Antirheumatika – eine Übersicht
Dieter Steinhilber
Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Frankfurt
Rheumatische Erkrankungen
rheumatoide Arthritis
Osteoarthrose
chronische Polyarthritis
Fibromyalgien
Kollagenosen
M. Bechterew
Sklerodermie
Weichteilrheuma u.a.:
Peter Paul Rubens (1577-1640)
Die heilige Familie mit St. Anne
Symptome
rheumatoider Arthritis
Epidemiologie der NSAR
6% der Bevölkerung leiden an Arthrose und sonstigen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
In Deutschland nehmen 13 Millionen Patienten NSAR ein
5% des Umsatzes erfolgen rezeptfrei
Umsatzanteil am deutschen Arzneimittelmarkt: 5,8%
In Deutschland ca. 2000 NSAR-assoziierte GI-Todesfälle jährlich
Epidemiologie der NSAR
Alleinige NSAR-Einnahme pro 1000 Patienten:
• 30 bis 40 symptomatische Ulcera
• 10 bis 15 Hospitalisierungen
• 1-2 Todesfälle
Kosten der Behandlung der GI-Nebenwirkungen durch NSAR in Deutschland: ca. 113 Millionen Euro.
1882 Synthese von Phenazon (Antipyrin):
der erste durch chemische Synthese gewonnene Wirkstoff
Ludwig Knorr
(Chemiker in Erlangen)
Der Anfang der pharmazeutischen Forschung
Chronologie der NSAR
Themen
Wirkungsmechanismus der NSAR, physiologische und pathophysiologische Funktionen von Prostaglandinen
Mechanismus der GI-Toxizität
Profil der COX-2-Hemmer (Coxibe), klinische Studien
NSAR/Coxibe und kardiovaskuläre Erkrankungen
Neuentwicklungen
Therapieempfehlungen (Konsensus-Report)
Arachidonsäure-Metabolismus
Effekte von Prostaglandinen
Sensibilisierung von Nozizeptoren
Prostaglandine
Na+-Ausscheidung in der Niere
Darmmotilität
Magenschleimproduktion Magensäureproduktion Thrombocyten-
Aggregation TXA2)
Fieberinduktion
Wirkungen und Nebenwirkungen von NSAR
Wirkungen und Nebenwirkungen von NSAR
Regulation der Prostaglandin-Biosynthese
Sonstige physiologische Funktionen von COX-1 und COX-2
physiologische Funktion COX-1 COX-2
Ovulation, Implantation, Geburtseinleitung
- essentiell
Entzündungsauflösung - essentiell
Ductus Arteriosus Remodelling (+) essentiell
Perinatale Nierenentwicklung - essentiell
Darmkrebsentstehung + +
+ analgetische Wirkung
+ Thrombozytenaggregations- hemmung
Hemmung
- Beeinträchtigung der Nierenfunktion
+ entzündungshemmende Wirkung
+ analgetische Wirkung + fiebersenkende Wirkung
- Beeinträchtigung der Nierenfunktion
- Beeinträchtigung der Wundheilung
Cyclooxygenase- hemmer
Cyclooxygenase-1 Cyclooxygenase-2
Eigenschaften
COX-Inhibitoren – pharmakologisches
Profil
Pharmakologische Einteilung der NSAR
Pharmakologische Einteilung der NSAR
COX-1-selektiv
COX-unselektiv
COX-2-präferenziell
COX-2-selektiv
Bindung von Coxiben an die COX-2
Einteilung der NSAR - Coxibe
Coxibe
• Celecoxib (Celebrex®)
• Rofecoxib (Vioxx®)
• Parecoxib (Dynastat®)
• Valdecoxib (Bextra®)
• Etoricoxib (Arcoxia®)
30.9.04
8.4.05
Hypothese der Ulkusentstehung
gastrale PGE2-Produktion
gastraler Blutfluss
Leukocytenadhäsion am vaskulären Endothel
gastrale Schädigung
gastrale
PGE2-Produktion gastraler Blutfluss
Leukocytenadhäsion am vaskulären
Endothel
selektive COX-2-Hemmung selektive COX-1-Hemmung
Einfluss von NSARs auf den GI-Trakt
Ergebnisse der CLASS-Studie nach 6 Monaten
Ulkus-Komplikationen
Ergebnisse der CLASS-Studie nach 12 Monaten
6 Monate 12 Monate
GI-Komplikationen (%)
Relatives Ulkusrisiko
Lanas et al. Gut 55 (2006) 1731
Aspirin als Thrombocyten-
Aggregationshemmer
Aspirin als Thrombocyten-
Aggregationshemmer
Das Prostacyclin-Thromboxan-Gleichgewicht
Gabe von niedrig dosiertem ASS
Niedrig dosierte ASS zur Kardioprotektion
Endothelzellen
Thrombocyten
-eigene Proteinbiosynthese -lange Lebensdauer
-keine eigene Proteinbiosynthese -Lebensdauer: ca. 10 Tage
COX-1
Niedrig dosierte ASS und NSAR-Gabe
Mechanismus der ASS-Ibuprofen-Interaktion
COX-1 COX-1
Beeinflussen COX-Inhibitoren
kardiovaskuläre Erkrankungen ?
Das Prostacyclin-Thromboxan-Gleichgewicht
Gabe von Coxiben
Wirken COX-2-Inhibitoren prothrombotisch ?
Herzinfarkt (Inzidenz)
Schlaganfall (Inzidenz)
CLASS-Studie
Celecoxib 0,2% 0,1%
Ibuprofen/Diclofenac 0,3% 0,3%
VIGOR-Studie
Rofecoxib 0,4%
ähnlich ähnlich
ASS-Einnahme erlaubt (CLASS) bzw. nicht erlaubt (VIGOR)
VIGOR: 4% der Patienten erfüllten FDA-Kriterien für ASS
Geringe Beobachtungszeit und geringe Fallzahl (<75)
Patienten mit rheumatoider Arthritis haben ein höheres Risiko für thrombotische Ereignisse als Patienten mit Osteoarthrose
Rofecoxib wirkt u.U. prothrombotisch ?
Celecoxib weniger COX-2-selektiv als Rofecoxib !
Naproxen hat u.U. ein kardioprotektives Potential
Weisen andere NSAR ebenfalls ein kardiovaskuläres Risiko auf ?
Ursache der unterschiedlichen
Studienergebnisse bei CLASS und VIGOR
Kardiovaskuläre Ereignisse (APPROVe Studie)
25 mg/Tag
NSAR und die Nierenfunktion
Die COX-2-vermittelte PGE2-Synthese steigert die Natrium- Ausscheidung
Die COX-1 vermittelte PGE2/PGI2-Bildung im Gefäßendothel steigert die Nierendurchblutung
COX-Inhibitoren steigern die Natrium- und Wasser-Retention (Gewichtszunahme 1-2 kg)
COX-Inhibitoren fördern die Ödembildung
COX-Inhibitoren führen zu einem leichten Anstieg des Blutdrucks
Klassische NSAR und COX-2-Inhibitoren besitzen vergleichbare Effekte
Metaanalyse des kardiovaskulären Risikos
Vergleich Coxibe und NSAR
Kardiovaskuläre und gastrointestinale Sicherheit Etoricoxib gegen Diclofenac
MEDAL-Studie
23504 Osteoarthritis-Patienten
Etoricoxib 60 mg und 90 mg pro Tag
bzw. Diclofenac 150 mg
Low Dose ASS und PPI erlaubt
Studiendauer: ca. 20 Monate
Endpunkt: thrombotische vaskuläre Ereignisse Ergebnis:
Das kardiovaskuläre Risiko von Etoricoxib und Diclofenac ist vergleichbar Etoricoxib zeigt die bessere gastrointestinale Verträglichkeit
Combe et al. Rheumatology 48 (2009) 425
Kardiovaskuläre Auswirkungen der COX- Hemmung
COX-Inhibitor Thrombocyten TXA2
PGI2-Synthese im Organismus
kardiovaskuläre Effekte
ASS (50-100 mg) Hemmung >95% keine Hemmung Kardioprotektion ASS (650-1.300 mg) Hemmung >97% Hemmung 60-90% Kardioprotektion Naproxen (500 mg
bid) Hemmung ~95% Hemmung 60-80% keine andere NSAR
(hochdosiert) Hemmung 50-90% Hemmung 60-80% erhöhtes
Herzinfarktrisiko Coxibe (hochdosiert) keine Hemmung Hemmung 60-80% erhöhtes
Herzinfarktrisiko
Konsensus
Coxibe sind bei allen kardiovaskulären Risikopatienten (koronare
Herzkrankheit, Schlaganfall, schwere Hypertonie, periphere arterielle Durchblutungsstörungen) aufgrund des pharmakologischen
Risikopotenzials und der zahlreichen klinischen Risikodaten kontraindiziert.
Die Therapie mit Coxiben ist zeitlich zu begrenzen
CINODe
CINOD = COX-inhibierender NO-Donator
duales Prinzip in einem Molekül
NSAR (Naproxen, ASS, Ibuprofen, Indomethacin,…) +
NO-Donator (Nitrate, Molsidomin…)
Warum CINODs ?
NSAR
• ulcerogene Effekte
• Blutdrucksteigerung
• Thrombocytenaggreg ation
NO
• antiulcerogene Effekte
• Blutdrucksenkung
• Thrombocytenaggreg ations-hemmung
Naproxcinod
Der Großteil des Wirkstoffs wird schnell (wahrscheinlich bereits im Darm) zu Naproxen metabolisiert
Bioverfügbarkeit (Naproxen): 85%
HWZ Naproxen : 13-15 h
Gastrointestinale Nebenwirkungen
Effekte auf den Blutdruck
118 Osteoarthritis-Patienten
Dosiseskalation: Naproxcinod (375 mg, 750 mg und 125 mg bid) oder Naproxen (250, 500 and 750 mg bid).
Blutdruckmessung nach 3, 6 und 9 Wochen
Naproxcinod - Profil
vergleichbare Wirksamkeit mit Naproxen
Blutdrucksenkung
nur geringfügig geringere Ulcerogenität
signifikante gastrointestinale Aufnahme als Naproxen
Dauer und Ausmaß der NO-Freisetzung im GI-Trakt limitiert, ggfs.
Toleranzentwicklung
Fazit
Kombination von NSAR und NO-Donoren interessant
wahrscheinlich besser: Kombination eines NSAR mit einem NO-Donor
Zusammenfassung (I)
COX-2-Inhibitoren sind deutlich weniger ulcerogen als nichtselektive COX-Inhibitoren
Bei Gabe von COX-2-Inhibitoren wird i.d.R. keine Ulcera-Prophylaxe benötigt (gilt nicht für Patienten mit niedrig dosierter ASS)
Coxibe sind bei allen kardiovaskulären Risikopatienten (koronare
Herzkrankheit, Schlaganfall, schwere Hypertonie, periphere arterielle Durchblutungsstörungen) aufgrund des pharmakologischen
Risikopotenzials und der zahlreichen klinischen Risikodaten kontraindiziert.
COX-2 Inhibitoren haben ähnliche Effekte auf die Nierenfunktion wie die klassischen NSAR
Zusammenfassung (II)
Coxibe sollen bei Patienten über 65 Jahren nur bei strenger
Indikationsstellung und mit besonderer Vorsicht wegen der im Alter allgemein erhöhten kardiovaskulären Risiken angewendet werden.
Die Anwendung von allen Coxiben ist zeitlich zu begrenzen: so lange wie nötig, aber nicht länger als die in Studien analysierten
Behandlungszeiträume, d. h. intermittierend 3 bis maximal 6 Monate.
Cave! Der kardioprotektive Effekt niedrig dosierter ASS wird u.U.
durch die gleichzeitige Einnahme von NSAR (Ibuprofen) eingeschränkt bzw. eliminiert.
Da die nicht-selektiven NSAR nie über Jahre im kontinuierlichen Gebrauch getestet wurden (Ausnahme: Naproxen), ist das Ausmaß des Risikos bei Langzeitanwendung auch bei diesen Wirkstoffen unklar
Zitat
„A coxib a day won‘t keep the doctor away“
Forderung
BfArM, IQWiG und AkdÄ: nicht veröffentlichte Ergebnisse aus
klinischen Prüfungen oder anderen wichtigen Untersuchungen zur Arzneimittelsicherheit müssen schneller und besser zugänglich
gemacht werden, ohne Autorenrechte zu verletzen. Damit könnte ein weiterer Beitrag zur besseren Information über Arzneimittel und ihre Risiken geleistet werden.