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Prognosen sind eine Wissenschaft für sich

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Bayerisches Ärzteblatt 11/2014

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Dem Münchner Volksschauspieler Karl Valentin wird der Satz zugeschrieben „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft be- treffen.“ Da ist was dran.

In den Sozialwissenschaften gehört es zu den Eigentümlichkeiten von Prognosen, dass die Adressaten der Prophezeiung zugleich auch Akteure sind und reagieren können. Hinzu kommt die allzu menschliche Neigung, bevor- zugt solche Informationen auszuwählen und zu interpretieren, die den eigenen Erwartungen entgegenkommen. Auch Wissenschaftler sind davon nicht frei. Das macht den Blick in die Zu- kunft mitunter etwas schwierig.

Auch im Gesundheitswesen spielen Prognosen eine wichtige Rolle. Ein Dauerbrenner ist die Frage, welche Auswirkungen der demografische Wandel, der technische Fortschritt und die Al- terung der Gesellschaft auf die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung und die Finanzie- rung des Gesundheitswesens haben werden.

Vor diesem Hintergrund hat sich der Sachver- ständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem jüngsten Gut- achten unter anderem mit der bedarfsgerechten Versorgung insbesondere im ländlichen Raum beschäftigt – und vor einer drohenden Unter- versorgung gewarnt. Schon jetzt finde nur noch jeder zweite Hausarzt im ländlichen Raum, der seine Praxis etwa aus Altersgründen aufgibt, ei- nen Nachfolger oder eine Nachfolgerin, erklärt der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Pro- fessor Ferdinand Gerlach.

Zu diesem Befund hat der Sachverständigen- rat auch einen bemerkenswerten Therapie- vorschlag geliefert: In Planungsbereichen mit einem Versorgungsgrad von unter 90 Prozent bei Hausärzten soll es künftig auf alle Grund- leistungen in der Regelversorgung einen

„Landarztzuschlag“ von 50 Prozent geben.

Damit nicht genug. Insgesamt solle mehr Geld für Strukturmaßnahmen wie etwa den Aufbau von „Lokalen Gesundheitszentren zur Primär- und Langzeitversorgung“ (LGZ) fließen. Junge Ärzte und Pflegekräfte könnten so im Rahmen einer vernetzten und integrierten Grundver-

sorgung attraktive Arbeitsplätze im ländlichen Raum finden, meint der Sachverständigenrat.

Für ältere und chronisch Kranke sollen die Gesundheitszentren spezielle Angebote, wie etwa Hol- und Bringdienste, vorhalten; Bereit- schaftsdienste und Notfallversorgung könnten auf mehrere Schultern verteilt werden.

Der Einwand, dass ein „Landarztzuschlag“ al- lein wenig helfen wird, weil Landärzte ohnehin gut verdienen, mag richtig sein, gründet jedoch auf einer retrospektiven Betrachtung. Ob das auch in Zukunft so sein wird, ist mehr als un- gewiss. Der Landarzt von echtem Schrot und Korn dürfte jedenfalls schon bald der Vergan- genheit angehören.

Hinzu kommt: Im ländlichen Raum ist vielerorts schon heute ein deutlicher Trend der Entlee- rung, der Überalterung und der infrastruktu- rellen Schrumpfung, so Gerlach, zu beobach- ten. Das freilich sind Probleme, die gewiss nicht von der Gesundheitspolitik zu lösen sind. Hier sind Landes- und Regionalpolitiker gefragt.

Die Empfehlungen des Sachverständigenrates sind nicht nur auf Zustimmung gestoßen. Kri- tisiert wurden insbesondere die Vorschläge zur Finanzierung von Maßnahmen gegen einen drohenden Landarztmangel durch Umschich- tungen im ärztlichen Honorar. Dass der Rat bei seinen Empfehlungen auch Rücksicht auf berufs- und standespolitische Befindlichkeiten nehmen soll, steht freilich nirgends geschrie- ben. Vielmehr sollen die Sachverständigen Prioritäten für den Abbau von Versorgungs- defiziten und bestehenden Überversorgungen entwickeln und Wege zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens aufzeigen. Bemerkens- wert ist, dass die Politik weitgehend wohlwol- lend auf die Empfehlungen reagiert und die Stärkung der medizinischen Versorgung in den ländlichen Regionen zur Chefsache erklärt hat.

Mit seinem Gutachten knüpft der Sachver- ständigenrat ganz bewusst an das im Jahr 2000/2001 publizierte Gutachten zur „Über-, Unter- und Fehlversorgung“ an. Auch damals gab es heftige Kritik von allen Seiten. Inzwi- schen ist „Über-, Unter- und Fehlversorgung“

ein stehender Begriff in gesundheitspoliti- schen Auseinandersetzungen geworden.

Seinerzeit bezog sich die Analyse noch auf einzelne Erkrankungen. Von einer regionalen Unterversorgung war noch keine Rede. Inzwi- schen haben sich die Gewichte verschoben:

Die Herausforderungen, die durch den de- mografischen Wandel, den technologischen Fortschritt und die Ausweitung der Angebots- kapazitäten an die Finanzierung des Gesund- heitssystems gestellt werden, sind heute in aller Munde. Ebenso die teilweise gefährdete Versorgungssituation insbesondere in struk- turschwachen, ländlichen Regionen.

Wenn der Vorsitzende des Sachverständigen- rates fordert, angesichts der prognostizierten Unterversorgung müsse jetzt gehandelt wer- den und Abwarten sei keine Option, so ist das nachvollziehbar. Was bleibt, ist jedoch die Un- gewissheit, ob das, was prognostiziert wird, auch eintrifft. Immerhin: Vielerorts haben Ärzte bereits die Initiative ergriffen und Ver- sorgungsmodelle entwickelt, die dazu beitra- gen könnten, dass das, was vorhergesagt wird, sich zumindest im eigenen Umfeld nicht erfüllt.

Autor

Prognosen sind eine Wissenschaft für sich

Jürgen Stoschek, Freier Journalist, Starnberg

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