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eschätzte 1,5 Milliarden Euro sind 2010 aus den Taschen gesetzlich Kran- kenversicherter in indi- viduelle Gesundheitsleistungen (IGeL) geflossen. Seit 2005 hat sich das Vo- lumen damit um etwa 50 Prozent erhöht.

Warum gibt es IGeL? Die gesetz- lichen Krankenkassen sind verpflich- tet, Arztleistungen zu bezahlen, die notwendig und ausreichend sind.

Der gemeinsame Bundesausschuss hat dazu Richtlinien herausgegeben, an denen sich der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ori-

entiert. So werden bei Impfungen zum Beispiel Röteln, Diphtherie und Tetanus abgedeckt, während wichtige Reiseimpfungen wie Hepatitis häufig aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Sehr schwer haben es alter- nativmedizinische Therapien, da bei den gesetzlichen Krankenkassen gilt:

In den Leistungskatalog wird nur aufgenommen, was wissenschaftlich gesichert ist. Bei der Akupunktur führt das beispielsweise dazu, dass eine solche Behandlung in gewissem Umfang bei chronischen Lenden- wirbelschmerzen oder chronischen Schmerzen durch Knie- oder Hüft- gelenksarthrose von der Kranken-

kasse gezahlt wird, bei Migräne je- doch nicht – egal, wie gut die The- rapie beim Patienten wirkt. Indivi- duelle Gesundheitsleistungen sollen dem Patienten über die notwendige und ausreichende Behandlung hi- naus Leistungen ermöglichen, die seinen Gesundheitszustand erhalten.

Praxistest In der Theorie klingt das Prinzip von IGeL einfach. Ein Arzt hält eine bestimmte Leistung für sinnvoll, um den Gesundheitszu- stand des Patienten zu erhalten. Wird diese nicht von dessen Krankenkasse abgedeckt, bietet er sie als IGeL an. Er ist verpflichtet, den Patienten genau über die Leistung aufzuklären und dieser muss dem Angebot ausdrück- lich zustimmen. In der Praxis sieht das aber oft ganz anders aus. So ist zum Beispiel nicht einheitlich gere- gelt, welche Leistungen die gesetzli- chen Krankenkassen bezahlen und welche nicht. Eine Reiseimpfung, die von einer Kasse übernommen wird, könnte bei einer anderen unter IGeL fallen. Zudem sind viele Patienten verunsichert, denn sie können nur in den seltensten Fällen einschätzen, inwieweit die kostenpflichtige Leis- tung wirklich sinnvoll ist. Soll man die Tauglichkeitsprüfung machen, bevor man eine Kampfsportart be- ginnt, um vielleicht vorher festzustel- len, dass gesundheitliche Schäden drohen? Ist eine Augenhintergrund- untersuchung wirklich notwendig, um eine gefährliche Krankheit gar nicht erst ausbrechen zu lassen? Wie sinnvoll ist eine Lichttherapie bei saisonaler Depression, wenn diese unbehandelt womöglich – aber eben nicht sicher – zu einer klinischen Depression führen kann? All das be- wegt sich im Bereich des Spekulati- ven. Genau so ist es mit den alter- nativmedizinischen Therapien, die wissenschaftlich noch nicht belegt wurden. Haben Patienten damit noch keine Erfahrungen gemacht, wissen sie nicht, ob ihnen die Therapie hel- fen wird.

Verbindliche IGeL-Listen gibt es nicht und auch kein TÜV-Siegel für IGeL. Dies und auch, dass nicht alle

PRAXIS IGeL

© Marco2811 / www.fotolia.com

80 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Februar 2012 | www.pta-aktuell.de

Was so niedlich mit „IGeL“ abgekürzt wird, sind zusätzliche, für den Patienten kostenpflichtige Gesundheitsleistungen. Doch welche davon sind sinnvoll und welche nur Geldmacherei?

Nützlich oder

nur Abzocke?

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Ärzte nachvollziehbar und mit viel Geduld ihrer Informationspflicht nachkommen, überfordert viele Pa- tienten. Kritiker wie beispielsweise die Verbraucherschutzzentralen wer- fen Ärzten sogar vor, sich mit unnö- tigen IGeL-Leistungen die Taschen zu füllen. So bieten findige Ge- schäftsleute tatsächlich Verkaufstrai- nings für Selbstzahlerleistungen an, in denen Ärzte und ihre Teams ler- nen können zu „Verkaufen wie die Profis”. Angesichts solch fragwürdi- ger Strategien wundert es nicht, dass Patienten verunsichert sind, wenn es um die kostenpflichtigen Arztleis- tungen geht. Viele, gerade ältere Menschen, sehen im Arzt jedoch immer noch den Halbgott in Weiß, dessen Entscheidungen und Empfeh- lungen Gesetz sind. Solche Patienten werden womöglich viele unsinnige kostenpflichtigen Leistungen in sei- ner Praxis bezahlen.

Welche Leistungen sind sinn- voll? Im Prinzip ist keine kosten- pflichtige Zusatzleistung sinnvoll, die nur kosmetischen oder Lifestyle- Nutzen hat. Alle spekulativen Vor- sorgeleistungen, wie beispielsweise ein Schleimhautabstrich beim Säug- ling, der über Krankheitsrisiken im Erwachsenenalter Auskunft geben soll, sind ebenfalls mit Vorsicht zu genießen. Aber auch die immer wie- der diskutierte Messung des Augen- innendrucks ist meistens Geldma- cherei. Denn ein Glaukom (Grüner Star) muss nicht zwingend durch einen erhöhten Augeninnendruck ausgelöst werden. Liegen Risikofak- toren vor, wird die Messung außer- dem als medizinisch notwendig von der Krankenkasse übernommen. Fal- tenunterspritzung verbessert mögli- cherweise die Lebensqualität, ist aber medizinisch nicht indiziert, es sei denn, das kosmetische Problem führt zu schwerwiegenden psychischen Problemen – in diesen Fällen könnte es aber wiederum sein, dass die ge- setzliche Krankenkasse die Kosten doch übernimmt. Angebote wie spe- zielle 3D-Ultraschalluntersuchungen, auch als „Babyfernsehen” bezeichnet,

sind ein schöner Luxus, aber sicher keine Notwendigkeit.

Individuelle Gesundheitsleistungen sind dann sinnvoll, wenn die Kran- kenkasse eine alternativmedizinische Behandlungsmethode nicht zahlt, von der man weiß, dass sie einem hilft, zum Beispiel wenn man mit Akupunkturbehandlung bei Migräne bereits gute Erfahrungen gemacht hat. Oder bei starker psychischer Be- lastung, beispielsweise durch Narben,

deren Entfernung aber trotz Beantra- gung und ärztlichem Gutachten von der Krankenkasse als medizinisch nicht notwendig eingestuft wird. Ei- nige Leistungen wie Ernährungs-, Reiseimpfungsberatungen oder Rau- cherentwöhnung können ebenfalls sinnvoll sein. Schlussendlich muss jeder individuell entscheiden, ob IGeL für ihn sinnvoll oder einfach nur Geldschneiderei ist.

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Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist + Fragen, warum diese

Leistung medizinisch not- wendig ist und warum ihre Krankenkasse sie nicht übernimmt

+ Nicht unter Druck setzen und keine Krankheiten „ein- reden” lassen

+ Nicht „über den Tresen”

zahlen! Für eine kosten- pflichtige Zusatzleistung muss der Arzt einen Vertrag schließen, der auch die Kosten ausweist. Und: Er muss eine Rechnung schrei- ben. Pauschalhonorare oder Barzahlung ohne Vertrag sind unzulässig. Im Zweifels- fall einen Kostenvoranschlag machen lassen.

+ Im Zweifel eine zweite Meinung bei einem anderen Arzt einholen.

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