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Archiv "Organspende: Offen entscheiden lassen" (27.09.2013)

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A 1774 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 39

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27. September 2013

KOMMENTAR

Dr. med. Andrea Dörries, Zentrum für Gesundheitsethik (ZfG), Hannover*

B

ei den Diskussionen der ver- gangenen Jahre über das Transplantationsrecht ging es insbeson- dere darum, die Zahl der Organspenden zu erhöhen. So lautet nunmehr der ers- te Satz des Transplantationsgesetzes (TPG): „Ziel des Gesetzes ist es, die Be- reitschaft zur Organspende in Deutsch- land zu fördern.“ Dieser Zielvorgabe entspricht es, dass neben den allgemei- nen Sachinformationen, etwa über Vor- gehen der Transplantation, Hirntoddia - gnostik, Organspendeausweis, auch

über Gründe informiert wird, die für die Bereitschaft zur Organspende sprechen.

Nun heißt es im TPG aber auch, dass es darum gehe, „eine informierte und unabhängige Entscheidung jedes Einzelnen zu ermöglichen“. Hierzu ist erforderlich, dass der Einzelne in einem Prozess der Abwägung zu einem be- gründeten Urteil kommen kann. Des- halb sollte auch darüber informiert werden, warum sich Menschen be- gründet gegen eine Spende entschei- den. Die Informationen zur Organspen- de müssen ergebnisoffen gestaltet sein. Es geht darum, Betroffenen eine individuelle ethische Entscheidung zu ermöglichen, die weitreichende Folgen nicht nur für sie, sondern auch für Angehörige sowie für potenzielle Transplantationsempfänger hat. Dazu müssen hier, wie in allen anderen Be- reichen der medizinischen und pflege- rischen Versorgung, die Betroffenen umfassend informiert werden.

Eine einseitige Werbung für Organ- spende läuft zudem Gefahr, wie die all- gemeine Konsumwerbung wahrgenom- men zu werden. In der Mediengesell- schaft haben wir gelernt, jegliche Art von Werbung kritisch zu hinterfragen und damit Werbung zunächst einmal zu misstrauen. Der Versuch, die Bereit- schaft zur Organspende durch gezielte Werbekampagnen zu fördern, könnte

sich also als Bumerang erweisen, weil sie statt Vertrauen Misstrauen wecken.

Der Akt der Entnahme von Organen aus dem Körper eines hirntoten Men- schen betrifft grundlegende Überzeu- gungen bezüglich des Verständnisses des Menschseins: Darum stellt sich hier eine Vielzahl von philosophischen, religiösen und weltanschaulichen Fra- gen, die individuell sehr unterschiedlich beantwortet werden können. Es gehört zu den Grundlagen unserer Gesell- schaft, eine Pluralität solcher Einstel-

lungen zu akzeptieren. Das sollte auch im Blick auf Organtransplantation gel- ten. Dabei geht es zum Beispiel um Fragen des Verständnisses von Sterben und Tod, der Bedeutung der Leiblich- keit unserer Existenz oder auch um Fragen der Gestaltung des Trauerpro- zesses Angehöriger.

Das zentrale Argument für die Be- reitschaft zur Organspende ist hinrei- chend bekannt und vielfach kommuni- ziert: „Organspende rettet Leben!“ Die großen Erfolge der Transplantationsme- dizin stehen außer Frage, und das Ge- spräch mit Betroffenen wiegt hier oft weit mehr als das nüchterne Argument.

Dieses Argument ist in ethischer Hin- sicht deswegen so stark, weil es um das Überleben anderer geht, weil also Interessen Dritter berührt sind und es nicht nur um eigene Interessen geht.

Allerdings sollte man dabei nicht übersehen, dass auch aufseiten des Spenders die Interessen Dritter berührt sind: nämlich die Interessen An- und Zugehöriger, insbesondere mit Blick auf die Möglichkeit, vom Verstorbenen Ab- schied zu nehmen und um diesen zu trauern.

Aus dieser Perspektive ergeben sich mögliche Argumente für eine individu- elle Entscheidung gegen die Bereit- schaft zur Organspende. Es sind Argu- mente, die sich aus dem je eigenen

Verständnisses des Menschseins und der damit verbundenen individuellen Wertvorstellung ergeben. Auch wenn man den Hirntod als medizinisch-juris- tische Voraussetzung für die Zulässig- keit einer Organentnahme anerkennt, stellt sich für den Einzelnen unabhän- gig davon die Frage, wie er oder sie den Tod versteht und welche Rolle die leibliche Erscheinung dabei spielt. Die- se hier nur angedeuteten Überlegun- gen zur Leiblichkeit wird sicher nicht jeder teilen. Sie betreffen das individu-

elle Verständnis des Menschseins, das vor dem Hintergrund sozial geteilter, aber nicht universeller Anschauung und Wertvorstellungen entsteht. Dass man diese Ansicht nicht teilt, bedeutet aber nicht, dass man sie nicht als Grund für eine Entscheidung gegen die Bereit- schaft zur Organspende akzeptieren können sollte.

Die Abwägung zwischen den Argu- ment für und den Argumenten gegen ei- ne Organspende, die hier zu treffen ist, wird man in einer pluralistischen Gesell- schaft, in der man von dezidiert unter- schiedlichen weltanschaulichen Über- zeugungen und Vorstellungen des Menschseins ausgehen muss, nur je- weils dem Einzelnen überlassen können.

Das ist in der Medizin ein anerkannter Standard, und er sollte es auch im Kon- text der Organtransplantation werden.

Eine medizinische Definition des Todes hilft für die individuelle Entscheidung nur begrenzt. Dass eine solche Definition aus Gründen der rechtlichen Klarheit notwendig ist, ist ohne weiteres ersicht- lich. Wenn man den Menschen aber eine individuell verantwortbare Entscheidung ermöglichen will, dann wird man auch über die unterschiedlichen Möglichkeiten informieren müssen, sich zu dieser me- dizinischen Definition zu verhalten.

* in Zusammenarbeit mit Dr. theol. Michael Coors, ZfG

ORGANSPENDE

Offen entscheiden lassen

P O L I T I K

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