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Bericht und Meinung
BRIEFE AN DIE REDAKTION
Kein hölzernes Pferd
Die Bestellpraxis ist eine Methode, die Organisation einer Praxis zu bessern, das heißt in erster Linie, Wartezeiten zu kürzen. Sie ist kein „hölzernes Pferd", in dessen hohlen Bauch Feinde hereingeholt wer- den, die Patienten und Arzt und deren Verhältnis zu- einander Schaden zu- fügen.
Begründung: zusätzliche finanzielle Belastung in der Praxisführung. Zusätzliche finanzielle Belastung in der Praxisführung ist durchaus vermeidbar. Gedruckte — eventuell sogar farbige — Bestellkarten sind durch vorgedruckte Bestellzettel
— kostenlos von der phar- mazeutischen Industrie zur Verfügung gestellt — zu er- setzen.
Der zeitliche Mehraufwand, den die laufende Kontakt- aufnahme zwischen Pa- tient und Praxispersonal erfordert, muß zu den zeitli- chen Einsparungen der Be- stellpraxis in Relation ge- stellt werden. So entfällt die Identitätsprüfung („Wie heißen Sie bitte'?") eines je- den Patienten, der die Pra- xisschwelle überschreitet, sowie das folgende Her- aussuchen seiner Unterla- gen. Denn für alle nach Termin bestellten Patien- ten eines Vormittages lie- gen die Karteikarten be- reits vor (herausgesucht an einem weniger arbeitsin- tensiven, sprechstunden- freien Nachmittag eines Vortages).
Das Austauschen der Hel- ferinnen zwischen ver- schiedenen Arbeitsberei- chen der Praxis (Labor, An- meldung, Bestrahlung etc.) ist üblich und nicht unge- wöhnlich. Die Einstellung einer zusätzlichen Helferin ist nicht erforderlich. Unzu- friedenheiten werden auch in einer Nichtbestellpraxis abgeladen — nicht zuletzt
über Wartezeiten von 75 Minuten und länger.
Telefonkosten fallen kaum an. Der größere Telefonauf- wand entsteht dadurch, daß Patienten Termine tele- fonisch erfragen, also in al- ler Regel in der Praxis an- rufen.
Nachteile für den Patien- ten: Auch in einer Nichtbe- stellpraxis gibt es Notfälle, die dort eben die durch- schnittliche Wartezeit noch mehr verlängern. Ich kann auch nicht einsehen, wieso die Bestellung die „An- spruchshaltung des Patien- ten herausfordert".
Wenn ein Patient meint, sich infolge der Terminver- einbarung ein „Recht" auf Behandlung erworben zu haben, so wird er dieses Recht auch von der Tatsa- che ableiten, sich ins War- tezimmer gesetzt und sei- nen Krankenschein abge- geben zu haben.
Es ist überhaupt nicht zu leugnen, daß Notfälle und Sofortbesuche aus der Sprechstunde heraus die Terminplanung durchein- anderbringen. Wenn man dem Patienten mit dem nun verpaßten Termin dann die Gründe erklärt, so ist die Mehrzahl einsichtig und kooperativ. Er erhält einen neuen Termin oder wird auf die „freien" Nachmitta- ge verwiesen.
Diese „Störfaktoren" brin- gen die Bestellpraxis wie die freie Konsultation zum Nachteil für den Patienten durcheinander. Man kann sie nicht einplanen, ver- schieben oder sonst än- dern; es gibt sie eben. Ich vermag aber nicht einzuse- hen, weshalb sie in einer Bestellpraxis nachteiliger für die Bestellten sein soll- ten, als in freier Konsulta- tion für die bereits War- tenden.
Nachteile für den Arzt: Ich stimme mit Dr. Färber völ- lig überein, daß es immer
wieder vorkommt, daß der
„eben jetzt vor dem Arzt sitzende Patient" einer (nicht vorhergesehenen) länger dauernden Untersu- chung, einer längeren Zeit der Zuwendung oder eines längeren Zuspruchs be- darf. Aber es ist doch nicht wahrscheinlich, daß gera- de dieser Patient zu einer Zeit kommt, während der bei freier Konsultation
„nichts los" ist, beispiels- weise am Samstagmorgen.
Wahrscheinlich kommt er dann, wenn — einerseits — der Terminplan oder — bei freier Praxis — das Warte- zimmer „rappelvoll" ist (et- wa zwischen 9 und 11 Uhr vormittags).
Ob nun in solchen Fällen der volle Terminplan oder das volle Wartezimmer dro- hend vor dem Arzt stehen, bedeutet für mich keinen Unterschied. In Zeitdruck kommt der Arzt allemal, die Tätigkeit wird zum Streß — hier wie dort. Falls erfor- derlich wird der Patient in einem solchen Fall am spä- ten Abend des gleichen oder am frühen Morgen des Folgetages wiederbe- stellt.
Ich bin nicht der Meinung, daß ein solches Verhalten das Verhältnis zwischen Patient und Arzt negativ beeinflußt.
Dr. Färber schreibt: „Denn wer will schon lange war- ten?" Fast niemand will oder kann heute warten.
Die Bestellpraxis versucht, dieser Tatsache wenig- stens annähernd Rech- nung zu tragen. Sie ist kein Allheilmittel zur allseitigen Zufriedenheit von Patien- ten und Arzt, sie ist zwangsläufig unvollkom- men; aber sie ist um den Patienten bemüht. Sie ist kein trojanisches Pferd.
Dr. med. Ulrich Krause Arzt für Allgemeinmedizin Sportmedizin
Mühlenstraße 16 3260 Rinteln
Nie mehr ohne!
Die Kostenmehrbelastung und der Nervenverschleiß für das Praxispersonal sind bei jeder Form von Bestell- praxis unbestritten. Auch dauert die Sprechstunde länger, da jeder Patient sich bei allem, von der epi- schen Schilderung der Be- schwerden bis zum Auszie- hen, mehr Zeit nimmt, und da das Wartezimmer leer ist, werden ohne Be- schwerden „so richtig gründliche Untersuchun- gen" gewünscht.
Die Vorteile der Bestellpra- xis überwiegen trotzdem bei weitem. Statt 10 bis 20 sich drängender, husten- der, stöhnender und unge- duldiger Patienten im War- tezimmer und in der An- meldung sind es meist nur zwei bis fünf Patienten. Ich kann ohne den Druck der wartenden Menschen viel entspannter arbeiten.
Für drei Minuten Anmelde- gespräch verkürzt sich für die Patienten die Wartezeit von einer halben bis zwei Stunden auf 10 bis 30 Mi- nuten.
„Einzuschiebende" Notfäl- le werden sich nicht ver- meiden lassen, werden den Wartenden erklärt. Jeder Stammpatient weiß, daß die Anmeldezeit ein Annä- herungswert ist.
Wer sich beschwert, dem wird gesagt, daß er in Pra- xen ohne Bestellung stets ein bis zwei Stunden war- ten müßte, in Krankenhaus- ambulanzen bis zu vier Stunden.
Menschlich und volkswirt- schaftlich ist die so ver- kürzte Wartezeit ein großer Gewinn. Nach sieben Jah- ren Bestellpraxis „nie mehr ohne!"
Dr. med. Hinrich Kluge Arzt für Allgemeinmedizin Sandbuckel 1
7000 Stuttgart 31 (Giebel)
16 Heft 42 vom 22. Oktober 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B