lnstiürt ftir Raumplanung Univelsität Doünund
Arbeitspapier
40
Michael lrlegener
PLANUNG IM INFOBMATIONSZEITALTER
Referat
für
ABPUD
86, 8.
Tagungzur
RaumPlanung"Neue Technologien: Herausforderung
Universität
Dortmund,23.-26. April der
Raumplanung?"
1986
0ktober 1986 Postfach 500500
D-4600 Dortmund 50 Telefon 02371755 2291
IRPUD
RAUMPLANUNG IM INFORMATIONSZEITALTER
Michael Wegener
t.
Einleitungtr'lie
jede
andere Technik habensich
auchaIIe
Informationstech- niken über mehrere aufeinanderfolgende Zyklen von Innovation,Diffusion,
Marktdurchdringung und Marktsättigungentwickelt.
Es brauchte
Jahre, bis sich
Druckerpresse, Telegraph, Telefon und Fotokopiererin
denfortgeschrittensten
Ländern durchsetzten, aber dannverbreiteten sie sich schnell
Überdie
ganze Welt bisin die
abgelegensten Länder. Diesgilt
auchfÜr die
neuesteIn-
formationstechnik, den Computer.Als
Basiserfindung gab es ihn schonin
den 40er Jahren, aberselbst
a1ser in
den 50er Jahren zuverlässig genugfÜr praktische
Anwendungen wurde,blieb
seine Benutzung äus Kostengründenauf
Großunternehmen, Behörden und Forschungsinstitute beschränkt. Esbedurfte
eines weiteren Jahr-zehnts,
üm Computer auchfÜr Mittel-
undKleinbetriebe wirt- schaftlich
zu machen. Heutesind
dank des Mikroprozessorsleistungsfähige
Kleincomputerpraktisch fÜr
jeden Haushalter- schwinglich.
Ünd noch immerbreitet sich die
Computertechnikweiter aus. tlohl als einzige
hlirtschaftsbrancheweist die
Com-puterindustrie zweistellige jährliche
Wachstumsratenauf,
undeine
Marktsättigungist
nochnicht
abzusehen.Die Auswirkungen
der
schnellen Verbreitungder
neuen Informa-tionstechnik iind tiefgreifend
undvielfäItig,
undnicht
wenigevon ihnen haben
eine
räumliche Dimension.Die
Existenz einerWachstumsbranche
in einer
sonstnicht
gerade rosigenlrlirtschafts- landschaft ist bereits ein
bemerkenswertes Faktum, das aus dersicht der
Baumplanungdie
FragesteIlt, to sich die
neuen Pro-duktions-
und §ervicäeinrichtungenansiedeln,
und wieweit diesdie
Raumstrukturin
einem Land ödereiner
Regionverändert.
Diessind wichtige
Fragen,die
jedochin
anderen Beiträgen dieses.Bandes behaÄdelt werden. Noch weitreichender
sind die
Auswirkun-gen
der
Produkteder
neuen Technik(der
Hardware undder
Soft-iare) auf
Produktion,Logistik,
Management und Verwaltung, d,h.auf die Arbeitswelt. Inwieweit sie
auchdie private
Lebenswelt, dasheißt die
Konsum-,Freizeit-
und Mobilitätsgewohnheiten und damitdie
Standortpräferenzen und das räumliche Verhaltenpri- vater
undöffentlicher
Akteure beeinflussen werden,wird
eben-falls in
anderen Beiträgen dieses Bandes behandelt. Dieser Bei-trag
befaRtsich
dagegenmit
den Auswirkungender
neuenInfor-
mationstechnik
auf die
P1anung.Planung
wird hier
im weitesten Sinne verstandenals einer
vonmehrerän
funktional
äquivalenten Mechanismen eines sozialenSystemq seine
Existeni
durch Absorption der^Überkomplexität säiner-Umwe}t zustabilisieren
(Luhmann, 1966)-
andere solche Mechanismensind
Qrganisation (Subsystembildung oderHierarchi-
ORF['D
sierung), administrative
Verfahren, das Rechtssystem usw. p1a- nungist
demnacheine
möglicheArt, die
Unbestimmtheit eines Handlungsspielraums durch Setzen von Hegelnfür
das eigene zu-künftige
Handern einzuschränken. Für dieseserbstreferäntielre Tätigkeit einer
Gesellschaftist
rnformation von entscheiden-der
Bedeutung: Je mehrdie
GesellschEE-üEersich selbst
weiß, desto größerist ihre Fähigkeit zur
Selbstregulierungin
einersich schnell
wandelnden Lrlelt.Ein
zweites Argumentfür die
Notwendigkeit von Informationfür die
Planungverweist auf die
massive Invasionder
neuenInfor-
mationstechnik
in
anderen Felderninstitutionalisierter
Ent- scheidungsfindung im Verwaltungs- und Unternehmensbereich, undfolgert,
daB wassich dort als nützlich
durchgesetzthat,
auchvon Planungsbehörden
auf nationaler, regionaler
oder 1okaler Ebeneeingeführt
werden muß, wennsie
den wachsenden Anforde- rungen anFlexibilität
undEffizienz
gerecht werdenworlen,
dieder
immerhärtere
wettbewerb um Ressourcen und Aufmerksamkeitin
Planungsprozessendiktiert.
Die Grundannahmehinter
diesem Argumentist,
daß Planung,wie
Verwaltung und Management, imwesentlichen
ein
Informationsverarbeitungsprozeßist.
Beide Sichtweisen legen den gleichen Schluß nahe: daß
eine
Er- höhungder
fnformationsverarbeitungskapazität des Planungs- systemszugleich
auch seine Probremlösungskapazitätstei.gert.
Esist
somitnur folgerichtig
anzunehmen, daßdie
gegenwärti_genFortschritte in der
rnformationstechnikdie
veriügbarkeit-undZuverlässigkeit der
fnformationsbasisfür die
Planung,die
Ge-nauigkeit
undAktualität ihrer
Prognosen undihre Bationalität
und
Nützlichkeit
überhauptin bisher nicht
gekannter [,'Jeiseer-
höhen werden.
Die
Frage, ob diese Hoffnungberechtigt ist, ist
das Themadie-
sesBeitrags. In
ihmsoII
überdie
Zukunftder
Planung, insbe- sondereder
Baumplanung,in der
computerisierten Geserlschaftder
Zukunftspekuliert
werden. und da esnicht nur eine
solche Zukunftgibt,
sondernviele
mög1iche, werdenin
ihmdrei
Szena-rien
entworfen, von denenjedes eine
extreme Ausprägung einer bestimmten0ption für die
Zukunftdarstellt.
Am schruß des Bei-trags
werdendie drei
Szenarienverglichen
und bewertet.?.
Planung und InformationstechnikDer Glaube, das wissen
eine
voraussetzungfür
gutes Regierensei, ist ein
Grundbestandteilder politischen
Ku1turin
denwesentrichen Ländern. schon
Plato forderte
imstaat
(387v.chr.),
daß
die politischen
Führer Philosophensein
soTlten-,die
"wissen' urasist".
Die Beschaffung von Informationen bekamzentrale
Be-deutung; schon das römische
Kaiserreich führte
regelmäßig volks- zählungendurch.
Doch Machtausübungerforderte
mehrals Statisti-
ken. In
seinem utopischenDialog
nDer Sonnenstaatn (1626) be-schrieb der italienische
Dominikanermönch Campanella, wasin
den
geistlichen
Fürstentümernseiner Zeit praktiziert
und vonder Heiligen rnquisition perfektioniert
wurde:ein
hierarchischesORF{'D
System
obligatorischer
Bekenntnisse, durchdie
di.egeistliche Obrigkeit
vonjeder
Unbotmäßigkeitin
ihremTerritorium erfuhr.
t'lenig
später präsentierte
Hobbes (1651) denStaat
afs "Leviathan",eine gigantische,
allumfassende informationsverarbeitende Ma-schine.
Nach diesem Mode1l wurde im
18.
und19.
Jahrhundertder
moderneStaat konstruiert, der
zuseiner
Funktiondrei
Informationsquel- 1enbenötigt:
äußereInformation (die Statistik), innere Infor-
mation(die Bürokratie)
und verdeckteInformation
(den Geheim-dienst).
Noch heuteist die Vorstellung
vomStaat
a1seiner in-
formationsverarbeitenden Maschine
ein weitverbreitetes
Paradigmader politischen
l,'lissenschaft (Deutsch, 1963; Lindblom, 1965).In
bemerkenswertem Gegensatz dazu warfür die
räumliche Planung tiissen langeZeit eine
untergeordneteKategorie.
fnsbesondere Städtebau wurdetraditionell als eine
vonArchitekten
ausgeübte Kunst angesehen.Erst in
diesem Jahrhundert wurdedie
Bedeutung umfassender Informationsgewinnung- nicht nur
räumlicher undtechnischer,
sondern auch ökonomischer undsozialer -
Datenfür
die
Stadtplanungerkannt.
"Survey beforeplan!"
(Geddes, 1915)wurde
zur
Maxime, obgleich Erhebungen aufwendig hraren und daher mei.st beschränktblieben
undselten eine wichtige Bolle
im P1a- nungsprozeßspielten.
Es sah so
aus, als
obsich dies in
den 50er Jahrenmit
dem Ein- zug des Computersin die öffentliche
Verwaltung ändern so11te.Die Speicherung, tr'Jiedergewinnung und Verarbeitung von Informa-
tionen
wurden wesentlicherleichtert.
Leistungsfähige Program- miersprachen,statistische
Programmpakete,Digitalisiergeräte
und geographische Kodiertechniken
eröffneten
neue Möglichkeiten, räumh-che Daten zu analysieren und zustrukturieren.
Die Idee des räumlichen Informationssysterc entstandals einer
dynami-sche einer Stadt
odereinär
Begion,in
gewisser lrleisedie
permanente Allzweckerhebung, ausder,
soschien
es,
mühelosaIle für die
Planungerforderlichen
Informa-tionen
gelJonnen werden konnten. Die konsequente Fortsetzungdie- ser
Idee war das mathematische Pla smodell, einewirklich-
keitsgetreue Abbildungder
ReäfitEt imuter zur
Vorhersagezukünftiger
Entwicklungen sowiezur Simulation,
Bewertung und0ptimierung
potentieller
Maßnahmen. Computergestützte Planungs- modelle entstanden zunächstfür die
Verkehrsplanung, später auchfür die
Flächennutzungsplanung, sowiefür
lrlohnungsmarkt- analysen und Begionalstudien. Diein die
neue Informationstech-nik
gesetzten Ertrartungen u,,aren groß undvielfach
überzogen.Auf
ihrer
Grundlage wurdenzuerst in
den USA undfrüher
oderspäter
auchin
anderen Ländern erhebliche Mengen an Geld undTalent für
computergestützte räumliche Informationssysteme undPlanungsmodelle aufgewendet.
hlas
ist
ausaII
diesen frühen Experimenten geworden? Die Wahr-heit ist einfach: Dreißig Jahre,
nachder
ersten Anwendung von Computernfür die
Baumplanung(in der
Chicago Area Transpor-tation Study),
nachdrei
Jahrzehnten engagierter Bemühungenzahlloser
hochmotivierter undqualifizierter
Fachleute,drei
Jahrzehnten unablässiger technischerFortschritte,
dramati- scher Zuwächsein
Geschwindigkeit und Speicherkapazität vonORF{'D
Computern bej.
gleichzeitig
drastischen Kostensenkungen muß einge- standen werden, daßder praktische Einfluß
computergestÜtzter Planungsinformationssysteme und -modelleauf
Form undInhalt
derRaumplanung
in
den meisten Ländernpraktisch null ist.
Die großen Informationssysteme
der
sechziger Jahre wurden ent- wedei niemalsfertiggestellt
oder esstellte sich
heraus, daßihre
Unterhaltungauf
Dauer zukostspielig war,
oder daB sie von den Planernnur selten
odernur für
untergeordnete Aufgabenbenutzt wurden. Computeranwendungen
fÜr die
Haumplanungbeschränken
sich
heute zumeistauf die
Herstellung von Standard-tabellen auf der
Grundlage ohnehin vorhandener Datender
Sta-tistischen
Amter und gelegentliche Kartierungen, gewöhnlich ein Nebenproduktder
weitgehend computerisierten Vermessungsämter.Das technische Niveau
dieser
Computeranwendungenist in der
Regelauf
Bundes- und Landesebene höherals
im kommunalen Bereich, mit einigen wenigen bemerkenswerten Ausnahmen (München, DÜsseldorf) . Planungsmodelle werden, wenn überhaupt, zumeist von Beratungsbüros angewendet,jedoch,
abgesehen von einfachen Bevölkerungsprognosen, kaumin
den Planungsämternselbst.
Die Gründe
für die
langsame Durchsetzungder
neuen Informations-technik in
dertäglichen Arbeit
des Baumplaners,sind oft
disku-tiert
worden(2.B. FehI, !971;
l,'legener, 1978;Batty
und Hutchin-son,
1983).In starker
Vereinfachung könnendie
von verschiedenen Autoren angeführten Erklärungsversuchein drei
Gruppen zusammen-gefaßt werden:
a)
Die fnformationssystemesind nicht effizient
genug. Unvollstän- thode oder Modelltechnik, Mängelin der
Hardware, zu hohe Kosten (oder zugeringe
Mitte1),
unzureichendepolitische
UnterstÜtzung, schlechte organisatorische Einbindungin die
Verwaltung oder mangelhafte Ausbildung oderQualifikation der
Benutzer, werden a1s GrÜndedafür
genannt, daßder
Nutzender
Planungsinformationssystemenicht
ausgeschöpft werden konnte.b)
Die Informationssystemesind (potentiell)
zueffizient.
Je mehruellen
in
Planungsinformationssystemen zusammengefÜhrt werden, destoleichter
könnensie fÜr eine
immerdichtere
Uberwachungaller
Lebensbereiche mißbraucht werden. Es
wird argumentiert,
daß Gesichtspunkte des Datenschutzesin vielen
Ländern zueiner
Ab-lehnung von Planungsinformationssystemen
geführt
oder zumindestihren
Ausbau oderihre
hiutzung maßgeblich behindert haben.c)
Die Informationssystemesind eine
grundsätzliche [ehlgntv{icklung.rationalistischen
Modellsder
Planung. Esstellt die allen
P1a--
nungsinformationssystemen zugrundeliegende Annahmein
Frage,daß-die
in
ihnen enthaltenen InformationenfÜr die
Planung vonBedeutung
sind.
Stattdessenwird die
Ansichtvertreten,
daß Pla- nungsentscheidungen Informationenerfordern,
welchein
Planungs-informationssystemen
nicht enthalten sein
können und diesein einer
Weiseeinsetzt, die
zum Bationalmodellder
Planungin
Widerspruch stehen.
Sind diese Erklärungen auch
nur teilweise richtig,
sofäIIt
esschwer, an
eine
große ZukunftfÜr die
Planungsinformationssysteme[RFT'D
zu glauben.
fn
welche Richtungsie sich
auch immer entwickeln,sie
müssenin
mindestenseiner Hinsicht scheitern:
Eine Ver- besserungihrer Leistungsfähigkeit (a)
erhöhtihre
Gefährlich-keit
a1s Überwachungsinstrument 101, währendder
Einbau wei-terer
Sicherungen gegen Verletzung des Datenschutzes(b)
ihren hlertfür die
Planungweiter einschränkt (a);
undin
keinemFaIl
können
sie der Kritik (c)
entgehen. Soscheint es, als
könnte man denFaIl der
Planungsinformationssystemeals
hoffnungslos zu den Akten legen.Allerdings gibt
eseinige
jüngere Entwicklungenin der
Informa-tionstechnik, die sich bisher
nochnicht auf die
Planungspraxis auswirken konnten:-
NeueFortschritte in der
Verarbeitungsgeschwindigkeit undSpeicherEechnik machen
die
heutigen Mikrocomputer soleistungs- fähig
wie Großrechner von gestern.-
Für jedermann zugängliche Computernetze erlaubenes,
Informa-tionen
und Informationsverarbeitungskapazität an jedemOrt
undfür alle
Schichten und Gruppender
Gesellschaft verfügbar zu machen.-
tr'lissensbasierte Computersysteme (Systemeder
künstlichenfn- telligenz
oder "Expertensysteme")sind grundsätzlich in der
Lage.die
begrenzte Logik gegenwärtiger Computerin
Bichtung auf menschlicheIntelligenz
zu erweitern.Es
ist
deshalb zufragen,
ob diese neuen Entwicklungen doch nochden lange erwarteten endgültigen Durchbruch
für die
Planungsin- formationssystememit sich
bringen werden.3.
Informationsverarbeitungin der
PlanungVorher
sollen
jedoch nocheinige
Grundtatsachen überdie
Ro11eder Information für die
Planungvermittelt
werden. Die Darstellungstützt sich auf
Luhmann(1966),
FehI(t971)
und klegener (1978).Die Diskussion beginnt
bei der
Behandlung von Informationen bei tägJ-ichen Transaktionen im Geschäftsleben undin der
Verwaltung.Hier dient die
fnformationin der
Begeleiner speziellen
Auf- gabenstellung, welchewiederholt auftritt
undnur in einer
vorher bekannten Bandbreitevariiert.
Der0utput der
Informationsver- arbeitung hängt vonklar definierten Kriterien,
Regeln und Ver- fahrenab. Beispiele für
solche 0perationensind
Bestellungen aus ei.nemKatalog,
Rechnungen, Verkaufsberichte oderin der öffent- lichen
Verwaltung, Anträgeauf Sozialhilfe,
Fahrzeuganmeldungenoder
statistische Berichte.
Sender und Empfängerder
so produ-zierten
Informationensind eindeutig däfiniert, der
Output wird jedesmal entsprechend einem vorherfestgelegten
Schemaverteilt,
und es
ist festgelegt,
welche Daten überdie
Transaktion dauer-haft
gespeichert werden.In
anderen !'lorEen, Information und Kom-munikation
bei täglichen
Geschäfts- und Verwaltungsoperationenfolgen
Boutineprogrammen.Boutineprogramme eignen
sich gut für die
Automation durch Computer-.Der größte
Teil aller
Computeranwendungenin Wirtschaft
und Ver-r ORF['Dwaltung besteht aus
derartigen
Aufgaben. krlenneine
"Anwendung"(ein
Softwareprodukt) einmalfunktioniert,
kann der Mensch vö11i9 ausgeschaltet werden oderwird auf die
Funktion eines 0perateurs oder Maschinenbedienersreduziert.
Im Gegensatz dazu
ist
Planung überwiegend keine Houtineaufgabe, sondern befaßtsich mit
Problemen,die in der
Begel überraschend und unvorhersehbaranfallen,
wenngleichsie auf
lange Sichtzyklisch
wieder auftauchen können.Ein
Planungsproblemist
ej-newahrgenommene Diskrepanz zwischen einem
aktuellen
undeioem er-
wünschten Zustand eines Systems
(einer Stadt, einer
Begion, eines Landes),sofern
diese Wahrnehmung von einem genÜgend großen undpolitisch artikulierten TeiI der
Bevölkerunggeteilt
wird.Während
bei
Geschäfts- und verwaltungsoperationendie
Zahl derbeteiligten
Akteurein der
Regel begrenzt undklar definiert ist,
hat sich die
Planungmit einer Vielfalt
von Akteuren atrseinan- dersetzen, von deneneinige aktiv,
andere passivaIs
Betroffeneund wiederum andere
lediglich als
Beobachter undKritiker
an derEntscheidungsfindung teilnehmen.
Der
nicht routinehafte
Charakter von Planungsproblemen und dieVielfalt der beteiligten
Akteure besti-mmendie Struktur der In-
formationsverarbeitung und Kommunikationin der
Planung: Sobaldein
Planungsproblemin
das Bewußtseinder öffentlichkeit
gelangt,ist
esin der
Regel nochdiffus
und ungenauspezifiziert.
Vonhier
ab könnenvier logische
Phasender
Informationsverarbeitung und Kommunikation im Planungsprozeß unterschieden werden (FehI,1971) :
-
Problemstrukturierung.Potentiell beteiligte
Akteure formen sich@ ("internes
Umweltmodell") des Planungs- problems und kommunizieren esmit
anderenpotentiellen
Akteuren.-
Lösungssuche. Die verschiedenen Akteure entwickelndie
von ihnen bevofzügte Lösung aufgrundihrer
spezifischen Problemwahrnehmung.-
Lösungsanpreisung.Die
konkurrierenden Lösungen werden innerhalb und zhrischen .denbeteiligten
Behörden,politischen
Partei-en, Entscheidungsgremien undder öffentlichkeit ge-
und verhandelt.-
Lösungskonkretisierung. Sofern Konsens möglichist, wird
eine@ungen weiter verfolgt.
Folgeprobleme der Bealisierung 1ösenunter
Umständen einen neuen Zyk1usder
Pro- blemstrukturierung aus.Dies
sind logische
Phasen,die nicht
notwendigerweisein
dieserReihenfolge aufeinanderfolgen. Der
tatsächliche
Planungsprozeß kann mehrfach zwischen denersten drei
Phasenhin
undher oszil- lieren -
und sogar ohne Lösung enden, wenn das Problem unaktuell gewordenist
oder durchein dringlicheres
Überlagert wird.Das so
skizzierte
Modell des Planungsprozesses unterscheidet sichvom Rationalmodell
der
Planungin zweierlei Hinsicht.
Zunächst geht esnicht
davonaus,
daß esklar definierte
Planungszielegibt.
Vielmehr werden
Ziele erst allmählich
imVerlauf
eines Lernpro- zesses über Lösungen,Bestriktionen
und Folgeprobleme erkannt.Zweitens
akzeptiert
es deninteraktiven
undpolitischen
Charakterder
Planung.In jeder
Phasewird Information
zwischen Akteuren ausgetauscht, deren t'lahrnehmungen des Planungsproblemssich
von-ORF{'D
einander unterscheiden.
In einer
solchenSituation verliert in-
formation
ihren "objektiven"
Charakter.Ihr
l^lertwird
ausschließ-lich
durchihre
Eignung bestimmt, das Verhalten anderer zu be- einflussen.Es
gibt
genügend empirische EvidenzdafÜr,
daß dieses Modell des Planungsprozessesrealistischer ist als
das Rationalmodell.Erfolgreiche
Entscheider bedienensich der
lrlare Informationin selektiver
Weise, indemsie positive
Aspekteder
von ihnen ver-tretenen Politik
hervorheben und weniger gÜnstige unterdrÜcken;sie
machen strategischen Gebrauch vonfnformation,
umihre
po-litische
Macht zustärken,
indernsie
Informationje
nach den Um- ständen weitergeben oder zurÜckhalten. Durchdie
hleitergabe ver-traulicher
Införmationen an zuverlässigeJournalisten bilden
sieein
Netzpersönlicher
Beziehungen,auf
dassie
zurÜckgreifen kön- nen, wennsie
zu einem SpäterenZeitpunkt
einmal UnterstÜtzung brauchen. Umgekehrt schließensie Journalisten, die sich
ihnengegenüber
iltoyal
verhalten haben, vonvertraulichen
InformationenAUS.
Die gegenwärtigen Planungsinformationssysteme
sind fÜr
diesen Um- gangmit
Informationen von wenighlert.
Se1bst wennsie effizienter
ünd
flexibler
wären,selbst
wennsie
Datenenthielten, die
fÜrein aktuelles
Problemrelevant sind,
wÜrdensie
immer nochnicht
den
wichtigeren, informellen Teil der Information enthalten,
der zum Aufbau vonLoyalität
und Vertrauenerforderlich ist: Infor-
mation über Freunde und Feinde,
Koalitionen
und 0ppositionen, Vor-urteile
und Interessen undalles Übrige,
dasPolitik
so aufregend und menschlich und manchmal so schmutzig macht. Deshalbhat
jederPolitiker mit
einem Minimum anSelbstreflektion
Übersein
Tun gute Gründe, gegen unbeschränktePublizität in politischen
und P1a-nungsfralei
zusein -
und damit auch gegenleistungsfähige
PIa-nungsinformationssysteme .
Man mag
dies
beklagenswertfinden
undeine
bedauerliche Abweichung vomrationalistischen ldea1.
Aber das wäre zueinfach.
Der "oppor-tunistische"
Umgang des Planersmit Information ist
eine rechteffektive Art
und k'leise, Komplexität zu absorbieren. Indemer
nurInformationen ausv,räh1t,
die
seinen Zwecken dienen,reduziert
der Planer seineInformationsüberlastung
undstutzt
das Problem außer- demauf eine fÜr
den normalerweise knappen Zeitrahmen von Planungs- prozessen und (was nochwichtiger ist) fÜr
das beschränkte Aufmerk- samkeitspotentialseiner K1ientel
geeignetes"begreifbares"
Formatzusammen.
Dennoch wäre es ebenso
falsch,
dieseselektive
Informationsverar-beitung als
unabänderlich hinzunehmen.NatÜrlich ist
esim Inter-
esse
der Gesellschaft,
denAnteil der verläßlichen
und nachprÜf- baren Informationen,die bei der
Vorbereitung von Planungsentschei- dungenberücksichtigt
werden, zu erhöhen. Nurerfordert dies
alsersies
das Verstehender Restriktionen
und Engpässe,die in
derRealität die Bationalität
des Planungsprozesses einschränken. Undhier zeigt sich
ganzdeutlich,
daßnicht
Mangel'an Informationder
Engpäßder
Planungist,
sondern Informationsverarbeitung und Kommunl'kationskapazität des Planungssystems. Jeder Versuch, PIa- nungrationaler
zu machen, mußhier
ansetzen.nfa'i- --l
Die
Frage, obdie
neuen Entwicklungen im Bereichder
Informa-tionstechnik die
Anwendung von Informationssystemenfür die
PIa- nung beeinflussen, muß daher umformuliert werden: t'lerdensie
deneigentlichen
Engpaßder
P1anung,die
fnformationsverarbeitungs- und Kommunikationskapazitätder
am Planungsprozeßbeteiligten
Akteure verbessern? fm nächsten Abschnitt
wird eine
Antwort auf diese Frage versucht.4. Szenarien
Es
ist
schwer,ein
einzigesBild
zu zeichnen, wiesich die
Raum-planung
unter
demEinfluß der
neuen fnformationstechnik entwickelnwird.
Esgibt
gegenläufige Trendsin der
Technikentwicklung eben- sowie
im ökonomischen,sozialen
undpolitischen
Kontext der P1anung. Mehr noch, es bestehen gewichtige Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern, ihrem Entwicklungsniveau,ihrer politischen Kultur
undin ihrer
Ei.nstellung gegenüberder
Technik, so daß sichbreite
Generalisierungenverbieten.
Deshalb werdenin
diesem Ab-schnitt drei
verschiedene ZukÜnftefÜr die
Haumplanungin
der Formdreier
verschiedener Szenarienskizziert,
von denenjedes
aufder Extrapolation
beobachtbarer Trendsin der Gesellschafts-
und Technikentwicklung- auf
Kosten anderer, gegenläufiger Tendenzen- beruht.
Diedrei
Szenarien korrespondierendirekt mit
dendrei
Erklärungsansätzenfür
das Scheiternder
Planungsinformations- systemein Abschnitt 2, d.h. jedes
SzenarioIöst ein
bestimmtes Problem gegenwärtiger Planungsinformationssysteme, jedochnicht die
beiden anderen.Szenario
1:
Die PlanungsmaschineIn
diesem Szenariowird
davon ausgegangen, daßdie
fnformations- verarbeitungskapazitätin der Tat der
entscheidende Engpaßfaktorfür erfolgreiche
Planungist,
und daß dahereine
Erhöhung der Verfügbarkei,: und Erschwinglichkeitder
modernen fnformations-technik
wesentliche Veränderungenfür die
Baumplanungmit
sichbringen wird.
Diese Veränderungen würden
in erster Linie ein natÜrliches
Neben- produktder
schnellen Verbreitung von Computernin aIIen
Berei-chen
der
Kommunal- und Regionalverwaltungsein.
hlenn einmal jeder Verwaltungsvorgang seinen Niederschlagin einer
entsprechenden Transaktionin
einem Computerfindet, ist
esleicht, die
Erge'o-nisse dieser
Transaktionen so im Speicher des Computers zu orga-nisieren,
daßsie
auchfür
Planungszwecke verfügbar gemacht werdenkönnen. Nahezu
jedes
Dezernat oder Amtin einer
Kommunalverwal-tung produziert täg1ich
einenkontinuierlichen
Strom von poten-tiell
raumplanungsrelevanten Daten.Darüber hinaus
gibt
eszahlreiche
Datenbestände,bei
halbstaat-Iichen
oderprivaten
Behörden oder Betrieben wieVer-
und Ent- sorgungs- otJer Verkehrsunternehmen,die detaillierte
Kunden-oder Abrechnungsinformationenenthalten, die,
h,ennsie der
Verwaltung zugänglich wären, hochrelevante Informationen Über Konsum- undKommunikationsverhalten
liefern
wÜrden. Diesgilt
auchfÜr
dieil6)E--7t
brachsende Anzahl
privater
Geschäftstransaktionen,die in
Zu-kunft täglich
von dezentralen Terminals über Telebanking- oder Teleshopping- oder computergestützte Kassenterminalsysteme ab-gewickelt werden.
AIIe
diese Informationensind
entweder heute schon oder werdenin der
nahen Zukunftin
maschinenlesbarer Form vorhanden sein.Ein
großerTeil
von ihnenist
auchin der
Vergangenheit schon zumTeil in computerisierter
Form vorhanden gewesen. Diese Da-tenbestände wurden jedoch von
jeder
einzelnen Behörde unabhän-gig
getrenntgespeichert.
Dasqualitativ
Neue des Informations-zeitalters ist,
daß es nun möglichwird,
Computer an lokale oderweltweite
Computernetze anzuschließen, und daß es mehreregute Gründe
gibt, dies
zutun.
Unternehmeninstallieren fn-
House-Netze, um
ihre interne
Kommunikation unddie
Koordination zwischenentfernten
,Zweigbetrieben oder Niederlassungen zu ver- bessern, Computernetze zwischen Firmen oder zwischen Firmen undprivaten
Haushaltensind die
Voraussetzungfür
ElektronischePost,
Telebanking, Teleshopping und andere Formender elektro-
nischen Kommunikation,die
das"papierlose
Büro"zur Wirklich-
keit
machen.Es wäre unvernünftig anzunehmen, daß Kommunal- oder Begionalver- waltungen
in
diesem Bereichlangfristig
anders handelnsollten als private
Unternehmen.Mit
dem zunehmenden Vordringen des Com-puters in
dertäglichen Arbeit der
Kommunalverwaltungdürfte
der Drucksteigen, die
unterschiedlichen Datenbestände aus ökono- mischen und Konsistenzgründenin eine
kommunale Datenbank, oder wahrscheinlicherein
System von Abteilungsdatenbanken, zuinte- grieren. In einer natürlichen
trrleiterentwicklung werden dieseörtlichen
Datenbanknetzemit ähnlichen,
von anderen Gebietskör- perschaften wie Gemeinden,Kreisen,
Hegierungsbezirken oder Län- dern unterhalten Datenbanknetzen verbunden werden und schließ-lich
landes- und bundesweit zu einem System räumlichorganisier-
ter
Datenbanken zusammenh,achsen.Natürlich wird
es Opposition gegen solche Systeme geben, wie essie
schonin der
Vergangenheit gegebenhat, zuerst in
den 60er Jahrenin
den USA(Martin
und Norman, 1970),später
auchin
an- deren Ländern(2.8. Bodelle,
1983). Diese 0ppositionwird
sichvor
allem gegen das offenkundigePotential derartiger
Datenban-ken,
zu Überwachungszwecken mißbraucht zu werden, wenden. Aberfür
dieseerste
Szenariostelle
mansich vor,
daßin
Ländern miteiner
einigermaBen pragmatischenpolitischen
Atmosphäre undeini-
gen Sicherungen gegen gröbsten Mißbrauch
die für die
Einrichtung räumlicher Datenbankenerforderlichen
Gesetze das Parlament pas-sieren - mit der
Begründung, daßder potentielle
Nutzenderarti- ger
Systemefür die
Gesellschafter größerist als ihre
poten-tielle
Gefahr.Die Verwirklichung eines räumlichen fnformationssystem, das
nicht,
wiefrühere
nPlanungsu -Informationssystemeeine speziel-
le für
Planungszwecke zusammengestellte Sammlung von Datenist,
sondern aus den 0perationsdateien
der öffentlichen
Verwaltungselbst
besteht und daherkontinuierlich
und automatischfort-
geschrieben
wird,
könntein der Tat die
Informationsbasis der räumlichen Planung dramatisch verändern.Mit
zunehmenderhisto-
ORF{'D
10
rischer Tiefe, d.h. mit
mehr und mehr Operationsdaten akkumu-Iiert
überdie 7eit,
wÜrden immerraffiniertere
Prognose- und Optimierungsmodellerealisierbar.
tr'JÜrden mehrere Prognosenmodel-_1e miteinander
verknüpft
und andie
Verwaltungsdateien ange-schlossen, könnten
sie
routinemäßigals
Frühwarnsysteme einge-setzt
werden, welche vollautomatischselbst auf die
geringsten Signalepotentieller
Unzufriedenheitder
Bevölkerung ansprechen würden. Mehr noch,ein
solches Modellsystem könntemit
Rege1nversehen werden,
wie
esauf
geringfÜgige Abweichungen vom rrnor- malen" Systemzustand reagierensoll,
etwa durchdie
Ausgabe ent- sprechenäer Warnungen andie betroffene
Behörde.Ein
derartiges Frühwarnsystem könnteeine
"Planungsmaschine" genannt werden, da esa1le
Routineentscheidungen Übernehmen undnur in
außerge-wöhnlichen, konfliktgeladenen
Situationen, in
denen es um kontro- versepolitische
Maßnahmen oder um hohe Geldsummengeht,
eineIntervention
durch den Menschenerfordern
würde.Die Aufgabe des Planers wäre es
natÜrIich, die
Planungsmaschinezu
beauisichtigen,
etwawie ein
Chefmaschinist das störungs-freie
Funktionieren eines Kraftwerks odereiner
großen automa-tischen
Fertigungsstraße Überwacht. Man kannsich vorstellen, wie die Planei sich
im Kontrollzentrumder Stadt
(das wie die Kommandozentrale desStrategic Air
Command aussieht).in
Dreh-stühlen
räkeln
und daraufwärten,
daß an brandhohen Übersichts-karten
des Stadtgebiets Warnlampendort
aufblinken u,o es voraus:sichtlich
demnächst Arger gebenwird.
Nachein
paar JahreneI- folgreichen
Funktionierens wÜrdedie
Ptanungsmaschine unangreif-bar sein.
Di.e Leute wÜrden glauben,sie
verfÜge Über ÜbernatÜr-liche
Fähigkeiten odersei unfehlbar: ein veritabler
Leviathan.Szenario
2:
Rückzugder
PlanungDas zweite Szenario beruht
auf der
Überzeugung, daßdie Art
vonRationalität, die der
"Planungsmaschine"zugrundeliegt, nicht nur
an den wesentlichen Fragender gesellschaftlichen
Planungvorbeizielt,
sondern außerdemfÜr die
Existenz der menschlichen Gesellschaft hochgefährlichist.
Für dieses Szenario
ist
das Scheiternder
frühen Planungsinfor- mationssystemenicht eine
Frageder Informationstechnik,
son- derneinä
Folge eines Wechsels imPlanungsstil
während derIetzten
zwei Jahrzehnte, vonder
synoptischen Planung "von oben"zur inkrementellen, kleinteiligen
Planung "von unten".fn
dem neuen Paradigmaist
Planungein
Prozeßder
gegenseitigen Anpassung zwischenkonfligierenden Interessen, "soziales
Lernen"(Friedmann, 1981), und damit das extreme Gegenteil
der
zentra-iisierten Rationalität der
Planungsmaschine. Soziales Lernen bedeutet, daßdie
Menschen Subjektanstelle
von§bjekt der
PIa- nung werden, daßsie aktiv än
den Entscheidungen Überihr
Le-ben und
ihre
Umwelt teilnehmen wo1Ien. Daher beginnt soziales Lernen imlokalen Bereich, auf der
Ebeneder
Nachbarschaft und Gemeinde, beginntbei
denörtlichen
BedÜrfnissen, und bewegtsich erst vo;
da ausfort
zu Fragen vongrößerer,
Überörtlicher Bedeutung. Sein primäres Mediumist
persönliche Kommunikation.FE'ar -i r
L7
Die
in der
"Planungsmaschine" enthaltene Informationist für
diese
Art
von Planung von geringem [r'lert, und zvJar aus zwei Grün- den. Dererste
Grundbetrifft die
Menge und den Umfang anInfor-
mation. hlodie
Planungsich mit
den Sorgeneiner kleinen ört- lichen
Klientengruppebefaßt, ist die
Informationsbeschaffungkein
Problem, denn niemand weiß sogut
Bescheid überdie
Ver-häItnisse der
Leute wiesie selbst.
Umfassendere fnformationensind nicht nur überflüssig,
sondern sogarstörend,
dasie
vomProblem ablenken und
bei
Verhandlungenmit
anderen Gruppen die eigene Verhandlungsposition schwächen könnten. Der zweite Grundbetrifft
denfnhalt der Information.
Da das Informationssystemder
"Planungsmaschine"auf
den Einzeloperationender
Verwaltungberuht, enthäIt
esnur quantitative
oder'bbjektive",
aber keinequalitativen
oder"subjektiven"
Informationen über Werte, Präfe- renzen, l,'lünsche, Absichten, P1äne, Sorgen und Befürchtungen.Aber ohne
eine
ausdrückliche Berücksichtigung von Werten,ist
bei
Planung "von unten"eine Konfliktlösung
zwischen Gruppenin- teressennicht
möglich. Aus diesen zwei Gründen würdenFortschrit-
te in der
Informationstechnik oderin
Planungsinformationssystemen kaum irgendeine Wirkungauf
dieseArt
von Planung haben.Im
Gegenteil,
ausder
Perspektiveder
Planung "von unten" würden Verbesserungender
Informationsverarbeitung und Datensammlungauf der Seite
des Staates sogargefährlich sein,
dasie
es ihmermöglichen würden, seine Macht und
Kontrolle
überdie
Bürgerweiter
auszubauen.Der Kampf gegen das Informationsmonopol des Staates muß
in
einemgrößeren Zusammenhang gesehen werden.
Er ist ein TeiI der
Aus-einandersetzungen darüber,
wie die
Gesellschaftmit der
Technik umgehensoII. In einigen
Ländernscheint
diese Auseinandersetzung schon entschieden,in
anderen dauertsie
nochan, in
noch anderenhat sie noch nicht
einmal begonnen.Die kritische
Haltung gegen-über
der
Technikist in
Mumfords "Der Mythosder
Maschine" (1967)artikuliert:
Der Menschist bereits jetzt
über dasZiel der
Unter- werfungder
Natur hinausgeraten und nähertsich
dem Punkt, an demer wie der
Zauberlehrlingdie Kräfte, die er
herausgefordert hat,nicht
mehr beherrschen kann.Die
Folgeist,
daßer nicht nur
dienatürliche
Umweltder
Erdezerstört,
sondern auchtiefgreifende
Veränderungen
seiner
eigenenPersönlichkeit erfährt.
Esist
dasdie "Dialektik der
Aufk}ärung" (Horkheimer und Adorno,
1947):daß
die
Errungenschaftender
Aufklärung,ranststt die
großen Ideender
Aufklärung,Freiheit, Gleichheit
und Menschlichkeit zu ver-wirklichen, sich in zerstörerische Kräfte
verwandeln,die ihre
eigene Existenz vernichten und den t'leg zumTotalitarismus
bahnen.Aus
dieser Sicht ist der
Computernicht
mehrdie großartige
Er-findung,
durchdie
das t'lissen des Menschenauf
hunderte nütz-liche
Weisenerweitert wird,
sondernwird assoziiert mit Poli-
zei-Informationssystemen,
mit Hilfe derer die
Spuren tausender unschuldiger Menschenverfolgt
werden,mit
Geheimdienst-fnfor- mationssystemenin
denen Dossiers übervöl1ig
lega1epolitische Aktivitäten
gespeichertsind, mit betrieblichen
Personalinfor- mationssystemen,die
darauf angelegtsind, die Kontrolle der
Un- ternehmen überihre
Beschäftigten Iückenlos zu machen, und mit den zahllosen anderenöffentlichen
und kommerziellen Informa- tionssystemen, durchdie ein
Aspekt desprivaten
Lebensbereichs desnia-')- -:Ä
72
Individuums nach dem anderen
erfaßt wird.
Gegenall
das mußman kämpfen, und es
gibt
Überhaupt keinen Grund, Planungsinfor- mationssysteme hiervon auszunehmen.Um
mit
dem Szenariofortzufahren, stelle
mansich vor,
daß sichin
einem oder mehreren Ländern verschiedene Gruppen, diegegen
die
F.olgender
Informationstechnik kämpfen, zusammentun-
etwa Bürgerrechtsgruppen,
die sich fÜr eine
bessere Datenschutz- gesetzgebung einsetzen oder Volkszählungsgegner oder Gewerk-schaften, die
gegendie
EinfÜhrung von Personalinformations- systemenin der Industrie
opponieren, und daß es diesen Gruppen,in
denenviele
Akademiker,Schriftsteller,
BeehtsanwäIte usw.mitarbeiten, gelingt, die
Aufmerksamkeitder Öffentlichkeit
fÜrihre
Sache zu gewinnen. Dannist
es Überhauptnicht
unwahr-scheinlich,
daßsie
es ÜberGerichtsurteile
oder Über ent- sprechende Gesetzesvorlagenerreichen, die
großmaßstäbliche An- wendungfortgeschrittener
InformationstechnikfÜr die poli- tische
Planung durch denStaat
zuverhindern,
und das wÜrdeselbstverständlich
auchdie
räumliche Planungauf
regionaler oderlokaler
Ebenebetreffen.
In
diesemFalI
dÜrftendie
Planungsbehördender
Gebietskörper-schaften, die
nochnie
besondersinnovationsorientiert
waren, diese Einschränkungbereitwillig
annehmen undsich mit
demStand
der
Technik zufriedengeben, densie
haben-
und das wirdnicht
geradeviel sein,
wenn manberÜcksichtigt,
daß Planungs- ämter[eine
eigenen Daten produzieren, daßihr
Zugang zu denDaten anderer Verwaltungsstellen durch
Vorschriften
eng be-grenzt ist,
und daß sondererhebungen oder Großzählungenpoli- iisch
immer weniger durchsetzbar und daher immerseltener
wer-den.
So1che Beschränkungen
in der
Beschaffung von Planungsdaten wird esfür
denprivaten
Sektor dagegen kaum geben. Daher kann man davon ausgehen, daßbald ein
kommerzieller MarktfÜr
räumliche Informatiönen entstehenwird.
Anbieter und Nachfragerauf die-
sem Markt werden Firmen
sein, die in ihrer
Geschäftspraxis räumliche Daten verwenden und/oder erzeugen wie zum Beispiel Grundstücksmakler, Bauinvestoren, Hypothekenbanken oder Groß- unternehmen,die
Immobilieninteressenin der
Region haben. P1a- nungsbehörden,die derartige privat
gesammelten Daten nutzen möchten, werden den Marktpreis zu zahlen haben.Allerdings
wer- den diese zumeistauf
Stichproben beruhendenprivaten
Datenviel
weniger systematisch und flächendeckendsein
a1sdie
Datender amtliihen Statistik.
Das wiederumwird
Auswirkungen habenauf die
verwendeten Analyse- und Prognoseverfahren.Ein
großerTeiI der
angewandten Planungsforschungwird sich
damit befas-sen, die
schlechte Datenbasis durch Schätzverfahren zu ver-vollständigen,
unddie auf
ihnen beruhenden Prognosen werden von fragwÜrdigerQualität
sein.I'lichtiger
dabeiist jedoch,
daß das Informationsungleichge-wicht
iwischender öifentlichen
Planung und denprivaten
Unter-nehmen den Schwerpunkt
der
Planung unaufhaltsam vomöffent- lichen in
denprivaten
Sektor verschiebenv',ird.
Schon heutewerden
in
manchen "company towns"die Leitlinien fÜr
dieStadtentwicklung eher
auf
den Vorstandsetagender
ansässigen CPruD13
Großunternehmen
als
im Rathaus abgesteckt.Mit
dem Rückzug der Planung vonihrer
Informationsbasisdürfte dies zur
Begel wer- den, undin
Verhandlungendürften die öffentlichen
Instanzen gegenüberder Wirtschaft mit ihrer
überlegenen Informations-infrastruktur
hoffnungslosins Hintertreffen
geraten.Eine
schwaheöffentliche
Planungist
jedoch eine Gefahr fÜrein
Planungssystenr,in
dem Planung "von unten" das vorherrschen- dePrinzip ist.
Planung "von unten" braucht einenaktiven
Ge-genspieler, der die
umfassenderen,langfristigen
Belange der Gesamtstadtvertritt,
zwischen den konkurrierenden Interessender örtlichen
Gruppen und Interessenvermittelt,
KompromiBlö- sungenvorschlägt
unddie
Rechte von MinderheitenschÜtzt.
0hnediese Koordinationsfunktion
bleibt
Planung 'rvon unten" fragmen-tiert
undparteilich
undist unfähig,
größere "strategische"Probleme zu erkennen und
erfolgreich
zu lösen.Szenario
3:
Computer undsoziales
LernenIn
diesem 1etzten Szenariosoll
versucht werden, einendritten
Weg zwischen
unkritischer
Verherrlichung und pauschaler Ver-teufelung der
InformationstechnikfÜr die
Raumplanung zuskiz-
zieren.Hierzu werden noch einmal
die
Grundannahmender
erstenzwei Szenarione
rekapituliert, die die
beidenersten
Szenarj-enin ihre jeweilige
Sackgasse gefÜhrt haben. Daserste
Szenario;das
für
Planung "von oben"steht,
geht davonaus,
daßInfor-
mationsmangel
der
Engpaßder
Planungist
und bedientsich
daherder fortgeschrittensten Informationstechnik,
versagt jedoch,kto es um
die tr'lertartikulation
"von unten"geht.
Das zweite Szenariosetzt
an basisdemokratischen ttlert/Konflikt-Problem anund
lehnt
deshatbaIIe
Formender zentralisierten
Information Bb,hat
aber keine Mechanismenzur Integration der partikula- ristischen
Bestrebungenin ein
koherentes Ganzes.So scheinen
die
zwei Positionen Gegensätze zusein.
Aber bei näherer Betrachtungsind sie
bemerkenswertähnlich.
Beiderichten ihr
Augenmerkauf
einen bestimmten Bereich j-m Spektrumder
Planung und versuchen, desseninterne
Informationsverarbei-tung auf
Kostenseiner
AufmerksamkeitfÜr
externe Informationenzu
optimieren.
"Externe" InformationenfÜr die
"Planungsma-schine" des
ersten
Szenariossind Mitspieler, die nicht mit- spielen:
Verbraucher,die nicht
konsumieren, EigentÜmer, dienicht auf
Gewinn aussind, Minoritäten,
Protestbewegungen,Bürgerininitiativen,
dasheißt a1le
Unregelmäßigkeiten, dieihr störungsfreies
Funktionieren gefährden. "Externe" Informa-tion für die
Akteure im zweiten Szenariosind soziale
Kosten egoistischen Verhaltens. Beide Ansätze haben gemeinsam, daß die Aüsblendung störenderInformation die
VoraussetzungfÜr ihre spezifische Leistungsfähigkeit ist.
Es
wird deutlich,
daßdie
Auflösung dieses Dilemmasnur in einer
Kombinationbeider
Ansätzeliegen
kann,die
dereninter-
ne Informationsverarbeitungskapazität
erhält,
aber zugleichihre Fähigkeit,
Informationen von außen aufzunehmen,verstärkt.
IBPJ9
!4
Hierdurch
wird
daszentrale
Problemder
Planung von einemIn- formations- in ein
Kommunikationsproblem umgewandelt.Es
hat in der
Planungstheoriezahlreiche
Vorschlägezur Inten- sivierung der
Kommunikation zwischen "oben" und "unten",zwischen "Experten" und "Ni-chtexperten", zwischen "Zentrum" und
"Peripherie"
gegeben (Dewey, 1927; 1939; Mumford, 1939; Deutsch, 1963; Habermas, 1963;Etzioni,
1968;Fehl, L97t;
Friedmann,1973; Kochen und Deutsch, 1980; Habermas, 1981; Friedmann, 1981).
Vielleicht der
weitreichendste Vorschlag warder
von Habermas,für
denein
Systemherrschaftsfreier öffentlicher
"Diskurse"das Basismedium demokratischer Entscheidungsfindung
ist -
ähn-liche
Gedankenfinden sich bei
den "Neuen Humanisten"der
ame- rikanischen Planungstheorie,für die
Planung undsoziales
Ler- nenin kleinen
überschaubarengesellschaftlichen
0rganisationeneins sind
(Friedmann). Jedoch haben diesewie alle
übrigen der-artigen
Vorschläge gemeinsam, daßsie theoretische
Konzepte ohneeinen Hinweis
auf
einen ['legder
praktischen Verwirklichung ge-blieben
sind.fn der Tat sind die
zu überwindenden Schwierigkeiten enorm, so- langedie
Kommunikationin der
Planungallein auf vorindustriel- len
Formender Face-to-face-Interaktion beruht.
Auf persönliche Kommunikation begründete Planungist charakteristisch für
archaische Gesellschaften,
in
denen Interaktionssystem und so-ziales
System nochidentisch sind: die
Dorfdemokratie (Luhmann, 1975).Mit
wachsender Komplexitätder Gesellschaft fallen fnter- aktion
und Gesellschaft auseinander,die öffentliche
Diskussionwird
durchleistungsfähigere
Komplexitätsreduktionsmechanismenersetzt: funktionale Differenzierung,
Repräsentation und Zweck-programmierung, das
heißt
eben Planung. Diese Techniken könnenjedoch (wie
Szenario1 gezeigt hat) nicht
über gewisse Grenzenhinaus
gesteigert
werden, ohne ausder
demokratischen Kontrolle zugeraten.
Diesist
dertiefere
und vö11i9legitime
Grundfür die
Renaissance des "archaischen" Mediums Diskussionauf
der Planungsszene.Andererseits müssen
die potentiellen
Vorzügeder
"diskursiven"P1anung, Wertorientierung und
0ffenheit für
Innovationen, mit erheblichenstrukturellen Bestriktionen
bezahlt werden. Persön-liche
Kommunikationfindet ihre
Grenzenin der
Knappheit vonZeit
und Aufmerksamkeit: Nurein
Themazur
ZeLt kann behandelt werden,die
Argumente müssen nacheinander vorgetragen und ver-arbeitet
werden,der
Zeitverbrauchist
hoch,die
Komplexität,die verarbeitet
werden kann,ist gering
(Luhmann,L97t;
1975).Diese
Restriktionen
bestimmendie langfristigen
Perspektivenfür partizipatorische
Planungin einei
immer komplexer werden- den hle1t. Wennsie in der Tat
nunvermeidbare,Ietztlich
abso-lute
Schrankenjedes
Diskussionssystems" (Luhmann,t97t)
sind,wird partizipatorische
Planung immerfragmentiert bleiben
undhoffnungslos
hinter der
explodierenden Komplexität des Planungs- umfeldszurückfallen.
t'läre es jedoch möglich, diese Grenzen durchleistungsfähige
"Verstärkungsmechanismen" zuerweitern,
könnte das Interaktionsmedium Diskussion auch heute noch seine ursprüng-liche
Aufgabeals
grundlegendes Mediumder
demokratischen PIa- nungerfüIlen.
IRP"iD
15
Für das
dritte
Szenariowird gefragt,
obdie
neue Informations-technik
solche Verstärkungsmechanismen zuliefern
vermag. Ver- suche,mit Hilfe elektronischer
Medienmit
Rückkanal dieFragmentierung
lokaler
Planungsdiskussionen zu überwinden, ha- beneine
lange Geschichte, von denersten
"Phone-ins" (v91.de Sola Poo1, 1973)
bis
zu gegenwärtigen Kabelfernsehnetzen oder verschiedenen Kombinationen von Fernsehen und Telefon.Es
hat
auch Versuche gegeben, Computernicht
so sehr alsBechenmaschine, sondern
als
Kommunikationsmedium zu nutzen, umdie Effizienz, Produktivität
undinhaltliche
Substanz von Grup- penentscheidungen zu verbessern, angefangen von computerge-stützten Spielsimulationen, interaktiven
Simulationsmodellen und elektronischen Abstimmgeräten (einen Überblick enthäIt k'legener, 1978)bis
zu heutigen "Entscheidungsunterstützungs- systemen" oder "Expertensystemen".In nicht allzu langer Zeit wird
das technischePotential
verfügbarsein, zuerst
imregio-
na1en, dann im globalen Maßstab, Mehrwegefernsehen und dezen-trale
Hechnerkapazitätmit Hilfe
desIntegrated
ServicesDigitalized
Network (ISDN) miteinander zu kombinieren und sodie Infrastruktur für "elektronische
Bathäuser" vomStadtteil bis
zum Weltmaßstabbereitzustellen.
Es bedarf heute noch
der
Spekulation, umdie
Nutzung dieses technischenPotentials
auszumalen:-
Eine mögliche Anwendung würdedarin
bestehen, daB Individuen oder Gruppen Zugang zulokalen,
regionalen oder nationalen räumlichen Datenbanken haben,die
zwar aus DatenschutzgrÜndennicht
so umfassendsein
würdenwie die der
"Planungsmaschine"des
ersten
Szenarios, aber bestimmtviel reichhaltiger
alsdie
heuteveröffentlichten Statistiken.
-
Das System würdeleistungsfähige
Methodenzur
Manipulation, Darstellung und Analyse räumlicher Daten von einfachen Sta-tistiken bis
zu komplexen Modellenbereitstellen -
sofernder
Benutzer esnicht vorzieht,
eigene Modelle und Verfahren zu entwickeln und sounter
Umständen zu unterschiedlichen Er- gebnissen zu kommen,die
sowie
heute Mikrocomputerprogrammeüber elektronische Mail-Boxen
mit
anderen Gruppen ausge-tauscht
werden könnten.-
Gruppen,die
aneiner
bestimmten Frageinteressiert
sind, könntenallein
oder gemeinsammit
anderen einenöffent- lichen
Fernsehkanalfür
Diskussionen, Videopresentationen oder On-line-Modellexperimente benutzen und soein viel
größeres Publikum erreichen
aIs sie
es jemals Über gedruck-te
Medien könnten.Sie
würdenmit
ihrem Publikum durch Fern- sehabstimmungsverfahren kommunizieren, und soeine unmittel-
bare Hückkopplung überdie
Akzeptanzder
von ihnen gemach-ten
Vorschläge erhalten.-
Eineweitere
Anwendungelektronischer
RÜckkopplungstechniken wären Prognoseveranstaltungen,in
denen durch Aggregation von Zuschauerreaktionenproduzierte
Szenarienmit
Experten- und Modellprognosenverglichen
werden könnten.ORFT'D 16