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Entwurf eines Gesetzes zur Rehabilitierung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen oder in anderer Weise auf Grund ihrer sexuellen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Soldaten

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Academic year: 2022

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Referentenentwurf

des Bundesministeriums der Verteidigung

Entwurf eines Gesetzes zur Rehabilitierung der wegen einvernehmli- cher homosexueller Handlungen oder in anderer Weise auf Grund ihrer sexuellen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Sol- daten

A. Problem und Ziel

Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr konnten bis in das Jahr 2000 hinein auf Grund einvernehmlicher homosexueller Handlungen oder auf Grund ihrer sexuellen Identität dienstrechtliche Benachteiligungen erleiden, die bis hin zu Entlassungen und wehrdienst- gerichtlichen Verurteilungen führen konnten. Soldatinnen und Soldaten der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik waren ebenfalls solchen dienstrecht- lichen Nachteilen aufgrund homosexueller Handlungen oder ihrer sexuellen Identität aus- gesetzt.

Ziel des Gesetzgebungsvorhabens ist die Rehabilitierung derjenigen Soldatinnen und Sol- daten, die ausschließlich auf Grund einvernehmlicher homosexueller Handlungen wehr- dienstgerichtlich verurteilt wurden oder aufgrund ihrer sexuellen Identität andere dienst- rechtliche Benachteiligungen erlitten haben. Im Zusammenhang mit dem Gesetz zur straf- rechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexu- eller Handlungen verurteilten Personen vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2443) wurde festge- stellt, dass das strafrechtliche Verbot einvernehmlicher homosexueller Handlungen nach heutigem Verständnis in besonderem Maße grundrechtswidrig war. Das Gleiche gilt für die wehrdienstgerichtlichen Verurteilungen und andere dienstrechtliche Benachteiligungen auf Grund homosexueller Handlungen oder auf Grund der sexuellen Identität.

B. Lösung

Der Entwurf sieht eine Rehabilitierung der von dienstrechtlichen Nachteilen Betroffenen vor, insbesondere durch die Aufhebung wehrdienstgerichtlicher Verurteilungen, die ausschließ- lich einvernehmliche homosexuelle Handlungen als Dienstpflichtverletzung zum Gegen- stand hatten, sowie durch die Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung sowohl für die Aufhebung der genannten Urteile als auch für andere entstandene dienstrechtliche Nachteile.

Die Rehabilitierung ist für jeden Betroffenen mit einer symbolischen Entschädigung für die durch die Verurteilung oder durch die sonstige dienstrechtliche Benachteiligung erlittene Diskriminierung verbunden. Vorgesehen ist ein pauschaliertes Entschädigungsmodell, das eine zügige Bearbeitung der Entschädigungsansprüche ermöglicht und vor allem dem Ge- danken folgt, anzuerkennen, dass die genannten Benachteiligungen und deren Folgen aus heutiger Sicht grundrechtswidrig sind.

C. Alternativen

Keine.

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D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Durch den Entwurf sind für den Bund Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand in Höhe von maximal sechs Millionen Euro zu erwarten. Bei diesem Betrag handelt es sich um die geschätzte Gesamtsumme für die vorgesehene Individualentschädigung, wobei von einer Anzahl von höchstens 1 000 Betroffenen und einer Laufzeit von fünf Jahren für das Vorha- ben ausgegangen wird. Der Mehrbedarf soll im Einzelplan 14 ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstel- lungsverfahren zu entscheiden sein.

Für die Länder und Gemeinden sind Haushaltsausgaben (ohne Erfüllungsaufwand) nicht zu erwarten.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht kein Erfüllungsaufwand.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Dem Bundesministerium der Verteidigung entsteht durch die Einrichtung der Rehabilitie- rungs- und Entschädigungsstelle ein Personalmehrbedarf von einer Stelle im höheren Dienst, zunächst zwei und nach drei Jahren einer Stelle im gehobenen Dienst sowie einer halben Stelle im mittleren Dienst. Für die vorgesehene fünfjährige Laufzeit des Vorhabens entstehen somit Personalkosten in Höhe von insgesamt 1 189 920 Euro und Sachkosten in Höhe von insgesamt 296 050 Euro. Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll fi- nanziell und stellenmäßig im Einzelplan 14 ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren zu entscheiden sein.

F. Weitere Kosten

Den Länderhaushalten können zusätzliche Kosten entstehen durch die Befassung der Ver- waltungsgerichte mit Streitigkeiten über den Entschädigungsanspruch. Diese Tätigkeiten unterfallen dem traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung. Es ist allerdings davon aus- zugehen, dass die Gerichte nur in einem geringen Umfang befasst sein werden.

Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Ver- braucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

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Referentenentwurf des Bundesministeriums der Verteidigung

Entwurf eines Gesetzes zur Rehabilitierung der wegen einvernehmli- cher homosexueller Handlungen oder in anderer Weise auf Grund ihrer

sexuellen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Soldaten

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Gesetz zur Rehabilitierung der wegen einvernehmlicher homose- xueller Handlungen durch Wehrdienstgerichte verurteilten oder in

anderer Weise auf Grund der sexuellen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Soldaten

(SoldRehaHomG)

§ 1 Rehabilitierung

(1) Wer als Soldatin oder Soldat der Bundeswehr vor dem 3. Juli 2000 von einem Wehrdienstgericht wegen eines Dienstvergehens verurteilt worden ist, dem als Dienst- pflichtverletzung ausschließlich eine einvernehmliche homosexuelle Handlung zu Grunde lag, wird rehabilitiert. Dies gilt nur für homosexuelle Handlungen, die Gegenstand der in § 1 Absatz 1 des Gesetzes zur strafrechtliche Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 we- gen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen aufgeführten Straf- vorschriften sind. Durch dieses Gesetz werden die entsprechenden Urteile aufgehoben.

(2) Ebenfalls wird rehabilitiert, wer als Soldatin oder Soldat der Bundeswehr vor dem 3. Juli 2000 auf Grund der in Absatz 1 genannten Handlungen oder auf Grund der sexuellen Identität dienstrechtlich nicht nur unerheblich benachteiligt worden ist.

(3) Für frühere Soldatinnen und Soldaten der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik gilt Absatz 2 entsprechend mit der Maßgabe, dass die nicht un- erhebliche Benachteiligung vor dem 3. Oktober 1990 erfolgt sein muss.

(4) Über die Regelungen dieses Gesetzes hinaus entfaltet die Rehabilitierung keine Rechtswirkungen.

§ 2

Verfahren; Rehabilitierungsbescheinigung

(1) Das Bundesministerium der Verteidigung stellt auf Antrag fest, ob ein Urteil nach

§ 1 Absatz 1 aufgehoben worden ist oder eine andere nicht unerhebliche dienstrechtliche

(4)

Benachteiligung nach § 1 Absatz 2 vorliegt. Über die Feststellungen nach Satz 1 wird eine Rehabilitierungsbescheinigung erteilt.

(2) Für die Feststellung nach Absatz 1 Satz 1 genügt die Glaubhaftmachung einer Verurteilung nach § 1 Absatz 1 oder einer anderen dienstrechtlichen Benachteiligung nach

§ 1 Absatz 2. Zur Glaubhaftmachung kann auch eine eidesstattliche Versicherung der be- troffenen Person zugelassen werden.

(3) Wer auf Grund einer Benachteiligung nach § 1 Absatz 1 oder 2 seinen Dienstgrad bei der Bundeswehr verloren hat, erhält auf Antrag die Erlaubnis, diesen wieder zu führen.

(4) Antragsberechtigt sind 1. die betroffene Person,

2. nach dem Tod der betroffenen Person deren Ehegatte oder Lebenspartner sowie die oder der Verlobte oder die Person, mit der die betroffene Person ein Versprechen ein- gegangen war, eine Lebenspartnerschaft zu begründen, sowie die Eltern, die Kinder und die Geschwister der betroffenen Person; dies gilt nicht für den Antrag nach Absatz 3.

(5) Für das Verfahren werden keine Kosten erhoben.

§ 3

Entschädigung; Entschädigungsverfahren

(1) Der rehabilitierten Person steht auf Antrag eine Entschädigung in Geld aus dem Bundeshaushalt zu.

(2) Die Entschädigung beträgt

1. 3 000 Euro für jedes nach § 1 Absatz 1 aufgehobene Urteil und

2. einmalig 3 000 Euro für andere dienstrechtliche Benachteiligungen nach § 1 Absatz 2.

Es wird insgesamt höchstens eine Entschädigungssumme von 6 000 Euro ausgezahlt.

(3) Antragsberechtigt ist die zu rehabilitierende Person. Der Anspruch auf Entschädi- gung ist innerhalb von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes schriftlich beim Bundesministerium der Verteidigung geltend zu machen. Das Bundesministerium der Ver- teidigung setzt die Entschädigung durch Verwaltungsakt fest.

(4) Ein Anspruch auf eine Entschädigung nach Absatz 1 besteht nicht, soweit von ei- ner öffentlichen Stelle für denselben Sachverhalt bereits eine Entschädigung gezahlt wurde.

(5) Der Anspruch auf Entschädigung ist nicht pfändbar, nicht übertragbar und nicht vererbbar. Die Entschädigung wird nicht auf Sozialleistungen angerechnet.

(6) Für das Entschädigungsverfahren werden keine Kosten erhoben.

(5)

§ 4 Rechtsweg

Für den Anspruch auf Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung sowie auf Ent- schädigung nach § 3 ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

Artikel 2

Änderung des Einkommensteuergesetzes

In § 3 Nummer 23 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekanntma- chung vom 8. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3366, 3862), das zuletzt durch Artikel 2 des Geset- zes vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1385) geändert worden ist, wird das Wort „und“ durch ein Komma ersetzt und werden vor dem Semikolon die Wörter „und dem Gesetz zur Reha- bilitierung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen durch Wehrdienstge- richte verurteilten oder in anderer Weise auf Grund der sexuellen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Soldaten“ eingefügt.

Artikel 3

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Es tritt mit Ablauf des Jahres 2028 außer Kraft.

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Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Ziel des Gesetzgebungsvorhabens ist die Rehabilitierung von (früheren) Soldatinnen und Soldaten, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen oder wegen ihrer sexu- ellen Identität bei der Bundeswehr oder der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demo- kratischen Republik dienstrechtliche Nachteile erlitten haben.

Gesellschaftliche und auch berufliche Diskriminierung von Menschen auf Grund Ihrer sexu- ellen Identität war in der Vergangenheit in vielen Bereichen verbreitet. In den deutschen Streitkräften wurde die Benachteiligung von Homosexuellen bis ins Jahr 2000 jedoch offizi- ell praktiziert und angewiesen mit der Begründung, dass homosexuelle Neigungen die dienstliche Autorität als Vorgesetzte minderten und zu einer Disziplingefährdung der Truppe führten. Vor diesem Hintergrund besteht ein besonderer Anlass, die hiervon Betroffenen gesondert zu rehabilitieren.

Aus heutiger Sicht ist die damals geschehene Benachteiligung der betroffenen Soldatinnen und Soldaten in besonderem Maße grundrechtswidrig und bedarf daher der Rehabilitierung.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Der Entwurf sieht eine Rehabilitierung homosexueller Soldatinnen und Soldaten der Bun- deswehr sowie der Nationalen Volksarmee der DDR vor, die aufgrund einvernehmlicher homosexueller Handlungen oder aufgrund ihrer sexuellen Identität erhebliche dienstrecht- liche Nachteile erlitten haben. Hierzu werden insbesondere wehrdienstgerichtliche Verur- teilungen aufgehoben, die ausschließlich aufgrund homosexueller Handlungen ergangen sind.

Die Betroffenen sollen auf Antrag eine Rehabilitierungsbescheinigung sowie eine Geldent- schädigung in Höhe von je 3.000 Euro für aufgehobene Verurteilungen sowie für die ge- nannten sonstigen Benachteiligungen erhalten, soweit diese eine Erheblichkeitsschwelle überschreiten.

III. Verfassung

Gesetze, die rückwirkend in die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen eingreifen, berüh- ren den Grundsatz der Gewaltenteilung sowie das Rechtsstaatsprinzip (BVerfGE 72, 302, 328). Die Generalkassation nachkonstitutioneller Urteile durch den Gesetzgeber ist daher eine Maßnahme, die in einem Rechtsstaat besonderer Rechtfertigung bedarf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. März 2006 - 2 BvR 486/05). Sie ist nur ausnahmsweise möglich, wenn besonders gewichtige, den Erwägungen der Rechtssicherheit übergeordnete Gründe dazu Anlass geben.

Wie bei den entsprechenden Strafurteilen liegen hier derartige besondere Gründe vor, wel- che ausnahmsweise die Rechtssicherheit überwiegen. Die sexuelle Identität unterfällt dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Absatz 1 i.V.m. Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes – GG) und dem Recht auf Achtung des Privatlebens aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das Anknüpfen von benachteiligenden Maß-

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nahmen an die sexuelle Identität und damit die dem Schutz der Menschenwürde unterlie- gende Intimsphäre ist daher als in besonderem Maße grund- und menschenrechtswidrig anzusehen.

Ebenso wie die frühere gesetzgeberische Kriminalisierung und die daraus resultierende Strafverfolgung sind aus heutiger Sicht auch die einschlägigen Verurteilungen durch Wehr- dienstgerichte in besonderem Maße grundrechtswidrig. Sie haben nicht nur die allgemeine Handlungsfreiheit eingeschränkt; die sexuelle Identität ist vielmehr existentieller Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit, so dass diejenigen in ganz besonders schwerer Weise betroffen sind, die nur aufgrund der Betätigung ihrer Veranlagung disziplinarrechtliche (oder sonstige dienstliche) Konsequenzen erdulden mussten. Disziplinarurteile konnten de facto schwerwiegendere Konsequenzen für den Betroffenen haben als Strafurteile.

Strafrechtliche und disziplinarrechtliche Verurteilungen sind zudem vielfältig miteinander verknüpft. Eine strafrechtliche Verurteilung kann unter Umständen die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme unmöglich machen, andererseits kann bereits die Verwirklichung ei- ner Straftat als eine Dienstpflichtverletzung zu bewerten und somit als Dienstvergehen zu ahnden sein. Bei der Maßnahmebemessung eines nach damaligen Maßstäben sittlichen Fehlverhaltens wurden im Disziplinarrecht und im Strafrecht generalpräventive Erwägun- gen berücksichtigt.

So wurde die Verwirklichung einer Straftat nach § 175 StGB regelmäßig auch gleichzeitig als Dienstpflichtverletzung angesehen. Der Unwert einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 175 StGB war somit häufig untrennbar verknüpft mit einem sachgleichen Diszipli- narverfahren und entsprechender disziplinargerichtlicher Verurteilung.

Insbesondere Urteile auf Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder eine Herabsetzung des Dienstgrades - beides gerichtliche Disziplinarmaßnahmen mit überwiegend reinigendem Charakter -, welche mit diesem Gesetz aufgehoben werden sollen, ähneln aber nicht nur entsprechenden strafrechtlichen Urteilen, sondern sind in der Praxis auch eng mit solchen verknüpft. Eine Rehabilitierung ausschließlich im strafrechtlichen Bereich griffe daher in diesen Fällen zu kurz. Der Fortbestand einer solchen disziplinargerichtlichen Entscheidung soll den Betroffenen nicht länger zugemutet werden

Zudem handelt es sich wegen der Einvernehmlichkeit der sexuellen Handlungen zwischen einsichtsfähigen Menschen um opferlose Dienstpflichtverletzungen, d.h. es ist nicht zu be- fürchten, dass sich ein Opfer durch die Aufhebung eines Disziplinarurteils schutzlos gestellt sieht. Hiervon abzugrenzen sind die von dem Entwurf nicht erfassten Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes oder eines Jugendlichen, aber auch Fälle, in denen auf Grund des Abhängigkeitsverhältnisses, insbesondere im Rahmen der militärischen Hie- rarchie, von einer Einvernehmlichkeit nicht ausgegangen werden kann. Solche Verurteilun- gen stehen nicht zur Disposition.

Nach alldem handelt es sich im Hinblick auf die aus heutiger Sicht besondere Grund- und Menschenrechtswidrigkeit der Benachteiligungen von Soldatinnen und Soldaten aufgrund ihrer sexuellen Identität um eine ganz besondere Ausnahmesituation, die in Abwägung mit dem vorliegend kaum tangierten Prinzip der Rechtssicherheit eine gesetzliche Aufhebung der Disziplinarurteile ausnahmsweise rechtfertigt.

IV. Alternativen Keine.

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V. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt bezüglich Artikel 1 aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 1 und 8 GG. Hinsichtlich Artikel 2 ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 105 Absatz 2 erste Alternative GG, da das Aufkommen der Einkom- mensteuer dem Bund teilweise zusteht.

Hinsichtlich der Individualentschädigung sieht der Entwurf eine Finanzierungsverantwor- tung des Bundes vor, weil sich die Finanzierungskompetenz auch auf Artikel 104a Absatz 1 GG stützen lässt.

VI. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

VII. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Mit dem Entwurf sind Regelungen zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung nicht verbun- den.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Nach heutigen Maßstäben ist die Diskriminierung wegen der sexuellen Identität grundrechts- und menschenrechtswid- rig. Wegen des schwerwiegenden Verstoßes gegen Persönlichkeitsrechte der Betroffenen sind sowohl die Aufhebung der von disziplinarrechtlichen Urteilen als auch die Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung und die finanzielle Entschädigung geeignet, den sozi- alen Zusammenhalt im Sinne der Managementregel Nummer 10 (Managementregeln der Nachhaltigkeitsstrategie -Zwischenbericht des Umweltbundesamtes, Stand 12/2017).

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Die für den Bund zu erwartenden Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand werden auf maximal sechs Millionen Euro geschätzt.

Eine Schätzung des finanziellen Aufwandes für das pauschalierte Entschädigungsmodell ist nur schwer möglich, da keine statistischen Daten über die Anzahl der Betroffenen vor- liegen. Es liegt lediglich der Entwurf einer Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr vor, deren Autor ohne Anspruch auf Vollständigkeit die Archive auf entsprechende Fälle hin durchsucht hat. Zudem liegen dem BMVg einzelne Anträge von Betroffenen vor.

Bei der Schätzung ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass sich etliche Betroffene mit den möglicherweise traumatischen Erfahrungen nicht wieder befassen möchten und vermutlich auch schon einige Betroffene verstorben sind.

In der Zusammenschau dieser Betrachtung wird derzeit von höchstens 1000 Fällen ausge- gangen, in denen mit einer Entschädigung zu rechnen ist. Beim Bundesamt für Justiz sind seit 2019 lediglich zwölf Anträge von Soldaten (zwei davon NVA) wegen beruflicher Nach- teile eingegangen.

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Dieser Betrag verteilt sich bei einer - in Artikel 3 festgelegten - Laufzeit von fünf Jahren auf durchschnittlich 900 000 Euro pro Jahr. Für die ersten Jahre dürfte allerdings eine wesent- lich größere Mittelabfrage zu erwarten sein als in den dann folgenden Jahren, wobei für das Haushaltsjahr 2021 auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zu beachten ist.

Von folgenden Schätzwerten wird ausgegangen:

Jahr /Zeitraum zu erwartende An- träge

zu erwartende Erledigungen

zu erwartende Kos- ten in Tausend Euro

2021 360 240 1 080 000

2022 380 260 1 170 000

2023 140 260 1 170 000

2024 80 160 720 000

2025 40 80 360 000

Der Mehrbedarf soll im Einzelplan 14 ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren zu ent- scheiden sein.

4. Erfüllungsaufwand a) Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürgern entsteht kein Erfüllungsaufwand.

b) Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht kein Erfüllungsaufwand.

c) Verwaltung

Durch die eingeschränkte Datenlage ist eine Abschätzung des Erfüllungsaufwands deutlich erschwert. Die Schätzung beruht daher auf zahlreichen Annahmen und groben Schätzun- gen zu Fallzahlen. Generell können somit die tatsächlichen Fälle stark nach unten oder oben von den angegebenen Zahlen abweichen.

aa) Erfüllungsaufwand für den Bund

Sach- und Verwaltungsaufwand bei der einzurichtenden Rehabilitierungs- und Entschä- digungsstelle

Beim Bundesministerium der Verteidigung entsteht durch die Einrichtung der Rehabili- tierungs- und Entschädigungsstelle ein Personalmehrbedarf.

Im Vergleich zur Aufhebung der strafrechtlichen Urteile nach dem StrRehaHomG wird die Einzelfallprüfung mit gewissem Aufwand verbunden sein. In jedem Einzelfall wird aufgrund vorher einzuholender Einwilligungserklärungen in den Archiven nach noch zur Verfügung stehenden Dokumenten gesucht werden müssen. Sodann wird rechtlich zu bewerten sein, ob Urteile ausschließlich aufgrund einvernehmlicher homosexueller Handlungen ergangen sind. Hierzu reicht es – anders als im Strafrecht – nicht, den Tenor

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zu betrachten; vielmehr ergeben sich die einem Urteil zugrundeliegenden Dienstpflicht- verletzungen erst aus den Urteilsgründen, so dass diese im Einzelnen auszuwerten sind.

Sind keine Unterlagen mehr vorhanden, beschränkt sich der Aufwand auf die Einholung einer eidesstattlichen Versicherung.

Die Bearbeitung der vorgetragenen sonstigen dienstrechtlichen Benachteiligungen wird mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein. Neben den vorher einzuholenden Ein- willigungserklärungen wird insbesondere der Rechercheaufwand in den Archiven nach noch zur Verfügung stehenden Dokumenten und deren Auswertung signifikant sein. So- dann wird rechtlich zu bewerten sein, ob eine Benachteiligung allein aufgrund der sexu- ellen Orientierung vorliegt und ob diese Benachteiligung die Erheblichkeitsschwelle übersteigt.

Es ist davon auszugehen, dass über den gesamten Zeitraum auch Anträge bei der Re- habilitierungs- und Entschädigungsstelle eingehen werden, die nicht positiv beschieden werden können.

Für die Bearbeitung der Rechtsfragen einschließlich möglicher gerichtlicher Klagen wird über den gesamten Zeitraum eine Stelle des höheren Dienstes (hD) benötigt. Die weitere Bearbeitung wird dem gehobenen Dienst (gD) zugewiesen werden können. In den ers- ten drei Jahren dürften zwei, für die letzten zwei Jahre ein Beamter oder eine Beamtin des gehobenen Dienstes erforderlich sein.

Zur Bewältigung der Antragszahlen und die administrativen Aufgaben, die mit dem er- höhten Rechercheaufwand einhergehen ist für die Bürosachbearbeitung und Registratur eine halbe Stelle des mittleren Dienstes (mD) erforderlich.

Daraus ergeben sich Personalkosten in Höhe von:

- 265 760 Euro für das Jahr 2021 (1 hD, 2 gD, 0,5 mD), - 265 760 Euro für das Jahr 2022 (1 hD, 2 gD, 0,5 mD), - 265 760 Euro für das Jahr 2023 (1 hD, 2 gD, 0,5 mD), - 196 320 Euro für das Jahr 2024 (1 hD, 1 gD, 0,5 mD), - 196 320 Euro für das Jahr 2025 (1 hD, 1 gD, 0,5 mD).

Insgesamt entstehen somit einmalig Personalkosten von 1 189 920 Euro, die über einen Zeitraum von fünf Jahren verteilt anfallen werden.

Hinzukommen – ausgehend von einer Sachkostenpauschale von 19 100 Euro pro Per- sonalstelle – Sachkosten in Höhe von:

- 66 850 Euro für das Jahr 2021 (3,5 Stellen), - 66 850 Euro für das Jahr 2022 (3,5 Stellen), - 66 850 Euro für das Jahr 2023 (3,5 Stellen), - 47 750 Euro für das Jahr 2024 (2,5 Stellen), - 47 750 Euro für das Jahr 2025 (2,5 Stellen).

Insgesamt entstehen somit einmalig Sachkosten von 296 050 Euro, die über einen Zeit- raum von fünf Jahren verteilt anfallen werden.

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Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im Einzel- plan 14 ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren zu entscheiden sein.

bb) Erfüllungsaufwand für die Länder

Den Ländern entsteht kein Erfüllungsaufwand.

5. Weitere Kosten

Den Länderhaushalten können Kosten durch eine mögliche Befassung der Verwaltungsge- richtsbarkeit mit Streitigkeiten über den Entschädigungsanspruch entstehen. Diese Tätig- keiten unterfallen dem traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung. Die Gerichte dürften allerdings nur in einem geringen Umfang befasst sein.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Der Entwurf hat gleichstellungspolitische Auswirkungen: Er betrifft die dienstrechtliche Gleichstellung von Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität in der Bundeswehr bis zum Jahr 2000 und in der Nationalen Volksarmee bis zu deren Ende im Jahr 1990 diskri- miniert wurden.

Verbraucherpolitische und demografische Auswirkungen der Regelungen sind nicht ersicht- lich.

VIII. Befristung; Evaluierung

Das Gesetz ist auf acht Jahre nach dem Inkrafttreten befristet.

Eine Evaluierung ist nicht vorgesehen. Das Gesetz behandelt eine historische Sonderkons- tellation und ist auf möglichst zügige, zeitlich begrenzte Abwicklung von Rehabilitierungs- und Entschädigungsansprüchen angelegt.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Gesetz zur Rehabilitierung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen durch Wehrdienstgerichte verurteilten oder in anderer Weise auf

Grund der sexuellen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Soldaten)

Zu § 1 (Rehabilitierung)

Homosexuelle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hatten seit Bestehen der Bun- deswehr mit dienstrechtlichen Nachteilen zu kämpfen, die auch nach der Entkriminalisie- rung einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen im Jahr 1969 fort- bestanden. Ein Erlass aus dem Jahr 1984 (BMVg – P II 1 – 16-02-05/02) verdeutlicht diese für die Betroffenen schwierige Situation. Der Erlass hebt hervor, dass ein Offizier oder ein Unteroffizier „mit homosexuellen Neigungen“ damit zu rechnen habe, nicht mehr befördert oder mit höherwertigen Aufgaben betraut zu werden. Ferner könne er u.a. wegen schwerer Einbußen seiner Autorität nicht mehr in einer Dienststellung als unmittelbarer Vorgesetzter in der Truppe (z.B. als Gruppenführer, Zugführer, Kompaniechef oder Kommandeur) ver- bleiben. Er müsse eine Verwendung erhalten, in der er nicht mehr unmittelbarer Vorgesetz- ter vorwiegend jüngerer Soldaten sei.

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Weiterhin könne in Fällen, in denen ein Soldat auf Zeit wegen homosexueller Handlungen disziplinar gemaßregelt oder strafrechtlich verurteilt worden ist, seine Entlassung während der ersten vier Dienstjahre verfügt werden, wenn das Verbleiben im Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde (§ 55 Absatz 5 des Soldatengesetzes). Wegen mangelnder Eignung als Berufssoldat könne auch ein Leutnant bis zum Ende des dritten Offizierdienstjahres entlassen werden (§ 46 Absatz 4 des Soldatensgesetzes). Schließlich könne bei schwerem disziplinaren Fehlverhalten ein Truppendienstgericht einen Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis verurteilen (§ 58 der Wehrdisziplinarordnung). Ein Offizieranwärter, der sich z.B. wegen gleichgeschlechtlicher Neigungen nicht zum Offizier eigne, solle gemäß

§ 55 Absatz 4 des Soldatengesetzes entlassen werden. Sei er als Unteroffizier zur Lauf- bahn der Offiziere zugelassen worden, so solle er allerdings nicht entlassen, sondern in seine frühere Laufbahn zurückgeführt werden, es sei denn, er begehre seine Entlassung nach § 55 Absatz 3 des Soldatengesetzes; einem solchen Begehren könne dann stattge- geben werden.

Bei disziplinarrechtlich erheblicher gleichgeschlechtlicher Betätigung sei auch weiterhin ge- nerell auf eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis hinzuwirken - auch dann, wenn kein Tatbestand des § 175 StGB schuldhaft verwirklicht worden sei.

Dies solle zumindest so lange gelten, bis die gesellschaftliche Entwicklung gegebenenfalls eines Tages zum Abbau bestehender Vorurteile gegenüber Homosexuellen führen werde.

Der 3. Juli 2000 markiert das formelle Ende der Diskriminierung von homosexuellen Solda- ten in der Bundeswehr. An diesem Tag wurde der oben genannte Erlass aufgehoben (BMVg – PSZ III 1 – 16-02-05).

Zu Absatz 1

§ 1 Absatz 1 beschreibt einen wesentlichen und schwerwiegenden Fall der Diskriminierun- gen homosexueller Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einschließlich derjenigen, die homosexuelle Handlungen vorgenommen haben, ohne homosexuell zu sein. Soldaten wurden zum einen wehrdienstgerichtlich belangt, wenn sie strafgerichtlich wegen der in § 1 Absatz 1 StrRehaHomG genannten Tatbestände verurteilt worden waren. Zum anderen konnten sie jedoch auch wegen Handlungen, die nicht strafrechtlich relevant waren, diszip- linargerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden.

Festgelegt wird, dass die wehrdienstgerichtlichen Verurteilungen aufgehoben werden, die ausschließlich auf einvernehmlichen homosexuellen Handlungen beruhen. Wenn durch die homosexuelle Handlung zugleich eine weitere Dienstpflichtverletzung begangen wurde, die auch bei heterosexuellem Verhalten zu sanktionieren gewesen wäre (z. B. Störung des Dienstbetriebs), wird das Urteil nicht aufgehoben.

Wegen des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens im Disziplinarrecht kann sich die Aufhebung zudem nur auf Urteile beziehen, mit denen nicht noch weitere, mit der homose- xuellen Handlung nicht in Verbindung stehende Dienstpflichtverletzung abgeurteilt wurden.

Bei diesen „Mischurteilen“, ist – anders als im Strafrecht – eine Teilaufhebung nicht möglich, so dass das Urteil im Ganzen Bestand behalten muss.

Die einvernehmlichen homosexuellen Handlungen, um die es geht, sind in § 1 Absatz 1 des StrRehaHomG abschließend dargestellt.

Zu Absatz 2

Absatz 2 erfasst Fälle, in denen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr auf andere Weise als durch wehrdienstgerichtliche Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen oder ihrer sexuellen Identität dienstrechtliche Nachteile, insbesondere Status-, Laufbahn-

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und Verwendungsnachteile erlitten haben. Hierzu gehören auch disziplinarrechtliche Be- nachteiligungen, die nicht bereits unter Absatz 1 fallen. Auch hier sind nur solche diszipli- narrechtlichen Maßnahmen umfasst, die nicht wenigstens zugleich eine weitere Dienst- pflichtverletzung zum Gegenstand haben, die auch bei heterosexuellem Verhalten zu sank- tionieren gewesen wäre.

Wie oben dargestellt, gab es vielfältige und vielgestaltige Benachteiligungen wie Entlassun- gen, Verwehrung von Status- oder Laufbahnwechseln, Vorenthalten von Beförderungen, förderlichen Lehrgängen, bestimmten Verwendungen, z. B. als Ausbilder, Versetzungen und so fort.

In Absatz 2 wurde für sonstige Benachteiligungen, die nicht mit einer wehrdienstgerichtli- chen Verurteilung einhergehen, eine Erheblichkeitsschwelle eingefügt. Ebenso wie in der

„Richtlinie zur Zahlung von Entschädigungen für Betroffene des strafrechtlichen Verbots einvernehmlicher homosexueller Handlungen aus dem Bundeshaushalt (Kapitel 0718 Titel 681 03)“, die eine „außergewöhnlich negative Beeinträchtigung“ voraussetzt, sollen damit geringfügige Benachteiligungen ausgeschlossen werden. Es geht hier um dienstrechtliche Maßnahmen oder deren Unterlassung, obwohl sie dienstrechtlich geboten gewesen wären, wie z. B. Nichtbeförderungen, Vorenthalten von förderlichen Lehrgängen, von etwa ver- gleichbarer Schwere und Intensität wie eine wehrdienstgerichtliche Verurteilung. Die Frage, wann eine Benachteiligung unter Berücksichtigung dieser Grundsätze als erheblich anzu- sehen ist, ist dem Rehabilitierungsgedanken folgend zugunsten der betroffenen Person weit auszulegen.

Der Begriff der „sexuellen Identität“ umfasst im Sinne des Soldatinnen- und Soldaten- Gleichbehandlungsgesetzes homosexuelle Männer und Frauen ebenso wie bisexuelle, transsexuelle oder diverse Menschen.

Insbesondere in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Homo-, Bi- und Transsexualität gesellschaftlich, rechtlich und medizinisch als starke Abweichung der Sexualität vom „Normverhalten“ wahrgenommen. Es ist im Kontext der damaligen ge- sellschaftlichen Anschauungen nicht auszuschließen, dass es zu aus heutiger Sicht nicht sachgerechten Benachteiligungen Transsexueller gekommen ist. Dies kann nur im Einzel- fall geprüft werden.

Zur wehrmedizinischen Begutachtung von Intersexuellen (heute: Divers) liegen keine Er- kenntnisse vor, allerdings ist davon auszugehen, dass in diesen Fällen allein die Maßstäbe zur körperlichen Eignung Grundlage für eine negative Eignungsentscheidung waren.

Zu Absatz 3

Nach Recherchen des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bun- deswehr gab es auch in der Nationalen Volksarmee ähnliche Benachteiligungen für homo- sexuelle Soldatinnen und Soldaten wie in der Bundeswehr. In der Musterungsanordnung von 1987 waren im Kapitel 7 (Neurologie/Psychologie) im Absatz 9 (nach dem Punkt Alko- holismus) die Regeln im Umgang mit Homosexualität aufgeführt: „Homosexuelle sind als diensttauglich zu begutachten. Sie sind jedoch als Soldaten auf Zeit, Unteroffiziere auf Zeit, Offiziere auf Zeit, Berufsunteroffiziere, Fähnriche und Berufsoffiziere nicht geeignet (MfNV, Anordnung 060/9/002 über die Arbeit der Gutachterärztekommission der NVA auf dem Ge- biet der militärmedizinischen Begutachtung - Begutachterordnung vom 5. August 1987, hier S. 110).

Auch sonstige den Fällen der Bundeswehr vergleichbare Diskriminierungen (§ 1 Absatz 2) in der NVA sollen nach diesem Gesetz rehabilitiert werden können.

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Zu Absatz 4

Das Gesetzgebungsvorhaben dient ausschließlich der Rehabilitierung der Betroffenen.

Nicht berührt sind sonstige, insbesondere berufsrechtliche Rechtsfolgen aus einer Verurtei- lung oder sonstigen dienstrechtlichen Maßnahme, namentlich dem Verlust der beruflichen Stellung, wie z. B. § 48 des Soldatengesetzes. Vor diesem Hintergrund findet – anders als bei der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 52 des Soldatengesetzes - keine (rückwir- kende) Wiederherstellung des Zustandes, der ohne die Benachteiligung bestehen könnte, statt.

Daher wird ausdrücklich geregelt, dass die Rehabilitierung, insbesondere die Aufhebung von Urteilen, über die Regelungen dieses Gesetzes hinaus keine Rechtswirkungen entfal- tet. Schadensersatzansprüche bestehen nicht.

Zu § 2 (Verfahren; Rehabilitierungsbescheinigung) Zu Absatz 1

Die nach diesem Gesetz Rehabilitierten können sich vom Bundesministerium der Verteidi- gung eine Rehabilitierungsbescheinigung ausstellen lassen. Die gesetzliche Aufhebung der entsprechenden wehrdienstgerichtlichen Urteile wird darin ebenfalls festgestellt.

Zu Absatz 2

Es ist davon auszugehen, dass die Akten zu wehrdienstgerichtlichen Verurteilungen sowie Personalakten mit Versetzungs- und Entlassungsverfügungen oder sonstigen Inhalten zum Teil wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfristen vernichtet sind und wohl auch nur wenige Betroffene eine Ausfertigung ihrer Urteile aufbewahrt haben. Daher soll für eine Feststel- lung, dass ein Rehabilitierungstatbestand nach § 1 vorliegt, die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller genügen.

Die damit vorgesehene niedrige Nachweisschwelle erspart den Betroffenen, sich noch ein- mal durch eine Behörde bewerten zu lassen und Nachweise vorzulegen. Sie brauchen nicht gegenüber der Bundeswehr, die sie einst benachteiligt hatte, den Nachweis entstandener Schäden zu erbringen. Dies wäre auch wegen des erheblichen Zeitablaufs regelmäßig kaum leistbar. Ein solches Ergebnis wäre mit dem angestrebten Rehabilitierungsziel nicht vereinbar.

Als Mittel der Glaubhaftmachung kommt in erster Linie die Vorlage von Urteilsausfertigun- gen, Personalverfügungen, medizinischen Gutachten, sonstigen Schriftstücken, sofern sie beim Betroffenen noch vorhanden sein sollten, oder ggf. Zeugenaussagen in Betracht. Die eidesstattliche Versicherung wird ebenfalls zugelassen, allerdings beschränkt auf die zu rehabilitierende Person. Hierfür wird, wie auch für die Zuständigkeit der Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung, in Absatz 3 die gesetzliche Grundlage geschaffen. Für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung im Rahmen des Rehabilitierungsverfahrens soll das Bundesministerium der Verteidigung zuständig sein.

Eine falsche Versicherung an Eides statt ist strafbar, bei Vorsatz gemäß § 156 StGB, bei Fahrlässigkeit gemäß § 161 StGB. Sofern eine Rehabilitierungsbescheinigung durch fal- sche Angaben erlangt worden sein sollte, ist sie rechtswidrig und kann zurückgenommen werden, § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG).

Zu Absatz 3

Durch die Erlaubnis zum Führen des früheren Dienstgrades wird der Makel eines Dienst- gradverlustes beseitigt. Der Dienstgrad darf außerhalb eines Wehrdienstverhältnisses mit dem in § 2 des Reservistengesetzes genannten Zusätzen geführt werden. Für frühere Sol-

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datinnen und Soldaten der Nationalen Volksarmee findet diese Regelung keine Anwen- dung, weil es aufgrund des Einigungsvertrages an einer Rechtsgrundlage zum Führen ei- nes Dienstgrades der Nationalen Volksarmee fehlt. Die für das Führen von NVA-Dienstgra- den mit dem Zusatz „a.D.“ oder „d.R.“ maßgeblichen Regelungen der Deutschen Demokra- tischen Republik (§§ 2 und 7 der Reservistenordnung) sind nach dem Einigungsvertrag kein fortgeltendes Recht (Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet B Abschnitt II Nummer 2 § 4 Absatz 1). Die früher aus diesen Regelungen abzuleitenden Befugnisse sind damit von Gesetzes wegen erloschen.

Zu Absatz 4

Die Rehabilitierungsbescheinigung kann zunächst von der betroffenen Person selbst bean- tragt werden. Antragsberechtigt sollen aber auch die engsten Hinterbliebenen sein: der Ehegatte oder die Ehegattin oder der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin, der Verlobte bzw. die Verlobte oder die Person, mit der Verurteilte ein Versprechen eingegangen waren, eine Lebenspartnerschaft zu begründen, sowie die Kinder, die Eltern und die Geschwister der Verurteilten.

Die Erlaubnis zum Führen eines Dienstgrades (§ 2 Absatz 3) kann nur durch die betroffene Person selbst beantragt werden.

Zu Absatz 5

Im behördlichen Verfahren zur Erlangung der Rehabilitierungsbescheinigung werden keine Kosten erhoben.

Zu § 3 (Entschädigung; Entschädigungsverfahren) Zu Absatz 1

Die Vorschrift legt fest, dass die rehabilitierte Person auf Antrag eine Entschädigung aus dem Bundeshaushalt erhält.

Zu Absatz 2

Die Rehabilitierung soll für die einzelnen Betroffenen mit einer Entschädigung verbunden werden. Der Gesetzentwurf sieht ein pauschaliertes Entschädigungsmodell vor. Es folgt dem Gedanken anzuerkennen, dass es aus heutiger Sicht auch in der Vergangenheit - trotz anderer gesellschaftlicher Grundhaltungen – in keiner Weise legitim war, Soldatinnen und Soldaten allein aufgrund einvernehmlicher homosexueller Handlungen oder der sexuellen Identität dienstrechtlich zu benachteiligen. Das pauschalierte Entschädigungsmodell er- möglicht eine zügige Bearbeitung der Entschädigungsansprüche.

Die für die Rehabilitierung vorgesehenen Entschädigungsbeträge von 3 000 Euro je be- troffener Person (Antragsteller) für jedes aufgehobene Urteil und einmalig 3 000 Euro für sonstige, nicht unerhebliche dienstrechtliche Maßnahmen ordnen sich in das Gesamtge- füge der in der Vergangenheit wegen anderer Anlässe gezahlten Entschädigungen ein. Ins- besondere orientieren sie sich am Rahmen des Gesetzes zur strafrechtlichen Rehabilitie- rung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen ver- urteilten Personen und der dazu ergangenen Richtlinie.

Die Entschädigungen nach Absatz 2 Nummern 1 und 2 können bis zu einem Höchstbetrag von 6 000 Euro kumuliert werden.

Zu Absatz 3

Nur die rehabilitierte Person selbst ist antragsberechtigt, wobei sie sich der Hilfe anderer Personen bedienen kann.

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Für die Geltendmachung der Entschädigungsansprüche wird ein Zeitraum von fünf Jahren festgelegt. So erhalten diejenigen, die zunächst unschlüssig sind, die Möglichkeit, sich auch noch später für eine Entschädigungsleistung zu entscheiden. Mit dieser Zeitspanne wird auch berücksichtigt, dass Menschen erst einige Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes von ihrer Rehabilitierung und den Entschädigungsansprüchen erfahren. Ein längerer oder gar ein unbefristeter Zeitraum wird allerdings - entsprechend dem StrRehaHomG - nicht als erforderlich angesehen.

Mit Satz 3 wird bestimmt, dass das Bundesministerium der Verteidigung den Anspruch auf Entschädigung durch Verwaltungsakt feststellt.

Damit wird zugleich die für das verwaltungsgerichtliche Verfahren die statthafte Klageart (Verpflichtungsklage gemäß § 42 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) und die örtliche Zuständigkeit (§ 52 Nummer 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 VwGO) eindeutig bestimmt. Gemäß den §§ 48 und 49a VwVfG können der Entschädigungsbescheid zurück- genommen und der ausgezahlte Entschädigungsbetrag zurückgefordert werden. Das gilt zum Beispiel, wenn die antragstellende Person die Geldleistung durch arglistige Täuschung erwirkt hat.

Zu Absatz 4

Diese Vorschrift soll insbesondere ausschließen, dass für einen Sachverhalt, der bereits nach der „Richtlinie zur Zahlung von Entschädigungen für Betroffene des strafrechtlichen Verbots einvernehmlicher homosexueller Handlungen aus dem Bundeshaushalt (Kapitel 0718 Titel 681 03)“ entschädigt wurde, nochmals eine Entschädigung in voller Höhe gezahlt wird. Entschädigungsbeträge, die nach anderen Vorschriften für den gleichen Sachverhalt gezahlt wurden, sind in Anrechnung zu bringen.

Die Vorschrift schließt jedoch nicht aus, dass eine Person, die nach dem StrRehaHomG eine Entschädigung wegen eines Strafurteils erhalten hat, nochmals wegen eines wehr- dienstgerichtlichen Urteils entschädigt wird. Insofern handelt es sich um verschiedene Re- habilitierungstatbestände.

Zu Absatz 5

Der Entschädigungsanspruch wird als höchstpersönlicher Anspruch ausgestaltet; er soll nicht pfändbar, nicht vererbbar und nicht übertragbar sein. Damit wird der besonderen Si- tuation des Gesetzgebungsvorhabens Rechnung getragen.

Die Vorschrift regelt, dass die im Entwurf vorgesehenen Entschädigungsleistungen auf sämtliche Sozialleistungen, z. B. Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II und Wohngeld, nicht ange- rechnet werden; die Anrechnungsfreiheit bezieht sich sowohl auf das Einkommen als auch auf das Vermögen. Eine solche Regelung ist erforderlich, um sicherzustellen, dass die Ent- schädigungsbeträge den Rehabilitierten für die Zwecke zur Verfügung stehen, für die sie bestimmt sind, nämlich als Genugtuung für erlittene Benachteiligungen.

Zu Absatz 6

Dem Rehabilitierungsgedanken folgend werden für das Entschädigungsverfahren keine Kosten erhoben.

Zu § 4 (Rechtsweg)

Die Regelung eröffnet für den Anspruch auf Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheini- gung sowie auf Entschädigung gemäß § 3 den Verwaltungsrechtsweg.

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Zu Artikel 2 (Änderung des Einkommensteuergesetzes)

Die im Entwurf vorgesehenen Entschädigungsleistungen sollen wie die Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz, dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, dem Verwaltungs- rechtlichen Rehabilitierungsgesetz und dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz bei der Er- mittlung des steuerpflichtigen Einkommens aufgrund des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie dem StrRehaHomG unberücksichtigt bleiben. Mit der Steuerfreistellung wird sichergestellt, dass die Entschädigungsbeträge den Rehabilitierten für die Zwecke zur Ver- fügung stehen, für die sie bestimmt sind, nämlich als Genugtuung für erlittene Benachteili- gungen und Diskriminierungen, die aus heutiger Sicht grundrechtswidrig sind. Zu diesem Zwecke ergänzt Artikel 2 die Gesetzesaufzählung in § 3 Nummer 23 des EStG um das SoldRehaHomG.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten, Außerkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das In- und Außerkrafttreten des Gesetzes. Im Jahr 2028 sollten alle innerhalb von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gestellten Anträge abschlie- ßend bearbeitet worden sein.

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