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Archiv "Arzneimittelmarkt Europa: Vorerst Fehlanzeige" (19.02.1987)

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neue wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden. Die beste- henden Möglichkeiten dürften den Schwangeren und Kindern nicht vor- enthalten werden.

Der Ärztepräsident sprach sich auch für Anreize für die Betroffenen aus, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen. Dies könne beispielswei- se durch eine Verknüpfung der Zah- lung des Kindergeldes mit der regel- mäßigen Teilnahme an den Untersu- chungen geschehen. Auch die Zweckbindung eines Steueranteils bei Genußgiften, wie etwa Alkohol oder Tabak, für das Gesundheitswe- sen sei zu prüfen. Für die gesund- heitlichen Folgen des häufigen Miß- brauchs dieser Genußmittel könnte eine solche Zweckbindung eine er- hebliche Entlastung der Solidarge- meinschaft der gesetzlichen Kran- kenversicherung bedeuten. rei

Arzneimittelmarkt Europa:

Vorerst Fehlanzeige

Bis zum Jahre 1992 sollen inner- halb der Europäischen Gemein- schaft (EG) die Binnengrenzen be- seitigt sein, auch im Arzneimittel- sektor. Vertreter der Arbeitsge- meinschaft der Verbraucherverbän- de (AgV) und der Europäischen Verbraucherverbände (BEUC) dis- kutierten am 27. Januar auf dem 9.

Europäischen Verbraucherforum in Berlin die Chancen eines „gemein- samen Marktes für Arzneimittel".

Wie es aussieht, wird der von der EG-Kommission vorgelegte Zeit- plan kaum eingehalten werden kön- nen; die Unterschiede bei den Arz- neimitteln innerhalb der EG sind noch zu groß.

Das beginnt bei den Preisen:

Die Arzneimittelpreise sind in der Bundesrepublik am höchsten und liegen im Durchschnitt um das Zwei- einhalbfache über denen aus Spa- nien. Im Einzelfall beträgt die Preis- differenz das Fünf- bis Zehnfache für dasselbe Medikament. Der Ver- braucher merkt von der Differenz wenig, da die Mehrzahl der Medika- mente nur gegen Rezept erhältlich

ist und vom jeweiligen Sozialversi- cherungssystem bezahlt wird. Der Grund für die erstaunlichen Preisdif- ferenzen liegt in der Art, wie die Re- gierungen in die Preisfestsetzung eingreifen. Mit Ausnahme der Bun- desrepublik gibt es in allen EG-Staa- ten mehr oder weniger rigide Preis- kontrollen. Nach Ansicht von BEUC-Präsident Peter Goldman sind die Preise dort am niedrigsten, wo die Kontrolle am schärfsten ist.

In einigen Ländern wird der Grund- preis festgelegt, in anderen der Großhandelspreis. Die Bundesrepu- blik hat sehr detaillierte Vorschrif- ten über die Einzelhandelsspannen.

Die Preisschwankungen innerhalb der EG kommen auch wegen der höchst unterschiedlichen Mehrwert- steuersätze zustande, die zwischen null und 35 Prozent liegen. Und schließlich kommt es darauf an, ob Arzneimittel freiverkäuflich sind oder das System eher zum Apothe- kenmonopol tendiert. Ergebnis je- denfalls ist, daß das Preisgefälle pharmazeutischer Produkte inner- halb der EG größer ist als für jede andere Produktgruppe.

Obwohl das BEUC Preiskon- trollen im allgemeinen ablehnt, will es hier doch eine Ausnahme ma- chen, weil „der normale Wettbe- werbsmechanismus des Marktes nicht funktioniert". In diesem Zu- sammenhang kritisierte BEUC-Prä- sident Goldman die fehlende Mit- sprachemöglichkeit der Verbrau- cherverbände bei der Preisfestset- zung und der Arzneimittelsicher- heit. Das BEUC fordert

• Anreiz für Ärzte und Apo- theker, teure Arzneimittel durch bil- ligere Alternativen zu ersetzen,

• Parallelimporte zu fördern, um den Wettbewerb zu beleben,

• umfassende und systemati- sche Information der Industrie an die Behörden, um Maßnahmen zur Arzneimittelsicherheit und zur Be- einflussung des Verbrauchs zu ver- stärken,

• eine europäische Arzneimit- telbehörde zu schaffen, die europa- weit gültige Zulassungen und Wider- rufe ausspricht.

Otto May vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie wies demgegenüber auf die unterschied-

lichen medizinischen Schulen in den EG-Ländern hin. Zulassung oder Widerruf seien immer auch politi- sche Entscheidungen, die die Stim- mung der jeweiligen Bevölkerung widerspiegele, weshalb es zu unter- schiedlichen Einschätzungen glei- cher Arzneimittel komme. Einem solchen Durcheinander könnte ein europäisches Arzneimittelbüro ab- helfen, meinte das BEUC auf dem Verbraucherforum.

Es konnte nicht ausbleiben, daß das „langsame Vorgehen der Behör- den" Gegenstand kritischer Fragen wurde, wobei insbesondere der Lei- ter des Arzneimittelinstituts des Bundesgesundheitsamtes, Prof. Jörg Schuster, ins Kreuzfeuer geriet. Ein- zelne Ärzte sowie Vertreter von Verbraucherorganisationen und der AOK warfen ihm eine „lasche und liberale Zulassungspraxis" vor und bezogen sich vor allem auf das Hoechst-Präparat „Alival", das nach einigen Todesfällen aufgrund von Nebenwirkungen nicht vom BGA, sondern vom Hersteller vom Markt genommen worden war. Der Hinweis auf „Einzelfälle" konnte die Gemüter während der Podiums- dikussion kaum beruhigen. Schuster wies auch auf die Gesetzeslage hin, nach der das Amt „besonderen The- rapierichtungen" Rechnung tragen muß, der Anthroposophie beispiels- weise, die nicht auf der naturwissen- schaftlichen Medizin beruhen. So käme es, daß auch Drogen zugelas- sen werden, deren Wirksamkeit zweifelhaft sei.

Allgemein ging die Tendenz auf dem Forum dahin, für die Gesamt- EG die jeweils schärfsten Vorschrif- ten eines Mitgliedsstaates zu for- dern. Aller Erfahrung nach wird ge- nau dies im Zuge eines EG-Binnen- marktes nicht eintreten, da sich die EG-Kommission in der Regel auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. Eckard Westphal vom AOK- Bundesverband fühlte sich zudem an die „grauenhafte" EG-Agrarmarkt- politik erinnert und fürchtet nun gleiches für den Arzneimittelmarkt.

Ob der „gemeinsame Markt für Arzneimittel" Vorteile für den Ver- braucher in Hinsicht auf Preiswür- digkeit und Sicherheit bringen wird, wird also weiterhin bezweifelt. ptv A-416 (30) Dt. Ärztebl. 84, Heft 8, 19. Februar 1987

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