgen an sich, sondern wandte sich der Frage zu, ob die Existenz des animalischen Magnetismus nachweisbar sei, und kam zu einem negativen Ergebnis. Die Kommissare zogen den Schluß, daß alle Affektionen des K¨orpers auf Wirkungen der ¨ubersteigerten Einbildungskraft zur¨uckf¨uhrbar seien.7

Zusammengefaßt l¨aßt sich sagen: Mesmers Auftritte sind gekennzeichnet durch eine eigent¨umliche Mischung verschiedener Elemente: aufsehenerre- gende theatrale Inszenierungen mit Spektakelcharakter kommen zusammen

6Zur Bedeutung des Mesmerismus und der Entdeckung des

magnetischen Schlafs“

durch Mesmers Mitstreiter Puys´egur f¨ur die dynamische Psychologie und die Geschichte der Entdeckung des Unbewußten vgl. Ellenberger (1970/1996), Kapitel 2.

7Historisch l¨aßt sich an dieser Stelle die Entstehung des Diskurses der Suggestion veror- ten, der auch im Spiritismus und dann vor allem in der Psychologie des sp¨aten neunzehnten Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielen wird.

(15)

mit dem Anspruch auf Naturwissenschaftlichkeit und Aufkl¨arung, Gegner erheben den Vorwurf der Scharlatanerie, die mesmeristische Methode wird zu einem modischen Zeitvertreib der Pariser Salongesellschaft, in der Aus- einandersetzung mit der etablierten Medizin und Wissenschaft kommt es zu Skandalen. Ganz ¨ahnliches l¨aßt sich dann auch f¨ur den Spiritismus feststellen, der sich in seiner Praxis stark an den mesmeristischen S´eancen orientierte.

Dazu schreibt Ernst Florey:

Aber nicht nur ¨Arzte wandten die mesmeristische Methode an, sie wurde bald von Nichtmedizinern erlernt und oft schamlos schau- stellerisch ausgen¨utzt. Der

”Magnetiseur“ wurde zum Objekt my- stischer Faszination und Bewunderung, aber auch des Spottes. In der Hand von Laien wurde der Mesmerismus schließlich zum Spi- ritismus. Das H¨andehalten bei spiritistischen S´eancen entstammt der mesmeristischen Gruppentherapie und hat seine Wurzeln in der mißverstandenen Elektrophysik. Man saß freilich nicht mehr um ein Mesmersches

”baquet“, sondern um einen runden Tisch, und aus der oder dem Somnambulen wurde das

”Medium“. 8

Diese These von einer Popularisierung und Simplifizierung des Mesmeris- mus im Spiritismus ¨ubersieht aber den epistemologischen Einschnitt, der sich um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts mit dem Auftauchen des neu- en Kommunikationsmedium der Telegraphie und den damit einhergehenden Ver¨anderungen des okkulten Diskurses und seiner Praktiken vollzieht.

2.3 Harmonie, Kommunikation, Elektrizit¨ at:

Die spiritistische Kosmologie des Andrew Jackson Davis und ihre literarische ¨ Uber- bietung bei Edgar Allan Poe

Nichtsdestotrotz ist der Mesmerismus direkt in den Spiritismus eingeflossen.

Viele Anh¨anger Mesmers, die Paris in den Wirren der Revolution verließen, gingen nach Amerika (insbesondere nach New York) und verbreiteten dort die Lehre des

”animal magnetism“. So gibt es bereits in den 1830er und 1840er Jahren eine ganze Schar von

”magnetic healers“,

”mesmeric lectur- ers“, Hypnotiseuren, Phrenologen,9 selbsternannten Professoren und anderen

8Ernst Flory: Franz Anton Mesmers magische Wissenschaft. In: Wolters (1988), pp.

11–40, hier p. 27.

9Lavater, der die physiognomische Lehre der Phrenologie entwickelte, war stark von Mesmer beeinflußt.

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mehr oder minder dubiosen Gestalten, die vor allem in der aufstrebenden Me- tropole New York, aber auch in kleineren St¨adten und D¨orfern ihr Publikum mit Tricks und Taschenspielereien unterhalten, kosmologische Welterkl¨arun- gen und wissenschaftliche Theorien vortragen, Kranke heilen und Versuchs- personen in Trance versetzen. Mitte der 1840er Jahre geht aus diesem Klima mit Andrew Jackson Davis eine Gestalt hervor, der es gelingt, in vorher nicht dagewesener Weise die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und zur Galions- figur des kurze Zeit sp¨ater einsetzenden modernen Spiritismus zu werden.

Am Beispiel Andrew Jackson Davis lassen sich zun¨achst die kosmologi- schen Vorstellungen, die sich im Kontext des Spiritismus entwickeln, darstel- len. Die Sph¨arenwelt der Geister, die Davis entwirft, soll gelesen werden als eine Symbolisierung sozialer Prozesse. Dar¨uber hinaus k¨onnen anhand sei- ner Schriften die Paradoxien des Spiritismus sichtbar gemacht werden, der zwischen einer Herausforderung bzw. Unterminierung orthodoxer christlicher Doktrin, sozialer Stratifikation und wissenschaftlichen Diskursen einerseits und einer Reproduktion solcher hierarchischer Ordnungen andererseits oszil- liert.

Andrew Jackson Davis (1826–1910) ist eine der schillerndsten Gestalten des fr¨uhen Spiritismus, wurde aber, wie die Bewegung insgesamt, von der Forschung ziemlich vernachl¨assigt.10 Davis wird seiner Autobiographie zu- folge 1826 als Sohn einer armen Handwerkerfamilie geboren, erh¨alt eine bloß rudiment¨are Schulbildung und wird in Poughkeepsie, New York, Schuhma- cherlehrling.11 1843 besucht der siebzehnj¨ahrige Davis eine ¨offentliche Dar- bietung von James Stanley Grimes, der als bekannter umherziehender

”ma- gnetic healer“ die Lehren Mesmers in den USA verbreitet. Als die von Grimes vorgef¨uhrten Hypnoseversuche an Davis ausprobiert werden, zeigt sich, daß dieser ¨außerst empf¨anglich f¨ur die mesmeristische Trance ist. Bald darauf l¨aßt Davis sich beinahe t¨aglich in den Zustand des magnetischen Schlafs ver- setzen, den er nach einiger ¨Ubung selber, ohne fremde Hilfe, einleiten kann.

In diesem Zustand diagnostiziert und heilt er Krankheiten und sagt zuk¨unf- tige Ereignisse voraus. 1844 hat Davis eine Art

”Konversionserlebnis“, eine Vision, in der ihm – neben anderen – der Geist des antiken Arztes Galen und der Geist Swedenborgs erscheinen, die ihn die Prinzipien seiner sp¨ateren

”harmonial philosophy“ lehren. Zwischen dem 28. November 1845 und dem 25. Januar 1847 schließlich h¨alt Davis vor einem kleinen, aber ausgesuchten Publikum in New York im Trancezustand eine Serie von 157 Vortr¨agen, in de- nen er ein ausuferndes System der Natur- und Geistesphilosophie entwickelt.

10Zu Davis siehe Daly (1964) und Delp (1987).

11Sein Schuhmacherlehrmeister bezeugt:

his education barely amounted to a knowledge of reading, writing, and the rudiments of arithmetic“ Davis (1847/1852), p. ix.

(17)

W¨ahrend der Vortr¨age ist Davis nicht das souver¨ane Subjekt des von ihm ge- haltenen Diskurses: er befindet sich in einem mesmeristischen Trancezustand und die vorgetragenen Einsichten werden ihm seiner und der ¨Uberzeugung des Großteils seiner Zuh¨orer nach von

”higher spirits“ eingegeben. Dabei kann er im wachen Zustand angeblich kaum einen richtigen Satz formulieren.

Seine Vortr¨age wurden u. a. besucht von Albert Brisbane, dem f¨uhrenden amerikanischen Vertreter der utopisch-mystischen Lehren des franz¨osischen Sozialreformers Charles Fourier, von George Bush, Hebr¨aischprofessor an der New York University und gl¨uhender Anh¨anger Swedenborgs, und nicht zu- letzt von Edgar Allan Poe, der sich intensiv f¨ur den Mesmerismus und alle m¨oglichen anderen popul¨aren okkulten und wissenschaftlichen Str¨omungen interessierte.12 Davis’ Ausf¨uhrungen werden von einem gewissen William Fishbough mitstenographiert und 1847 als 800-seitiges Kompendium unter dem Titel The Principles of Nature, Her Divine Revelations, and a Voice to Mankind ver¨offentlicht.13 Das Buch wird sofort zu einem ungeheuren Erfolg:

es wird gleichzeitig in London herausgebracht, erlebt in den folgenden Jah- ren nicht weniger als 34 Auflagen und wird schon bald in unterschiedliche Sprachen ¨ubersetzt (die erste deutsche Ausgabe erscheint in den 1860ern).

Im Trancezustand, in dem er Visionen und Geisterstimmen aus der

”anderen Welt“ empfing, dozierte Davis, nicht ohne eine gewisse Profundit¨at, die aber letztlich von der Konfusion eines oberfl¨achlichen Halbwissens dominiert wird,

¨

uber eine ganze Reihe philosophischer, wissenschaftlicher und moralischer Fragen. Die Themen reichen von Naturphilosophie, Kosmologie und deisti- scher Theologie ¨uber Geologie, Naturgeschichte und Anthropologie bis hin zu utopischen Gesellschaftsentw¨urfen und seiner Philosophie der sieben spi- rituellen Sph¨aren, die das Zentrum seiner

”harmonial philosophy“ bildet und gr¨oßtenteils von Swedenborg abgekupfert ist.14 Seine Vision einer gerechten

12Poe hat etwa zur gleichen Zeit den Duktus von Davis und anderer mesmeristischer Propheten in der Erz¨ahlung

Mesmeric Revelation“ persifliert und literarisch ¨uberboten.

Siehe dazu weiter unten.

13Davis (1847/1852).

14Der Schwede Emmanuel Swedenborg wandelte sich im sp¨aten achtzehnten Jahrhun- dert vom Naturforscher zum Mystiker und

Geisterseher“ (Kant). Er hatte Visionen und behauptete, mit Geistern in Kontakt zu stehen. Er entwickelte eine mystische Kosmolo- gie, die das Universum als System konzentrischer Sph¨aren von aufsteigender spiritueller Bedeutung ansah. Diese Sph¨aren waren von verschiedenen niederen und h¨oheren Gei- stern und den Seelen Verstorbener bev¨olkert, und Swedenborg postulierte die M¨oglichkeit der Kommunikation mit diesen Geistern. Der swedenborgsche Mystizismus hatte bedeu- tenden Einfluß auf den amerikanischen Transzendentalismus, insbesondere auf Emerson (siehe etwa Emersons Essay ¨uber Swedenborg in Representative Men, Emerson (1983), pp. 661–689.) und auf Henry James, Sr., der durch die Lekt¨ure Swedenborgs den Weg aus seiner psychisch-intellektuellen Krise fand. Er wurde auch, wie insbesondere Davis’

Schriften zeigen, zu einem wichtigen Bezugspunkt f¨ur den Spiritismus. Zur Aneignung

(18)

Gesellschaft kleiner

”associations“ ¨ubernimmt er von Fourier. Er verurteilt die ”diseases of the great social Body“, insbesondere die gesellschaftsspalten- den Auswirkungen von Sektiererei und konfligierenden individuellen Inter- essen, aber auch Laster (etwa Trunkenheit), Sklaverei oder die Ausbeutung von Arbeitern. Zu ihrer Beseitigung fordert Davis soziale Reformen und eine kommunit¨are Reorganisation der Gesellschaft auf der Basis kleiner As- soziationen, die durch die Anwendung seiner harmonischen Philosophie und ihrer

”g¨ottlichen Prinzipien“ herbeigef¨uhrt werden soll. Und Mesmers ani- malischer Magnetismus schließlich schimmert beinahe auf jeder Seite durch.

Davis amalgamiert diese unterschiedlichen Entw¨urfe zu einer eigent¨umlichen kosmologischen Melange, die aber im Klima der eingangs erw¨ahnten modi- schen Str¨omungen im Amerika der Antebellumzeit anscheinend den Nerv der Zeit trifft und zu einem ungeahnten Erfolg f¨uhrt, der sicherlich zum Teil auch einer geschickten Vermarktung durch seine Herausgeber geschuldet ist, die aus Davis eine Sensation, so etwas wie den ersten Superstar des Spiritismus (der allerdings im eigentlichen Sinne erst 1848 beginnt) machen. Davis, der

”Poughkeepsie Seer“, ist auch nach seinem fulminanten ersten New Yorker Auftritt ungeheuer produktiv: er entwickelt sein System der

”harmonial phi- losophy“ weiter und publiziert es in den 1850ern in f¨unf dicken B¨anden als The Great Harmonia, und schreibt mit 31 den ersten Teil seiner Autobiogra- phie.

Die ”von und durch“15 Davis offenbarten Principles of Nature enthal- ten aber die umfassendste und pr¨agnanteste Ausarbeitung seiner

”harmonial philosophy“. Davis’ Text offenbart zugleich die scheinbar widerspr¨uchliche Mischung von Wissenschaft und Religion, von konkreter sozialer Reform und eskapistischer Utopiesehnsucht, von einer von technologischen Modellen ge- pr¨agten Vorstellungswelt und okkulter Spiritualit¨at, die den fr¨uhen amerika- nischen Spiritismus insgesamt auszeichnen. Auch wenn Davis’ harmonische Philosophie – im Gegensatz etwa zu Joseph Smiths The Book of Mormon – niemals den Status einer

”heiligen“, eine neue Sekte begr¨undenden Schrift erlangte, lassen sich an ihm doch die wichtigsten Grundz¨uge spiritistischer Vorstellungen ¨uber Aufbau und Bedeutung der Geisterwelt ablesen.

Die zentralen Elemente des Davisschen Diskurses sind das Symbol des Kreises bzw. der Sph¨are, eine Vorstellung von Harmonie als Ursprung und Ziel von Relationen, und ein Begriff der Assoziation und Affektion, der auf Mesmers Konzept des animalischen Magnetismus und einer vereinfachten Vorstellung von positiver (anziehender) und negativer (abstoßender) Elektri-

und Umdeutung Swedenborgs im fr¨uhen amerikanischen Spiritismus vgl. Carroll (1997), pp. 16–34.

15So pr¨azise vermerkt es das Titelblatt von Davis (1847/1852).

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zit¨at aufruht. Wie sind diese Elemente nun miteinander verkn¨upft und wel- che Dynamik steckt hinter dem Begehren nach Harmonie und Verbindung, von dem Davis’ Text in erster Linie gepr¨agt ist? Zur Beantwortung dieser Frage soll die Davissche

”harmonial philosophy“ zun¨achst im Hinblick auf den Aufbau der Geisterwelt und ihre symbolischen Implikationen untersucht werden. Die von Geistern bev¨olkerte Sph¨arenwelt hat auch die Funktion, soziale Ordnungen zu imaginieren und zu symbolisieren. Diese werden dabei weder bloß repliziert noch verworfen: Davis’ Kosmologie (wie die anderer Spiritisten) vermittelt, unterl¨auft und redefiniert Vorstellungen von sozialer Ordnung und nationaler Identit¨at, die in vielen unterschiedlichen Reformbe- wegungen – die in vielen F¨allen mit dem Spiritismus sympathisieren – in den Jahrzehnten vor dem amerikanischen B¨urgerkrieg zirkulieren.

Auf der einen Seite ist Davis’ Geisterwelt ein utopisches

”summerland“

ewiger Gl¨uckseligkeit, Liebe, Weisheit und Harmonie, das der konfliktreichen diesseitigen Welt diametral entgegengesetzt ist. Auf der anderen Seite ent- puppt sie sich bei n¨aherer Betrachtung als ein unheimlicher Doppelg¨anger der sozialen Ordnung, zu der sie eine Alternative darstellen will, insbesonde- re in der autorit¨aren Struktur disziplin¨arer ¨Uberwachung und kontrollierter Mobilit¨at. Das von Davis in Anschlag gebrachte Konzept der Harmonie pro- duziert eine Form von Subjektivit¨at, die gleichermaßen gekennzeichnet ist von individueller Selbstbestimmung und individuellem Fortschritt wie von einer Unterwerfung des Individuums unter eine hierarchische Struktur.

Dies zeigt sich auch in der Art und Weise, in der die Spiritisten die Be- ziehungen zwischen dem Geisterreich und der diesseitigen Welt erkl¨aren. In ihren S´eancen wenden die Spiritisten spezifische Prozeduren und Rituale an, um in ihrem Kreis die Harmonie herzustellen, die sie f¨ur notwendig erach- teten, um in den Verkehr mit den Geistern eintreten zu k¨onnen. Harmonie wird, etwa in Davis’ Instruktionen f¨ur die Formierung von spiritistischen Zirkeln, identifiziert mit der Herstellung und Erhaltung eines spirituellen Gleichgewichts, daß es dem passiven Medium erm¨oglicht, die Geisterbot- schaften mittels

”spiritueller Elektrizit¨at“ zu empfangen. An solchen und anderen Stellen im Davisschen Diskurs fallen der Begriff der Harmonie als sozialer Technologie der Affektion und Assoziation zusammen mit seinem metaphysisch aufgeladenen Begriff von Elektrizit¨at.

2.3.1 Harmonie und Hierarchie

Wie Bret E. Carroll in seiner k¨urzlich erschienen Studie Spiritualism in An- tebellum America gezeigt hat, bezieht sich der Spiritismus in seinen reformi- stischen Absichten h¨aufig auf das Erbe und die Rhetorik der amerikanischen Revolution. Es erscheinen spiritistische Umschreibungen der Unabh¨angig-

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keitserkl¨arung, darunter auch eine 1851 publizierte von Andrew Jackson Da- vis.16 Wie andere religi¨ose und reformistische Bewegungen der Vorb¨urger- kriegsepoche ruft der Spiritismus die amerikanische Revolution und seine republikanische Ideologie auf, um den Dogmatismus des institutionalisier- ten Christentums zu attackieren. F¨ur seine Anh¨anger stellte der Spiritismus die (spirituelle) Erf¨ullung der Ideale der Revolution dar. Angesichts dessen ist es kaum verwunderlich, daß die Geister der Gr¨undungsv¨ater Washing- ton, Jefferson und Franklin regelm¨aßig in den S´eancen beschworen wurden und daß viele spiritistische Pamphlete mit den Lehren und Botschaften der Geister von John Quincy Adams oder Washington publiziert wurden. Die Gr¨undungsv¨ater lebten in den h¨oheren Sph¨aren der Geisterwelt weiter und beobachteten und f¨uhrten von dort die Geschicke der Nation. Sie stellten die Kontinuit¨at zwischen der Revolution und der

”revolution¨aren“ Bewegung des Spiritimus her.

Diese Verbindung verdeutlicht, daß die Geistersph¨are nicht bloß ein ima- gin¨arer oder religi¨oser Raum ist, losgel¨ost von sozialer Erfahrung, sondern einen symbolischen Raum darstellt, der die Artikulation der reformpoliti- schen Anliegen der Spiritisten erm¨oglicht. Carroll zufolge,

”[t]hey and other religious Americans articulated an ideology of

’spiritual republicanism‘ that, like its political counterpart, avoided the extremes of individualism and aut- horitarianism by emphasizing spiritual freedom, democracy, and equality on the one hand and self-restraint, social obligation, the rule of natural law, and moral order on the other.“17 Diese Analyse jedoch folgt einer oppositionel- len Logik von Freiheit vs. Ordnung bzw. Individualismus vs. Gemeinschaft und verfehlt damit die Dynamik der spiritischen Harmonievorstellungen. Der von Carroll als urs¨achlich angesehene Konflikt bzw. Ausgleich zwischen Anti- Institutionalismus und radikalem Individualismus einerseits und moralischer

16Carroll (1997), pp. 35–59. Die

Declaration of Independence“ von Davis erschien in The Spiritual Messenger 1 (May 31, 1851), siehe Carroll (1997), p. 35. Carrolls Studie untersucht den Spiritismus der Antebellumzeit aus religionsanthroplogischer Perspektive.

Carroll sieht den Spiritismus als eine genuine Religionsform an und analysiert die Span- nungen zwischen Ordnung und Freiheit, Struktur und Anti-Struktur (Victor Turner) im spiritistischen Denken, die er mit den umfassenden kulturellen und sozialen Transforma- tionen der Zeit in Verbindung bringt. Carroll interessiert sich vor allem f¨ur die religi¨osen, theologischen und ideologischen Inhalte des Spiritismus und nicht so sehr f¨ur die Struk- tur der sensationalistischen Geistermanifestationen. Das erm¨oglicht ihm, die politische Ideologie des Spiritismus (die er als

Spiritual Republicanism“ bezeichnet) in den Blick zu bekommen, verstellt ihm allerdings die Einsicht in das spiritistische Kommunikations- modell, das eng mit den neuen Kommunikationsmedien verschr¨ankt ist und das meines Erachtens das Zentrum und die eigentliche Innovation des spiritistischen Diskurses dar- stellt.

17Carroll (1997), p. 37.

(21)

Ordnung und organischer, harmonischer Gemeinschaft andererseits erscheint bei genauerer Betrachtung als nachtr¨aglicher Effekt der Struktur von

”Har- monie“, die hier den zentralen Begriff darstellt.

Der Begriff der

”Harmonie“ markiert f¨ur Davis einen affektiven Kom- plex, der durch seine F¨ahigkeit, elastische, gleichsam fl¨ussige Verbindungen einzugehen, gekennzeichnet ist. Gem¨aß seiner Kosmologie entspringt Harmo- nie den kosmischen Str¨omungen und Schwingungen, die das spirituelle und das materielle Universum an jedem Ort und zu jeder Zeit durchdringen. Im harmonisch gestimmten Universum befindet sich alles im Einklang mitein- ander, was von Davis unter anderem mit dem regelm¨aßigen Bezug auf die himmlische Sph¨arenmusik unterstrichen wird. Metaphern der Fluidit¨at fun- gieren im neunzehnten Jahrhundert oftmals als Ausdruck f¨ur eine Sehnsucht nach unvermitteltem affektiven Austausch. Gleichzeitig involviert eine sol- che Form des wechselseitigen Austauschs die M¨oglichkeit von Konflikt, die M¨oglichkeit eines Scheiterns der Kommunikation. Durch eine Rehierarchisie- rung der Austauschbeziehungen soll das Austauschverh¨altnis stabilisiert und der Zusammenbruch der Kommunikation verhindert werden.

Das Geisteruniversum der Spiritisten ist der Raum f¨ur die Artikulation und Projektion solcher Strukturen und wird in dickleibigen B¨anden von Da- vis und anderen minuti¨os beschrieben.18 Was f¨ur kosmologische Theorien und Naturphilosophien allgemein gesagt werden kann, gilt auch f¨ur die Gei- sterwelt des Spiritismus: sie ist verwurzelt in sozialen Erfahrungen, die sie in religi¨ose Symbolismen transformiert.19 Im Kreis bzw. der Sph¨are findet sich das konstitutive Symbol der spiritistischen Jenseitsvorstellungen. Basierend auf dem Modell Swedenborgs sind die einzelnen Sph¨aren konzentrisch um das zentrale

”Sensorium“ herum angesiedelt. Dieses wird auch als

”divine principle“ bezeichnet und strahlt als Mittelpunkt in den gesamten Kosmos aus.20 Am Ende des zweiten,

”The Revelation“ betitelten Teils seiner Vor- tr¨age liefert Davis eine lebhafte Schilderung der

”spiritual worlds, with man’s progress through them“.21 Der Trancezustand, der, wie Davis erl¨autert, dem Tod analog ist, erm¨oglicht es ihm, seinen K¨orper zu verlassen und als geisti- ges Wesen durch die Sph¨aren zu reisen und seinen Zuh¨orern mitzuteilen, was er dort sieht und wahrnimmt. Bei Ankunft in der zweiten,

”spiritual sphere“

18Beispiele f¨ur solche

spirit teachings“ sind etwa Linton (1855) oder Brigham (1859).

19Siehe dazu Douglas (1973).

20Abbildungen des Sph¨arenmodells finden sich in Davis (1857), pp. 318 und 340. Zur Bedeutung und Funktion der Sph¨arensymbolik im Spiritismus als Transformation sozialer Erfahrungen vgl. auch Zwelling (1982).

21Davis (1847/1852), p. 784 (Index). Das Modell der spirituellen Sph¨aren wird beschrie- ben auf pp. 643–677.

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genannten Sph¨are,22 beschreibt Davis deren Bewohner folgendermaßen:

[...] I discover three distinct societies or associations of men and females, each occupying a position determined by their degree of cultivation, sympathy for one another, and power of approaching each other’s sphere of knowledge and attainment. [These associa- tions are] analogous to the three specific degrees of development on earth, which are youth, manhood, and mature age.23

Wie interagieren die Geister miteinander? Davis schreibt dazu:

”I perceive that spirits approach each other according to the relative degrees of brilliancy which surrounds and encompasses their forms. Thus association is determi- ned and made perfect by the law of congeniality and affinity, or affection.

They have an affection for one another in proportion to the similarity in the degrees of love and purity to which they have attained.24 Die anziehende Macht der Affekte produziert ein gemeinschaftliches Band. Die spirituel- le Harmonie innerhalb einer

”society“ wird gew¨ahrleistet durch Similarit¨at und wechselseitige Anziehung. Der Platz des einzelnen und seine Beziehung zu anderen wird definiert durch den Grad der

”Reinheit“, den er erreicht.

Gleichzeitig existiert eine hierarchische Differenz, eine radikale

”non-affinity“

zwischen den unterschiedlichen Gemeinschaften einer Sph¨are und zwischen den unterschiedlichen Sph¨aren.

”Love and wisdom“ emanieren zwar st¨andig von den Gemeinschaften und

”flow through the spheres“, diese sind jedoch in einer Hierarchie angeordnet, durch die die individuellen Geister in einem Prozeß des kontrollierten Fortschritts aufsteigen.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Das Modell der Sph¨arenkosmo- logie stellt ein Gegenbild zu den instabilen sozialen Verh¨altnissen der ame- rikanischen Vorb¨urgerkriegszeit dar. Die idealisierte

”spiritual republic“ ist bev¨olkert von Geistern, die um den ihnen zugewiesenen Platz innerhalb der Sph¨arenhierarchie wissen. Im Gegensatz zu ¨alteren Modellen sozialer Ord- nung ist diese Hierarchie jedoch nicht statisch.

”Motion“ und

”progress“

sind st¨andig wiederkehrende Begriffe in Davis’ Diskurs. Die Hierarchie der Geister ist in st¨andiger Bewegung begriffen, da diese von einem Drang nach Fortschritt getrieben sind, der sie die spirituelle Leiter aufsteigen l¨aßt um schließlich den Status einer beinahe vollendeten Vollkommenheit und N¨ahe

22Die erste ist die

natural sphere“ (unsere materielle irdische Welt); auf die

spiritual sphere“ folgen die

celestial sphere“, die

supernatural sphere“, die

superspiritual sphe- re“, die

supercelestial sphere“ und schließlich die siebte und h¨ochste Sph¨are, die er als

the Infinite Vortex of Love and Wisdom, and the great Spiritual Sun of the Divine Mind that illuminates all the spiritual worlds“ bezeichnet. Davis (1847/1852), pp. 667 und 672.

23Davis (1847/1852), p. 647.

24Davis (1847/1852), p. 648.

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zum ”g¨ottlichen Prinzip“ zu erreichen, ohne jedoch mit diesem zu einer my- stischen Einheit zu verschmelzen.25 Die harmonische Architektur des spi- rituellen Universums garantiert eine geordnete,

”nat¨urlichen Gesetzen“ un- terworfene Mobilit¨at, die den Platz eines jeden einzelnen differentiell ¨uber Rang und Fortschritt aller anderen definiert. Kontrolle und Harmonie flie- ßen hierarchisch von den h¨oheren zu den niedrigeren Sph¨aren. Die h¨oheren Geister leiten und instruieren diejenigen auf den niedrigeren Sph¨arem, die wiederum ihre Lehren durch das Medium an die S´eanceteilnehmer weiterlei- ten. Diese Kette von vermittelnden Geistern verbindet die S´eanceteilnehmer mit dem

”g¨ottlichen Prinzip“ und verstellt ihnen gleichzeitig die M¨oglichkeit, es pers¨onlich und unvermittelt zu erfahren. Sie produzieren ein engmaschi- ges System wechselseitiger Kontrolle und Disziplin. Carroll stellt in diesem Zusammenhang fest, daß die Geisterwelt der totalen Institution des Asyls

¨ahnelt, die in den USA in den 1830er und 1840er Jahren entsteht.26 Ich w¨urde hinzuf¨ugen, daß die kosmologischen Modelle eines Andrew Jackson Davis, in ihren graphischen Darstellungen wie in ihren detaillierten Beschreibun- gen disziplin¨arer Kontrolle durch differentielle Bewegungen, als – wenn auch imagin¨are – panoptische Institution im Sinne Foucaults identifiziert werden k¨onnen. Im symbolischen Raum ihrer kosmologischen Entw¨urfe universalisie- ren die Spiritisten die Disziplinaranstalten der Schule, des Gef¨angnisses und des Asyls; in ihren Schriften wird der ganze Kosmos zu einer Besserungs- anstalt f¨ur die Produktion von

”good citizens“ in der

”spiritual republic“.

Obwohl die Spiritisten im allgemeinen organisierten und institutionalisierten Formen der Religion feindlich gesinnt waren, imaginieren sie ihr utopisches Gegenmodell als einen wohlgeordneten institutionalisierten Raum sozialer Homogenit¨at und moralischer Kontrolle. Die Spiritualisierung eines solchen sozialen Modells tr¨agt bei zur Internalisierung disziplin¨arer Strukturen, die Foucault in einem anderen Kontext untersucht hat.27

25Vgl. dazu Carroll (1997), pp. 53–54.

26Siehe Carroll (1997), pp. 81–84.

27Siehe Foucault (1975/1994). Nach dem B¨urgerkrieg versuchten Davis und seine Mit- streiter ihre Vision eines spirituellen Lebens umzusetzen, indem sie spirituelle Lyzeen gr¨undeten. Moores klassischer Studie ¨uber Spiritismus, Parapsychologie und amerika- nische Kultur zufolge,

[t]he Lyceum schools that spiritualists promoted in their own societies were about as far as they ever got in making a concrete application of their re- form ideas“ (Moore (1977), pp. 84–85). Davis publizierte ein Childrens Lyceum Manual (Davis (1868)), das die Struktur und die Regeln dieser disziplin¨aren Institution skizzier- te: Die nach Alter differenzierten Klassen wurden in R¨angen organisiert, von

Offizieren“

gef¨uhrt und trugen Uniformen und unterschiedliche farbige Abzeichen. Wie in der spiri- tistischen Sph¨arenwelt steigen die Sch¨uler jedes Jahr von einer Abteilung oder Sph¨are in die n¨achsth¨ohere auf. Das Leben der Sch¨uler ist ausgef¨ullt mit milit¨ar¨ahnlichen Appellen, dem endlosen Absingen spiritistischer Hymnen und der Unterweisung in verschiedenen Themen, wie Hygiene, Physik und insbesondere in spirituellen Instruktionen, die lange,

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2.3.2 Harmonie und Kontakt

Davis’ kosmologische Vorstellungen finden sich auch wieder in den Praktiken der kurze Zeit nach Ver¨offentlichung der Principles of Nature entstehenden spiritistischen S´eancegemeinschaften, die sich

”circles“ nennen und in ihren Sitzungen die Harmonie der kosmischen Ordnung replizieren. 1851 ver¨offent- lichte Davis, der inzwischen zum Vordenker der jungen spiritistischen Be- wegung avanciert war, seine Philosophy of Spiritual Intercourse: Being an Explanation of Modern Mysterie,28 in der er den seit den ersten Klopfkom- munikationen im Hause der Geschwister Fox stetig angeschwollenen Geister- verkehr als Erf¨ullung seiner

”harmonial philosophy“ begr¨ußt. Unter dem Ti- tel ”The Formation of Circles“29 finden sich auch detaillierte Instruktionen uber den richtigen Aufbau eines spiritistischen Zirkels und die zu treffenden¨ Vorkehrungen, um den erfolgreichen Eintritt in die Kommunikation mit den Geistern auch tats¨achlich zu gew¨ahrleisten:

[I]t is essential that the circles be always organized and internal- ly constructed upon positive and negative principles. As there are twelve elements and attributes in every human soul abstract- ly considered, so should there be twelve persons constituting a circle; the twelve consisting of six males and six females. This distinction of male and female is not so essential to be observed with regard tosex; but six of the number should possess thefemi- nine attributes of character which are negative and affectionate, and the others should be decidedlymasculine, having thepositive and intellectual temperament.30

Die richtige Anordnung der Teilnehmer und der Medien um den S´eancetisch illustriert Davis in einem Diagramm:

der disziplinierenden Selbstvergewisserung dienenden Fragekataloge beinhalteten:

Does God love me?“,

How do I know that God loves me?“,

How can I attain love and wisdom in my life?“, etc.

28Davis (1851/1909).

29Davis (1851/1909), pp. 162–209.

30Davis (1851/1909), p. 162.

(25)

Diagramm eines

”model circle“, Davis (1851/1909), p. 166.

Davis erl¨autert:

”The diagram represents a table, with two mediums at the lower end, and twelve members – six positive and six negative principles or persons. The fine line, which connects the individuals, represents the

’ma- gnetic cord,‘ the influence of which is to establish and preserve anequilibrium of vital electricity and vital magnetism throughout the entire circle.31 Vi- suell und materiell reproduzieren und verk¨orpern die S´eanceteilnehmer die spirituelle Sph¨arenharmonie. Das schon von Mesmer verwendete

”magneti- sche Band“ symbolisiert und verbessert den Fluß von Elektrizit¨at, Magnetis- mus und affektiver Harmonie, der in der spirituellen Sph¨are ohne eine solche materielle Basis vonstatten geht. Das Diagramm und Davis’ Ausf¨uhrungen verdeutlichen, daß Davis sich den spiritistischen Zirkel als eine große galvani- sche Batterie vorstellt, die die Medien elektrisch

”aufl¨adt“. Diese d¨urfen den Anweisungen zufolge das magnetische Band nicht ber¨uhren,

”because they are the substances or needles [...] which the magnetism and electricity of the twelve members are to act upon.“32

Um den

”magnetischen“ oder

”elektrischen“ Kontakt mit den Geistern herzustellen, muß der

”harmonial circle of friends sitting uniformly around the table“33 auch affektive Vorbedingungen erf¨ullen. Keine

”vitale Elektri- zit¨at“ ohne affektive Harmonie und keine affektive Harmonie ohne

”vitale Elektrizit¨at – so ließe sich mit Davis formulieren, der seinen Lesern r¨at:

”Let your assemblages be indeed harmonial circles, where discord may not enter;

carry not there any unkind feelings; take not there, to mar the beauty of

31Davis (1851/1909), p. 167.

32Davis (1851/1909), p. 167.

33Davis (1851/1909), p. 166.

(26)

those meetings, any sensations of envy or jealousy [...] and remember that not for these occasions only can you divest yourselves of selfishness, envy, jealousy, unkindness, and unforgiveness – there is no occasional dress for the soul.“34 Der Spiritismus avanciert bei Davis zum Ausdruck und Instrument einer sozialen Technologie der Affektkontrolle.

2.3.3

” Mesmeric Revelation“: Literarisierung des Da- vis’schen Diskurses

Die Erz¨ahlung

”Mesmeric Revelation“, die dem Sp¨atwerk Poes zuzurechnen ist, entsteht etwa zur gleichen Zeit, als Davis seine ersten Trancevorlesungen h¨alt. Poe, der im April 1844 wieder nach New York gekommen war, war mit dem intellektuellen Milieu, in dem Davis und seine Protektoren Fisbough, Lyon und Bush operierten, wohlvertraut.

In der zuerst im August 1844 im Columbian Magazine erschienenen Ge- schichte berichtet der Erz¨ahler, ein Magnetiseur, von den mesmeristischen Experimenten mit einem seiner Patienten, einem Mr. Vankirk. Dieser hofft, in der mesmeristischen Trance die Antwort auf eine Frage zu finden, die er zwar intuitiv-emotional, nicht aber mit den Mitteln rational-logischer Argu- mentation habe l¨osen k¨onnen: die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele.

Da, so Vankirk,

”the mesmeric exaltation enables me to perceive a train of ratiocination which, in my abnormal existence, convinces, but which, in full accordance with the mesmeric phenomena, does not extend, except through its effect, into my normal condition“35 soll ihn der Erz¨ahler mesmerisieren und ihn sodann ¨uber die Seele, den Aufbau des Universums, und den Zustand der mesmeristischen Trance befragen, denn:

”You have often observed the profound self-cognizance evinced by the sleep-waker – the extensive know- ledge he displays upon all points relating to the mesmeric condition itself.“36 Die Versuchsanordnung ist also die gleiche wie die zwischen Davis und seinem Magnetiseur Grimes bzw. sp¨ater seinem

”Manager“ Fishbough: der magnetische Schlaf soll den Zugang zu naturphilosophischen und spirituellen Offenbarungen er¨offnen, die der Hypnotisierte in Trancerede kundtut und die dann nur noch mitstenographiert und publiziert werden m¨ussen, um die neuen Wahrheiten in der ¨Offentlichkeit zu verbreiten. Nachdem der Erz¨ahler Mr. Vankirk in den Zustand des magnetischen Schlafs versetzt hat, entspinnt sich folgender Dialog:

34Davis (1851/1909), pp. 164–165.

35Poe (1844/1965), pp. 243–244.

36Poe (1844/1965), p. 244.

(27)

P. Are you asleep?

V. Yes – no; I would rather sleep more soundly.

P. [After a few more passes.] Dou you sleep now?

V. Yes.

[...]

P. What then shall I ask?

V. You must begin at the beginning.

P. The beginning! but where is the beginning?

V. You know that the beginning is God. [This was said in a low, fluctuating tone, and with every sign of the most profound veneration.]

P. What then is God?

V. [Hesitating for many minutes.] I cannot tell.

P. Is not God spirit?

V.While I was awake I knew what you meant by

”spirit,“ but now it seems only a word – such for instance as truth, beauty – a quality, I mean.

P. Is not God immaterial?

V. There is no immateriality – it is a mere word. That which is not matter, is not at all – unless qualities are things.

P. Is God, then, material?

V. No. [This reply startled me very much.]

P. What then is he?

V. [After a long pause, and mutteringly.] I see – but it is a thing difficult to tell. [Another long pause.] He is not spirit, for he exists. Nor is he matter, as you understand it. But there are gradations of matter of which man knows nothing; the grosser impelling the finer, the finer pervading the grosser. The atmos- phere, for example, impels the electric principle, while the electric principle permeates the atmosphere. These gradations of matter increase in rarity or fineness, until we arrive at a matter unpar- ticled – without particles – indivisible –one; and here the law of impulsion and permeation is modified. The ultimate, or unpar- ticled matter, not only permeates all things but impels all things – and thus is all things within itself. This matter is God. What men attempt to embody in the word

”thought,“ is this matter in motion.37

37Poe (1844/1965), pp. 244–246.

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