T
eufel mit Schwimmhäu- ten an den Füßen, Was- sernixen mit doppelten Fischschwänzen, Menschen, die auf Fischen reiten – es sind verwirrende Bilder. Dass diese groß und bunt auf die Innen- wände einer Kirche gemalt wurden, macht sie nicht ver- ständlicher. Kaum ein anderes Kunstwerk Südtirols ist bis heute noch immer so geheim- nisvoll in seiner Bedeutung wie die rund tausend Jahre alte Freskenmalerei in der kleinen Kirche St. Jakob in Kastellaz am Rand des berühmten Wein- dorfes Tramin an der Südtiroler Weinstraße. Tramin und Um- land sind zu allen Jahreszeiten schön, am schönsten aber im Frühjahr, wenn rosafarbener Schaum über der Landschaft zu liegen scheint vom millionenfa- chen Blühen der Apfelbäume am Rande oder zwischen den Weinbergen.Mildes Klima
Von Sigmundskron der Etsch entlang bis zur Salurner Klaus’, der Sprachgrenze zwi- schen dem Deutschen und Ita- lienischen, zeigt Südtirol sich an der Weinstraße, die sich auf den Terrassen über dem Etschtal hinzieht, von seiner südlichsten Seite. Das Klima ist mild, die Pflanzenwelt be- schert Arten, die man erst viel weiter südlich erwartet: Pal- men und Ölbäume, schwarze Zypressen, Feigen, Lorbeer, Edelkastanien und Wein, un- endlich viel Wein. 650 000 Hektoliter werden hier jähr- lich erzeugt. Viel Wissenswer- tes über den Weinbau in Südti- rol, seine Geschichte und seine heutige Bedeutung erfährt man bei einem Besuch im Weinbaumuseum in Kaltern oder in einer der privaten oder genossenschaftlichen Wein- kellereien. Auch in der Bau- weise zeigt sich südländischer Einfluss. Doppelbogenfenster, gemeißelte Torbögen, Frei- treppen und Loggien, Erker, Balkone und Türme prägen das Gesicht der oft stattlichen Dörfer entlang der 40 Kilome- ter langen Weinstraße. Die sie- ben Gemeinden – Eppan, Kal- tern, Tramin, Kurtatsch, Marg-
reid, Kurtinig und Salurn – be- stehen oft aus zahlreichen Or- ten und Fraktionen, von denen manche zu weithin bekannten Weinorten zählen.
Zwischen Schloss Sigmunds- kron, der größten Burganlage Tirols, und Salurn mit seiner düster drohenden Ruine der Haderburg vor den Felsen, ein- gerahmt von der Etsch auf der einen und dem Mendelgebirge auf der anderen Seite, beginnt das Frühjahr früher, kommt stürmischer und dauert länger als sonst in Tirol.
Dom auf dem Lande
Eppan ist die größte Gemein- de an der Weinstraße. St.
Pauls, das kleine Kirchdorf mit dem weithin sichtbaren „Dom auf dem Lande“, gehört eben- so dazu wie Missian, Girlan, Perdonig oder St. Michael.
Das sind Namen, die das Herz des Weinfreundes höher schla- gen lassen. Das gilt umso mehr, als inzwischen der Erfolg der Südtiroler Winzer bei der
Qualitätsverbesserung unüber- sehbar ist. Südtiroler Weine sind nicht mehr jene billigen Massenprodukte, deren be- kanntestem Erzeugnis, dem
„Kalterer See“, man gerne ab- fällig nachsagte, der See selber müsse bald leer geschöpft und in Flaschen abgefüllt sein.
Der Kalterer See, der größ- te Alpensee Tirols zwischen Kaltern und Tramin, ist das landschaftliche Herzstück die- ses Weinlandes. Jetzt im Früh- jahr lächelt dieser im Sommer wärmste Badesee der Alpen zwar auch, doch noch lockt er
nicht zum Baden, allenfalls zu einer Bootsfahrt und anschlie- ßend zu einer Wanderung zu der den See auf einer Höhe überragenden romantischen Ruine der Leuchtenburg. Der Boden unter Eichen und Edelkastanien zur Ruine hin- auf ist bedeckt mit den blauen Blütensternen der Leberblüm- chen und den pelzigen Glok- ken der Küchenschellen. Blü- hende Seidelbastbüsche ver- strömen betäubenden Duft.
Kaltern an der Weinstraße Ungeachtet seines berühm- ten Traminers ist nicht Tra- min, sondern Kaltern der be- kannteste und meist besuchte Ort an der Weinstraße. Dicht stehen an der Hauptstraße die behäbig wirkenden Win- zerhäuser. In den Vorgärten öffnen sich weiße Sternma- gnolien, und über dunklen Zypressen und Zedern ran- ken und leuchten die goldgel- ben Blüten der ersten Klet- terrosen. Eine durchgehende Front von Laubenhäusern säumt den Hauptplatz, vor dem barocken Rathaus plät- schert ein Brunnen. Kostbare alte schmiedeeiserne Wirts- hausschilder laden in dämm- rig-kühle Gasthausgewölbe zu Überetscher Spezialitäten:
Tiroler Speck oder Gselchtes, Kaminwurzen, Gerstensuppe oder Speckknödel mit Kraut – und Wein. Doch die Südti- roler haben feste Regeln für den Weingenuss: Nur vormit- tags gibt es Weißwein, nach- mittags und abends trinken sie Roten. Der Weiße sei am Abend zu anregend, sagen sie. Wenn eine Südtirolerin ihrem Ehemann am Abend einen Schoppen Weißen vor- setzt, weiß er, was das be- deutet. Christoph Wendt V A R I A
A
A1040 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 15½½½½12. April 2002
Infos:Eine Veranstaltungsreihe „Mit den Weinrittern unterwegs“ führt im Frühjahr in Weinberge und Keller, zu berühmten Kunstwerken und Stätten der Edelgastronomie.
Näheres: Tourismusverband Südtirols Süden, Pilhofstraße 1, I-39010 Frangart, Telefon: 00 39-04 71-63 34 88, Fax:
63 33 67, www.suedtirols-sueden.net, E-Mail: info@suedtirols-sueden.net
Südtirol
Zauber des Frühlings
Reise
An der Südtiroler Weinstraße
Tramin: zünftige Weinprobe
Fotos: Christoph Wendt