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Archiv "Palliative Sedierung: Mit großer Sorgfalt und klinischer Erfahrung" (19.09.2014)

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A 1552 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 38

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19. September 2014

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ei den meisten schwerstkran- ken Patienten lassen sich Schmerzen und Luftnot mit Hilfe der Palliativmedizin gut in den Griff bekommen. Aber einige Sympto- me, wie beispielsweise die massive Angst vor dem Ersticken, kann ih- nen letztendlich oft nicht genommen werden. Prof. Dr. med. Lukas Rad- bruch, Bonn, berichtete vor kurzem beim Caritasverband für die Stadt Köln über eine Möglichkeit, solchen Patienten dennoch wirksam zu hel- fen – die palliative Sedierung.

Diese Maßnahme erfordert sei- ner Ansicht nach große Sorgfalt,

umsichtiges Vorgehen und klini- sche Erfahrung. „Eine Nichtbeach- tung der potenziellen Risiken kann schädigendes und unethisches Han- deln nach sich ziehen, welches die Glaubwürdigkeit und die Re - puta tion der verantwortlichen The- rapeuten und Institutionen als auch der Palliativmedizin insgesamt be- einträchtigen kann“, heißt es in einer Leitlinie („Framework“) der European Association for Palliative Care (EAPC), an der Radbruch mitgearbeitet hatte. Bei dieser Leitlinie handele es sich nicht um direkte Vorgaben, sondern viel-

mehr um einen Handlungsrahmen, der in Form von nationalen Leit - linien oder Standards ausgestaltet werden könne, erläuterte er.

Diskussionen über Definition Nach langen Diskussionen habe man sich auf folgende Definition für eine palliative Sedierung geei- nigt: „Die therapeutische (oder pal- liative) Sedierung wird im palliativ- medizinischen Kontext verstanden als der überwachte Einsatz von Me- dikamenten mit dem Ziel einer ver- minderten oder aufgehobenen Be- wusstseinslage (Bewusstlosigkeit), Foto: epd

PALLIATIVE SEDIERUNG

Mit großer Sorgfalt

und klinischer Erfahrung

Über eine Behandlungsoption, die die Zeit bis zum Eintritt des Todes erträglicher gestalten kann

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 38

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19. September 2014 A 1553 um die Symptomlast in anderweitig

therapierefraktären Situationen in einer für Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern ethisch akzepta- blen Weise zu reduzieren.“

Die palliative Sedierung solle erst dann eingesetzt werden, wenn alle anderen therapeutischen Maß- nahmen versagt hätten, heißt es weiter in der Leitlinie. Der Einsatz palliativer Sedierung könne schließ- lich nicht nur für den Patienten, son- dern auch für Familienangehörige und Mitarbeiter belastend sein. So führe er beispielsweise zu der Sorge, dass die Sedierung direkt oder indi- rekt das Eintreten des Todes be- schleunigen könne. Im Allgemeinen sollte die Sedierungstiefe möglichst niedrig gehalten werden, jedoch gleichzeitig eine angemessene Lin- derung der Beschwerden bewirken.

Intermittierende Sedierung Eine kontinuierliche tiefe Sedie- rung sollte der Leitlinie zufolge nur dann in Betracht gezogen werden,

„wenn sich der Patient in der aller- letzten Lebensphase befindet mit einer erwarteten Prognose von Stunden, höchstens wenigen Ta- gen“. Das hält Radbruch für sinn- voll, auch wenn er sich dabei manchmal dem Patientenwillen wi- dersetzen müsse. So habe er einen 63-jährigen Patienten betreut, der an einem metastasierten Prostata- karzinom gelitten hätte. Dieser wünschte trotz guter Symptomkon- trolle eine palliative Sedierung.

„Wir haben es mit ihm und dem Behandlungsteam besprochen und uns schließlich dagegen entschie- den, weil wir die Maßnahme für nicht indiziert hielten. Er kam dann vier Wochen später in einem sehr viel schlechteren Zustand wieder.

Zu diesem Zeitpunkt hielten wir die Sedierung dann für gerechtfer- tigt. Drei Tage später ist er dann unter der Sedierung verstorben.“

Die klinische Einschätzung soll- te möglichst immer interdisziplinär erfolgen. Sie sollte vor allem akute klinische Beeinträchtigungen durch behandelbare Komplikationen wie zum Beispiel Pleuraergüsse oder reversible metabolische Störungen ausschließen. Doch was ist mit spi- rituellen oder existenziellen Notla-

gen? Wenn die Patienten keine kör- perlichen Symptome haben, aber ihren Zustand trotzdem nicht mehr aushalten? „Ich höre von Patienten immer wieder den Ausspruch: Ih- ren Hund würden sie einschläfern.

Mich lassen sie hier so liegen“, berichtete Radbruch. Die Leitlinie empfiehlt zur Entscheidungsfin- dung in solchen Situationen, Mitar- beiter der psychosozialen Berufs- gruppen, Pflegende und Angehörige miteinzubeziehen. Insbesondere der Hausarzt sollte in den Evaluations- prozess integriert werden. Grund- sätzlich sollte zunächst eine inter- mittierende und milde Sedierung an- gestrebt werden, fordert die EAPC.

Das hält auch Radbruch für sinn- voll. Auf diese Weise könne man

sich vom Patienten erneut dessen Wunsch bestätigen lassen.

Nach Auffassung Radbruchs und der EAPC liegt eine missbräuchli- che Sedierung dann vor, wenn „Be- handler Patienten in Todesnähe mit dem Ziel sedieren, den Tod zu be- schleunigen“. Dieses Vorgehen wird als „slow euthanasia“ bezeichnet. In der klinischen Praxis verabreich- ten manche Ärzte Medikamente in sehr hohen Dosierungen, auf den ers- ten Blick, um Symptome zu lindern, jedoch mit einer impliziten Absicht der Lebensverkürzung, heißt es in der Leitlinie. „Das ist ein deutig ein Miss- brauch der Methode“, so Radbruch.

Er betont, dass er die palliative Sedierung nur selten, etwa drei- bis fünfmal im Jahr anwende. Und es stellten sich auch nach wie vor ei - nige Fragen, die weiter diskutiert werden müssten: „Ist es eine nor- male medizinische Maßnahme oder geht es nicht vielmehr um eine ethi- sche Entscheidung? Was bedeutet das, dass ich den Patienten, seine Angehörigen und das Behandlungs- team in viel umfangreicherem Ma- ße als bei anderen Therapien einbe- ziehen muss? Benötigen wir stren- gere Richtlinien? Müsste ich nicht im Sinne der Selbstbestimmung den Willen des Patienten noch stärker

berücksichtigen?“

Gisela Klinkhammer

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Die Leitlinien im Internet:

www.aerzteblatt.de/141552

Empfehlung 1: Angebot der präemptiven Diskussion der Sedierung als Option in der Versorgung am Lebensende und in der Notfall - planung; spezifische Themen ansprechen, zum Beispiel Herz-Lungen-Wiederbelebung, Beatmung; wenn angemessen, Linderung ex- tremen Leidens diskutieren, einschließlich der Sedierung

Empfehlung 2: Kein Konsens zu schweren nicht körperlichen Symptomen, spezielle Vor- sichtsmaßnahmen

Empfehlung 3: Experten im Konsil (wenn unsi- cher), multiprofessionales Team (wenn möglich)

Empfehlung 4: Diskussion mit Patienten; na- he Bezugspersonen, wenn möglich, einbinden;

Entscheidung mit Vorsorgebevollmächtigtem, wenn Patient nicht entscheidungsfähig

Empfehlung 5: In manchen Kulturen wird das Einverständnis der Familie als wünschenswert oder notwendig gesehen

Empfehlung 6: Intermittende oder leichte Sedierung sollte zunächst bevorzugt werden

Empfehlung 7: Überwachung physiologischer Parameter für kurzfristige Sedierung, Befinden für Sedierung bei Sterbenden

Empfehlung 8: Entscheidung zur Ernährung und Flüssigkeitsgabe und die Begleitmedikation

Quelle: Prof. Dr. med. Lukas Radbruch, Universitätsklinikum Bonn – Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein-Sieg

PALLIATIVE SEDIERUNG – EMPFEHLUNGEN

Dass die Palliativmediziner sich häufig auf eine Gratwan - derung begeben, darauf bezieht sich auch der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery. Die aktuell diskutierte strafrechtliche Regelung für Ärzte könnte nach Ansicht Montgomerys zulasten der Patienten gehen. „Würden wir jetzt über das Berufsrecht hinausgehen, bestünde die Gefahr, dass wir die Palliativ - medizin in den Bereich des Strafrechts rücken. Wir würden dann riskieren, dass der Mut zu einer intensiven Schmerz- therapie und einer palliativen Sedierung wieder sinken würde. Daher glaube ich, dass das Standesrecht hier aus- reicht. Es gibt keinen Grund für eine strafrechtliche Regu- lierung“, stellte Montgomery vor kurzem im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst klar.

DIE MEINUNG DER BÄK

P O L I T I K

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