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Rückstellmomentberechnung bei landwirtschaftlichen Reifen auf festem Boden

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62 LANDTECHNIK 4/2007

Bojan Ferhadbegovi´c, Hohenheim

Rückstellmomentberechnung bei landwirt- schaftlichen Reifen auf festem Boden

M

oderne Simulationswerkzeuge finden in den letzten Jahren verstärkt Einzug in den Entwicklungsprozess landwirtschaft- licher Fahrzeuge. Für Pkw oder auch Lkw sind fahrdynamische Analyse und Optimie- rung am Rechner mittlerweile weit verbrei- tet. Daher existieren verschiedene auf Pkw optimierte Reifenmodelle am Markt. Für die weichen, großvolumigen Traktorreifen exis- tieren jedoch kaum geeignete Modelle. Da- her wurde an der Universität Hohenheim ein dynamisches Reifenmodell für landwirt- schaftliche Reifen entwickelt. Dieses be- rechnet die instationären Kräfte und Mo- mente am Rad. Spielen die Kräfte die ent- scheidende Rolle für das Fahrverhalten des Gesamtfahrzeugs, beeinflusst das Rückstell- moment stark die Lenkung.

Modellierung des Rückstellmoments Während die Kräfte im Hohenheimer Rei- fenmodell mit einem Punktmodell berechnet werden [2], wird für die Berechnung des Rückstellmoments die Kraftverteilung im Latsch benötigt. Ein einfaches Modell für kleine Schräglaufwinkel wurde von Strackerjan verwendet [7]. Einen verbesser- ten Ansatz wandten Holtschultze [4] und Gim [3] an.

Nach Kabe [5] hat das Rückstellmoment drei Ursachen: die Scherspannungen im Latsch, laterale Verformung des gesamten Reifens und die Torsion des Reifens um die Hochachse. Das Hohenheimer Reifenmodell

verwendet die Scherspannungen im Latsch und die Torsion des Reifens um die Hoch- achse zur Rückstellmomentberechnung. Der Reifenlatsch bei überlagertem Schlupf ist in Bild 1 dargestellt. Der graue Bereich, in des- sen Flächenschwerpunkt s die resultierende Kraft F angreift, repräsentiert die Kraftver- teilung. Die Geschwindigkeit des Rades ist hier in eine longitudinale und eine laterale Komponente, vtxund vy, aufgeteilt.

Für die Berechnung der Scherspannungen wird die angenommene Bewegung eines Latschpartikels entlang des Pfades p be- trachtet. Das Teilchen tritt in der Symmetrie- ebene des Latsches ein und bewegt sich ent- lang von p entsprechend dem Latsch- schräglaufwinkel αst. Im Bereich der Fläche A1wird Haften und im Bereich A2Gleiten des Latsches angenommen. Die Länge lt1des Haftbereichs hängt von der longitudinalen und der lateralen Gleitgeschwindigkeit des Latsches ab und kann wie folgt berechnet werden:

lt1 = lt - (|tanαst| + |σst|) • lt (1) Es wird vereinfachend angenommen, dass das Verhältnis der lateralen Gleitgeschwin- digkeit- zur Längsgeschwindigkeit – tanαst– den durch den Schräglaufwinkel verursach- ten Gleitanteil der Gesamtlatschlänge be- schreibt. Der zweite Anteil der Gleitlänge lt- lt1ergibt sich aus dem stationären Längs- schlupf σst. Die gesamte Latschlänge ltlässt sich über Pythagoras’ Theorem errechnen:

lt= 2 • rconstr2+ rl2 (2) Wobei rconstrkonstruktiver Reifenradius und

Für das Fahrverhalten landwirt- schaftlicher Fahrzeuge ist der Rei- fen als Verbindungsglied zwischen Fahrzeug und Boden von besonde- rer Bedeutung. Daher ist ein ge- naues Reifenmodell für die Fahrdy- namiksimulation Voraussetzung. Zu diesem Zweck wurde in den letzten Jahren an der Universität Hohen- heim ein instationäres Reifenmo- dell entwickelt. Mit diesem können sowohl die Kräfte als auch die Mo- mente am Rad berechnet werden.

Eine besondere Rolle bei der Len- kungsauslegung spielt dabei das vom Reifen erzeugte Rückstellmo- ment. Die Vorgehensweise bei der Rückstellmomentberechung sowie einige Validierungsergebnisse wer- den hier vorgestellt.

Dipl.-Ing. Bojan Ferhadbegovi´c ist wissenschaftli- cher Mitarbeiter am Fachgebiet Grundlagen der Agrartechnik (Leiter: Prof. Dr.-Ing. S. Böttinger), Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim, Garbenstr. 9, 70599 Stuttgart; e-mail: ferhad@uni- hohenheim.de.

Schlüsselwörter

Reifenmodell, Fahrdynamik, Mehrkörpersimulation

Keywords

Tyre model, driving dynamics, multibody simulation

Literatur

Literaturhinweise sind unter LT 07314 über Internet http://www.landwirtschaftsverlag.com/ landtech/lo- cal/fliteratur.htm abrufbar.

Bild 1: Stark vereinfach- te Draufsicht eines Reifenlatsch mit Kraft- verteilung Fig. 1: Strongly simpli- fied top view of a tyre tread with force distri- bution

(2)

rlAbstand Radnabe-Boden bedeutet.

Der Hebelarm der Seitenkraft ist repräsen- tiert durch den Abstand sxdes Schwerpunkts s von der y-Symmetrieachse des Latsches und berechnet sich nach Gleichung (3).

(3) Der Hebelarm der Längskraft ergibt sich wie folgt:

(4) Daraus ergibt sich die durch die Spannungen im Latsch verursachte Rückstellmoment- komponente:

Mscher= Fy • sy- Fx • sx (5)

Die zweite Komponente des Rückstellmo- mentes wird durch die Torsion des Reifens um die Hochachse erzeugt. Der Schräglauf- winkel der Radnabe α unterscheidet sich vom Latschschräglaufwinkel αst [2]. Diese Differenz kann als Torsionswinkel ∆α= α- αst berücksichtigt und als Eingangsgröße eines Voigt-Kelvin-Elements verwendet werden. Da nach dieser Vorgehensweise eine Verdrehung nur entsteht, wenn ein Schräglaufwinkel vorhanden ist, kann das Rückstellmoment im Stand nicht berechnet werden. Eine Erweiterung diesbezüglich ist jedoch denkbar.

Um das Voigt-Kelvin-Element vollständig zu definieren, wird eine Torsionssteifigkeit ctorsund Torsionsdämpfung dtorsbenötigt und an dieser Stelle eingeführt.

Die entsprechende Feder-Dämpfer-Glei- chung führt zur Torsionskomponente des Rückstellmoments:

Mtors= ctors∆α+ dtors∆α (6) Schließlich setzt sich das Gesamtrückstell- moment aus den beiden Einzelkomponenten zusammen:

Mz= Mscher+ Mtors (7)

Simulationsergebnisse

Die Rückstellmomentberechnung wurde durch verschiedene Versuche an der Einzel-

radmesseinrichtung verifiziert. Dieser Prüf- stand ermöglicht Messungen der Kräfte und Momente an einem gezogenen oder ange- triebenen Rad, das gleichzeitig gelenkt wer- den kann [1, 6]. Die folgenden Ergebnisse zeigen einen 520/70 R 38 Reifen bei einem Reifeninnendruck von 1,2 bar. Da bei höhe- ren Fahrgeschwindigkeiten die Vorderachse in der Regel nicht angetrieben ist, wird im Folgenden auf den Zustand des gezogenen Rades eingegangen. Bild 2 zeigt den Verlauf des Rückstellmomentes bei einer quasista- tionären Schräglaufwinkelverstellung. Es wird deutlich, dass das Hohenheimer Rei- fenmodell besonders im Schräglaufwinkel- bereich bis etwa 6° gute Ergebnisse liefert.

Schräglaufwinkel oberhalb von 6° sind je- doch bereits relativ hohe Werte, die während des normalen Fahrzeugbetriebes kaum er- reicht werden dürften.

Auch der instationäre Verlauf bei einer Schräglaufwinkelrate von 5°/s kann mit dem Hohenheimer Reifenmodell gut simuliert werden (Bild 3). Abweichungen ergeben sich analog zum quasistationären Zustand bei großen Schräglaufwinkeln. Ferner kann der Einfluss der Stollen beobachtet werden. Die- se verursachen Schwingungen, die jedoch bei höheren Geschwindigkeiten auf Grund ihrer dann zu hohen Frequenzen keinen Ein- fluss auf das Fahrverhalten haben. Sie sind daher im Hohenheimer Reifenmodell nicht berücksichtigt.

Ein weiterer bedeutender Fall ist das Rückstellmoment bei wechselnder Verstell- richtung des Schräglaufwinkels (Bild 4). Der Schräglaufwinkel wird dabei bis etwa 14°

erhöht und geht anschließend wieder gegen null. Die Verstellung wird mit einer Verstell- rate von etwa 10°/s durchgeführt. Auch bei diesem Manöver kann eine gute Überein- stimmung der Simulation mit der Messung festgestellt werden, die Simulation weist je- doch eine zu hohe Dynamik im Bereich des maximalen Schräglaufwinkels auf.

Zusammenfassung

Das Hohenheimer Reifenmodell ermöglicht als ein hybrides Modell eine sehr schnelle Berechnung der relevanten fahrdynami- schen Größen auf festem Untergrund. Wie bereits bei der Kraftberechnung wurde auch bei der Rückstellmomentberechnung darauf geachtet, eine minimale Anzahl von Parame- tern zu verwenden. Außerdem war der phy- sikalische Hintergrund der Berechnung wichtig, wodurch auch das instationäre Ver- halten wiedergegeben werden kann. Dabei konnte auf die bei der Kraftberechnung auf- gestellten Grundprinzipien des Hohenhei- mer Reifenmodells zurückgegriffen werden.

Folglich mussten lediglich zwei weitere Pa- rameter – Torsionssteifigkeit und Torsions- dämpfung – eingeführt werden, um das Rückstellmoment beschreiben zu können.

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Bild 2: Rückstellmoment des gezogenen Rades bei einer Schräglaufwinkel- rate α’ = 0,5 °/s, statischer Radlast von Fz= 20 kN und vtx= 2 km/h Fig. 2: Self-aligning torque of a pulled wheel at a slip rate angle of α’ = 0.5°/s, a static wheel load Fz= 20 kN and vtx= 2 km/h

Bild 3: Rückstellmoment des gezogenen Rades bei einer Schräglaufwinkel- rate α’ = 5 °/s, statischer Radlast von Fz= 20 kN und vtx= 5 km/h

Fig. 3: Self-aligning torque of a pulled wheel at a slip rate angle of α’ = 5°/s, a static wheel load Fz= 20 kN and vtx= 5 km/h

Bild 4: Rückstellmoment des gezogenen Rades bei einer Änderung der Verstellrichtung des Schräglaufwinkels, bei einer Radlast Fz= 20 kN und vtx= 2 km/h Fig. 4: Self-aligning torque of a pulled wheel during a sign change of the slip rate angle at a wheel load of Fz= 20 kN and vtx= 2 km/h

Referenzen

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