• Keine Ergebnisse gefunden

Wenn das periphrastische Futur des Altindischen nach einer Reihe von Spezialuntersuchungen^ immer noch Probleme aufwirft, hat das wohl seine Gründe

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Wenn das periphrastische Futur des Altindischen nach einer Reihe von Spezialuntersuchungen^ immer noch Probleme aufwirft, hat das wohl seine Gründe"

Copied!
10
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Von Eva Tichy, Marburg

1. Verbalsystem und Syntax indogermanischer Sprachen geben — von

Ausnahmen abgesehen — zwei Entwicklungstendenzen Raum, die von

Fall zu Fall zusammentreffen und einander wechselseitig verstärken

können. Die Zahl der synthetisch gebildeten Tempora und Modi geht

zurück; dafür kommen, oft unter unseren Augen, immer mehr periphra¬

stische Verbalkategorien in Gebrauch. Am Altindischen läßt sich

beobachten, daß diese Entwicklung schubweise abläuft. Der Ent¬

wicklungsschub, mit dem wir es im folgenden zu tun haben, fällt mit

der Herausbildung der vedischen Brämanaprosa zusammen: Die

Aoristmodi Konjunktiv, Optativ und Imperativ sind von der Maiträyani-

Samhitä an nur noch in zitierten Mantras belegt, nicht auch in den text-

schichtspezifischen Prosapartien'; zu den gleichzeitig aufkommenden

Periphrasen gehört hingegen das neugebildete Futur vom Typ kartäsmi

kartäsi kartä.

Wenn das periphrastische Futur des Altindischen nach einer Reihe

von Spezialuntersuchungen^ immer noch Probleme aufwirft, hat das

wohl seine Gründe. Eine Schwierigkeit liegt sicherlich darin, daß Pänini

die Verwendung dieser Verbalkategorie für Muttersprachler besehreibt.

Aus dem Sütra anadyatane lui' III 3, 15 ist zu ersehen, daß das periphra¬

stische Futur in bezug aufdie fernere Zukunft verwendet wird, genauer

gesagt: mit Bezug auf zukünftige Ereignisse, die von der Gegenwart

durch eine dazwischenliegende Zeitspanne, beispielsweise eine Nacht,

getrennt sind*. Was fehlt — uns heute fehlt —, ist jedoch das logische

* Text eines Kurzvortrags, der anläßlich des 25. Deutschen Orientalisten¬

tages (8.-13. 4. 1991) in München gehalten wurde.

' Vgl. Hoffmann II 469 Anm. 6.

^ Delbrück, ITort/oi^c 6-12; Speijer 257-261; Renou, -<r-; Gonda; Cam¬

panile; Kölver; Hara (s. die Bibliographie).

' Tm Sinne von „nicht heutig" werden die Ausgänge des periphrastischen Futurs angefügt.'

^ Speijer 259 mit Verweis auf Pänini: "As regards its function, the tense in '-tä cannot be used of every future, but only of such actions, as will not occur

soon, in other terms which have not yet actuality. It is, therefore, a remote future."

(2)

Oppositum. Werm sich in einem grammatischen System zwei Katego¬

rien gegenüberstehen, wie hier das sya-Futur und das periphrastische

Futur, dürfen wir bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, daß

die beiden Kategorien komplementär verteilt sind. Bezeichnet das sya-

Futur demnach die nahe, nicht von der Gegenwart abgesetzte Zukunft?

Oder bezeichnet das ««/a-Futur ganz allgemein die Zukunft, während die

Verwendung des periphrastischen Futurs auf den Teilbereich der ferne¬

ren Zukunft eingeschränkt ist^ — infolge eines charakteristischen

semantischen Merkmals, das erst noch erschlossen bzw. anhand des

Belegmaterials ermittelt werden müßte?

Lassen wir diese Frage vorerst im Raum stehen. Es zwingt uns nichts,

mit Pänini zu beginnen; doch sollten wir am Ende zu ihm zurückkehren.

Diskussionsbeiträge aus unserem Jahrhundert sind weniger der Gram¬

matikertradition verpflichtet als vielmehr durch eine andere

Schwierigkeit geprägt: das morphologisch klare, funktional ungeklärte

Verhältnis zu den Nomina agentis auf -tdr-.

2. Formal liegen dem periphrastischen Futur suffixbetonte Nomina

agentis vom Tap dätär- zugrunde, die entweder allein oder (für die

ersten und zweiten Personen) in Verbindung mit der Kopula as das Prä¬

dikat bilden. Im Unterschied zu den hysterotonen Nomina agentis auf

-tär-, bei denen normalerweise ein Genetivus objectivus erforderlich ist,

zeigen die morphologisch verwandten Futurformen jedoch verbale Rek¬

tion. Außerdem werden offenbar von Anfang an periphrastische Futura

gebildet, die semantischer Restriktionen wegen als Nomina agentis

nicht bildbar wären. Von der Kopula bhü'sein, werden' abgeleitetes bhu-

vitä ist nur als verbale Kategorie in Opposition zu bhavati bzw. bhavi¬

syati möghch; ein gleichlautendes Nomen agentis der Bedeutung 'Seier,

Werder' gibt es ebensowenig wie seine deutschen Entsprechungen'.

Wie schon der Fall bhavitd zeigt, hat das periphrastische Futur gegen¬

über den Nomina agentis auf -tdr- eine semantische Sonderent-

^ Speijer a.a.O.: "The future in -syati, on the other band, is the general future, and may be used of any future action, whether intended or not, whether actual or remote. Hence, for the future in -tä one may everywhere substitute that in -syati, but not inversely."

^ Homonymes bhavitd 'Gedeiher' erweist sich durch die Art der Bezeugung als

mantrasprachliche Ad-hoc-Bildung: AVP XX 53, 1-4 sanir asi, sanitäsi,

saneyam. //I// krtirasi, kartäsi, kriyäsam. //2// vittirasi, vettäsi, videyam. //3//

bhütir asi, bhavitäsi, bhüyäsam. //4// 'Du bist Gewinn, du bist Gewinner, möchte ich gewinnen. Du bist Vollbringen, du bist Vollbringer, möchte ich vollbringen.

Du bist Erwerb, du bist Erwerber, möchte ich erwerben. Du bist Gedeihen, du

bist Gedeiher, möchte ich gedeihen.' 23«

(3)

336

Wicklung durchgemacht. Ein frühes, vor die vedische Prosa zurückrei¬

chendes Stadium dieser Sonderentwicklung belegt das folgende Bei¬

spiel, falls wir nicht nur ein Überlieferungsartefakt vor uns haben:

(1) AVP IX 18, 4 ye brähmanarh hirhsitäras tapasvinam

mansinam brahmacaryena sräntam /

avartimad bhavitä rä^tram e^äm

'Die einem Brahmanen Leid antun (werden), der glutvoll, weise und

vom Vedastudium erschöpft ist, deren Reich gerät in Not (wird in

Not geraten).'

Die Paippaläda-Rezension des Atharvaveda bewahrt anscheinend ein

Relativsatzgefüge mit konditionalem Nebensinn, bestehend aus einem

Nominalsatz mit dem Prädikat himsitäras und einem weiteren mit der

Kopula bhavitä. üm Nomina agentis handelt es sich dabei nicht; sonst

wäre kein bhavitä zu erwarten. Andererseits darf jedoch bezweifelt wer¬

den, daß die beiden Prädikatsnomina auf -tär- hier bereits im Sinne

eines periphrastischen Futurs die Zukunft bezeichnen. Wenn die Aus¬

sage überhaupt aufdie Zeitstufe Zukunft festgelegt ist, erhält sie ihren

Zukunftsbezug schon dadurch, daß sie als Drohung verstanden werden

soll.

Wer nach Zwischenstufen sucht, die von den nicht zukunftsbezeich¬

nenden Nomina agentis auf -tär- zum periphrastischen Futur überlei¬

ten, kann also durchaus fündig werden'. In der Frage, wie das periphra¬

stische Futur de facto verwendet wird — und weshalb die Textverfasser

gerade diese und keine andere Verwendungsmöglichkeit der Periphrase

bevorzugen — führen solche Einzelfunde allerdings nicht weiter*.

' Unser Frühbeleg läßt sieh den späteren yävat-tävat-Gefvigen an die Seite

stehen, in denen das periphrastische Futur — mit Koschmieder zu sprechen

(13 f) — im Leerlauf verwendet ist: JB I 212 Z. 2 naiva tävad amräanväbhavi-

täro, yävad ime lolcä hhavitäras 'Solange werden keine Asuras mehr nach¬

wachsen (wachsen keine Asuras mehr nach), solange diese Welten bestehen

(werden)'; ähnlich JB 1 241 am Ende und ChU III 6,4 mit Parallelen.

* Es ist damit zu rechnen, daß das Verhältnis von prädikativem avita 'er ist Helfer', genauer 'er ist es, der im gegebenen Fall hilft' (okkasioneUer Agens;

Näheres bei Tichy, Kap. 2.2.4-5 und 2.3.3), zu avati 'er hilft' auf der Sprach¬

stufe des Atharvaveda die analogisehe Nachbildung avartimad bhavitä 'er ist es, der im gegebenen Fall in Not gerät' gegenüber avartimad bhavati 'er gerät in Not' ermöglicht hat. Die identifizierende, im Ergebnis emphatisch wirkende

Komponente (zu früheren Hinweisen in dieser Richtung s. Hara 202 f) kann

allerdings nur zum Tragen kommen, wenn diesbezüglich merkmalhaftes bhavitd

in freier Wahl diesbezüglich merkmallosem bhavati oder auch bhavisyati vor¬

gezogen ist. Unter den syntaktischen Bedingungen der vedischen Prosa ist —

(4)

Hierzu müssen Textschichten befragt werden, in denen die Periphrase

ihren festen Platz hat, und nicht nur im Hinblick auf die Intention des

jeweiligen Textverfassers oder -bearbeiters, sondern gezielt mit Blick

auf das grammatische System: Wozu braucht das Altindische ein

periphrastisches Futur?

3. Die vedische Prosa mag inhaltlich unattraktiv und, etwa im Ver¬

gleich zum Rgveda, philologisch nur unzureichend erschlossen sein —

für sprachwissenschaftliche Untersuchungen bietet sie den

unschätzbaren Vorteil, daß gleichbleibende Erzählinhalte auf ihrem

Weg durch die Textschichten verfolgt werden können. So zum Beispiel

auch die Erzählung vom Vrtrakampf, der die unter 2 a-d angeführten

Belegstellen entnommen sind (MS I 10,15 : 154,9-14; 10,16 : 155,8 ~

KS XXXVI 9 : 76,3-7.17 ~ TB I 6,6,3.4; 6,7,3)'. Es wird gut sein, die

einzelnen Belege in der Reihenfolge durchzusprechen, wie sie nachein¬

ander im Text erscheinen.

Am Anfang steht ein Beleg für das sj/a-Futur:

(2a) MS te väi svo bhüti vrtrdm hanisyäntä üpävasan. — te

väi svovijayino 'vasan.

KS te svo vrtram hanißyanta üpävasan. — te svovijayino

'vasan.

TB te deväh svovijayinah säntah / . . .

Tn der Absicht (si/a-Futur) , am nächsten Tag den Vrtra zu töten,

verbrachten sie die Nacht. — Sie, denen am nächsten Tag der

Entscheidungskampf bevorstand {-in-), übernachteten.' (MS KS)

'Da den Göttem am nächsten Tag der Entscheidungskampf bevor¬

stand (-in- mit Pt.Präs. der Kopula) ..." (TB)

Wie der Vergleich zwischen den verschiedenen Textfassungen zeigt,

steht die Partizipialkonstmktion svo (bzw. svo bhüte) hanisydntas funk¬

tional auf einer Stufe mit dem adjektivischen Kompositum svo-vijayin-,

das seinerseits um ein Partizip Präsens der Kopula as erweitert sein

kann (TB). Die weitgehende funktionale Übereinstimmung kommt

dadurch zustande, daß in beiden Fällen ein doppelter Zeitbezug vor¬

liegt: Es ist jeweils ein gegenwärtiger Zustand angegeben, der sich aus

der Ausrichtung auf die Zukunft ergibt.

von yävat-tdvat-Gefügen abgesehen — m.E. keine Wahlfreiheit gegeben, die

emphatische Komponente also irrelevant.

' Zu dem betreffenden Textabschnitt vgl. Hoffmann I 207-220.

(5)

338

Einerseits bezeichnet das Possessivsuffix -in- von Hause aus eine

dem Träger anhaftende Eigenschaft, etwa im Sinne von 'charakterisiert

durch', 'festgelegt auf, 'vom Schicksal bestimmt zu etw.'. Ein Bezug auf

die Zukunft kann im Einzelfall durch die Bedeutung des Grundworts

zustande kommen; in unserem Fall wird dieser Bezug durch das Kom¬

positionsvorderglied sväs 'morgen' verdeutlicht. Andererseits verhält

sich das Partizip des si/a-Futurs syntaktisch gesehen wie ein Partizip

Präsens, mit dem Unterschied, daß die Ausfuhrung der Verbalhandlung

erst geplant ist; im allgemeinen empfiehlt sich die Übersetzung 'in der

Absicht zu . . .'. Hierin äußert sich der inhärente Gegenwartsbezug des

sj/a-Futurs, das letzten Endes auf ein Präsens mit desiderativer Funk¬

tion zurückgeht: in den Anwendungsbereich dieser Tempuskategorie

fällt die gegenwartsnahe und, ohne Rücksicht auf die Zeitdauer, die

unmittelbar an die Gegenwart angrenzende Zukunft.

Den logischen Gegensatz belegt weiter unten im Text ein Satz in wört¬

licher Rede:

(2b) MS kasya vahedäm svö bhavitä kasya vä, pdcata.

KS kasya vähedarh svo bhavitä kasya vä, pacata.

TB äsitä evadyopavasäma / kasya vahedäm / kasya vä svo

bhavitä.

'Ob diese Herrschaft morgen dem oder dem gehören wird (per.

Futur) - kocht etwas!' (MS KS)

'Gtesättigt wollen wir heute die Naeht verbringen — ob diese

Herrschaft morgen dem oder dem gehören wird (per. Futur).'

(TB)'"

Hier wird vor dem Hintergrund eines zukünftigen Sachverhalts eine

Aufforderung für die Gegenwart ausgesprochen. Die Zukunft — so der

Sinn der Rede — ist ungewiß und im Augenblick auch nicht das Nächst¬

liegende; erst einmal müssen wir zu Abend essen, damit wir die kom¬

mende Nacht überstehen. Unter diesen Bedingungen verwenden die

Textverfasser übereinstimmend das periphrastische Futur, so wie es

Jahrhunderte später Pänini vorschreibt.

Muß unter diesen Umständen das periphrastische Futur verwendet

werden, oder hätte ein sya-Futur vielleicht denselben Zweck erfüllt?

Über die Vertauschbarkeit der beiden Kategorien kann eine dritte

Stelle unserer Erzählung Näheres aussagen:

Übersetzung jeweils nach Hoffmann I 217 Anm. 3.

(6)

Wozu braucht das Altindische ein periphrastisches Futur?

(2c) MS te 'vidur: ycdaran vä imd upavartsyänti, tä idärn bha-

visyanti.

'Sie wußten: Zu welcher Seite sich diese (Tiere) hinwenden wer¬

den (sj/a-Futur), die werden diese Herrschaft erlangen {sya-

Futur).'

KS yatarän vä ime svah kamitäras, te jetäras.

'Nach welcher Seite sich diese morgen hingezogen fühlen wer¬

den (per. Futur), die werden siegen (per. Futur).'

In zwei Paralleltexten wird die Erwartung ausgesprochen, daß Tiere,

die sich nach der Zubereitung der Mahlzeit gezeigt haben, über den Aus¬

gang des Kampfes entscheiden werden. Die Maiträyani-Saihhitä macht

keine Aussagen darüber, warm diese Entscheidung fallen wird; es dürfte

gemeint sein: irgendwann, zu einem beliebigen Zeitpunkt zwischen der

aktuellen Gegenwart und der Endphase des morgigen Kampfes. So

gesehen, fällt der Sachverhalt in den Anwendungsbereich des sya-

Futurs. Im Käthakam ist die Aussage hingegen präziser gefaßt: nicht

heute, sondern morgen vor dem Kampf oder während des Kampfes.

Dementsprechend erscheint das periphrastische Futur, wie es nach

dem zu (2b) Gesagten erwartet werden darf

sya-Futur und periphrastisches Futur sind also rücht miteinander ver¬

tauschbar, wenn der Zeitbezug der Aussage gleichbleiben soll. Damit

ist allerdings noch nicht gesagt, daß das periphrastische Futur im Vedi¬

schen von Anfang an mit keiner anderen Verbalkategorie vertauschbar

ist. Betrachten wir ein viertes und letztes Beispiel aus dem gleichen

Textzusammenhang :

(2d) MS asmän svö nihitabhägo vrnate.

KS asmän chvo nihitabhägo vrnätai.

TB asmän evä svd indro nihitabhäga upävartitä.

'Uns wird er morgen wählen (Konj.), wenn fiir ihn ein Anteü

aufgehoben ist.' (MS KS)

'Zu uns wird Indra sich morgen hinwenden (per. Futur), wenn

fiir ihn ein Anteil avü'gehoben ist.' (TB)

Von einzelnen Sonderformen abgesehen, liegt hier dreimal dieselbe

Aussage vor; die Zeit der Handlung ist in allen drei Fällen mit sväs

'morgen' angegeben. An der sprachgeschichtlich ältesten Stelle wird

das Prädikat durch eine athematische 3. Sg. Konj. Med. in prospekti¬

ver Funktion gebildet: vmate 'er wird wählen'. Das Käthakam ersetzt

(7)

diese Form lediglich durch eine jüngere, an die thematische Flexion

angeglichene Konjunktivbildung, wie sie in voluntativer Funktion aueh

später üblich ist (die zugehörige 2. Sg. erscheint z.B. an Stelle (3) als

medialer Imperativus futuri). In der nächstfolgenden Textschicht steht

an der Stelle des prospektiven Konjunktivs zu medialem vr 'wählen'

jedoch das periphrastische Futur zu aktivem upa-ä-vrt 'sich hinwen¬

den'. Die Verwendung eines s^/a-Futurs wird in diesem Fall durch das

Zeitlageverhältnis ausgeschlossen. In funktionaler Hinsicht sind upä¬

vartitä und seine Vorgänger — wenn wir auf Beispiel (2 c) zurückblicken

— nicht mit upävartsyänti in der Maiträyani-Version zu vergleichen, son¬

dem mit kamitäras in der hinsichtlich des Zeitbezugs präzisierten Paral¬

lelfassung.

Auf die Frage 'Wozu braucht das Altindische ein periphrastisches

Futur?' gibt das bis jetzt ausgewertete Material eine erste, noch unvoll¬

ständige Antwort:

Das Altindische — genauer gesagt: die vedische Brähmanaprosa —

benötigt das periphrastische Futur zum Ersatz des prospektiven Kon¬

junktivs, dessen Verwendung schon früh auf Nebensätze eingeschränkt

wird; ein Konjunktiv im Hauptsatz gilt für die vedische Prosa normaler¬

weise als voluntativer Konjunktiv" . Vorreiter der Entwicklung war ver¬

mutlich bfiavitä an Stelle von prospektivem bhävät bzw. bhaväti (und

zugleich auch asaf bzw. asati) 'wird sein'".

4. Man könnte nun einwenden: Es hätte doch wohl andere Möglich¬

keiten gegeben, den prospektiven Konjunktiv zu ersetzen. Wäre es

nicht am einfachsten gewesen, die freiwerdenden Funktionen dem

bereits vorhandenen sya-Futur zu übertragen? Offenbar hat hier etwas

mitgespielt, wovon noch nicht die Rede war: die paradigmatischen

Oppositionen außerhalb des Futursystems.

Zum Thema 'periphrastisches Futur und Imperativ' ließen sich aus

allen Schichten der vedischen Prosa Beispiele anführen. Die schönsten

Belege liefern allerdings das Jaiminiya- und das Satapatha-Brähmana,

und hierin wiedemm die bekannten Erzählungen mit breit ausgestalte¬

ten Dialogpartien: Manu und der Fisch (SB I 8,1,1-11), Purüravas

und Urvasi (SB XI 5,1,1-17). Zwischen den beiden Letztgenannten fin¬

det unter anderem folgendes Gespräch statt:

" Vgl. Renou, Subjonctif 16-25, bes. 17f ; Delbrück, AiS 306-316.

bhavitä (s. Beispiel 1 und 2b) ist zumindest im Vedischen die häufigst

belegte Form des periphrastischen Futurs. — Meine Materialsammlung — 60

vedische Belege, darunter 13 für die erste, 6 für die zweite und 41 fur die dritte

Person — widerspricht den belegstatistischen Angaben bei Kölver , S. 143.

(8)

Wozu braucht das Altindische ein periphrastisches Futur?

(3) Sb Xl5,l,l2 sähoväca:/garidharväväiteprätär värarndätäras.

tarn, vrnäsä üi. tarn väi me tväm evä vrni^veti. yusmäkam

eväiko 'säniti brü täd iti.

'Sie sagte: „Die Gandharven werden dir morgen früh einen Wunsch

freigeben (per. Futur). Den sollst du wünschen!" (Ipt. fut.) —

„Wünsche du ihn für mich!" (Ipt. Präs.) — „Einer von euch will

ich sein, sollst du sagen!" (Ipt. fut.)'

Die Apsaras Urvasi gibt ihrem verlassenen Ehemann Ratschläge für

den nächsten Morgen (prätär). Purüravas wünscht von ihr eine

genauere Auskunft, die er auch erhält. In diesem Zusammenhang sind

nacheinander folgende Verbalformen verwendet: das periphrastische

Futur dätäras 'sie werden (dir morgen früh einen Wunsch frei) geben';

der auf dieselbe Situation bezogene mediale Imperativus futuri vrnäsai

'wünsche dann!'; der Imperativ Präsens vrnisva 'wünsche jetzt!' mit

Bezug auf das gerade stattfindende Gespräch; und abschließend der

aktive Imperativus futuri brütät 'sage dann!', nämlich morgen früh.

Im Hinblick auf Zeitlage und Zeitdauer der Handlung stimmt das

periphrastische Futur demnach zum Imperativus futuri, der im Aktiv

durch das postponierte Adverb tat 'von da her, dann' charakterisiert ist.

Zugleich steht es in Opposition zum Imperativ Präsens, dem Modus der

aktuellen Aufforderung.

Ipt. Präs. sya-FutuT

Ipt. fut. per. Futur

Konj.

Wir dürfen abstrahieren: Das periphrastische Futur ist in der vedischen

Prosa deshalb so fest verankert, weU es im System der paradigmati¬

schen Oppositionen einen vorgegebenen Platz ausfüllt. Dieser Platz

wird von zwei Seiten her eingegrenzt: einerseits durch die Trennlinie

zwischen Imperativ Präsens ('Tu es jetzt!') und Imperativus futuri ('Tu

es darm!'); andererseits durch den inhärenten Gegenwartsbezug des

sya-Futurs, der eine Einordnung in Höhe des Imperativs Präsens zur

Folge hat. Die drei genannten Kategorien lassen eine Lücke, die im

frühen Vedischen der prospektive Konjunktiv ausfüllt. Als der

Konjunktiv Aorist mit dem Übergang zur vedischen Prosa vollständig

(9)

Eva Tichy

aufgegeben wird und bald darauf auch der Konjunktiv Präsens einen

Teil seines Anwendungsbereichs verliert, wird Ersatz nötig. Notlagen

dieser Art begünstigen das Aufkommen von Periphrasen — oder richti¬

ger: wenn im paradigmatischen System ein Platz frei bleibt, für den

keine der synthetisch gebildeten Verbalkategorien zuständig ist, dann

rückt in diese von vornherein festgelegte Position in aller Regel eine

Periphrase nach.

5. Die Funktion einer paradigmatisch eingegliederten Periphrase

ergibt sich demnach nicht allein und auch nicht in erster Linie aus den

semantischen Merkmalen, die die betreffende Periphrase von sich aus

mitbringt. Ausschlaggebend sind vielmehr die paradigmatischen Oppo¬

sitionen, die eine semantische Ausweitung — engl, he will gro — oder auch

eine semantische Spezialisierung erfordern können. Im Falle des altin¬

dischen periphrastischen Futurs ist eine Spezialisierung eingetreten,

die ohne paradigmatische Eingliederung nicht zu erwarten gewesen

wäre: die Festlegung auf zukünftige Sachverhalte ohne unmittelbare

Verbindung zur Gegenwart — kurz, um mit Pänini zu schließen, auf das

an-adya-tana-, das 'Nicht-Heutige, Nicht-Jetzige, Nicht-Aktuelle'.

Bibliographie

Campanile, Enrico: Sul futuro perifrastico delläntico indiano. Studi Linguistici in onore di Vittore Pisaru, I. Brescia 1969, 187-204.

Delbrück, Berthold: Altindische Syntax. Syntaktische Forschungen V,

Halle an der Saale 1888.

—: Die altindische Wortfolge, aus dem SatapathabrahmariM dargestellt von B. D.

Syntaktische Forschungen III, Hahe 1878.

Gonda, Jan: A critieal survey of the publications on the periphrastic future in Sans¬

krit. Lingua 6, 1957, 158-179.

Hara, Minoru: A note on the Ancient Indian oath (2): use of the periphrastic future. Indologia Taurinensia 14, 1987-88, 201-214.

Hoffmann, Karl: Aufsätze zur Indoiranistik, I. II. Wiesbaden 1975, 1976.

Kölver, Bernhard: On periphrastic futures in Sanskrit (summary). Indologia Taurinensia 10, 1982, 141-145.

Koschmieder, Erwin: Beiträge zur allgemeinen Syntax. Heidelberg 1965.

Renou, Louis: Le suffixe vedique -tr- et les origines du futur periphrastique. BSL 39, 1938, 103-132.

—: Monographies sanskrites, I. La decadence et la disparition du sulrjonctif. Paris 1937.

Speijer, J. S.: Sanskrit Syntax. Leiden 1886.

Tichy, Eva: Die Nomina agentis auf -tar- im. Vedischen (Druck in Vorbereitung).

(10)

im chinesischen buddhistischen Kanon

Von Gotelind Müller, München

1. EINLEITUNG

Traum im Buddhismus ist eine Fragestellung, die an sich bereits eine

Antithese in sich birgt: Der Buddha, übersetzt „der Erwachte" (juezhc ^

steht geradezu gegen das, was man für gewöhnlich Traum (meng

nennt. Traum hat mit Schlaf zu tun. mit Nicht-Erkenntnis, zunächst

im konkret psychologischen, dann aber aucb im übertragenen Sinne.

Dieser Zustand ist aber nicht nur ein personaler, vielmehr wird der

Traum für den Buddhismus zum Seinscharakter der Welt überhaupt,

identifizierbar mit Mäyä oder Samsära.

Dies könnte zum Schluß verleiten, daß der Traum als Begriff rein

negativ besetzt und von keinem besonderen Interesse für den Buddhis¬

mus sei, der ja nach dem Ausweg, dem „Aufwachen" strebt. Als reali¬

stisch orientierter Heilspfad kann er aber nicht umhin, die gegebene

Situation als solche zunächst anzuerkennen. Durch die Ausdehnung des

Begriffes „Traum" auf eine Metapher der Welthaftigkeit, wie sie sich im

Axiom der Prajndpdramitd-LiteT&tur niederschlug: „alle Dharmas sind

wie Traum" (zhufa ru meng ||t?i$D^ )> scheint sich im buddhistischen

Rahmen auf den ersten Blick kein Raum abzuzeichnen, in dem eine

Beschäftigung mit dem Traum im konkret gefaßten Sinne Platz greifen

könnte.

Dennoch forderte das Phänomen „Traum" zu einer Auseinanderset¬

zung heraus, ist es doch eine unleugbare Realität. Mögen die Dharmas

auch Traum sein, Träume sind auch Dharmas und somit nicht ausgrenz¬

bar. In diesem Sinne sind sie allen anderen Phänomenen gleichgestellt.

Interessant ist, wie überall auf der Welt, auch für die Buddhisten das

gebrochene Verhältnis von Traum und „Wirklichkeit" (verstanden als

das, was man im sogenannten Wachbewußtsein für diese hält). Dieses

Verhältnis hat durchaus mit dem Heilsweg, den der einzelne beschrei¬

tet, zu tun, denn wie verhält es sich z.B. mit dem moralischen Gesetz

des Karman, wenn im Traum Dinge geschehen oder getan werden? Wo

kommen sie her, wie entstehen sie? Kann man im Traum Meriten sam-

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

M 5 Le futur n‘est pas si simple; ce temps a beaucoup de fonctions / Das futur simple zum Ausdruck von Vermutungen sowie Aufforderungen und Befehlen kennenlernen und

In ver- schiedenen Übungen enträtseln sie die Unter- scheidung von Futur und anderen Tempora, erkennen und bilden Futur-Formen und setzen die richtigen

8 Das Wetter von morgen ✰✰ Schreibübung, Futur I: Vorhersage Infobox 2, Wortschatzbox 1 9 Ich verspreche: Ich werde.. bestimmt … ✰✰ Verdeutlichung des Futur I durch

Torpedo , ein immerwährend aktiver und pifiger Tigerkater, seine Freundin Mausi , eine nicht minder kreative Katzendame, die immer mal wieder ihre Besitzer mit erbeuteten Tieren „be

L’Agence nationale française pour la gestion des déchets radioactifs (Andra) a défini cinq catégories de déchets radioactifs. La première catégorie est celle

Nous les exemptons à perpétuité de toutes tailles et de toutes exactions promettant, nous et nos héritiers, solennellement par serment, de les maintenir eux et leurs successeurs,

La technologie a été développée par ABB en partenariat avec les Transports Publics Genevois (tpg), l’Office de promotion des industries et des technologies (OPI), les

O galaxies prochaines Nous durons pour cueillir ces retombées radieuses Mieux vaut encore le confier au papier Puis confectionner une boulette très très serrée Et l'expédier