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Archiv "Standards und Leitlinien: Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen" (10.10.2003)

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an konnte meinen, die Veran- stalter des 28. Symposions für Ärzte und Juristen – die Kaise- rin-Friedrich-Stifung für das ärztliche Fortbildungswesen und die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht e.V. – hätten bereits bei der Planung von Ter- min und Thema gewusst, dass zeitgleich zur Veranstaltung am 26. September in Berlin das GKV-Modernisierungsge- setz (GMG) den Bundestag passieren würde. „Zufall“, korrigierte Prof. Dr.

med. Jürgen Hammerstein, Geschäfts- führer der Kaiserin-Friedrich-Stiftung.

Ob beabsichtigt oder nicht, das Thema des Symposions „Ökonomisierung der Medizin – Standards und Leitlinien: Un- erwünschte Wirkungen und rechtliche Konsequenzen“ passte zu den Neurege- lungen des Gesetzes und wird künftig noch an Brisanz gewinnen.

Denn mit dem In-Kraft-Treten des GMG werden auf die Ärzteschaft Richt- linien, Leitlinien und Behandlungsemp- fehlungen zukommen, die sich in beson- derem Maße an ökonomischen Vor- gaben orientieren. „Damit werden sich die zivilrechtliche Haftung und die strafrechtliche Verantwortung der Ärz- te ändern“, sagte Dr. jur. Albrecht Wienke, Generalsekretär der Deut- schen Gesellschaft für Medizinrecht e.V. Bereits jetzt reglementieren mehr als 100 Gesetze und 4 000 Verordnun- gen die Gesetzliche Krankenversiche- rung und das Gesundheitswesen in Deutschland. Lückenlos nachvollzieh- bare Krankenakten, das exakte Einhal- ten von Leitlinien sowie eine detaillier- te Dokumentation aller Abläufe und der geringsten Abweichungen von den Vorgaben werden künftig jedoch wich- tiger werden, will man einem Haft- pflichtprozess entgehen. Bisher hätten in der Rechtsprechung wirtschaftliche Überlegungen bei der juristischen Ver-

antwortung von Ärzten und Kranken- hausträgern noch keine wesentliche Rolle gespielt, berichtet Wienke.

Das konkrete Festlegen von ärztli- chen Behandlungsprozessen wird je- doch nicht nur mögliche rechtliche Konsequenzen haben. „Das neue Ge- setz führt uns in eine durch externe Vorgaben geprägte Medizin“, beschrieb Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Prä- sident der Bundesärztekammer (BÄK), die Auswirkungen auf den ärztlichen Alltag. Hoppe, der schon seit langem vor einer schematischen Checklisten- medizin warnt, skizzierte erneut deren Gefahren: „Schablonenhafte Standards führen zwangsläufig zu einer unzulässi- gen Einengung der Therapiemöglich- keiten und können sogar den Erfolg von Behandlungen gefährden.“ Zwar könne Evidence based Medicine (EbM) helfen, ein individuelles Problem zu lö- sen. Doch der Arzt müsse im Einzelfall frei entscheiden können.

Leitlinien – lediglich eine Teilmenge der Medizin

Als eine von vielen Möglichkeiten, die Versorgungsqualität zu verbessern, sieht Prof. Dr. med. Günter Ollenschläger Leitlinien an. Der Geschäftsführer des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin geht davon aus, dass sie unter Berücksichtigung vorhandener Ressour- cen eine gute klinische Praxis fördern und auch dem Patienten helfen können, informierte Entscheidungen zu treffen.

„Leitlinien sollten sich jedoch nach- drücklich auf wissenschaftliche Er- kenntnisse und klinische Ergebnisdaten stützen sowie unter Berücksichtigung der ärztlichen Erfahrung und der kon- kreten Situation des Patienten interpre- tiert werden“, betonte Ollenschläger.

An die Politik appellierten die Ex- perten: Medizin ist keine Naturwissen- schaft, sondern eine Erfahrungswissen- schaft. „Das durchaus vernünftige Kon- zept der EbM ist in mehr als verfremde- ter Form über uns gekommen“, meinte Hoppe. Es habe die Gestalt einer über- wertigen Idee angenommen.Technische Effizienz werde mit geistigem Fort- schritt und Machbarkeit mit Wahrheit verwechselt. Für den Präsidenten der BÄK steht fest: „Es wird eine riesige Enttäuschung geben, denn große finan- zielle Einsparungen sind durch Stan- dards und Leitlinien nicht möglich, es sei denn auf Kosten der Patienten.“

Auch der Versuch, durch Leitlinien medizinische Prozesse zu vereinfachen und Bürokratie abzubauen, könnte sich ins Gegenteil verkehren. Beispiel Dis- ease-Management-Programme (DMP):

„Ein DMP kann medizinisch noch so sinnvoll sein, durch die Notwendigkeit, es rechtlich abzusichern, wird es bürokra- tisch“, erklärte Dr. jur. Rainer Hess, Hauptgeschäftsführer der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung. Die medizini- schen Anforderungen für die DMP seien zwar ursprünglich als Empfehlungen de- finiert, da sie aber an das Bundesversi- cherungsamt weitergegeben würden und mit dem finanziellen Ausgleich der Kran- kenkassen (Risikostrukturausgleich) ge- koppelt seien, würden sie in staatliche Rechtsnormen transformiert. „Standards müssen für die Kosten gefunden werden, nicht für die medizinische Behandlung“, fordert deshalb Hess.

Die Aufgabe, die Leitlinien und Richt- linien (unter anderem für die DMP) zu verfassen, überträgt das GKV-Moderni- sierungsgesetz einem neuen „Gemein- samen Bundesausschuss“ (GBA). Seine Beschlüsse sind unmittelbar rechtsver- bindlich und müssen daher sehr detail- liert sein. Die bisherigen Bundesaus- schüsse sowie der Koordinierungsaus- schuss und der Krankenhausausschuss werden aufgelöst; stattdessen sollen drei Unterausschüsse des GBA (für Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser) die Richtlinien zur Qualitätssicherung in den einzelnen Leistungsbereichen be- schließen. Die Patienten erhalten ein größeres Mitspracherecht. Die BÄK ist nicht Mitglied im GBA, konnte jedoch in letzter Minute ein Anhörungsrecht erwirken. Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann P O L I T I K

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A2620 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4110. Oktober 2003

Standards und Leitlinien

Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen

Zu erwarten sind rechtliche und medizinische Folgen.

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