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Michael NEUBRAND, FlensburgDie Konzepte „mathematical literacy“ und „mathematische Grund-bildung“ in der PISA-Studie

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erscheint in Kürze in „Beiträge zum Mathematikunterricht 2001“

Michael NEUBRAND, Flensburg

Die Konzepte „mathematical literacy“ und „mathematische Grund- bildung“ in der PISA-Studie

Die Grundinformationen zum PISA-Projekt der OECD wurden in dieser Reihe bereits ge- geben (Neubrand 1999). PISA = „Programme for International Student Assessment“ hat das politische Ziel, Indikatoren zu erarbeiten, die den Stand der Bildung in den teilnehmenden Ländern beschreiben und so Weiterentwicklungen des Unterrichts anstoßen können. Der Stand des Projekt ist jetzt (März 2001) so: Mitte 2000 wurde der internationale Test durch- geführt. Untersucht wurde die Population „der 15-jährigen“. In Deutschland wurde eine Zusat- zerhebung mit umfangreichen weiteren Testmaterialien an einem zweiten Testtag vorgenommen und zudem die Stichprobe so erhöht, dass für ausgewählte Fragestellungen auch Vergleiche zwischen den Bundesländern erfolgen können. Der erste Bericht über die Ergebnisse der deut- schen Gesamtstichprobe wird zeitgleich mit dem internationalen Bericht im November 2001 veröffentlicht werden. Die Publikation ergänzender detaillierter Berichte ist ab 2002 vorgese- hen.

Inhaltlich fußt der internationale Mathematikteil1 auf dem Begriff „mathe- matical literacy“. Es soll die Substanz der schulischen Ausbildung erfasst werden: „Mathematical literacy is an individual’s ability, in dealing with the world, to identify, to understand, to engage in, and to make well-founded judgements about the role that mathematics plays, as needed for that indivi- dual’s current and future life as a constructive, concerned, and reflective citizen.“ (OECD/PISA-D 2000) Der PISA-Test soll also feststellen, ob ma- thematisches Wissen und Können „funktional“ eingesetzt werden kann.

1. Basis für die Bestimmung mathematischer Grundbildung

Überlegungen zur Bestimmung von „mathematischer Grundbildung“ bzw.

von „mathematical literacy“ können auf zwei Ebenen ansetzen:

1.1. Mathematik-didaktische Grundlegung

Einerseits muss das, was normativ als „mathematische Grundbildung“ de- finiert werden soll, die in der mathematik-didaktischen Diskussion präsenten allgemeinen Ziele des Mathematikunterrichts reflektieren. In der deutschen Denktradition hat dies wohl Heinrich Winter am ausgewogensten formuliert:

„Der Mathematikunterricht sollte anstreben, die folgenden drei Grunder- fahrungen, die vielfältig miteinander verknüpft sind, zu ermöglichen: (1) Er- scheinungen der Welt um uns, die uns alle angehen oder angehen sollten,

1 Es werden neben Mathematik auch Lesen, Naturwissenschaften und fachübergreifende Pro- blemlösefähigkeiten untersucht.

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aus Natur, Gesellschaft und Kultur, in einer spezifischen Art wahrzunehmen und zu verstehen, (2) mathematische Gegenstände und Sachverhalte, reprä- sentiert in Sprache, Symbolen, Bildern und Formeln, als geistige Schöpfun- gen, als eine deduktiv geordnete Welt eigener Art kennen zu lernen und zu begreifen, (3) in der Auseinandersetzung mit Aufgaben Problemlösefähig- keiten, die über die Mathematik hinaus gehen, (heuristische Fähigkeiten) zu erwerben.“ (Winter 1995)

Dem internationalen Ansatz von PISA für „mathematical literacy“ liegen die spezifischen mathematik-didaktischen Sichtweisen von Hans Freudenthal zugrunde. Der Prozess des Lehrens und Lernens von Mathematik wird hier modellhaft so beschrieben: Mittels „didaktischer Phänomenologie“ (Freu- denthal 1983) wird zunächst analysiert, wie mathematische Begriffe „in der Welt“ verankert sind. Durch „progressive Schematisierung“ wird sodann die Bildung der mathematischen Begriffe bei den Schülerinnen und Schülern organisiert. Dies zielt insgesamt darauf ab, tragfähige „mentale Modelle für mathematische Begriffe“ zu erreichen: „The real world problem will be used to develop mathematical concepts. [...] the real meaning lies in the underly- ing exploration of new mathematical concepts.“ (de Lange 1996)

In der internationalen PISA-Konzeption und in Winters Ansatz „mathe- matischer Grundbildung“ werden in gleicher Weise inhaltliche, begriffliche und formale Kenntnisse verbunden. Stärker ist allerdings in Winters Kon- zeption hervorgehoben, dass zur „mathematischen Grundbildung“ auch ge- hört, Mathematik als „deduktiv geordnete Welt eigener Art“ zu sehen.

1.2. Kognitionspsychologische Grundlegung

Komplementär dazu muss die Bestimmung mathematischer Grundbildung auch berücksichtigen, dass mathematische Aktivitäten Denkweisen unter- schiedlicher Qualität erfordern. Kognitionspsychologisch wird vorab Fak- tenwissen, prozedurales und begriffliches Wissen unterschieden. In der Mathematik äußert sich allerdings begriffliches Wissen in spezifischer Wei- se. „Begrifflich“ im Sinne von „conceptual knowledge“ nach Hiebert (1986) soll anzeigen, dass es um Zusammenhangswissen geht.

Ein Test zu „mathematischer Grundbildung“ muss daher das Spektrum mathematischer Kognitionen in voller Breite abdecken. Denn es sollen ja Aussagen über vorhandene mathematische Fähigkeiten gemacht werden. Die in 1.1. genannten Konzepte bauen beide, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten, auf die Ausgewogenheit zwischen prozeduralen und konzeptuel- len Kenntnissen als Bedingung für mathematische Bildung. So können sich normative und kognitionspsychologische Grundlegungen durchaus treffen.

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Die traditionelle mathematikdidaktische Unterscheidung zwischen Fertigkei- ten und Fähigkeiten (Winter 1995) weist genau in diese Richtung.

2. Strukturierungen des PISA-Tests: Kompetenzklassen

Ausgangspunkt des internationalen PISA-Tests ist eine Liste von Fertig- keiten und Fähigkeiten, die zur Bearbeitung mathematischer Aufgaben nötig sind. Allerdings, so das internationale Framework, kommen solche Kompe- tenzen stets aufgabenbezogen gebündelt vor. Der internationale Test unter- scheidet daher drei sog. „Competency Classes“ (OECD/PISA-D 2000):

Class 1: reproduction, definitions, and computations;

Class 2: connections and integration for problem solving;

Class 3: mathematical thinking, generalisation and insight.

Diese integrative Sicht auf die Items ist auf die konzeptuellen Seiten der Mathematik ausgerichtet. Daher wird in den „Classes“ nicht nach der Art des notwendigen mathematischen Wissens differenziert. Die Adaption des PISA-Tests in Deutschland erfordert aufgrund vorliegender empirischer Er- gebnisse aber genau dies2. Denn nur so kann man Informationen über die spezifischen Profile des vorhandenen mathematischen Wissens erwarten.

Der deutsche PISA-Ergänzungstest (Neubrand & al 2001) ist deshalb um Kompetenzklassen organisiert, die als Ausdifferenzierung der internationalen

„Classes“ aufgefasst werden können (daher auch die Bezeichnungen):

Klasse 1A: Nur technische Fertigkeiten oder Faktenwissen erforderlich.

Klasse 1B: Einschrittige (prozedurale) Standardmodellierungen. (Passende Formel / Verfahren aus dem vorhandenen Wissen anwenden)

Durch diese Differenzierung werden rein technisches Können und einfa- che Einkleidungen zur Einübung von bekannten Verfahren getrennt.

Klasse 2A: Begriffliche Modellierungen. (Lösung durch Herstellen eines begrifflichen Zusammenhangs möglich)

Klasse 2B: Mehrschrittige, auch prozedural geprägte Schritte beinhaltende Modellierungen. (Bei der Lösung sind mehrere Schritte vorzunehmen und zu kombinieren und/oder mehrere Gebiete werden berührt.) Die internationale Class 2 ist durch „connections“ gekennzeichnet. Es macht aber einen Unterschied, ob diese Verbindungen auf begrifflicher Basis stehen, oder ob ein mehrschrittiger komplexer Lösungsgang er-

2 In Neubrand & al (2001) wird dazu detaillierter argumentiert.

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forderlich ist. Klasse 2A auszugliedern, hat zudem didaktische Bedeu- tung. Sie zeigt Aufgaben an, die ohne Kalkülorientierung auskommen.

Klasse 3: Strukturelle Verallgemeinerung. (erforderlich: Verallgemeinerung einer Situation, Entwerfen einer umfassenden Strategie, Herausar- beitung einer allgemeinen mathematischen Struktur)

Diese Klasse ist identisch mit der „Class 3“. Sie beinhaltet auch Aufga- ben mit explizit verlangten metakognitiven Aktivitäten.

Diese Klassifizierung ist, wie im internationalen Framework, nicht hierar- chisch-aufsteigend gemeint. Sie kennzeichnet unterschiedliche Qualitäten mathematischer Anforderungen. Korrelation zur Schwierigkeit ist ein empiri- sches Phänomen, kein Teil des theoretischen Konstrukts.

3. Weitere Anforderungsmerkmale von Items

Die Kompetenzklassen bilden den Kern des Frameworks, denn sie struk- turieren das Spektrum mathematischer Leistungsanforderungen insgesamt.

Die Items werden aber zusätzlich auch eingeordnet nach Aspekten wie: Ma- thematische Tätigkeiten (z.B.: Begründen/Beweisen); Art der erforderlichen Modellierung; Präsentation; Stoffgebiet; Kontext. Gesichtspunkte für die Analyse einzelner Items sind darüber hinaus die Art der angesprochenen Grundvorstellungen, sprachlogische und kognitive Komplexität, formaler Typus des Problemlöseprozesses.

Literatur:

De Lange, J. (1996): Real problems with real world mathematics. In C. Alsina & al. (Eds.), Proceedings of the 8th International Congress on Mathematical Education, Sevilla July 1996 (pp 83 - 110). Sevilla: S.A.E.M. Thales.

Freudenthal, H. (1983): Didactical phenomenology of mathematical structures.

Dordrecht: Reidel.

Hiebert, J. (Ed.) (1986): Conceptual and procedural knowledge: The case of mathe- matics. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum.

Neubrand, M. & al. (Deutsche PISA-Expertengruppe Mathematik) (2001): Grundlagen der Ergänzung des internationalen PISA-Mathematik-Tests in der deutschen Zusatzerhebung.

Zentralblatt für Didaktik der Mathematik 33(2), 45-59.

Neubrand, M. (1999): Informationen zum PISA-Projekt der OECD. Beiträge zum Mathe- matikunterricht 1999, S. 389 - 392.

OECD / Deutsches PISA-Konsortium (Eds.) (2000): Schülerleistungen im internationalen Vergleich: Eine neue Rahmenkonzeption für die Erfassung von Wissen und Fähig- keiten. MPI-Bildungsforschung Berlin. (Original engl.: Paris:OECD 1999)

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Winter, H. (1995): Mathematikunterricht und Allgemeinbildung. Mitteilungen der Gesell- schaft für Didaktik der Mathematik, Nr. 61, 37 - 46.

web-sites: PISA-international: http://www.pisa.oecd.org/pisa

PISA-national: http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa

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