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Verwaltungsgericht Osnabrück

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Beglaubigte Abschrift

Verwaltungsgericht Osnabrück

Im Namen des Volkes Urteil

6 A 303/19

In der Verwaltungsrechtssache Herr Peter Köhler,

Kiesbergstraße 96, 49808 Lingen (Ems)

– Kläger – Prozessbevollmächtigte:

Prime Rechtsanwälte,

Schwarzer Bär 4, 30449 Hannover - 1247/19 F37 / FH - gegen

Landkreis Emsland

vertreten durch den Landrat,

Ordeniederung 1, 49716 Meppen - 3092-326/19 , 3092-333/19 -

– Beklagter – wegen Aberkennung einer ausländischen Fahrberechtigung und Zwangsgeldfestset-

zung

hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 6. Kammer - ohne mündliche Verhandlung am 15. März 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Fister als Einzel- richter für Recht erkannt:

Die Bescheide des Beklagten vom 21.11.2019 und 02.12.2019 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

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Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zu- vor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aberkennung des Rechts, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, und gegen einen in diesem Zusammenhang erlassenen Zwangsgeldbescheid.

Im August 2000 wurde der Kläger wegen einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt und Fah- rens ohne Fahrerlaubnis rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt; gleichzeitig wurde eine Fahrerlaubnissperre bis September 2001 festgesetzt. Einen in der Folgezeit gestell- ten Antrag auf Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis nahm der Kläger im Jahr 2008 zurück. Am 20.02.2015 wurde dem Kläger von der Stadt Bilina eine tschechische Fahr- erlaubnis für die Klassen AM, B1 und B erteilt, die anschließend am 03.06.2015 um die Klassen A1, A2 und A erweitert wurde. In dem insoweit ausgestellten Führerschein ist unter Ziff. 8 als Wohnsitz „Bilina“ vermerkt. In den beigezogenen Verwaltungsvorgängen (BA 001, Bl. 9) befindet sich ferner ein vom Stadtamt Bilina am 23.01.2014 gefertigter Auszug aus dem Handelsregister, wonach dem Kläger am 23.01.2014 auf unbestimmte Zeit eine Genehmigung für die Vermittlung von Handel und Dienstleistungen sowie für den Groß- und Einzelhandel erteilt worden ist (Anm.: Übersetzung durch „google trans- late“). Nach zwei ebenfalls in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Meldeauskünften der Stadt Lingen vom 08.12.2015 und 02.01.2020 war bzw. ist der Kläger zunächst vom 04.10.2004 bis zum 20.06.2015 und sodann seit dem 20.06.2015 bis heute unter ver- schiedenen Anschriften durchgängig mit Wohnsitz in Lingen gemeldet. Auf eine über das Kraftfahrt-Bundesamt gestellte Anfrage des Beklagten, warum dem Kläger trotz die- ser melderechtlichen Situation eine tschechische Fahrerlaubnis erteilt worden sei, teilte das Tschechische Verkehrsministerium unter dem 22.02./12.07.2016 auf einem entspre- chenden Formularvordruck zunächst die Personalien des Klägers einschließlich seiner aktuellen tschechischen Wohnanschrift (Bilina, Wolkerova 80/14) und die Daten zu der ihm erteilten tschechischen Fahrerlaubnis mit und beantwortete sodann unter Ziff. 2) die Fragen, ob der Kläger gewöhnlich für zumindest 185 Tage eines Kalenderjahres in Tschechien lebe, dort eine Unterkunft habe, einer geschäftlichen Betätigung nachgehe und Eigentums- oder Vermögensinteressen sowie Kontakte zu Behörden und sozialen Diensten habe, jeweils mit „Yes“, die Frage, ob dort auch enge Familienangehörige leb- ten, dagegen mit „Unknown“ (vgl. im Einzelnen BA 001, Bl. 33-35). Weitere Maßnahmen des Beklagten erfolgten daraufhin zunächst nicht.

Am 13.10.2019 teilte die Grenzpolizeistation Selb dem Beklagten mit, dass nach um- fangreichen Ermittlungen in einer anderen Führerscheinsache festgestellt worden sei, dass unter der tschechischen Meldeadresse des Klägers (Bilina, Wolkerova 80/14) zum 26.03.2015 insgesamt 18 deutsche und ein italienischer Staatsangehörige(r) gemeldet gewesen seien, die dort einen vorübergehenden Aufenthalt als EU-Bürger angemeldet gehabt hätten. Tschechische Staatsangehörige seien unter dieser Adresse nicht gemel- det gewesen. Bei 16 der dort gemeldeten Personen, darunter auch dem Kläger, bestün- den zum jetzigen Zeitpunkt fahrerlaubnisrechtliche Einschränkungen beim Kraftfahrt-

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Bundesamt. Im Rahmen von Internetrecherchen sei in Erfahrung gebracht worden, dass hinter der genannten tschechischen Meldeadresse der durch diverse Medienberichte amtsbekannte deutsche Führerscheinvermittler Rolf-Michael Herbrechtsmeier stehe, der über diverse Internetportale einen rechtmäßigen Erwerb einer EU-Fahrerlaubnis in Tschechien, Polen, England, Ungarn oder Spanien mit oder ohne MPU sowie die Um- schreibung von Führerscheinen ohne Prüfung anbiete und insoweit auch schon einmal einen total gefälschten tschechischen Führerschein vermittelt habe. Melderechtliche Überprüfungen hätten zudem ergeben, dass sämtliche unter der genannten tschechi- schen Adresse gemeldeten Personen im Zeitpunkt des Erwerbs der tschechischen Fahr- erlaubnis ununterbrochen mit Hauptwohnsitz in Deutschland gemeldet gewesen seien.

Angesichts dessen stehe zweifelsfrei fest, dass es sich bei dieser Adresse nur um einen Scheinwohnsitz zur Umgehung des Wohnortprinzips handele, an dem die betreffenden Personen tatsächlich weder wohnten noch berufliche oder persönliche Bindungen hät- ten. Dafür spreche nicht zuletzt auch, dass im Jahr 2015 an der benachbarten Adresse Wolkerova 81/12 insgesamt 27 weitere Führerscheintouristen festgestellt worden seien.

Mit Bescheid vom 22.11.2019 stellte der Beklagte daraufhin nach vorheriger Anhörung fest, dass die dem Kläger erteilte tschechische Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtigte, forderte den Kläger zur unverzüglichen Vorlage seines tschechischen Führerscheins zwecks Ein- tragung eines entsprechenden Sperrvermerks auf, ordnete die sofortige Vollziehung an und drohte dem Kläger für den Fall der Nichtvorlage des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 100 € an. Zur Begründung führte er aus, dass das Tschechische Verkehrs- ministerium im Jahr 2016 auf entsprechende Anfrage zwar bestätigt habe, dass der Klä- ger in Tschechien unter der Adresse Wolkerova 80/14 in Bilina gemeldet sei und dort seinen gewöhnlichen Wohnsitz habe. Über weitere Informationen, insbesondere zu fa- miliären, beruflichen, geschäftlichen oder sonstigen Verbindungen des Klägers in Tsche- chien, verfüge das Ministerium jedoch nicht; vielmehr sei dessen Auskunft offenbar allein auf melderechtliche Angaben gestützt. Dies sowie der gleichzeitig jahrelang beibehal- tene Wohnsitz in Deutschland deute darauf hin, dass sich der Kläger nur für kurze Zeit in Tschechien aufgehalten und dort lediglich einen fiktiven Wohnsitz begründet habe, um unter Umgehung des Wohnortprinzips und der strengeren Voraussetzungen für eine Fahrerlaubniserteilung in Deutschland eine tschechische Fahrerlaubnis zu erwerben.

Dies werde auch durch die Mitteilung der Grenzpolizeistation Selb vom 13.10.2019 be- stätigt, wonach im März 2015 unter der tschechischen Meldeadresse des Klägers, die vermutlich im Besitz des deutschen gewerblichen Führerscheinvermittlers Herbrechts- meier sei, insgesamt 18 deutsche und ein italienischer Staatsangehörige(r) gemeldet gewesen seien, die dort einen vorübergehenden Aufenthalt als EU-Bürger angemeldet gehabt hätten. Angesichts dieser Gesamtumstände sei davon auszugehen, dass der Kläger seine tschechische Fahrerlaubnis rechtsmissbräuchlich im Wege des sog. Füh- rerscheintourismus erworben habe, so dass die fehlende Fahrberechtigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland festzustellen sei.

Nachdem der Kläger seinen Führerschein in der Folgezeit nicht vorgelegt hatte, setzte der Beklagte mit weiterem Bescheid vom 02.12.2019 das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 100 € gegen den Kläger fest und drohte ihm ein weiteres Zwangsgeld an.

Der Kläger hat hiergegen am 17.12.2019 Klage erhoben und gleichzeitig die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt; dem letztgenannten Antrag gab die Kammer mit - vom Beklagten nicht mit der Beschwerde angegriffenem - Beschluss vom 13.01.2020 (6 B 113/19) statt. Der Kläger macht geltend, dass er seine tschechische Fahrerlaubnis

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rechtmäßig erworben habe und diese auch gültig sei. Er sei ausweislich einer entspre- chenden Meldebestätigung seit dem Jahr 2014 unter einer tschechischen Adresse ge- meldet. Abgesehen davon sei der ihm von der tschechischen Behörde ausgestellte Füh- rerschein als Beweis dafür anzusehen, dass er am Tag der Ausstellung die dafür maß- geblichen Voraussetzungen erfüllt habe. Die Überprüfung der Einhaltung des Wohn- sitzerfordernisses dürfe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur von den Behörden des Ausstellerstaates vorgenommen werden, während die anderen Mitgliedsstaaten nicht befugt seien, die Einhaltung dieser Ausstellungsvoraussetzung erneut zu prüfen. Demgemäß könne auch eine einwohnermeldeamtliche Wohnsitzmel- dung in Deutschland nicht als Nachweis eines Wohnsitzverstoßes herangezogen wer- den. Dieser Nachweis könne ausschließlich mit vom Ausstellerstaat herrührenden Infor- mationen geführt werden, wobei der bloße formularmäßige Hinweis, dass die näheren Umstände des Aufenthalts im Ausstellerstaat unbekannt („unknown“) seien, allerdings noch nicht ausreiche. Ebenso wenig dürfe die Gültigkeit einer EU-Fahrerlaubnis von der Erfüllung der in einem anderen Mitgliedsstaat geltenden strengeren Erteilungsvoraus- setzungen abhängig gemacht werden.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 21.11.2019 und 02.12.2019 aufzu- heben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht unter Vertiefung der Gründe des Bescheides vom 21.11.2019 geltend, dass der Kläger bislang keinen Nachweis für einen ordentlichen Wohnsitz in Tschechien vor- gelegt habe. Vielmehr belege der Umstand, dass der Kläger mit seiner Ehefrau und sei- nem Kind seit dem 20.06.2015 ununterbrochen in Lingen wohne und auch in der Zeit davor dort wohnhaft gewesen sei, dass es sich bei seiner tschechischen Meldeadresse lediglich um einen fiktiven Wohnsitz zum Zweck des rechtsmissbräuchlichen Erwerbs einer tschechischen Fahrerlaubnis gehandelt habe. Dies werde insbesondere auch durch die Ermittlungsarbeit der Grenzpolizeistation Selb bestätigt. Hierbei handele es sich um unbestreitbare Informationen aus dem Ausstellerstaat Tschechien, da die von der Grenzpolizeistation zusammengetragenen Erkenntnisse aus aufwendigen Ermitt- lungstätigkeiten aus dem Staat Tschechien stammten. So habe die Grenzpolizeistation Selb auf ein entsprechendes Amtshilfeersuchen vom 30.01.2020 am 09.02.2020 mitge- teilt, dass die Namensliste mit den an der Adresse Bilina, Wolkerova 80/14 gemeldeten Personen seitens der zuständigen tschechischen Polizeibehörde (Regionaldirektion der Polizei Pilzen, Büro des Direktors der Regionaldirektion, Abteilung für Internationale Be- ziehungen, Abteilung für Auslandsbeziehungen Schwandorf) als unbestreitbare Informa- tion aus dem Ausstellerland gewertet werde.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungs- vorgänge Bezug genommen.

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Entscheidungsgründe

Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ent- schieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet. Die Bescheide des Beklagten vom 21.11.2019 und 02.12.2019 sind rechtswidrig und verletzen den Klä- ger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrer- laubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, vor- behaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 im Umfang ihrer Berechti- gung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Diese Berechtigung gilt gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV - der auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Führer- scheinrichtlinie zurückgeht (vgl. Urt. v. 26.06.2008 - Rechtssachen C-329/06 und C- 343/06 -, NJW 2008, 2403; Urt. v. 01.03.2012 - Rechtssache C-467/10 -, DAR 2012, 192) - u.a. nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellermitgliedsstaat herrührender unbestreitbarer Informa- tionen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV). In einem solchen Fall kann die Behörde gemäß § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlas- sen. Die Voraussetzungen für eine derartige Feststellungsentscheidung sind im vorlie- genden Fall nicht erfüllt. Hierzu hat die Kammer in ihrem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (6 B 113/19) ergangenen Beschluss vom 13.01.2020 Folgendes ausge- führt:

„... Ein ordentlicher Wohnsitz im Inland wird gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV dann angenommen, wenn der betreffende Fahrerlaubnisinhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder - bei fehlenden beruflichen Bindungen - wegen persön- licher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heißt an mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt.

Die gleichen Anforderungen gelten für einen ordentlichen Wohnsitz in einem (ande- ren) EU-Mitgliedsstaat (Art. 7 Abs. 1 Nr. e) i.V.m. Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führer- schein). Nach Maßgabe dessen lässt sich im vorliegenden Fall derzeit nicht feststel- len, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaub- nis am 20.02. bzw. 03.06.2015 seinen ordentlichen Wohnsitz nicht - wie erforderlich - in Tschechien hatte. Ein entsprechender Wohnsitzverstoß ergibt sich zunächst nicht aus dem tschechischen Führerschein des Antragstellers selbst, weil dort als Wohnsitz "Bilina" eingetragen ist. Der Antragsteller hat ferner eine Bestätigung des Tschechischen Innenministeriums vom 02.12.2019 (Bl. 5 GA) vorgelegt, wonach er ausweislich einer in den Verwaltungsvorgängen (BA 001, Bl. 68) befindlichen Über- setzung seit dem 20.01.2014 im Besitz einer vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis für EU-Bürger und in Tschechien unter der nachfolgend genannten Adresse gemel- det ist. Es liegen aller Voraussicht nach auch keine sonstigen vom Ausstellermit- gliedsstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen vor, die einen Verstoß ge- gen das Wohnsitzprinzip belegen könnten. Das Tschechische Verkehrsministerium hat im Verwaltungsverfahren auf entsprechende Anfrage des Antragsgegners am 22.02./12.07.2016 mitgeteilt, dass der Antragsteller in Tschechien unter der Wohn- anschrift Bilina, Wolkerova 80/14, gemeldet sei und sodann die Fragen, ob der An- tragsteller gewöhnlich für zumindest 185 Tage eines Kalenderjahres in Tschechien lebe, dort eine Unterkunft habe, einer geschäftlichen Betätigung nachgehe und Ei- gentums- oder Vermögensinteressen sowie Kontakte zu Behörden und sozialen

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Diensten habe, jeweils mit „Yes“ beantwortet; lediglich bei der Frage, ob dort auch enge Familienangehörige des Antragstellers lebten, findet sich der Vermerk „Unk- nown“. Die im Bescheid des Antragsgegners vom 21.11.2019 enthaltene Aussage, wonach das Tschechische Verkehrsministerium zwar die tschechische Melde- adresse des Antragstellers und dessen gewöhnlichen Wohnsitz unter dieser Ad- resse bestätigt habe, ansonsten jedoch nicht über weitere Informationen, insbeson- dere zu familiären, beruflichen, geschäftlichen oder sonstigen Verbindungen des Antragstellers in Tschechien verfüge, trifft daher nicht zu. Insoweit unterscheidet sich die im vorliegenden Verfahren erteilte Auskunft auch maßgeblich von - auch der Kammer bekannten - Fällen, in denen das Tschechische Verkehrsministerium sämtliche oder jedenfalls den ganz überwiegenden Teil der Fragen zu einem tat- sächlich bestehenden tschechischen Wohnsitz des betreffenden Antragstellers mit

„Unknown“ beantwortet hat. Eine Auskunft dieses Inhalts kann - entgegen der vom Antragsteller im Anschluss an die Rechtsprechung des OVG Münster (vgl. u.a. Be- schl. v. 09.01.2018 - 16 B 534/17 -, juris, Rn. 18 ff.) vertretenen Auffassung, wonach die bloße Mitteilung, die näheren Umstände des Aufenthalts im Ausstellermitglieds- staat seien unbekannt, nicht als Indiz für einen Wohnsitzverstoß zu werten sei - durchaus als eine vom Ausstellermitgliedsstaat herrührende unbestreitbare Informa- tion anzusehen sein, die einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis entweder bereits belegt oder jedenfalls ein gewichtiges Indiz für einen entsprechenden Ver- stoß darstellt und deshalb zu einer weitergehenden Prüfung dieser Frage berechtigt, bei der sämtliche bereits vorliegenden Erkenntnisse zu berücksichtigen und ggf. zu- sätzliche Ermittlungen anzustellen sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 27.06.2018 - 12 ME 76/18 -, V.n.b.; Beschl. v. 20.03.2018 - 12 ME 15/18 -, juris, Rn. 15 ff; Be- schl. v. 29.03.2016 - 12 ME 32/16 -, juris, 9 ff., jew. m.w.N.). So liegt der Fall hier jedoch gerade nicht.

Anderweitige vom Ausstellermitgliedsstaat herrührende unbestreitbare Informatio- nen über einen Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip liegen derzeit ebenfalls nicht vor. Soweit der Antragsgegner unter Hinweis auf die in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Meldeauskünfte der Stadt Lingen vom 08.12.2015 und 02.01.2020 gel- tend macht, dass der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz seit dem Jahr 2004 durch- gängig in Lingen gehabt habe, mag dies für sich genommen zwar durchaus ein Indiz für einen entsprechenden Wohnsitzverstoß darstellen. Insoweit handelt es sich je- doch nicht um unbestreitbare Informationen aus dem Ausstellermitgliedsstaat (Tschechien), sondern um das Ergebnis von ihm selbst angestellter Recherchen.

Derartige eigenständige Ermittlungen reichen nach der Rechtsprechung des Euro- päischen Gerichtshofs (vgl. u.a. Urt. v. 26.06.2008, aaO) zur Begründung eines Wohnsitzverstoßes nicht aus, weil die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses aus- schließlich von den Behörden des Ausstellermitgliedsstaats zu prüfen ist. Demge- mäß bieten die vom Antragsgegner mitgeteilten melderechtlichen Erkenntnisse keine taugliche Grundlage dafür, dem Antragsteller das Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet zu untersagen (vgl. EuGH, Urt. v. 01.03.2012, aaO; in diesem Sinne auch bereits OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.05.2009 - 12 ME 324/08 -, V.n.b.).

Gleiches gilt für die Erkenntnisse, die die Grenzpolizeistation Selb dem Antragsgeg- ner unter dem 13.10.2019 mitgeteilt hat. Denn diese beruhen, soweit derzeit erkenn- bar, im Wesentlichen ebenfalls auf eigenen Ermittlungen deutscher (Polizei-)Dienst- stellen. Selbst wenn man mit dem Antragsgegner davon ausgeht, dass in den Be- richt der Grenzpolizeistation Selb auch Erkenntnisse tschechischer Stellen, etwa der Polizei, eingeflossen sind, geht aus dem Bericht jedenfalls nicht hervor, um welche Informationen es sich insoweit konkret handelt und von welcher tschechischen Be- hörde diese ggf. im Einzelnen stammen. Dies wäre jedoch für die Annahme, dass

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es sich hierbei um vom Ausstellermitgliedsstaat herrührende unbestreitbare Infor- mationen handelt, erforderlich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.08.2013 - 3 B 38.13 -, juris, Rn. 3; VGH München, Urt. v. 20.02.2014 – 11 BV 13.1189 -, juris, Rn 23 ff.).

...“

An diesen Erwägungen ist nach nochmaliger Prüfung und auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags des Beklagten im Klageverfahren festzuhalten. So ist schon die in dessen Schriftsatz vom 25.02.2020 enthaltene Aussage, dass die von der Grenz- polizeistation Selb mit Schreiben vom 09.02.2020 übersandte Namensliste mit den an der Adresse Bilina, Wolkerova 80/14 gemeldeten Personen „seitens der zuständigen tschechischen Polizeibehörde“ als unbestreitbare Information aus dem Ausstellerland gewertet werde, dahingehend zu korrigieren bzw. relativieren, dass es sich insoweit nicht um eine authentische Erklärung der konkret bezeichneten tschechischen Polizeibehörde selbst, sondern um eine eigene Einschätzung der Grenzpolizeistation Selb („aus unserer Sicht“) handeln dürfte. Selbst wenn man jedoch nunmehr davon ausgeht, dass diese Namensliste von der genannten tschechischen Behörde herausgegeben und inhaltlich bestätigt worden ist, würde es sich hierbei nur insoweit um eine unbestreitbare Informa- tion aus dem Ausstellermitgliedsstaat handeln, als es die Existenz der Namensliste als solche sowie den Umstand betrifft, dass der Kläger auf dieser Liste aufgeführt ist. Dies allein reicht jedoch angesichts der in der Mitteilung des Tschechischen Verkehrsminis- teriums vom 22.02./12.07.2016 enthaltenen anderweitigen Angaben zum Wohnsitz des Klägers in Tschechien, insbesondere zu den hierfür im Einzelnen maßgeblichen - ganz überwiegend bejahten - Kriterien, nicht aus, um einen Wohnsitzverstoß bei der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis zu belegen. Insoweit ist der vorliegende Fall in ent- scheidungserheblicher Weise anders gelagert als beispielsweise der dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2011 (- 3 C 9/11 -, juris) zugrundeliegende Sach- verhalt (vgl. Rn. 4, 16, 18 des Urteilsabdrucks), in dem im Führerschein des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers zwar ein tschechischer Wohnsitz eingetragen war, sich aus an- deren - auf einer Zusammenarbeit zwischen deutschen und tschechischen Polizeibehör- den beruhenden und jedenfalls zum Teil unmittelbar von einer tschechischen Behörde mitgeteilten - Informationen aber unzweifelhaft ergab, dass der Betreffende niemals mit Wohnsitz in Tschechien gemeldet war.

Erweist sich die Aberkennung der ausländischen Fahrberechtigung des Klägers mithin als rechtswidrig, war dieser auch nicht - wie von ihm unter Androhung eines Zwangsgel- des gefordert - zur unverzüglichen Vorlage seines tschechischen Führerscheins ver- pflichtet. Deshalb hat die Klage auch insoweit Erfolg, als sie sich gegen den nachfolgen- den Zwangsgeldbescheid des Beklagten vom 02.12.2019 richtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§

708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

(8)

Gegen dieses Urteil ist die Berufung zulässig, wenn sie vom Niedersächsischen Ober- verwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen wird. Die Zulassung ist innerhalb eines Mo- nats nach Zustellung dieses Urteils bei dem

Verwaltungsgericht Osnabrück, Hakenstraße 15,

49074 Osnabrück

zu beantragen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, so- weit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem

Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Str. 40,

21335 Lüneburg,

einzureichen. Beides kann schriftlich oder in elektronischer Form geschehen.

Der Antragsteller muss sich von einer zur Vertretung berechtigten Person oder Organi- sation als Bevollmächtigten vertreten lassen.

Hinweis:

Näheres zum Kreis der vertretungsberechtigten Personen und zu den Anforderungen an die Begründung des Zulassungsantrags entnehmen Sie bitte §§ 67, 124, 124 a VwGO. Bei der Verwendung der elektronischen Form sind besondere Voraussetzun- gen zu beachten (§ 55 a VwGO i. V. m. Verordnung über die technischen Rahmenbe- dingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach - Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung).

Fister

(9)

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird - abweichend von der vorläufi- gen Streitwertfestsetzung, bei der das gegen den Kläger festgesetzte Zwangsgeld nicht berücksichtigt worden ist - auf 5.100,00 € festge- setzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwal- tungsgericht statthaft, wenn der Beschwerdewert 200 € übersteigt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von 6 Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsa- che oder nach anderweitiger Erledigung des Verfahrens bei dem

Verwaltungsgericht Osnabrück, Hakenstraße 15,

49074 Osnabrück,

schriftlich, zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektroni- scher Form eingelegt wird.

Hinweis:

Bei der Verwendung der elektronischen Form sind besondere Voraussetzungen zu be- achten (§ 55 a VwGO i. V. m. Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behörden- postfach - Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung).

Fister

Beglaubigt

Osnabrück, 15.03.2021 - elektronisch signiert - Dehne

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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