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Archiv "Intensivtherapie nach schwerem Schädel- Hirn- Trauma" (17.02.1977)

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Intensivtherapie nach

schwerem Schädel- Hirn-Trauma

Wolfgang Gobiet

Aus der Neurochirurgischen Universitätsklinik der Gesamthochschule Essen

(Direktor: Professor Dr. med. Wilhelm Grote)

Die Behandlung von Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma hat in den letzten Jahren eine deutli- che Wandlung erfahren. Neben der Verbesserung der neuroradiologi- schen Untersuchungsmethoden und der damit verbundenen geziel- ten operativen Interventionsmög- lichkeit haben klinische und expe- rimentelle Forschungen neue pa- thophysiologische Erkenntnisse gebracht. Besonders zu erwähnen sind Untersuchungen über die ze- rebrale Durchblutung bei gestörter zentraler Autoregulation (4), über den Sauerstoffbedarf traumatisier- ter Hirnzellen (6), den Kalorienver- brauch und die Substitutionsmög- lichkeiten bei extrem katabolen Stoffwechsellagen (1, 2), sowie über die Entstehung, den Verlauf und über die günstigste Therapie des posttraumatischen Hirnödems durch direkte Messung des intra-

kraniellen Druckes (3).

Diagnostik und Erstversorgung Alle weiterführenden intensivmedi- zinischen Maßnahmen können für den Patienten nur nutzbringend sein, wenn zuvor durch eine geziel- te Diagnostik lebensbedrohliche Verletzungen ausgeschlossen oder nachgewiesen sind.

Nach schwerem Schäde-l-Hirn-Trau- ma ist neben der offenen Hirnver- letzung die intrakranielle Raumfor- derung die gefürchtetste Komplika-

tion. Hinweisend - und damit Indi- kation zur zerebralen Angiographie - sind folgende Befunde:

..,.. Bewußtlosigkeit über 24 Stun- den

..,.. zunehmende bung

Bewußtsei nstrü-

..,.. Nachweis einer Halbseitensym- ptomatik, wobei die zunehmende Mydriasis das alarmierendste Symptom für eine rasche progre- diente Raumforderung ist (Darstel-

lung 1).

Wenn gleichzeitig eine zunehmen- de Verschlechterung "des Allge- meinzustandes zu beobachten ist,

1. Bewußtlosigkeit über 24 Stunden 2. progrediente

Bewußtseinstrübung 3. Halbseiten-

symptomatik 4. zunehmende

Mydriasis

Darstellung 1: Indikation zur ze- rebralen Angiographie nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma

Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma sind durch vegetative Dysregula- tion und Sekundärkomplika- tionen vital gefährdet. Nach Ausschluß oder Behandlung lebensbedrohlicher Verlet- zungen ist deswegen die Überwachung und Betreuung durch erfahrenes Personal auf entsprechend eingerich- teten Stationen unerläßlich.

Durch Anwendung moderner intensivmedizinischer Er- kenntnisse kann die hohe Mortalität dieser Patienten gesenkt sowie der ·klinische Verlauf günstiger gestaltet werden.

muß der Patient ohne Verzögerung einem neutrotraumatologische-n Zentrum zugewiesen werden. Da- mit liefert die ständige Überwa- chung der Bewußtseinslage und der Pupillenreaktion ohne großen apparativen Aufwand wichtige In- formation über den aktuellen Zu- stand hirnverletzter Patienten (Dar- stellung 2).

Solange Patienten ansprechbar bleiben, sind sie normalerweise nicht akut gefährdet. Man wird sich hier mit observierenden und sym- ptomatischen Therapie-maßnahmen begnügen können. Wenn eine in- trakranielle Raumforderung ausge- schlossen ist, weisen tiefere Stadi- en der Bewußtlosigkeit auf eine traumatische Hirnstammschädi- gung hin. ln diesem Fall können vegetative Funktionen, wie zum Beispiel Atmung, Kreislauf oder Temperatur, gestört oder unterbro- chen sein. Dadurch sind die Pa- tienten direkt vital bedroht. Da wir bis heute keine Möglichkeiten ei- ner zentral angreifenden Medika- tion haben, besteht die Intensivthe- rapie nach schwerem Trauma aus drei Abschnitten:

0

Unterstützung und rung der Vitalfunktionen

Stabilisie- [>

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 7 vom 17. Februar 1977 437

(2)

gezielt ungezielt Reaktion auf Ansprechen:

gezielt ungezielt

mit Streckkrämpfen Reaktion auf Schmerz:

keine Reaktion auf Schmerz

Pupillenform: Lichtreaktion:

normal eng eine

maximal weit beide

maximal weit

prompt:

keine oder verzögert keine keine

Darstellung 2: Vereinfachtes Schema zur Beurteilung hirnverletzter Patien- ten nach der Bewußtseinslage (oben) und der Pupillenreaktion (unten). Mit abnehmender Reaktionslage nimmt die vitale Gefährdung des Patienten zu.

Nicht ansprechbare Patienten müssen zur Überwachung auf eine entspre- chende intensivstation verlegt werden

Schädel-Hirn-Trauma

O Vermeidung und Behandlung von Sekundärkomplikationen O Frühaktivierung, um gestörte Funktionsabläufe wieder zu bah- nen.

Die wesentlichsten Maßnahmen sind die Sicherung von Atmung und Kreislauf sowie unterstützend der Ausgleich des Energiedefizits, Normalisierung der Elektrolyte, der Blutgase und des Säure-Basen-

Haushaltes.

Um eventuell irreversible hypoxi- sche Schäden der Hirnzellen zu vermeiden, ist die ununterbrochene zerebrale Sauerstoffzufuhr durch Freihalten der Atemwege sowie die Aufrechterhaltung eines ausrei- chenden zerebralen Blutkreislaufes entscheidend.

Diese Maßnahmen müssen lücken- los von der Unfallstelle bis zur In- tensivstation sowie während einer notwendigen Verlegung in eine Spezialklinik durchgeführt werden.

Die Erstversorgung an der Unfall- stelle und in der Klinik besteht des- wegen aus folgenden Schritten:

0 Freihalten der Atemwege mit ausreichendem Sauerstoffangebot

• Schaffung eines sicheren venö- sen Zuganges

O effektive Schockbekämpfung Kontraindiziert sind im Akutsta- dium nach einem Schädel-Hirn- Trauma: Osmo- oder Saludiuretika, wie Mannit, Sorbit oder Lasix. Wie im folgenden ausgeführt wird, ist

eine effektive Schockbekämpfung wichtiger als eine ungezielte di- uretische Therapie. Sedieren sollte man nur in Ausnahmefällen, um die Beurteilung der Bewußtseinslage nicht zu erschweren. Die Lumbal- punktion bringt im Akutstadium keine diagnostische Hilfe. Es be- steht hierbei jedoch die große Ge- fahr, daß bei erhöhtem intrakraniel- len Druck eine Hirnstammeinklem- mung provoziert wird. Ebenso muß das medikamentöse Weitstellen der Pupillen im Akutstadium nach dem Trauma als nutzlos und ge- fährlich angesehen werden.

Weiterführende Therapie

Bewußtlose Patienten sollten, auch wenn keine erkennbaren Atemstö- rungen vorliegen, intubiert und be- atmet werden. Untersuchungen an größeren Serien von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma haben ge- zeigt, daß hierdurch die Mortalität deutlich gesenkt wird (5).

Die Langzeitintubation hat sich all- gemein durchgesetzt und als nütz- lich erwiesen. Primär tracheoto- mieren sollte man nur in Ausnah- mefällen. Der Tubus wird solange belassen, wie der Patient ihn tole- riert. Um ein Fortführen der Beat- mung zu erzwingen, ist eine massi- ve Sedierung oder gar Relaxierung nicht notwendig, solange keine an- deren Gründe wie Lungenkontu- sion oder ähnliches dafür spre- chen.

Zur Grundversorgung gehört fer- ner: die Einlage eines großlumi- gen Kavakatheters unter Röntgen- kontrolle, eines Blasenkatheters sowie einer Magensonde.

Da bei der Mehrzahl der schwer Hirnverletzten die Autoregulation der zerebralen Durchblutung ge- stört ist, müssen subnormale Blut- druckwerte durch Infusion von Plasmaexpandern, Vollblut oder Al- buminlösungen schnell angehoben werden. Zum anderen ist eine ra- sche Digitalisierung auch bei jun- gen Patienten notwendig. Hyper- tensive Krisen mit Mittelwerten 438 Heft 7 vom 17. Februar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

über

110-120

mmHg bringen durch Erhöhung des Filtrations- druckes die Gefahr des zunehmen- den Hirnödems. Sie sind durch Gabe von Sympatholytika und durch leichte Sedierung zu norma- lisieren. Zur Sicherung einer aus- reichenden zerebralen Sauerstoff- versorgung sollten auch die Hämo- globinwerte über

10

mg% gehal- ten werden.

Einen wesentlichen Punkt nimmt die Infusionstherapie mit dem spä- teren Übergang zur enteralen Er- nährung ein. Die ausgeprägte kata- bole Stoffwechsellage schwer hirn- verletzter Patienten macht schon frühzeitig die Zufuhr hochkalori- scher Infusionen notwendig.

Schon am ersten Tag nach Trauma müssen hochprozentige Zucker- sowie Aminosäurelösung infundiert werden, wobei später die enterale Ernährung über die Magensonde ergänzend hinzukommt (Darstel- lung 3). Um Entgleisungen recht- zeitig therapieren zu können, sind mehrmals täglich Kontrollen der Elektrolyte, Hb, Blutgase, Blutzuk- ker und mindestens alle vier Stun- den der Infusionsbilanzen notwen- dig. Wöchentlich müssen eine Elektrophorese, Leberstatus und Nierenwerte bestimmt werden (Darstellung 4).

Komplikationen

Mit zunehmender Dauer der Be- wußtlosigkeit nimmt zwangsläufig die Zahl der Sekundärkomplikatio- nen zu. Diese entscheiden in vielen Fällen auch das endgültige Schick- sal des Patienten. Besonders zu er- wähnen sind:

~ das posttraumatische Hirn- ödem

~ Lungen-, Blasen-, Hirnhautent- zündungen

~ Magen-Darm-Atonie

~ Zwischenhirnstörungen wie:

Diabetes insipidus, Temperatur-, Stoffwechsel- und Elektrolytentglei-

sungen. C>

Ernährung (Erwachsene- 80 kg) 1. parenteral 2. gemischt

1 OOOml Aminolösung

500ml Aminolösung

· - -

500ml Glucose 20% 8 x 200m!

500ml Glucose 20%

500ml Laevulose 20% Sonde

500ml lnzolen 500ml lnzolen

Darstellung 3: Ernährung und lnfusionstherapie: Vom ersten bis zum dritten Tag nach Trauma erfolgt eine rein parenterale Zufuhr über den Kavakathe- ter. Vom dritten Tag an sollte ergänzend hochkalorische Nahrung über die Magensonde hinzukommen

Basistherapie Überwachung 0

2

Zufuhr Bewußtseinslage hochkalorische Pupillen

Ernährung

Hirnödemprophylaxe EKG, RR, Temperatur Labor

Bilanz

Darstellung 4: Basistherapie und notwendige Überwachungsmaßnahmen bei Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma. Besonders wichtig ist die Kontrolle von Bewußtseinslage und Pupillenreaktion (Darstellung 2). Sie muß daher regelmäßig und in kurzen Zeitabständen erfolgen

normaler erhöhter Hirndruck Hirndruck Patienten n = 100 <25 mm Hg >50 mm Hg Zwischenhirn-

54 °/o 46 °/o

symptomati k:

Verschlechterung der

62 °/o 38 °/o

Reaktionslage:

Darstellung 5: Analyse der Hirndruckmessungen von 100 Patienten. Zeichen der Hirnstammschädigung sowie Verschlechterung der Reaktionslage waren in gleicher Häufigkeit während Phasen niedrigen und stark erhöhten intra- kraniellen Druckes zu beobachten

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft

7

vom

17.

Februar

1977 439

(4)

8 7.-

6- 5- 4-

3- 2- 1 1 1

5

1 —

1 2 3

Tag nach Trauma I 1 5 6 8 9

7 6- 5-

4- 1111111

(T 2- 1 2 3 4 5 6 7 8 1 ) 0

Dauer der Hirnschwellung

Darstellung 6: Beginn (oben) und Dauer der posttraumatischen Hirn- schwellung (unten). Sowohl der Beginn als auch der Verlauf zeigen sich bei den einzelnen Patienten so unterschiedlich, daß sich keine schematischen therapeutischen Regeln ableiten lassen

Schädel-Hirn-Trauma

An erster Stelle wird in der Litera- tur die posttraumatische Hirn- schwellung mit der Gefahr der Zu- nahme des intrakraniellen Druckes genannt. Diese Druckzunahme führt durch direkte Hirnstammkom- pression zu unter Umständen irre- versiblen Störungen, wobei das Endstadium die Einklemmung mit massiven Streckkrämpfen, Mydria- sis, Atem- und Kreislaufdepression und schließlich letalem Ausgang ist.

Durch die Messung des intrakra- niellen Druckes konnte nachgewie- sen werden, daß keine eindeutige Relation zwischen den klinischen Befunden und dem Ausmaß des Hirnödems besteht (3).

Nach schweren Hirnverletzun- gen sind Streckkrämpfe, Hyperten- sionskrisen im Sinne des Cushing- Reflexes, Atemstörungen und Ver- schlechterung der Bewußtseinsla- ge ebenso häufig Ausdruck einer direkten traumatischen Hirnstamm- schädigung wie einer sekundären Hirnstammkompression durch stei- genden intrakraniellen Druck (Dar- stellung 5).

Der Beginn und der Verlauf des posttraumatischen Hirnödems sind bei den einzelnen Patienten eben- falls so unterschiedlich, daß keine schematischen Regeln zur antiöde- matösen Therapie gegeben werden können (Darstellungen 6 und 7).

Aus diesen Gründen haben die Möglichkeiten zur Bestimmung des intrakraniellen Druckes neue Im-

Versager Mannit 20°/o

n = 64 Sorbit 40°/0

n = 54

Furosemid 20 mg n = 30

Wirkungsdauer 3,7 1,2 Stunden (0,5 — 12 Stunden) 3,5 1,3 Stunden (0,6 — 11,2 Stunden) 1,4 0,5 Stunden

(0,5 — 2,2 Stunden) 14 4 4

Darstellung 7: Wirkungsdauer und Versagerquote von Mannit 20 Prozent, Sorbit 40 Prozent und Furosemid 20 mg auf das post- traumatische Hirnödem. Die hy- perosmolaren Lösungen zeigten einen zuverlässigen hirndruck- senkenden Effekt, allerdings war die Wirkungsdauer sehr unter- schiedlich (30 Minuten bis zwölf Stunden)

440 Heft 7 vom 17. Februar 1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT

(5)

pulse zur Differentialdiagnose und Therapie des posttraumatischen Hirnödems gebracht (3, 4). Wenn eine gezielte Hirnödembehandlung nach den Meßwerten des intrakra- niellen Druckes nicht durchgeführt werden kann, sollte der Schwer- punkt der Therapie auf eine wir- kungsvolle Hirnödemprophylaxe gerichtet werden (Darstellung 8).

Ein besonderer Hinweis muß dabei dem Einsatz von Dexamethason in sehr hoher Dosierung gelten. Unter dieser Basistherapie war ein signi- fikanter Rückgang der pathologi- schen Hirndruckanstiege zu beob- achten (Darstellung 9). Parallel nahm die Gesamtmortalität, sowie die Zahl der Sekundärkomplikatio- nen ab (3).

Ein eigenes Problem bildet die Se- dierung hirnverletzter Patienten, da hierdurch die Beurteilung der Be- wußtseinslage erschwert wird. Pa- tienten müssen sediert werden: ..,.. bei deliranten Zuständen ..,.. bei massiven Streckkrämpfen ..,.. bei Lungenkomplikationen wie Spastik oder ähnliches, um eine

Beatmung zu ermöglichen.

5 .... 4

c

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<ll 1- ...

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ü

2

"0

E

I

freie Atemwege Hyperventilation (PC0

2

30-35 mm Hg) Dexamethason

(hochdosiert) onkotischer Druck

Digitalis

bilancierte Infusion (A = E)

venöser Abfluß

Elektrolyte

Darstellung 8: Maßnahmen zur Hirnödemprophylaxe, wenn die Möglichkeit zur direkten Hirn- drucküberwachung nicht gege- ben ist

Die Entwicklung einer subakuten in- trakraniellen Raumforderung kann nur durch ständige Überwachung des Patienten erkannt werden. Kar- dinalsymptome sind:

..,.. rasche Verschlechterung der Bewußtseinslage

..,.. Halbseitensymptomatik

..,.. zunehmende ein- oder beidseiti- ge Mydriasis.

Bei Auftreten dieser Symptome muß durch neuroradiologische Dia- gnostik der Zustand abgeklärt wer- den, um eine entsprechende Be- handlung einzuleiten.

Frühaktivierung

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Notwendigkeit zur Frühaktivie- rung beziehungsweise Frührehabi- litation schwer hirnverletzter Pati-en- ten.

Während bei leichten Fällen nor- malerweise nach einem Durch- gangsstadium mit Hyperagitiertheil und häufig deliranten Zügen eine weitgehend defektfreie Ausheilung erreicht wird, sind die Verläufe

GruppeID

II~

1111

9. 10.

Darstellung 9: Frequenz der pathologischen Hirndruckanstiege unter verschiedener Basistherapie.

[> Gruppe I: nur hyperosmolare Lösung und Saluretika

[> Gruppe II: Dexamethason in Normaldosierung

[>Gruppe 111: Dexamethason in sehr hoher Dosierung

in der Gruppe mit sehr hoher Dexamethasongabe zeigt sich die Zahl derHirndruckanstiege signifikant verringert

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 7 vom 17. Februar 1977 441

(6)

1972 95 50 52 41 18 44 13 A 46 18 40 1974

1973

105

85 44

56 53

51

45 28

8 16 50

33 102 34

1975

Erwachense >14 Jahre Kinder < 14 Jahre gesamt verstorben °A gesamt verstorben °A

Therapie Komplikationen

Diabetes insipidus DDAVP

Magen-Darm Atonie Prostigmin Tropf Infekte (Lunge, Harn-

weg, Meningen)

Breitbandantibiotika (Testung)

Hyperthermie 38 ° C Antipyretika — Eisblase- sedieren

Darstellung 10: Häufigste Komplikation und deren Behandlung nach schwe- rem Schädel-Hirn-Trauma

Darstellung 11: Aufschlüsselung aller Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma, die in den Jahren 1972 bis 1975 auf der Intensivstation der Neurochirurgischen Universitätsklinik Essen behandelt wurden. Durch konsequente Anwendung der besprochenen Behandlungsmaßnahmen, einschließlich hochdosierter Steroidtherapie bei allen Patienten und intrakranieller Druckmessung in schweren Fällen, konnte im Jahre 1975 eine Senkung der Mortalität bei Er- wachsenen um 20 Prozent und bei Kindern um 24 Prozent erreicht werden

Schädel-Hirn-Trauma

nach einem schweren Trauma durchaus unterschiedlich. Bei die- sen Patienten kann nach dem aku- ten Stadium eine Übergangsphase beobachtet werden, die gekenn- zeichnet ist durch das Fehlen eines gerichteten Antriebes sowie Aus- fälle einfacher aber wichtiger

Funktionen wie Fixieren, Greifen und Sprechen.

• Deshalb muß bei schweren Ver- letzungen der Intensivtherapie des akuten Stadiums, neben der geziel- ten krankengymnastischen Be- handlung, eine Intensivbetreuung im subakuten Stadium angeschlos-

sen werden, um diese Phase zu überwinden.

Hier wird versucht, den Antrieb wieder zu fördern sowie gestörte Funktionen neu zu bahnen. Es ist häufig nicht einfach, den geeigne- ten Zeitpunkt zu finden, da die Pa- tienten von sich aus dies nicht zu erkennen geben. Der richtige Au- genblick ist der Übergang vom Vollstadium des apallischen Bildes zum Remissionsstadium. Wird in diesem Moment nicht mit der Behandlung begonnen, läuft man Gefahr, daß der Patient wieder in das voll apallische Bild zurückfällt,

oder auf einer frühen Remissions- stufe stehenbleibt.

Hieran anschließen muß sich in al- len Fällen, in denen erkannt wird, daß noch zentrale oder periphere neurologische Ausfälle bestehen, die Überweisung in ein spezielles Rehabilitationszentrum, um eine möglichst weitgehende soziale und berufliche Wiedereingliederung der Patienten zu erreichen.

Alle besprochenen Maßnahmen können für den Patienten nur sinn- voll sein, wenn eine echte Intensiv- therapie gewährleistet ist. Wesent- lich scheint eine kontinuierliche Überwachung durch erfahrenes Pflegepersonal, damit Störungen sofort erkannt und therapiert wer- den können. Neben der apparati- ven Ausstattung ist es der tägliche Umgang mit Bewußtlosen und da- mit extrem gefährdeten Patienten, der in vielen Fällen mit für den Er- folg der Behandlung ausschlagge- bend ist.

• Daß diese Intensivtherapie für den Patienten durchaus nutzbrin- gend ist, zeigt Darstellung 11. Bei konsequenter Anwendung der be- sprochenen Diagnose- und Be- handlungsmaßnahmen und mit Hil- fe moderner Überwachungsmetho- den, wie der intrakraniellen Druck- messung, ist eine Senkung der Mortalität nach schwerem Schädel- Hirn-Trauma durchaus möglich.

Um diese Erfahrungen noch mehr Patienten zukommen zu lassen, scheint uns eine engere Zusam- menarbeit zwischen Akutklinik und neurotraumatologischem Zentrum notwendig.

Im Einzelfall muß überprüft wer- den, ob nicht gefährdete Patienten zur Diagnostik und besseren Über- wachung in eine entsprechend ausgerüstete Schwerpunktklinik überwiesen werden können. In Fra- ge kommen Patienten nach schwe- rem gedeckten Schädel-Hirn-Trau- ma mit und ohne Raumforderung, die während der Beobachtungszeit rasch eintrüben, sowie primär be- wußtlose Patienten, die Zeichen 442 Heft 7 vom 17. Februar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(7)

Der Gichtanfall — Arthritis urica acuta

Ergänzender Beitrag

der Autorin zu ihrem Artikel in Heft 36/1976, Seite 2259

Im Beitrag „Der Gichtanfall — Arthri- tis urica acuta", erschienen in der Serie „Notfall im Bereitschafts- dienst" haben wir über Symptome, Diagnostik und Therapie des akuten Gichtanfalls berichtet. Einige Ein- sendungen von Kollegen, denen wir dafür besonders danken möchten, veranlassen uns, die Therapievor- schläge zu präzisieren.

Während für die Behandlung des akuten Gichtanfalls Colchicin bis vor kurzem — bei zahlreichen Auto-

ren auch noch heute — das Medika- ment der Wahl war beziehungsweise ist, stehen neuerdings lndometacin und Phenylbutazon gleichwertig ne- ben Colchicin. Entsprechend der neuesten Literatur seien für den akuten Gichtanfall jetzt folgende Be- handlungsmöglichkeiten nochmals aufgeführt:

Indometacin (zum Beispiel Amuno®, Supp. oder oral zusammen mit Ant- azida) initial 100 mg, danach alle 6 Stunden 25 oder 50 mg bis zum Ab- klingen der akuten Beschwerden. In der Regel ist der Patient nach 2 bis 4.

Stunden schmerzfrei. Kontraindika- tionen sind Ulkusleiden, Urämie und psychiatrische Erkrankungen.

Phenylbutazon (zum Beispiel Buta- zolidin®) ist ebenso effektiv wie In- dometacin, allerdings treten Neben- wirkungen häufiger auf. Initialdosis 400 mg, danach alle 6 Stunden 100 mg. Kontraindikationen: Ulkus-, Herzleiden und hämatologische Er- krankungen.

Colchicin (zum Beispiel Colchicum Dispert®) bleibt ein äußerst wirksa- mes Anti-Gicht-Mittel. Bis zum Ab- klingen der Beschwerden oder Auf- treten von Nebenwirkungen (Übel-

keit, Erbrechen, Diarrhöen) werden stündlich 0,5 mg Colchicin ver- abreicht; am 1. Tag maximal 8 mg.

Wenn erforderlich, 2 bis 3 Tage lang ausschleichende Dosen.

Dr. med. Charlotte Gauwerky Medizinische Universitätsklinik (Direktor:

Professor Dr. med. Rudolf Gross) Joseph-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41

ECHO

Zu: „Das heisere Kind" von Dr.

med. Hans-Jürgen Schultz-Cou- Ion in Heft 35/1976, Seite 2203 ff.

Heisere Kinder sind oft stimmgestört

„In Kindergärten und Schulen fallen immer wieder Kinder auf, die chronisch heiser sind.

Man glaubt, sie seien ständig erkältet. In vielen Fällen je- doch ist nicht ein schlecht ge- heilter Katarrh der oberen Luftwege daran schuld. Die Heiserkeit ist vielmehr die Folge einer organischen Kehl- kopferkrankung oder einer funktionellen Stimmstörung.

Man sollte daher den Miß- klang beim Sprechen und Sin- gen seines Kindes nicht ein- fach als ‚Brummen' entschul- digen, sondern den kleinen Patienten bald einem Hals-Na- sen-Ohren-Arzt vorstellen.

Weil viele Eltern ihrem heise- ren Kind lediglich Hustentee kochen oder Lutschtabletten anbieten, werden behand- lungsbedürftige Leiden des Kehlkopfs oder der Stimm- bänder oft verschleppt. Die Krankheit bleibt dann zu lan- ge unbehandelt und kann schließlich zu bleibenden Stimmstörungen führen, warnt Dr. Hans-Jürgen Schultz-Cou- Ion (Medizinische Hochschule Hannover) im ,DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT."

(Kornwestheimer Zeitung) der direkten Hirnstammschädigung

zeigen, das heißt Augensymptome wie Blickabweichungen und wech- selnd weite Pupillen, sowie Streck- krämpfe.

• Unsere Erfahrungen lassen dar- auf schließen, daß Kinder durch das zunehmende Hirnödem beson- ders gefährdet sind. Bei ihnen nimmt der intrakranielle Druck, wohl infolge der geringeren zere-

bralen Reserveräume, wesentlich schneller zu als bei Erwachsenen.

Man erlebt häufig, daß ein Kind, das bei der Aufnahme noch gezielt auf Schmerz reagierte, einige Stun- den später ausgeprägte vegetative Entgleisungen sowie massive Hirn- druckzunahmen zeigte.

• Deshalb sollte gerade bei Kin- dern mit schwerem Schädel-Hirn- Trauma frühzeitig die Verlegung in eine neurotraumatologische Spezi- alklinik vorgenommen werden.

Da bei der großen Zahl der Patien- ten mit Hirnverletzungen die Kapa- zitätsgrenze der wenigen neuro- chirurgischen Kliniken natürlich schnell erreicht ist, besteht die Notwendigkeit, neue Abteilungen einzurichten, um in Zusammenar- beit mit den Nachbardisziplinen, wie Anästhesie, Neurologie und Unfallchirurgie, möglichst vielen hirnverletzten Patienten eine opti- male Therapie zukommen zu las- sen.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Wolfgang Gobiet Universitätsklinikum

der Gesamthochschule Essen Neurochirurgische Klinik und Poliklinik

Hufelandstraße 55 4300 Essen 1

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 7 vom 17. Februar 1977 443

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