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Archiv "Forschungsbetrug in Großbritannien: Fachmedien ergreifen Initiative zur Aufdeckung" (10.10.1997)

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A-2627 Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 41, 10. Oktober 1997 (35)

beantworten und dabei eigene und fremde Vorarbeiten korrekt zu be- nennen“. Außerdem versucht die DFG zu verhindern, daß Gutachter aus der allgemein üblichen Anony- mität bei der Beurteilung anderer Forscher unzulässig Kapital schlagen.

Ihre Richtlinien für Fachgutach- ter bestimmen, daß diese den „indivi- duellen wissenschaftlichen Inhalt des Antrages, insbesondere unveröffent- lichte Daten und Theorien der An- tragsteller, weder unbefugt für wissen- schaftliche Zwecke verwerten noch Dritten zur Kennnis geben“ dürfen.

Schließlich hat die DFG Grundsätze für ein zweistufiges, internes Verfah- ren beim „Verdacht auf Fehlverhal- ten“ aufgestellt.

Mögliche „Strafen“

Im Falle eines hinlänglich begrün- deten und schriftlich vorgebrachten Verdachts wird dem Betroffenen zunächst Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben. Dann wird entschieden, ob eine „förmliche Unter- suchung“ stattzufinden hat. Mögliche

„Strafen“ sind insbesondere die schrift- liche Mahnung des Betroffenen, die Zurückweisung eines unredlichen An- trags ohne weitere Sachprüfung, die Rücknahme von Förderentscheidun- gen und die Aussetzung oder Beendi- gung der Zusammenarbeit mit einem Fachgutachter oder Gremienmitglied.

Die Schaffung eines eigenständi- gen Fehlverhaltensrechts ist nicht die einzige Möglichkeit, gegen Betrug in der Forschung vorzugehen. Präventiv stehen auch außerrechtliche Möglich- keiten zur Verfügung. In den USA werden in Ethikkursen beispielswei- se Situationen analysiert, in denen es typischerweise zu Fehlverhalten kommt. Workshops können dazu bei- tragen, daß der „Geist“ von Maßnah- men gegen Fehlverhalten innerhalb der Gemeinschaft der Wissenschaft- ler akzeptiert wird. Außerdem könn- ten Forschungs- und Fördereinrich- tungen den Publikationsdruck mil- dern, der oft für Fehlverhalten mit- verantwortlich gemacht wird.

Bei Stellenbesetzungen und För- deranträgen könnten sie statt der vollständigen Publikationsliste nur die Aufzählung der besten Veröffent-

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

lichungen verlangen. Diese Idee stammt aus den Vereinigten Staa- ten. Dort wurden mit dem „Harvard Scheme“, das die Angabe der fünf besten Veröffentlichungen vorsieht, gute Erfahrungen gemacht.

Mancher mag angesichts dieser Thematik die scheinbar „goldenen“

Zeiten zurücksehnen, in denen es in der deutschen Forschung noch „gemüt- lich“ zuging und echter Wissenschafts- betrug als ein Kuriosum der Neuen Welt galt. Befürchtet wird oft, daß eine Diskussion über den Wissenschaftsbe- trug das Mißtrauen der Öffentlichkeit in die Forschung schürt. Manch einer meint vielleicht, daß die bisherige Pra- xis des „muddling through“ aufwendi- gen Verfahren zum Umgang mit Fehl- verhalten im Ergebnis nicht unterlegen ist: Wer betrügt, ist ohnehin am Ende seiner wissenschaftlichen Karriere. Ei- ne härtere Strafe als den Ausschluß aus der Gemeinschaft der Wissenschaftler gibt es für einen Forscher nicht, und früher oder später wird jeder Betrug auffallen.

Ob diese Einwände es rechtferti- gen, sich in Deutschland von dem sich entwickelnden internationalen Stan- dard im Umgang mit Fehlverhalten von Forschern abzukoppeln, ist je-

doch sehr zweifelhaft. Immerhin wird die deutsche Forschung weit überwie- gend aus Steuermitteln finanziert.

Auch deshalb hat die Öffentlichkeit ein Recht, über Betrugsfälle infor- miert zu werden. Ihr Mißtrauen dürfte zudem größer sein, wenn sie von Hilflosigkeit in einem konkreten Fall erfährt, als wenn bekannt wird, daß Forschungs- und Fördereinrichtun- gen oder Standesorganisationen Re- gelungen für den Ausnahmefall tref- fen. Auch mag die „informelle“ Art, mit Verdachtsfällen umzugehen, auf den ersten Blick bequem erscheinen.

Gerecht ist sie aber oft nicht.

Ein Beschuldigter kann zwar Tä- ter, er kann aber auch unschuldiges Opfer einer falschen Verdächtigung sein. Nur in einem rechtsstaatlichen Verfahren erhält er die faire Chance, sich zu verteidigen. Es ist deshalb zu begrüßen, wenn auch in Deutschland die sogenannten Selbstheilungskräfte der Wissenschaft nicht mehr als All- heilmittel gegen den Wissenschaftsbe- trug angesehen werden.

Anschrift der Verfasserin

Dr. jur. Stefanie Stegemann-Boehl Elsa-Brändström-Straße 72 B 53227 Bonn

Als 1995 der britische Gynäkolo- ge Malcolm Pierce der Fälschung einer Serie von wissenschaftlichen Artikeln schuldig befunden wurde, flackerte das Thema Forschungsbetrug in der hiesi- gen Ärzteschaft kurz auf. Die von ihm angeblich durchgeführten Experimen- te, in denen Eileiterschwangerschaften erfolgreich in Gebärmuttern trans- plantiert worden sein sollen, hatten nie stattgefunden.

Der Fall produzierte Schlagzeilen in allen überregionalen Zeitungen; ein Koautor der gefälschten Papers, gleichzeitig Redakteur am British Journal of Obstetrics and Gynaecolo-

gy, verlor seinen Posten als Präsident des britischen Gynäkologenverban- des, und von überall her ertönte der Ruf nach systematischen Reformen.

Nach nunmehr zwei Jahren läßt eine angemessene Antwort immer noch auf sich warten, und inzwischen sind weitere zwei Fälle bis in die Nachrichten durchgedrungen. In der Zwischenzeit haben zahlrei- che Redakteure medizinisch-wissen- schaftlicher Zeitschriften versucht, sich selbst helfen, indem sie vor kur- zem ein Komitee für Publikations- ethik, das „Committee on Publication Ethics (COPE)“, gegründet haben.

Forschungsbetrug in Großbritannien

Fachmedien ergreifen

Initiative zur Aufdeckung

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A-2628 (36) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 41, 10. Oktober 1997

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Eine nähere Betrachtung der zwei neuesten Fälle zeigt die Un- zulänglichkeit des Status quo: Im Juli verlor Internist John Anderson seine Approbation beim Selbstverwaltungs- organ der britischen Ärzteschaft (Ge- neral Medical Council), weil er Daten in einer klinischen Studie manipuliert hatte. Aufgedeckt wurde das Verge- hen durch eine Untersuchung der Pharmafirma Pfizer, die die Forschung finanzierte. Der Konzern bediente sich aber auch der Hilfe einer privaten Agentur namens MedicoLegal Inves- tigations, die vor einem Jahr mit der ausdrücklichen Aufgabe gegründet wurde, mögliche Fälle von For- schungsbetrug zu untersuchen.

Agenturgründer Dr. Frank Wells, ehemals Präsident des Kontrollorgans der britischen pharmazeutischen Indu- strie (Association of the British Phar- maceutical Industry) und Koautor des Buches „Fraud and Misconduct in Medical Research“, behauptet, seine Agentur schließe eine Lücke, die in manchen anderen Ländern durch In- itiativen von seiten des Berufsstandes zufriedenstellend geschlossen sei.

Dänemarks „Komitee zur wis- senschaftlichen Unehrlichkeit“ bietet in diesem Zusammenhang vielleicht das Musterbeispiel; aber auch Norwe- gen, Schweden, Finnland und Öster- reich haben formale und instituti- onsunabhängige Mechanismen, so Wells. An Kunden habe es bis jetzt nicht gefehlt, darunter Pharmakon- zerne, Gesundheitsbehörden und Hochschulen. 17 Fälle hat Dr. Wells schon dem General Medical Council weitergeleitet, davon haben alle zu Befunden von ernsthaftem Berufsver- gehen geführt. Weitere zwölf Fälle werden zur Zeit bearbeitet.

Valide Statistiken fehlen

Etwas anders ging es bei dem Londoner Kardiologen Peter Nixon zu. Im Mai gestand er vor Gericht ein, daß Fehler in von ihm mitgeschriebe- nen Papers „mehr als nur ehrliche Ausrutscher“ darstellten. Dr. Nixon ging jedoch freiwillig in den Ruhe- stand mit der Erklärung, nie wieder ärztlich tätig sein zu wollen. So um- ging er möglicherweise das Diszipli- narverfahren des GMC. Wie häufig

Fälle des Forschungsbetruges in Großbritannien auftreten, ist unbe- kannt. Handfeste Statistiken fehlen, zum Teil auch mangels einer brauch- baren Definition des Problems. Zu- nehmend deutlich wird jedoch, daß solche Fälle nicht als Rarität abge- schrieben werden können.

Daß in den Vereinigten Staaten die Zahl unbekannter Fälle viel größer ist, liegt wahrscheinlich nur daran, daß die dortigen Entdeckungs- mechanismen schärfer sind. In Groß-

britannien unterliegt die Sache zur Zeit im wesentlichen der pharmazeu- tischen Industrie, der oben beschrie- benen Agentur und den Medien.

Außerdem existiert zwar eine Reihe von Protokollen an einzelnen Univer- sitäten, die aber sowohl inhaltlich als auch in der Durchführung uneinheit- lich sind und durch die daher die al- lerwenigsten der bekanntgeworde- nen Fälle aufgedeckt werden konn- ten.

Die von Stefanie Stegemann- Boehl für Deutschland beschriebene Lage sieht also in Großbritannien nicht anders aus: „Es scheint ein still- schweigendes Abkommen unter der (deutschen) wissenschaftlichen Ge- meinschaft zu geben, daß die Strategie des Durchwurschtelns einer offenen Diskussion des Problems vorzuzuzie- hen ist, um Schwierigkeiten zu ver-

meiden und das Prestige der For- schung allgemein oder an einer be- stimmten Institution zu schützen.“

Dieser Zustand ist beschämend. Wie Sir Donald Irvine, Präsident des General Medical Council, neulich ins Gedächtnis rief, ist die Selbstverwal- tung kein Recht, sondern ein Privileg.

Sie müsse verdient werden. „Des- halb brauchen wir bessere Methoden, auf Forschungsbetrug zu reagieren, nicht nur, um das Vertrauen der Be- völkerung in die medizinische For- schung zu erhalten, sondern auch, um Argumenten gegen das Fortbestehen der ärztlichen Selbstverwaltung zu be- gegnen. Wir brauchen durchgreifende Systeme zur Prävention, Detektion, Investigation und Behandlung dieser heimtückischen Berufskrankheit in unser aller Interesse. Bei der Vorbeu- gung sollte wohl der Schwerpunkt lie- gen.“

Formelles Netzwerk

Aber solange eine adäquate In- itiative des gesamten Berufsstandes auf sich warten läßt, haben die Re- dakteure einiger Fachzeitschriften (einschließlich British Medical Jour- nal und Lancet) das „COPE“ gegrün- det. Die Initiative ging vom Chefre- dakteur der gastroenterologischen Zeitschrift „Gut“ aus, der es inner- halb eines Jahres mit vier Fällen von Forschungsbetrug zu tun hatte. Bisher versuchten die Redaktionen, bei ver- dächtigen Fällen mit Hilfe eines infor- mellen Netzwerks von Telefonge- sprächen Rat einzuholen. Dieses Netz wird durch COPE nun formalisiert.

Das Komitee soll weiterreichen- de ethische Themen als nur Betrug behandeln, zum Beispiel die der Wer- bung, der Autorenschaft, der Vertrau- lichkeit, der Interessenkonflikte und der Mehrfachpublikation. COPE ist aber nur ein Experiment. Wenn es sich längerfristig erübrigt, weil die in- ternationale Ärzteschaft bessere Ant- worten auf das Problem findet, freuen wir uns. Vorläufig haben wir aber mit der Arbeit begonnen und werden am 4. November in London eine Einta- geskonferenz abhalten.

Sandra Goldbeck-Wood

British Medical Journal, London Weder in den USA noch in Deutschland sind bisher

Fälle des Fehlverhaltens von Forschern aus der Indu- strie bekanntgeworden. Möglicherweise werden die- se stärker überwacht als an wissenschaftlichen For- schungseinrichtungen. Foto: Bayer AG

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