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Archiv "Vasomotorische Kopfschmerz-Syndrome" (16.10.1985)

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Vasomotorische Kopfschmerzen- Cephalaea vasomotorica

Von vasomotorischem Kopf- schmerz wird gesprochen, wenn der Schmerz mit einer prinzipiell reversiblen Dilatation oder Kon- striktion kranialer Gefäße ver- knüpft ist, womit nicht gesagt ist, daß der Schmerz durch derartige Gefäßreaktionen unmittelbar aus- gelöst wird. Zwei eigenständige Krankheitsbilder gehören im Sin- ne dieser Definition zu den vaso- motorischen Kopfschmerzsyndro- men, nämlich die Migräne und der Cluster-Kopfschmerz. Auf diese beiden Syndrome soll weiter un- ten näher eingegangen werden.

Darüber hinaus können vorüber- gehende vasomotorische Kopf- schmerzen durch die verschie- densten exogenen und endoge- nen Noxen ausgelöst werden, wo- bei dem Kopfschmerz dann die für die Migräne und den Cluster- Kopfschmerz typische Verlaufsdy- namik mit spontan wiederkehren- den Attacken fehlt. Je nach auslö- sender Noxe kann dabei neben den reversiblen Weiteänderungen der kranialen Gefäße auch eine erhöhte Endothelpermeabilität und örtliche Ödembildung in den Gefäßwänden selbst und im peri- vaskulären Gewebe mit Freiset- zung algogener Stoffe eine patho- genetische Rolle spielen.

Häufige Auslöser vasomotori- scher Kopfschmerzen sind Fie- ber, Medikamente wie Phenace- tin, Ergotamin, Nitrate und Nitrite, MAO-Hemmer, Reserpin, ferner- hin Alkohol, technische Gifte, Hy-

Von vasomotorischen Kopf- schmerzen wird gesprochen, wenn Schmerz und Reaktionen kranialer Gefäße regelhaft mitein- ander verbunden sind. Typische Repräsentanten vasomotorischer Kopfschmerzsyndrome sind die Migräne und der Cluster-Kopf- schmerz. Zur Ätiologie und Patho- genese dieser Krankheitsbilder sind während der letzten zehn Jahre keine entscheidenden Fort- schritte erzielt worden, während das therapeutische Repertoire heute vergleichsweise wesentlich vielseitiger und effektiver gewor- den ist. Zahlreiche exogene und endogene Noxen können einen unspezifischen vasomotorischen Kopfschmerz triggern. Der Begriff Cephalaea vasomotorica ist un- scharf, mißverständlich und inter- national unüblich. Deshalb sollte er am besten aus dem diagnosti- schen Vokabular verschwinden.

poglykämie, hypertonische Blut- druckkrisen, fallweise auch arte- rielle Hypotonie, Folgezustände nach Schädel-Hirn-Trauma oder nach epileptischem Krampfanfall, verschiedene interne Grundlei- den (Tabelle 1).

Seltene Sonderformen sind der Eiscreme-Kopfschmerz, das Chi- na-Restaurant-Syndrom und der hot-dog-Kopfschmerz. Der Eiscre- me-Kopfschmerz ist dadurch ge- kennzeichnet, daß 20 bis 30 Se- kunden nach der Kälteexposition von Rachen und Gaumen heftige fronto-temporale Kopfschmerzen

auftreten, die auch als diffus, dumpf-drückend, bohrend, tiefsit- zend beschrieben werden und un- terschiedlich lange anhalten. Für den Kopfschmerz im Rahmen des China-Restaurant-Syndroms ist das Natriumglutamat als Nah- rungsbestandteil verantwortlich, für den hot-dog-Kopfschmerz das in Würsten enthaltene Natriumni- trit. Als vasomotorische Kopf- schmerzform muß wohl auch der seltene benigne Orgasmus-Kopf-

schmerz eingeordnet werden, der meist unmittelbar vor oder wäh- rend des Orgasmus auftritt und al- ler Wahrscheinlichkeit nach durch einen abrupten starken Blut- druckanstieg ausgelöst wird. Dif- ferentialdiagnostisch wird hier häufig eine Subarachnoidalblu- tung vermutet.

Entscheidend für die Diagnose ei- nes nichtmigränösen vasomotori- schen Kopfschmerzes ist also die unmittelbare ursächliche und zeit- liche Verknüpfung mit einer kon- kreten faßbaren Noxe, nach deren Ausschaltung der Schmerz wieder verschwindet. Prinzipiell kann je- der Mensch in dieser Form rea- gieren, wobei allerdings erfah- rungsgemäß Personen mit einer allgemeinen vegetativ-vasomoto- rischen Instabilität besonders prä- disponiert sind.

Therapeutisch entscheidend ist die Ausschaltung der schuldigen Noxe. In der akuten Schmerzsi- tuation geht man ähnlich vor wie bei der Bekämpfung eines Migrä- neanfalles.

Der Begriff vasomotorischer Kopf- schmerz ist in der deutschspra- chigen Medizin geläufig, in der in- ternationalen Literatur jedoch un- üblich oder sogar unbekannt. Die Klassifikation des Kopfschmerzes durch ein amerikanisches Ad-hoc- Kommitee im Jahre 1962 ordnet entsprechende Fälle als nicht- migränösen vaskulären Kopf- schmerz ein. In der deutschspra- chigen Medizin ist weiterhin der Begriff Cephalaea vasomotorica gebräuchlich und wird für solche Fälle verwendet, bei denen vaso-

Vasomotorische

Kopfschmerz-Syndrome

Dieter Soyka

Aus der Neurologischen Universitätsklinik (Direktor: Professor Dr. med. Dieter Soyka) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kopfschmerz-Syndrome

motorische Kopfschmerzen rela- tiv häufig auftreten, nicht immer in klar erkenntlichem Zusammen- hang mit einer jeweils auslösen- den Noxe. Gemeint ist hier also nicht ein vorübergehender Kopf- schmerzzustand bei einmaliger Exposition, sondern ein Kopf- schmerzleiden. Auch dieser Be- griff ist international weitgehend ungebräuchlich oder sogar unbe- kannt, entsprechende Fälle wer- den der einfachen Migräne oder dem Spannungskopfschmerz zu- geordnet. Vieles spricht aus die- sen Gründen dafür, daß die Ce- phalaea vasomotorica aus dem diagnostischen Vokabular gestri- chen werden sollte.

Migräne

Bei der Migräne handelt es sich um eine gehäuft familiär und be- sonders bei Frauen vorkommen- de Neigung zu anfallsweise auf- tretenden Kopfschmerzen, die be- züglich der Lokalisation und In- tensität, der Begleiterscheinun- gen, der Dauer und Häufigkeit ei- ne erhebliche Variabilität aufwei- sen. Wie für den vasomotorischen Kopfschmerz allgemein gilt auch für die Migräne das Bedürfnis nach einer international einheit- lich gehandhabten Klassifikation und Nomenklatur. Hauptformen sind die einfache Migräne, die klassische Migräne und die kom- plizierte Migräne.

Charakteristisch für die einfache Migräne sind Schmerzanfälle oh- ne phasenhaft abgesetzten Ver- lauf, häufig verknüpft mit Sympto- men von seiten des autonomen Nervensystems wie Übelkeit und Erbrechen, aber ohne begleiten- de neurologische Funktionsstö- rungen. Diese Variante ist die häu- figste Form der Migräne und macht ungefähr 85 bis 90 Prozent der gesamten Klientel aus.

Von einer klassischen Migräne wird gesprochen, wenn die Kopf- schmerzanfälle von kurzdauern-

den neurologischen Funktions- störungen begleitet sind. Diese

Tabelle 1: Ursachen vasomotorischer Kopf- schmerzen

1. Fieber

2. Schlafentzug (hang- over)

3. Katerkopfschmerz 4. Nikotinabusus 5. Koffein-Entzug 6. hypoglykämische Re-

aktion

7. tyraminhaltige Nah- rungsmittel

8. Eiscreme-Kopf- schmerz

9. China-Restaurant- Syndrom

10. Medikamente 10.1 Nitrate, Nitrite 10.2 Histamin

10.3 Phenacetin und an- dere Analgetika 10.4 MAO-Hemmer 10.5 Reserpin 10.6 Ergotamin 11. Technische Gifte 11.1 Kohlenmonoxid 11.2 Nitrite

11.3 Acetanilid 11.4 Nitroglyzerin

11.5 Tetrachlorkohlenstoff 11.6 Blei

11.7 Insektizide

12. Schädel-Hirn-Trauma 13. Krampfanfälle

14. Innere Erkrankungen 14.1 hepatogener Kopf-

schmerz (Alkohol- abusus)

14.2 Blutkrankheiten 14.2.1 Anämien 14.2.2 Polyzythämien 14.3 Blutdruckanomalien 14.3.1 hypertonische Krise 14.3.2 Hypotonie

können phasenhaft abgesetzt vor dem eigentlichen Kopfschmerz- stadium auftreten oder dieses kurzzeitig begleiten. Im einzelnen kann es sich dabei um visuelle, sensorische, motorische oder aphasische Störungen handeln.

In diese Gruppe fallen die in der deutschsprachigen Literatur ge- läufigen Begriffe ophthalmische Migräne oder Migraine accompa- gnde. Von einer ophthalmischen Migräne wird gesprochen, wenn visuelle Störungen, im typischen Fall ein Flimmerskotom, phasen- haft abgesetzt vor dem eigent- lichen Kopfschmerzstadium auf- treten. Der Begriff „Migraine ac- compagnee" steht für solche Fäl- le, bei denen flüchtige sensori- sche oder motorische oder apha- sische Sprachstörungen phasen- haft abgesetzt vor dem Kopf- schmerzstadium manifest werden oder dieses zeitweilig begleiten.

Eine komplizierte Migräne wird diagnostiziert, wenn die Kopf- schmerzanfälle mit langdauern-

den neurologischen Funktions- störungen verknüpft sind, die das eigentliche Kopfschmerzstadium up Stunden oder Tage überdau- ern können. Ganz selten einmal bleiben derartige zerebrale Herd- symptome irreversibel und signa- lisieren einen ischämischen In- farkt.

In diese Gruppe gehören Begriffe wie hemiplegische Migräne, Ba- silarismigräne, ophthalmoplegi- sche Migräne. Bei der ophthal- moplegischen Migräne betreffen die neurologischen Funktionsstö- rungen nicht das Gehirn, sondern die periphere Verlaufsstrecke ein- zelner Hirnnerven, vorzugsweise des N. oculomotorius. Nur ein Teil dieser Fälle gehört in den enge- ren Rahmen der Migräne.

Ätiologie und Pathogenese der Migräne sind bis heute nicht ge- klärt. Heredität spielt sicher eine ursächliche Rolle, die allgemein eher überschätzt wird, wie Zwil- lingsstudien belegen. Der Migrä- neanfall stellt ein spezielles Reak-

(3)

Tabelle 2: Behandlung des Migräneanfalles

1. Ruhe

2. Reizabschirmung 3. Bei Bedarf Antiemeti-

kum, z. B. Metoclopra- mid oder Domperidon 4. Bei leichten Schmerzen:

Analgetikum, z. B. Ace- tylsalicylsäure oder Par- acetamol

5. Bei schweren Anfällen:

Ergotamin als Aerosol, oral, rektal oder subku- tan

6. Alternativ: Acetylsalicyl- säure als i. v. Infusion 7. Alternativ: Dihydroergot-

amin langsam i. v.

8. Alternativ: Diuretikum, z. B. Furosemid 9. Alternativ: Sedierung

z. B. Diazepam

Tabelle 3: lntervalltherapie der Migräne

1. Medikamentöse Thera- pie

1.1 Hydrierte Sekale-Alka- loide,

z. B. Dihydroergotamin 1.2 [3-Blocker,

z. B. Propranolol, Metoprolol

1.3 Kalzium-Antagonisten, z. B. Flunarizin

1.4. Serotonin-Antagoni- sten,

z. B. Pizotifen, Lisurid 1.5 Antidepressiva,

z. B. Amitriptylin 2. Nichtmedikamentöse

Therapie

2.1 Ausschaltung von Aus- lösern

2.2 Entspannungstechni- ken, z. B. autogenes Training, Relaxations- training

2.3 Biofeedback 2.4 Psychotherapie tionsmuster dar und läßt sich viel-

leicht am besten mit einer Ketten- reaktion vergleichen, bei der ver- schiedene Vorgänge ineinander- greifen. Manche Autoren räumen der Freisetzung von Serotonin aus den Thrombozyten eine patho- genetische Schlüsselrolle ein. Ver- schiedene Stoffe wie Katechol- amine, Kollagen, freie Fettsäu- ren, Prostaglandine, Thromboxan, Östrogene, auch verschiedene Pharmaka, können diese Freiset- zungsreaktion in Gang bringen.

Die Existenz eines migräne- spezifischen Freisetzungsfaktors im Plasma wird diskutiert. Zu- gleich gibt es Hinweise darauf, daß bei den Migränepatienten so- wohl im schmerzfreien Intervall als auch besonders im Anfall selbst eine veränderte Thrombo- zytenreagibilität vorhanden ist.

Mit dem freigesetzten Serotonin und seinem weiteren Schicksal korrelieren vasomotorische Reak- tionen, wobei sich teils konstrikto- rische, teils dilatatorische Vorgän- ge belegen lassen. Im Gehirn selbst kann eine Gewebshypoxie auftreten, die sich mit einer ge- wissen Gesetzmäßigkeit analog der „spreading depression" von okzipital nach vorn ausweitet. Da Serotonin nicht nur in den Throm- bozyten gespeichert wird, son- dern auch eine wichtige Rolle als Neurotransmitter im Zentralner- vensystem spielt, könnte die thrombozytäre Freisetzungsreak- tion ein Modell für ähnliche Vor- gänge im zentralen Nervensystem bilden.

Letztlich muß man sagen, daß bis- her zahlreiche Einzelvorgänge aufgedeckt worden sind, deren Zusammenfügung einem Puzzle gleicht, dessen endgültiges Bild noch niemand kennt. Außer Frage steht, daß die Migräneattacke durch eine Abfolge körperlicher Vorgänge definiert ist und daß die Migräne somit als ein organisches Anfallssyndrom zu verstehen ist.

Sie ist nicht psychisch verursacht, auch nicht im engeren Sinne ei- ne psychosomatische Krankheit, wohl aber spielen psychische Vor-

gänge eine erhebliche Rolle ei- nerseits als Anfallsauslöser, ande- rerseits als verlaufsgestaltende Faktoren.

In der Therapie ist grundsätzlich zwischen der Kupierung des An- falles und einer fallweise erforder- lichen lntervalltherapie zu unter-

scheiden. Leichtere Migränean- fälle lassen sich mit einem einfa- chen Analgetikum wie Acetylsali- cylsäure (z. B. Azetylin®, Goda- med®, Aspirin®) oder Paracetamol (z. B. Anaflon®, Enelfa®, Tylenol®) ausreichend beherrschen. Be- steht starke Nausea oder Erbre- chen, sollte zunächst ein Anti- emetikum gegeben werden, wo- bei sich besonders Metoclopra- mid (z. B. Paspertin®, duracla- mid®, Gastro-Timelete oder auch Domperidon (Motilium®), je- weils 10 Milligramm, bewährt ha- ben. Bei schweren Migräneanfäl- len ist jedoch Ergotamin (Ergota- min Medihaler®) das Mittel der

Wahl, das am besten subkutan oder intramuskulär in einer Dosis von 0,5 bis 1,0 Milligramm injiziert wird. Günstig ist auch die Kombi- nation von Ergotamin mit Koffein.

Ein möglichst frühzeitiger Einsatz der Medikamente ist für den the- rapeutischen Erfolg mitentschei- dend (Tabelle 2).

Eine lntervalltherapie kommt in Betracht, wenn im Durchschnitt mehr als zwei Migräneanfälle mo- natlich auftreten oder wenn ein- zelne Anfälle besonders schwer

und über mehrere Tage hinweg ablaufen. Man unterscheidet me- dikamentöse und nichtmedika- mentöse Behandlungsverfahren.

In der medikamentösen Intervall- therapie wird seit vielen Jahren das peripher sympathikolytisch

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Tabelle 4: Diagnostische Kriterien des

Cluster-Kopfschmerzes 1. Streng einseitige

Schmerzattacken 2. Dauer der Attacken 20

Minuten bis zu 2 Stun- den, oft mehrfach täg- lich

3. Äußerst heftiger Schmerz

4. Auch nächtliche Attak- ken

5. Schmerzperioden von mehreren Wochen Dauer

6. Schmerzfreie Intervalle von Monaten bis Jahren Dauer (Ausnahmen!) 7. Typische Lokalisation:

Umgebung des Auges, Schläfe

8. Ausgeprägte vegetativ- vasomotorische Be- gleiterscheinungen 9. Rötung der Konjunktiva,

meist auch der Ge- sichtshaut

10. Tränenfluß auf der be- troffenen Seite

11. Rhinorrhoe oder auch verstopfte Nase auf der betroffenen Seite 12. Neurologischer Befund

unauffällig, nicht selten im Anfall Horner 13. Ganz überwiegend

Männer

14. Hauptmanifestationsal- ter 20-50 Jahre

Tabelle 5: Medikamentöse Behandlung des

Cluster-Kopfschmerzes

1. Therapie im Anfall 1.1 Ergotamin als Aerosol,

oral, rektal oder subku- tan

1.2 Alternativ: Dihydroer- gotamin subkutan oder i. v.

2. Dauertherapie 2.1 Serotonin-Antagoni-

sten,

z. B. Methysergid 2.2 Kortikosteroide,

z. B. Prednisolon 2.3 ACTH

2.4 Lithium

Kopfschmerz-Syndrome

wirkende und an den Alpha-Re- zeptoren angreifende Dihydroer- gotamin (zum Beispiel DET MS®, Dihydergot®, Ergomimeto) ver- wendet. Dieser Ergotaminab- kömmling wirkt im Vergleich mit dem reinen Ergotamin wesentlich schwächer vasokonstriktorisch, so daß auch bei längerer Applika- tion eine meist gute Verträglich- keit gegeben ist und nur sehr sel- ten Symptome eines Ergotismus auftreten.

Bevorzugt werden heute beson- ders Beta-Rezeptorenblocker, Kalzium-Antagonisten und Sero- tonin-Antagonisten. Auf welchem Wege Beta-Blocker bei der Migrä- ne wirken, ist nicht sicher er- forscht. Offenbar spielt gerade die Blockade der Beta-Adrenozepto- ren nicht die entscheidende Rolle.

Bemerkenswert ist, daß nur für ei- nige Beta-Blocker wie Proprano- lol (z. B. Beta-Tablinen®, Doci- ton®) und Metoprolol (Lopresor®, Beloc®) eine Migränewirksamkeit belegt ist, für andere dagegen nicht. Manche Autoren setzen die- se Beta-Blocker heute als Mittel der ersten Wahl für die Intervall- therapie ein.

Unter den Kalzium-Antagonisten hat sich das Flunarizin (Sibelium®) bewährt, das sich auch durch eine gute Verträglichkeit auszeichnet, und von den Serotonin-Antagoni- sten wird vorzugsweise das Pizoti- fen (Mosegor®, Sandmigran®) ver- wendet.

Von allen Substanzen und Sub- stanzgruppen sind Nebenwirkun- gen bekannt, und im einzelnen müssen auch spezielle Kontrain- dikationen beachtet werden. Eine Wirkung ist aber nur zu erwarten, wenn die Therapie langfristig kon- zipiert wird. In der Regel muß man mit etwa drei Monaten rechnen, bei den Beta-Blockern auch län- ger.

Geeignete nichtmedikamentöse Behandlungsmethoden sind das autogene Training oder das Rela- xationstraining nach Jacobson so-

wie Biofeedback-Verfahren. Die Wirksamkeit dieser Methoden wird jedoch unterschiedlich ein- geschätzt, im ganzen sind sie wohl weniger wirksam als die me- dikamentösen Methoden, beson- ders empfehlenswert ist eine Kombination beider Behand- lungswege (Tabelle 3).

Cluster-Kopfschmerz

Dieses Krankheitsbild geht gleich- falls mit ausgeprägten vasomoto- rischen Reaktionen einher. In der deutschsprachigen Medizin wird der Cluster-Kopfschmerz häufig als „Bing-Horton-Syndrom" be- zeichnet. Es handelt sich um ei-

nen vorzugsweise bei Männern streng einseitig in der Umgebung des Auges und der Schläfenre- gion auftretenden anfallsweisen Schmerz, der mit Rötung der Ge- sichtshaut und vor allem der Kon- junktiva, ipsilateraler Lakrimation und Rhinorrhoe oder auch dem Gefühl einer einseitigen Konge- stion der Nasenschleimhaut sowie inkonstant mit einem inkomplet- ten Horner-Syndrom verbunden ist. Charakteristisch ist, daß die Schmerzattacken über mehrere Wochen hinweg täglich rezidivie- ren, bisweilen sogar mehrfach täglich unter Bevorzugung der Nachtstunden. Im Vergleich mit der Migräne sind die einzelnen At- tacken kürzer, sie dauern etwa 20 bis 120 Minuten. Die Schmerzin- tensität ist vergleichsweise we- sentlich brutaler und kann an die Heftigkeit einer Trigeminusattak-

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Wie lange noch Phenacetin?

Neuere Untersuchungen, vor- wiegend aus dem deutschen Sprachraum, haben bestätigt, daß eine langdauernde Phena- cetineinnahme für das Auftre- ten der „Analgetika-Nephro- pathie" und ihrer Folgekrank- heiten relevant sein kann). Es verwundert dabei, daß gerade in Deutschland noch zahlrei- che phenacetinhaltige Fertig- arzneimittel (siehe Tabelle), zum Teil rezeptfrei, erhältlich sind, während sie zum Beispiel in Kanada (ab 1973), Großbri- tannien (ab 1980), den Nieder- landen (ab 1984) und vielen an- deren Ländern verboten sind.

Nachdem aus einer neuen amerikanischen Studie 2) zu entnehmen ist, daß junge Frau- en (20 bis 43 Jahre) mit Bla- senkarzinom sechseinhalbmal häufiger regelmäßig phenace- tinhaltige Analgetika einnah- men als gesunde Kontrollen, scheinen eindeutige, risiko- mindernde Maßnahmen erfor- derlich. Ihre Notwendigkeit wurde auch kürzlich im Euro- pa-Parlament diskutiert.

Literatur

1) z. B. Bock, K.-D., Nitzsche, T. Med.

Prax. 79 (1984) Nr. 11

2) Piper J. M. et al. N. Engl. J. Med. 1985;

313:292-295

Phenacetinhaltige Arzneimittel im Markt

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Diese Aufstellung verdanken wir Herrn Apotheker Hempel, Arzneibüro der Deut- schen Apotheker; sie erhebt keinen An- spruch auf Vollständigkeit.

ke heranreichen. Die Clusterpe- rioden der täglichen Attacken hal- ten etwa 4 bis 6 Wochen an und werden dann von monate- bis jah- relangen freien Intervallen abge- löst (Tabelle 4).

Ätiologie und Pathogenese sind noch wenig erforscht. Verschie- dene Begleiterscheinungen des Cluster-Anfalles sprechen für eine Beteiligung des sympathischen Nervensystems. Wie bei der Mi- gräne scheinen aber auch ver- schiedene Schmerzmediatoren eine wichtige Rolle zu spielen.

Therapeutisch geht man im Anfall wie bei der Migräne vor, vor allem hat sich Ergotamin bewährt. Es hat wenig Sinn, Medikamente oral oder rektal zu applizieren, weil sie viel zu spät wirksam werden wür- den. Am besten verwendet man das Ergotamin als Aerosol oder parenteral als Injektion subkutan oder intramuskulär. Alternativ kann auch Dihydroergotamin ein- gesetzt werden. Kurmäßig kom- men eine Therapie mit Kortikoste- roiden und mit Lithium in Be- tracht. Man gibt beispielsweise Prednisolon initial täglich 60 Milli- gramm mit langsamer stufenwei- ser Reduzierung oder Lithium mit einer Tagesdosis von 2 bis 3x10 Millimol. Der Wirkungsmechanis- mus ist in beiden Fällen unbe- kannt, bisweilen aber spektakulär, so daß die Anfälle ein bis drei Ta- ge nach Beginn der Therapie si- stieren. Die Therapie wird been- det, wenn drei bis vier Wochen Anfallsfreiheit besteht (Tabelle 5).

Literatur

(1) Ad Hoc-Commitee an Classification of Headache Neurology 12 (1962) 378-381 - (2) Kudrow, L.: Cluster Headache Diagnosis and Management Oxford: Oxford University Press 1980 - (3) Soyka, D.: Vasomotorischer Kopfschmerz. In: Lechner, H.; Scrinzi, 0.

(Hrsg.): Durchblu'. mgsstörungen des Gehirns.

München: Banaschewski (1962) 69-76 - (4) Soyka, D. (Hrsg.): Migräne: Pathogenese - Pharmakologie - Therapie. Stuttgart: Enke (1983) - (5) Soyka, D.: Der Cluster-Kopf- schmerz. Nervenheilkunde 2 114-119 - (6) Soyka, D.: Kopfsch- nerz. Weinheim: ed. medi- zin (1984)

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Dieter Soyka Neurologische Universitätsklinik Niemannsweg 147, 2300 Kiel 1

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