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Begriff und Entstehung der OHG Die Entstehung der OHG im Außenverhältnis

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Begriff und Entstehung der OHG

Die Entstehung der OHG im Außenverhältnis

Fall 33 („Entstehung im Außenverhältnis“)

Anne und Bettina sind Grundschullehrerinnen und von ihrem beruflichen Dasein gelangweilt. Sie beschließen deshalb, erfolgreiche Unternehmerinnen zu werden und als Hersteller von Speiseeis alsbald mit Ben & Jerryʼs um Anteile am globalen Markt zu kämpfen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre soll Kapital gesammelt werden, um von 20 industriellen Produktionsstandorten zunächst ganz Europa mit ihren Eissorten zu versorgen. All dies halten sie neben den entsprechenden

Beitragspflichten vertraglich fest. Einstweilen müssen die beiden jedoch bescheiden anfangen. Mit ihren Einlagen von je 6.000 € wollen sie zunächst eine gebrauchte Speiseeismaschine erwerben und eine kleine Ladenparzelle in der Mainzer Neustadt anmieten, in der sie ihre Kreationen nach

Schulschluss zunächst selbst herstellen und vertreiben wollen, und zwar unter der Bezeichnung

„Anne & Be yʼs OHG“. Hinsichtlich Geschä sführung und Vertretung soll es bei der gesetzlichen Regelung bleiben, dabei sollen vor dem 1. Februar aber unbedingt jegliche Geschäfte für die

Gesellschaft unterbleiben. Dennoch mietet Bettina im Namen der OHG bereits im November von Viktoria eine zum Eisverkauf umgebaute ehemalige Tankstelle. Als Viktoria am 15. Januar die Bezahlung der Miete von der Gesellschaft verlangt, meint Anne, dass dieser verfrühte

Vertragsschluss das Privatvergnügen von Bettina sei, für das nur diese persönlich hafte.

Hat Viktoria einen Zahlungsanspruch gegen die aus Anne und Bettina bestehende Gesellschaft?

(2)

Begriff und Entstehung der OHG

Die Entstehung der OHG im Außenverhältnis

Obersatz

• Viktoria hat gegen die OHG einen Anspruch auf Zahlung der Miete aus § 535 BGB, wenn zwischen ihr und der OHG ein Mietvertrag über die

ehemalige Tankstelle zustande gekommen ist

• Zwar ist eine OHG gem. § 124 I HGB fähig, im Rechtsverkehr Trägerin von Rechten und Pflichten zu sein

• Dennoch kann sie nicht unmittelbar selbst rechtsgeschäftlich handeln, sondern wird durch die Willenserklärungen der Bettina gem. § 164 I BGB nur berechtigt und verpflichtet, wenn Bettina die Gesellschaft nach

Maßgabe der §§ 164 ff. BGB wirksam vertreten hat

• Erste Voraussetzung für all das ist jedoch, dass eine OHG zwischen Anne und Bettina gegenüber Viktoria überhaupt wirksam besteht

(3)

Begriff und Entstehung der OHG

Die Entstehung der OHG im Außenverhältnis

Entstehung einer Anne & Be yʼs OHG im Innenverhältnis

• Die OHG entsteht im Innenverhältnis durch den Abschluss eines wirksamen Gesellschaftsvertrags gem. §§ 105 I HGB, 705 BGB

• Zwar handelt es sich bei dem Gewerbe von Anne und Bettina gegenwärtig objektiv um ein Kleingewerbe

• Für das Entstehen einer OHG im Innenverhältnis kommt es aber nicht auf das objektive Gewerbe an, sondern auf das Gewerbe, welches die

Gesellschafter mit ihrer Gesellschaft zu betreiben vorhaben

• Danach planen Anne und Bettina hier den Betrieb eines Handelsgewerbes, so dass im Innenverhältnis eine OHG entstanden ist

(4)

Begriff und Entstehung der OHG

Die Entstehung der OHG im Außenverhältnis

Entstehung einer Anne & Be yʼs OHG im Außenverhältnis

• Die Entstehung einer OHG im Außenverhältnis richtet sich nach § 123 HGB

• Gem. § 123 I HGB tritt die Wirksamkeit der OHG in dem Moment ein, in dem sie in das Handelsregister eingetragen wird

• Gem. § 123 II Hs. 1 HGB wird sie aber bereits vorher nach außen wirksam, wenn die Gesellschaft vor der Eintragung in das Handelsregister ihre

Geschäfte aufnimmt,

• Nach h.M. ist das der Fall, wenn unter ihrer Firma im Rechtsverkehr gehandelt wird und alle Gesellschafter mit dem Geschäftsbeginn einverstanden sind

• Dazu genügen auch sog. Hilfs- und Vorbereitungsgeschäfte

(5)

Begriff und Entstehung der OHG

Die Entstehung der OHG im Außenverhältnis

Entstehung einer Anne & Be yʼs OHG im Außenverhältnis

Die Anmietung eines Verkaufslokals im Namen der Anne & Be yʼs ist dabei an sich ein Geschäft, das die Gesellschaft im Außenverhältnis gem. § 123 II Hs. 1 HGB zum Entstehen bringen könnte

Problem: Die h.M. fordert, dass alle Gesellschafter diesem vorzeitigen Geschäftsbeginn zugestimmt haben

Denkbar: Diese Zustimmung liegt schon in der Vereinbarung einer Regelung über die Geschäftsführung und die Vertretung nach außen

Aber h.M.: Zum Schutz der Gesellschaft und ihrer Mitglieder vor Eigenmächtigkeiten einzelner Gesellschafter ist die vorzeitige Geschäftsaufnahme gesondert

zustimmungspflichtig

Hier hat Anne nicht zugestimmt, so dass schon aus diesem Grund die Anmietung eines Verkaufslokals die Anne & Be yʼs OHG nach außen nicht zum Entstehen bringen konnte

(6)

Begriff und Entstehung der OHG

Die Entstehung der OHG im Außenverhältnis

Entstehung einer Anne & Be yʼs OHG im Außenverhältnis

• Hinzu kommt § 123 II Hs. 2 HGB: Die vorzeitige Geschäftsaufnahme führt nicht zur Entstehung der OHG im Außenverhältnis, wenn sich aus §§ 2, 105 II HGB etwas anderes ergibt

• Das bedeutet: Eine Gesellschaft, die objektiv ein Kleingewerbe betreibt, wird erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister zur OHG

• Vorher ist diese Gesellschaft eine GbR

• Das gilt auch und gerade, wenn die Gesellschafter im Innenverhältnis eine OHG vereinbart haben, das betriebene Gewerbe objektiv aber entweder noch kein Handelsgewerbe ist oder noch gar nicht existiert

• Die Gesellschaft aus Anne und Bettina ist danach lediglich GbR

(7)

Begriff und Entstehung der OHG

Die Entstehung der OHG im Außenverhältnis

Anspruch von Viktoria gegen eine aus Anne und Bettina bestehende GbR?

• Denkbar: Be na hat zwar keine Anne & Be yʼs OHG verpflichten können, weil diese zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht existierte

• Aber: Immerhin existierte eine GbR aus Anne und Bettina, die Bettina ebenso wirksam verpflichtet haben könnte

• Problem: Dazu müsste sie Vertretungsmacht haben, um für die GbR alleine wirksam im Rechtsverkehr tätig werden zu können

• Insoweit hatten Anne und Bettina jedoch die Geltung der gesetzlichen Regeln vereinbart, die für den Gesellschafter einer OHG gem. § 125 HGB zwar eine Alleinvertretungsmacht vorsehen, nicht aber für den

Gesellschafter einer GbR

(8)

Begriff und Entstehung der OHG

Die Entstehung der OHG im Außenverhältnis

Haftung nach den Grundsätzen über die Schein-OHG?

• Nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen muss sich derjenige, der im Handelsverkehr öffentlich einen Vertrauenstatbestand setzt, daran

festhalten lassen, wenn Dritte diesen Rechtsschein kennen und sich darauf verlassen

• Aber auch dieser Grundsatz führt nicht zu einer Haftung einer OHG aus Anne und Bettina, obwohl Bettina im Namen einer OHG auftrat und damit einen Rechtsschein gesetzt hat

• Erstens kann dieser Rechtsschein nicht zu Lasten einer OHG gehen, die nicht existiert

• Zweitens kann dieser Rechtsschein nur denjenigen verpflichten, der ihn persönlich zurechenbar gesetzt hat

(9)

Das Innenverhältnis der OHG

Allgemeines

Überblick

Die OHG ist eine besondere Form der GbR, so dass für das

Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern untereinander sowie zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft grundsätzlich die entsprechenden Regeln über die GbR gelten (§ 105 III HGB)

Abweichende Sonderregeln sind im Recht der OHG in den §§ 110 bis 122 HGB vorgesehen

Diese Regeln sind gem. § 109 HGB aber weitgehend dispositiv, so dass

die Gesellschafter Abweichendes vereinbaren können

(10)

Das Innenverhältnis der OHG

Allgemeines

Überblick: §§ 110, 111 HGB

§ 110 HGB betrifft den Ersatzanspruch des Gesellschafters für Aufwendungen und Verluste, die er bei Tätigkeiten für die Gesellschaft tätigt bzw. erleidet

Die Vorschrift entspricht § 713 BGB im Recht der GbR und verdrängt diesen für die OHG als abweichende Spezialvorschrift

§ 111 HGB stellt einen Zinsanspruch der Gesellschaft wegen verspätet geleisteter Geldeinlagen

In §§ 705 ff. BGB gibt es keine entsprechende Vorschrift

Verzinsungspflichten sind aber in §§ 286, 288 BGB geregelt, dort aber verschuldensabhängig

§ 111 HGB verdrängt §§ 286, 288 BGB nicht, vielmehr sind beide Anspruchsgrundlagen nebeneinander anwendbar

(11)

Das Innenverhältnis der OHG

Allgemeines

Überblick: §§ 114 bis 118 HGB

§§ 114 bis 118 HGB betreffen die Geschäftsführung und entsprechen damit den

§§ 709 ff. BGB

Es gilt derselbe Geschäftsführungsbegriff wie bei § 709 BGB („Jede zur Förderung des Gesellschaftszwecks bestimmte, für die Gesellschaft wahrgenommene

Tätigkeit, mit Ausnahme der Grundlagengeschäfte und der eigenen Beitragsleistung“)

Abweichend von §§ 709 BGB gilt im Recht der OHG der Grundsatz der Einzelgeschäftsführung durch jeden Gesellschafter

Abweichend von § 712 BGB wird die Geschäftsführungsbefugnis in der OHGgem.

§ 117 HGB grundsätzlich durch gerichtlichen Beschluss entzogen

Was ist die Erklärung für diese Abweichungen?

(12)

Das Innenverhältnis der OHG

Allgemeines

Überblick: §§ 119 bis 122 HGB

§ 119 HGB betrifft die Beschlussfassung in der Gesellschaft und entspricht § 709 II BGB

§§ 120 bis 122 HGB betreffen die Gewinnverteilung und Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen

Beides ist im Recht der GbR nicht vorgesehen, wo die

Gewinnverteilung erst im Zuge der Auseinandersetzung der Gesellschaft erfolgt

Wie sind diese Unterschiende zwischen den beiden

Personengesellschaften zu erklären?

(13)

Das Innenverhältnis der OHG

Das Wettbewerbsverbot gem. §§ 112, 113 HGB

• Gem. § 112 HGB darf ein OHG-Gesellschafter nicht in unmittelbare geschäftliche Konkurrenz zu seiner OHG treten

• Die Vorschrift konkretisiert die allgemeine gesellschafterliche Treuepflicht und wird oft auch als eine Fortsetzung der Förderpflicht angesehen

• Zweck: Ein Gesellschafter soll seine Kontakte und seine Spezialkenntnisse aus dem Innenleben der Gesellschaft nicht dazu einsetzen, um der

Gesellschaft Konkurrenz zu machen

• Aber: Den Gesellschaftern kann durch Gesellschaftsvertrag der Wettbewerb mit der Gesellschaft erlaubt werden

• Die Rechtsfolgen eines Verstoßes ergeben sich aus § 113 HGB

(14)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten der Geschäftsführung gem. §§ 114 ff. HGB

Fall 34 („Geschäftsführervergütung“)

Ethan, Luther und Benji betreiben gemeinsam unter der Bezeichnung „ELB Systems OHG“ ein Unternehmen für IT-Dienstleistungen. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist Ethan der einzige zur Geschäftsführung und Vertretung befugte Gesellschafter. Er ist insoweit auch von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Wegen der

Mühen der Geschäftsführung erhält Ethan aufgrund einer besonderen

Vereinbarung mit der Gesellschaft über seinen Gewinnanteil hinaus eine jährliche Zahlung von pauschal 24.000 Euro, daneben aber keinen weiteren

Aufwendungsersatz. Ethan meint, dass dieser Betrag viel zu niedrig sei und verlangt in der nächsten Gesellschafterversammlung, ihn auf 96.000 Euro zu erhöhen.

Nachdem Luther und Benji ausdrücklich widersprochen haben, schließt Ethan dennoch im Namen der Gesellschaft mit sich selbst einen Vertrag, in dem die

„Vergütung“ auf 96.000 Euro p.a. angehoben wird.

Hat Ethan gegen die Gesellschaft einen Zahlungsanspruch i.H.v. 96.000 Euro?

(15)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten der Geschäftsführung gem. §§ 114 ff. HGB

Denkbar: Anspruch aus § 611 BGB

Der Anspruch aus § 611 BGB besteht nur, wenn zwischen Ethan und der OHG ein Dienstvertrag besteht

Denkbar: Die Zusatzvereinbarung, kraft derer Ethan für die Mühen der Geschäftsführung einen weiteren pauschalen Betrag erhält

Die OHG und die Gesellschaft haben diese Verabredung nicht ausdrücklich als einen Dienstvertrag bezeichnet

Ob sie Dienstvertrag ist, ist deshalb nach §§ 133, 157 BGB zu

beurteilen

(16)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten der Geschäftsführung gem. §§ 114 ff. HGB

Die Geschäftsführervergütung in der GmbH

• In der GmbH ist der angestellte und für seine Tätigkeit nach § 611 BGB vergütete Geschäftsführer keine Seltenheit

• Er steht mit der Gesellschaft dann in einem doppelten Rechtsverhältnis, und zwar zum einen in einem organschaftlichen und zum anderen in einem dienstvertraglichen

• Hinsichtlich des Vergütungsanspruchs ist der Geschäftsführer ein normaler Gesellschaftsgläubiger

• Reicht das Gesellschaftsvermögen nicht aus, um die

Geschäftsführervergütung zu bezahlen, gilt im Verhältnis zu den (Mit)Gesellschaftern § 13 II GmbHG

(17)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten der Geschäftsführung gem. §§ 114 ff. HGB

Die Geschäftsführervergütung in der OHG

• Würde der geschäftsführende Gesellschafter auch in der OHG seine Geschäftsführertätigkeit aufgrund eines besonderen Dienstvertrags

ausüben, wäre auch er wegen seiner Vergütungsforderung wie ein Dritter Gläubiger der Gesellschaft zu behandeln

• Reicht das Gesellschaftsvermögen nicht aus, um seine Vergütung zu

bezahlen, würde er deshalb gem. § 128 S. 1 HGB die Vergütung von seinen Mitgesellschaftern persönlich beanspruchen können

• Dies entspricht aber nicht dem regelmäßigen Willen der Gesellschafter einer OHG, was der objektive Empfänger weiß und gem. §§ 133, 157 BGB auch erkennt

(18)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten der Geschäftsführung gem. §§ 114 ff. HGB

Die Geschäftsführervergütung in der OHG

Deshalb: Die Übernahme der Geschäftsführung erfolgt in der OHG mangels eindeutiger gegenteiliger Regelung aufgrund des Gesellschaftsvertrags

Die Vergütung für die Geschäftsführung ist der Gewinnanteil gem. § 121 HGB

Dieser kann in Anerkennung besonderer Leistungen als Geschäftsführer auch über demjenigen liegen, was dem geschäftsführenden Gesellschafter nach seinem

Kapitalanteil eigentlich zustünde

Als „Vergütung“ bezeichnete Zahlungen sind dementsprechend regelmäßig als Vorschüsse auf den Gewinn zu verstehen, nicht aber als gewinnunabhängiger Zahlungsanspruch

Neben dem Gewinn gewährte Zahlungen müssen ebenfalls nicht zwingend

gewinnunabhängige Vergütungen sein, sondern es sind auch Vereinbarungen über einen pauschalisierten Aufwendungsersatz gem. § 110 HGB möglich

(19)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten der Geschäftsführung gem. §§ 114 ff. HGB

Anspruch aus § 110 HGB

An sich kann der Gesellschafter aufgrund von § 110 HGB nur

tatsächlich getätigte Aufwendungen und erlittene Verluste von der Gesellschaft ersetzt verlangen

Aber: Die Vorschrift ist dispositiv, so dass pauschale Vereinbarungen durchaus möglich und zulässig sind

Denkbar: Ethan traf eine Entscheidung, die eine Vervierfachung seiner

Aufwandsersatzpauschale vorsieht und vollzog diese im Namen der

Gesellschaft mit sich selbst

(20)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten der Geschäftsführung gem. §§ 114 ff. HGB

Anspruch aus § 110 HGB

• Ethan ist Gesellschafter der OHG und daher gem. § 115 I Hs. 1 HGB

jedenfalls grundsätzlich zur Geschäftsführung für die Gesellschaft befugt

• Hier ist er kraft einer abweichenden und gem. § 115 I Hs. 2 HGB zulässigen Vereinbarung sogar alleiniger Geschäftsführer und Vertreter der

Gesellschaft

• Der Widerspruch seiner Mitgesellschafter ist daher gem. § 115 I Hs. 2 HGB irrelevant

• Problem § 116 HGB: Handelt es sich bei dem Beschluss über die

Vervierfachung seiner Vergütung um ein Geschäft, das der gewöhnliche Betrieb der OHG mit sich bringt?

(21)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten des § 110 HGB im Vergleich zu § 713 BGB

Fall 35 („Aufwendungsersatz des OHG-Gesellschafters“)

Ava, Boyd und Johnny betreiben unter der Firma „ABJ Fruits OHG“ einen

Obstgroßhandel in Stuttgart. Auf der Rückfahrt von einer Geschäftsreise, für die Ava notgedrungen ihren eigenen Pkw verwenden musste, wird sie

schuldlos in einen Unfall verwickelt, bei dem ihr Fahrzeug mit einem Zeitwert von 21.000 Euro einen Totalschaden erleidet. Der Unfallverursacher flieht unerkannt und bleibt auch in der Folge dauerhaft unauffindbar. Ava will sich wegen ihres Verlusts nicht an die Gesellschaft wenden, da diese gegenwärtig eine wirtschaftlich schwierige Phase durchschreitet. Sie verlangt deshalb von ihren Mitgesellschaftern persönlich je 7.000 Euro, um ihren Verlust gerecht unter den für die Gesellschaftsschulden ja persönlich haftenden

Gesellschaftern aufzuteilen.

Besteht dieser Anspruch gegen die beiden Mitgesellschafter?

(22)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten des § 110 HGB im Vergleich zu § 713 BGB

Ausgangspunkt

Unmittelbare Zahlungsansprüche gegen die beiden Mitgesellschafter bestehen nicht

Allenfalls hat Ava gegen die Gesellschaft einen Anspruch aus § 110 HGB

Um wegen dieser potentiellen Gesellschaftsschuld die Gesellschafter persönlich in die Haftung nehmen zu können, bedarf es einer

Vorschrift, die die Gesellschaftsschuld zu einer Gesellschafterschuld macht

Diese Vorschrift kann vorliegend allein § 128 S. 1 HGB sein

(23)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten des § 110 HGB im Vergleich zu § 713 BGB

§ 110 HGB: Anwendbarkeit

• § 110 HGB kommt nur in der OHG und wegen § 161 II HGB auch in der KG zur Anwendung

• Problem: Kann der Gesellschafter auf § 110 HGB zurückgreifen, wenn er wegen seines Aufwandes oder Verlustes auch Ansprüche gegen Dritte hat?

• An sich: Sind die Voraussetzungen der jeweiligen Anspruchsgrundlagen

erfüllt, stehen Gesellschaft und Dritter dem Gläubiger als Gesamtschuldner gegenüber und er kann nach § 421 BGB wählen, von wem der beiden er die Erfüllung verlangt

• Aber: Die gesellschafterliche Treuepflicht gebietet es dem Gesellschafter, von § 110 HGB erst Gebrauch zu machen, wenn ein Vorgehen gegen

Dritten Schuldner scheitert oder aussichtlos ist

(24)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten des § 110 HGB im Vergleich zu § 713 BGB

§ 110 HGB: Anspruchsteller ist Gesellschafter

• Der Anspruch aus § 110 HGB steht nur dem Gesellschafter zu und nur wegen Aufwendungen oder Verlusten, die er während seiner Zeit als Gesellschafter getätigt bzw. erlitten hat

• Anders als § 713 BGB steht der Anspruch aus § 110 HGB jedem

Gesellschafter zu und nicht nur dem geschäftsführenden Gesellschafter

• Das folgt für den Aufwendungsersatz unmittelbar aus dem Wortlaut

• Zwar nimmt § 110 HGB wegen der Verluste Bezug auf die Geschäftsführung

• Es ist aber nicht ersichtlich, weshalb in Gesellschaftsangelegenheiten erlittene Verluste anders als die getätigten Aufwendungen nur den geschäftsführenden Gesellschaftern ersetzt werden sollten

(25)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten des § 110 HGB im Vergleich zu § 713 BGB

§ 110 HGB: Aufwendungen oder Verluste

Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die der

Gesellschafter gezielt im Interesse der Gesellschaft erbringt

Verluste sind unfreiwillige Vermögensopfer als Schäden iSd §§ 249 bis 253 BGB

Hier: Substanzverlust am eigenen Fahrzeug

Exkurs: Handelt es sich auch bei Bußgeldzahlungen um Verluste in

Angelegenheiten der Gesellschaft?

(26)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten des § 110 HGB im Vergleich zu § 713 BGB

§ 110 HGB: Zusammenhang mit Geschäftsführung

• Der Verlust muss unmittelbar durch die Geschäftsführung oder aus Gefahren, die untrennbar mit ihr verbunden sind, entstanden sein

• Da Berechtigter aus § 110 HGB jeder Gesellschafter sein kann, ist unter Geschäftsführung hier jede Tätigkeit für die Gesellschaft zu verstehen

• Maßgeblich: Abgrenzung von spezifisch mit der Tätigkeit für die Gesellschaft verbundenen Risiken und allgemeinem Lebensrisiko

• Problem: Einordnung des Straßenverkehrs

• Rechtsfolge: Ava hat gegen die Gesellschaft einen Ersatzanspruch aus § 110 HGB iHv 20.000 Euro

(27)

Das Innenverhältnis der OHG

Besonderheiten des § 110 HGB im Vergleich zu § 713 BGB

Haften die Mitgesellschafter persönlich für Ansprüche aus § 110 HGB?

• An sich scheinen damit alle Voraussetzungen des § 128 S. 1 HGB für die persönliche Inanspruchnahme der Mitgesellschafter gegeben zu sein

• Problem 1: Systematische Stellung des § 128 HGB im Abschnitt über das Verhältnis der OHG zu Dritten

• Problem 2: Sinn und Zweck von § 128 HGB, den Dritten

Gesellschaftsgläubigern mit den Gesellschaftern weitere Schuldner zur Verfügung zu stellen

• Schlussfolgerung: § 128 S. 1 HGB gilt nicht für Ansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft aus dem Gesellschaftsverhältnis (sog.

„Sozialverbindlichkeit“)

(28)

Das Außenverhältnis der OHG

Allgemeines

Überblick: §§ 123, 124 HGB

Die von §§ 705 ff. BGB abweichenden Bestimmungen im Recht der OHG ergeben sich aus §§ 123 bis 130a HGB

Die Möglichkeiten zur Abweichung kraft Parteivereinbarung sind hier wesentlich geringer, da beim Außenverhältnis stets die Interessen der Dritten an Rechtssicherheit zu berücksichtigen sind

§ 123 HGB legt fest, wann die OHG als OHG gegenüber Dritten wirksam entsteht

§ 124 I HGB definiert die OHG als eine teilrechtsfähige

Personengesellschaft

(29)

Das Außenverhältnis der OHG

Allgemeines

Überblick: §§ 125 bis 127 HGB

• §§ 125 bis 127 HGB betreffen die Stellvertretung im Recht der OHG und sind somit die Entsprechung zu § 714 BGB

• § 125 I HGB übersetzt den Grundsatz der Einzelgeschäftsführung in das Recht der Stellvertretung

• Abweichungen hiervon sind gem. § 125 II, III HGB zulässig

• § 126 I HGB gibt i.Ü. den Umfang der Vertretungsmacht vor, der gem. § 126 II HGB auch nicht mit Wirkung gegenüber Dritten abgeändert werden kann

• § 127 HGB ist die Fortsetzung von § 117 HGB aus den Regeln über die Geschäftsführung im Innenverhältnis und befasst sich dementsprechend mit der Entziehung der Vertretungsmacht

(30)

Das Außenverhältnis der OHG

Allgemeines

Überblick: §§ 128 bis 130a HGB

§ 128 HGB ordnet die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der OHG an

§ 129 HGB befasst sich mit den Einwendungen, die der Gesellschafter einem entsprechenden Zahlungsverlangen entgegenhalten kann

Aus § 130 HGB ergibt sich sodann, dass der neu eintretende

Gesellschafter für alle vor dem Wirksamwerden seiner Aufnahme begründeten Verbindlichkeiten ebenfalls haftet

In § 130a HGB geht es um Verhaltenspflichten bei

Insolvenztatbeständen

(31)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Einzel- und Gesamtvertretung

Fall 36 („Gesamtvertretung in der OHG“)

Billy, Colin und Frank gründen in Frankfurt am Main ein Transportunternehmen, das sie unter der Bezeichnung „BCF Transportation OHG“ betreiben. Billy und Colin sind

vermögend und werden deshalb Gesellschafter der OHG. Frank verfügt hingegen über den meisten geschäftlichen Sachverstand, will aber nicht persönlich haften. Er wird deshalb bei der Gesellschaft lediglich angestellt gem. § 611a BGB und erhält Prokura. Im

Gesellschaftsvertrag ist weiter festgehalten, dass Billy und Colin die Gesellschaft nur entweder gemeinsam oder mit einem Prokuristen nach außen vertreten dürfen. All dies wird ordnungsgemäß in das Handelsregister eingetragen. Einige Monate später erkrankt Colin so schwer, dass er für mehrere Wochen ins Koma fällt. Während dieser Zeit bietet die LF Cargo AG der Gesellschaft ein gebrauchtes Transportflugzeug zum Kauf an, das Billy

unbedingt für die Gesellschaft erwerben will. Als Frank seine Mitwirkung an dem Geschäft verweigert, handelt Billy kurzerhand allein für die OHG.

Kann die LF Cargo AG von der OHG Zahlung des Kaufpreises für das Flugzeug verlangen?

(32)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Einzel- und Gesamtvertretung

Voraussetzungen des Anspruchs aus § 433 II BGB

Die LF Cargo AG hat gegen die OHG einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 II BGB, wenn zwischen beiden ein wirksamer Kaufvertrag über das Flugzeug zustande gekommen ist

Die OHG ist rechtsfähig gem. § 124 I HGB, kann aber unmittelbar selbst nicht rechtsgeschäftlich handeln

Allerdings wirken die zwischen Billy und dem Vertreter der LF Cargo AG

ausgetauschten Willenserklärungen gem. § 164 I, III BGB unmittelbar für und gegen die OHG, wenn Billy die OHG nach Maßgabe der §§ 164 ff. BGB wirksam vertreten hat

Eine eigene Willenserklärung im Namen der OHG hat er abgegeben

Zu klären bleibt seine Vertretungsmacht

(33)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Einzel- und Gesamtvertretung

Regelungen über die Vertretungsmacht gem. § 125 I HGB

• Nach der Grundregel des § 125 I Hs. 1 HGB können alle Gesellschafter einer OHG die Gesellschaft einzeln vertreten

• Der Umfang richtet sich nach § 126 I HGB: Umfassende Vertretungsmacht

• Aber: Nach Maßgabe von § 125 I Hs. 2, II und III HGB können die Gesellschafter von dieser Grundregel abweichen

• Frage: Warum sind für das Verkehrsschutz- und Rechtssicherheitsbedürfnis Dritter damit keine Schwierigkeiten verbunden?

• Erste alternative Gestaltung: Der Ausschluss einzelner Gesellschafter von der Vertretung als Fortsetzung von § 114 II HGB

(34)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Einzel- und Gesamtvertretung

Die mögliche Anordnung von Gesamtvertretung gem. § 125 II HGB

Gem. § 125 II HGB kann im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, dass alle oder mehrere Gesellschafter nur in Gemeinschaft zur Vertretung der Gesellschaft

ermächtigt sein sollen

Gemeinsame Vertretung bedeutet dabei nicht gleichzeitige Vertretung

Die Anordnung von Gesamtvertretung schließt die Möglichkeit beschränkter Einzelvertretungen gem. § 125 II 2 HGB nicht aus

Wird ein Gesamtvertreter ohne die notwendigen weiteren Gesamtvertreter tätig, handelt er ohne Vertretungsmacht mit den weiteren Folgen gem. §§ 177 ff. HGB

Eine entsprechende Gestaltung ist in Beispielsfall 36 vorgesehen, so dass Billy nicht allein handeln konnte

(35)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Einzel- und Gesamtvertretung

Die gemischte Gesamtvertretung gem. § 125 III HGB

Gem. § 125 III HGB kann im Gesellschaftsvertrag weiter vereinbart werden, dass die Gesellschafter, wenn nicht mehrere zusammenwirken, nur in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt sein sollen

Problem: Die Vertretungsmacht gem. § 126 HGB reicht weiter als diejenige gem. § 49 II HGB, so dass außerhalb der Schnittmenge kein Zusammenwirken von Gesellschafter und Prokurist

möglich ist

Lösung: Die Anordnung von gemischter Gesamtvertretung im Gesellschaftsvertrag verleiht dem Prokuristen zugleich die Vornahme der in § 49 II HGB beschriebenen Geschäfte

In Beispielsfall 36 ist zusätzlich zur Gesamtvertretung zwischen mehreren Gesellschaftern auch die Möglichkeit einer gemischten Gesamtvertretung von einem von ihnen mit einem Prokuristen vorgesehen

Billy könnte die Gesellschaft also gemeinsam mit Colin oder gemeinsam mit Frank vertreten, nicht aber allein, so dass an sich ein Fall von § 177 BGB vorliegt

(36)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Einzel- und Gesamtvertretung

Problem: Spielt die Erkrankung des Gesamtvertreters Colin eine Rolle?

Problematisch ist freilich, dass Billy mit dem Gesamtvertreter Colin rein tatsächlich nicht zusammenwirken konnte, da der Gesamtvertreter Colin krankheitsbedingt zur maßgeblichen Zeit nicht handlungsfähig war

Denkbar: Infolge der Erkrankung des Gesamtvertreters Colin erstarkte die Gesamtvertretungsmacht von Billy zu einer Einzelvertretungsmacht

Aber ganz h.M.: Der Wegfall eines Gesamtvertreters führt nicht zu einem

automatischen Erstarken der Vertretungsmacht der anderen Gesamtvertreter

Argument: § 744 II BGB und § 115 II Hs. 2 HGB

Deshalb liegt die Gesamtvertretungsmacht des weggefallenen Gesamtvertreters grundsätzlich ganz einfach brach

(37)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Einzel- und Gesamtvertretung

Wegfall eines Gesamtvertreters und drohende Handlungsunfähigkeit der OHG

Aber: Als Folge der Selbstorganschaft muss die Gesellschaft aus sich selbst heraus handlungsfähig sein

Das bedeutet: Die dauerhafte oder auch nur vorübergehende Handlungsunfähigkeit eines Gesamtvertreters darf die Gesellschaft nicht insgesamt handlungsunfähig werden lassen

Deshalb gilt: Eine gesellschaftsvertragliche Anordnung von Gesamtvertretung wird unwirksam, wenn und solange die Gesellschaft durch sie handlungsunfähig würde

Im Zweifel erstarkt daher in ergänzender Auslegung des Gesellschaftsvertrags die Gesamtvertretungsmacht zur Einzelvertretungsmacht, wenn nur so die

Handlungsfähigkeit der Gesellschaft gewahrt bleibt

Daraus folgt: Infolge von Colins Erkrankung erwirbt Billy Einzelvertretungsmacht, wenn andernfalls die Gesellschaft handlungsunfähig zu werden drohte

(38)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Einzel- und Gesamtvertretung

Droht infolge von Colins Erkrankung die Handlungsunfähigkeit der OHG?

• Grundsatz: Handlungsunfähigkeit droht insbesondere, wenn von nur zwei Komplementären einer wegfällt, weil er an der Ausübung der

Gesamtvertretungsmacht tatsächlich oder rechtlich verhindert ist

• Aber: Billy ist ohne Weiteres in der Lage, gemeinsam mit Frank

Rechtsgeschäfte für die OHG zu tätigen, so dass von ihrer drohenden Handlungsunfähigkeit an sich keine Rede sein kann

• Fraglich ist dennoch, ob die Möglichkeit des Zusammenwirkens von einem Gesellschafter mit einem Prokuristen die OHG im rechtlichen Sinn

handlungsfähig macht

(39)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Einzel- und Gesamtvertretung

Droht infolge von Colins Erkrankung die Handlungsunfähigkeit der OHG?

• Nach dem Grundsatz der Selbstorganschaft muss die Gesellschaft in der Lage sein, ihre sämtlichen Geschäfte durch Mitglieder der Gesellschaft zu tätigen

• Nach dem Wortlaut des § 125 III HGB („wenn nicht mehrere zusammen handeln“) besteht die Möglichkeit einer gemischten Gesamtvertretung nur ergänzend zu einer Gesamtvertretung durch mehrere Gesellschafter und nicht anstelle von dieser

• Kann die Gesellschaft nur durch eine gemischte Gesamtvertretung nach außen tätig werden, droht ihr somit im rechtlichen Sinn die

Handlungsunfähigkeit, so dass Billy hier allein handeln konnte

(40)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Gesamtvertretung und Rosinentheorie

Fall 37 („Gesamtvertretung und Rosinentheorie“)

Ante, Luka und Sébastien gründen ein Gartenbauunternehmen unter der Firma „ALS Gardening OHG“. In dem Gesellschaftsvertrag vereinbaren sie, dass Sébastien von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist, sowie, dass Ante und Luka die Gesellschaft nur gemeinschaftlich vertreten können. All das wird auch so in das Handelsregister eingetragen. Nach einigen Jahren erfolgreichen Wirtschaftens zieht Luka fort und gründet an seinem neuen Wohnort ein neues Unternehmen. Vorher scheidet er einvernehmlich aus der OHG aus, die fortan von Ante und Sébastien weiterbetrieben wird. Weitere Änderungen an den Verhältnissen der Gesellschaft erfolgen nicht. Die Beteiligten vergessen, das Ausscheiden von Luka aus der Gesellschaft in das

Handelsregister eintragen zu lassen. Einige Wochen später nimmt Ante im Namen der OHG ein Darlehen bei der Cobra-Bank auf, das die Gesellschaft in der Folge nicht zurückzahlen kann. Nachdem Ante und Sébastien zwischenzeitlich auch persönlich in Vermögensverfall geraten sind, wendet die Cobra-Bank sich wegen der Zahlung an Luka.

Muss Luka zahlen?

(41)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Gesamtvertretung und Rosinentheorie

Voraussetzungen eines Anspruchs gegen Luka

Unmittelbar selbst hat Luka mit der Cobra-Bank keinen

Darlehensvertrag abgeschlossen, sondern lediglich die OHG

Er kann zur Zahlung der Darlehensschuld folglich nur verpflichtet sein, wenn er kraft Gesetzes oder kraft Vertrags für die Schuld der OHG

gegenüber der Cobra-Bank einzustehen hat

Die entsprechende Anordnung kann sich ergeben aus § 128 S. 1 HGB

Voraussetzung ist, dass die OHG der Cobra-Bank die Rückzahlung des Darlehens aus § 488 BGB schuldet und Luka im maßgeblichen

Zeitpunkt Gesellschafter der OHG gewesen ist

(42)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Gesamtvertretung und Rosinentheorie

Gesellschaftsschuld aus § 488 BGB gegenüber der Cobra-Bank

Die Gesellschaft ist teilrechtsfähig gem. § 124 I HGB hat aber unmittelbar selbst keine Willenserklärungen mit Inhalt § 488 BGB mit der Cobra-Bank ausgetauscht

Aber Amte könnte die Gesellschaft insoweit wirksam vertreten haben gem. § 164 I BGB

Problematisch bleibt die Vertretungsmacht

Abweichend von § 125 I Hs. 1 HGB war insoweit nämlich Gesamtvertretungsmacht zwischen Ante und Luka angeordnet, so dass Ante allein die Gesellschaft an sich nicht wirksam vertreten konnte (§ 177 I BGB)

Aber: Nach dem Ausscheiden von Luka aus der Gesellschaft drohte der OHG

Handlungsunfähigkeit, weshalb die ursprüngliche Gesamtvertretungsmacht von Ante zur Einzel- und Alleinvertretungsmacht erstarkte

Unerheblich ist es, dass dieses Erstarken nicht in das Handelsregister eingetragen wurde

(43)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Gesamtvertretung und Rosinentheorie

Gesellschafter Luka im maßgeblichen Zeitpunkt der Anspruchsentstehung

Grundsätzlich wird die Gesellschaftsschuld nach § 128 S. 1 HGB aber nur zur Gesellschafterschuld, wenn der in Anspruch genommene Gesellschafter im

maßgeblichen Zeitpunkt der Anspruchsentstehung Mitglied der Gesellschaft ist

Ursprünglich war Luka Gesellschafter der ALS Gardening OHG

Aber: Als Ante im Namen der OHG den Darlehensvertrag abschloss, war Luka bereits wirksam aus der Gesellschaft ausgeschieden

Zwar wurde dieses Ausscheiden entgegen § 143 I, II HGB nicht in das

Handelsregister eingetragen, was an dem wirksamen Ausscheiden aus der Gesellschaft aber nichts ändert

Daraus folgt: An sich muss Luka nicht für die nach seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen

(44)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Gesamtvertretung und Rosinentheorie

Andere Beurteilung wegen § 15 I HGB?

Womöglich kann Luka der Cobra-Bank sein früheres Ausscheiden aus der Gesellschaft aber nicht entgegensetzen

Voraussetzung: Eine Tatsache, die in Lukas Angelegenheiten einzutragen war, darf nicht eingetragen und bekanntgemacht worden sein und der Cobra-Bank auch sonst nicht bekannt gewesen sein

Das Ausscheiden von Luka aus der OHG ist gem. § 143 I, II HGB eintragungspflichtig,

wobei eine entsprechende Anmeldungspflicht auch den ausgeschiedenen Gesellschafter trifft

Lukas Ausscheiden aus der OHG wurde weder eingetragen noch bekanntgemacht

Die fehlende Kenntnis der Dritten – hier der Cobra-Bank – vom Ausscheiden des

Gesellschafters ist wegen der negativen Formulierung von § 15 I HGB („es sei denn“) zu vermuten und bestehen hier keine Anhaltspunkte, um diese Vermutung zu widerlegen

(45)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Gesamtvertretung und Rosinentheorie

§ 15 I HGB: Tatsächliche und registerrechtlich ausgewiesene Situation

An sich: Alle Voraussetzungen des § 15 I HGB sind erfüllt

Daraus folgt: Luka kann der Cobra-Bank nicht entgegensetzen, dass er bereits vor dem wirksamen Abschluss des Darlehensvertrags mit der OHG aus ebendieser ausgeschieden ist

Problem: Hier beruft sich die Cobra-Bank darauf, dass Luka als Gesellschafter zu behandeln ist, weil sein Ausscheiden nicht in das Handelsregister eingetragen ist

Als es aber um Antes Alleinvertretungsmacht zum Handeln für die Gesellschaft ging, berief sich die Cobra-Bank darauf, dass Luka in Wahrheit bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden sei,

weshalb Antes frühere Gesamtvertretungsmacht zur Einzel- und Alleinvertretungsmacht erstarkte

Das bedeutet: Wegen derselben Tatsache beruft sich die Cobra-Bank einmal auf die wirkliche Rechtslage und einmal auf die im Handelsregister falsch ausgewiesene Rechtslage

(46)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Gesamtvertretung und Rosinentheorie

§ 15 I HGB: Betreibt die Cobra-Bank hier unzulässige „Rosinenpickerei“?

These: Die Cobra-Bank betreibt „Rosinenpickerei“ und verhält sich widersprüchlich, wenn sie wegen derselben Tatsache einmal die wirkliche und einmal die im Handelsregister falsch ausgewiesene Rechtslage für sich in Anspruch nimmt

Daraus folgt: Wegen § 242 BGB kann sich die Cobra-Bank insgesamt nur entweder auf die wirkliche oder auf die im Handelsregister ausgewiesene Rechtslage berufen

Aber (h.M.): Der Dritte, der sich einmal auf die wahre und einmal auf die

registerrechtliche Lage beruft, pickt nicht Rosinen, sondern besteht auf strikter Gesetzesanwendung, was auch nicht rechtsmissbräuchlich sein kann

Der früher ausgeschiedene Gesellschafter verdient kein Mitleid, weil er seine persönliche Haftung durch das ordnungsgemäße Anmelden seines Ausscheidens hätte vermeiden können und müssen

(47)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Umfang der Vertretungsmacht

Fall 38 („Umfang der Vertretungsmacht des OHG-Gesellschafters“)

Bruce, Steven und Tony betreiben gemeinsam unter der Firma „BST Dealing in Art OHG“

einen exklusiven Kunsthandel. Im Gesellschaftsvertrag ist vereinbart, dass Geschäfte über Kunstwerke mit einem Wert oder Preis von mehr als 1 Mio. Euro von allen Gesellschaftern be- und abgeschlossen werden müssen. Bei der OHG steht Banksyʼs Gemälde „Devolved Parliament“ für einen Preis von 11 Mio. Euro zum Verkauf. Die russische Oligarchin Natasha ist daran sehr interessiert und Bruce schlägt vor, es an sie zu verkaufen. Steven und Tony lehnen diesen Vorschlag jedoch ab, weil ihnen das Geschäftsgebaren der Natasha als insgesamt zu dubios erscheint. Höflich, aber bestimmt teilen sie ihr deshalb mit, dass Geschäfte dieses Umfangs nur von allen Gesellschaftern einvernehmlich geschlossen werden und ein Verkauf an sie nicht in Frage komme. Bruce ist darüber sehr verärgert.

Einige Tage später meldet er sich bei Natasha, erklärt dieser, dass Steven und Tony es sich anders überlegt hätten und verkauft das Gemälde im Namen der OHG für 11 Mio. Euro an Natasha.

Hat Natasha gegen die OHG einen Anspruch auf Übereignung und Übergabe des Gemäldes aus § 433 I 1 BGB?

(48)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Umfang der Vertretungsmacht

Voraussetzungen eines Anspruchs gegen die OHG

• Ein Anspruch von Natasha auf Übereignung und Übergabe des Gemäldes aus § 433 I 1 BGB setzt voraus, dass zwischen ihr und der OHG ein

wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist

• Die OHG ist dabei gem. § 124 I HGB zwar teilrechtsfähig, muss bei ihrem rechtsgeschäftlichen Handeln nach außen aber vertreten werden gem. §§

164 ff. BGB

• Deshalb wirkt die Einigung, die Natasha mit Bruce über Kauf und Verkauf des Gemäldes erzielt hat, gem. § 164 I BGB für und wider die OHG, wenn Bruce die Gesellschaft insoweit wirksam vertreten hat

• Bruce hat eine eigene Willenserklärung im Namen der OHG abgegeben, fraglich bleibt seine Vertretungsmacht

(49)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Umfang der Vertretungsmacht

Vertretungsmacht des Gesellschafters Bruce

• Grundsätzlich haben die Gesellschafter einer OHG Einzelvertretungsmacht gem. § 125 I Hs. 1 HGB

• Der Umfang ergibt sich aus § 126 I HGB: Umfassende Vertretungsmacht

• Aber: § 125 II HGB lässt die Anordnung von Gesamtvertretungsmacht zu und haben sich die Gesellschafter darauf verständigt, dass Geschäfte über Kunstwerke mit einem Wert oder Preis von mehr als 1 Mio. Euro nur von allen gemeinsam beschlossen und nach außen vollzogen werden können

• Problem: Verträglichkeit mit § 126 HGB

• § 126 II 1 HGB legt fest, dass Beschränkungen dieser umfassenden Vertretungsmacht gegenüber Dritten unwirksam sind

(50)

Das Außenverhältnis der OHG

Die Stellvertretung in der OHG: Umfang der Vertretungsmacht

Vertretungsmacht des Gesellschafters Bruce

Denkbare Lösung: Die gem. § 125 II HGB zulässige Anordnung von Gesamtvertretung zeigt, dass die Anordnung von Gesamtvertretung keine Beschränkung der

Vertretungsmacht iSd § 126 II 1 HGB ist

Konsequenz: Die Gesellschafter können Gesamtvertretung in beliebigem Umfang

anordnen, also auch beschränkt auf bestimmte Arten von Geschäften oder Geschäfte mit einem bestimmten Umfang

Problem: Das führt zu Unsicherheit im Rechtsverkehr

Deshalb: Jede Verabredung, durch die einem Gesellschafter eine geringere

Vertretungsmacht als die Einzelvertretungsmacht mit dem in § 126 I HGB beschriebenen Umfang eingeräumt werden soll, ist eine Beschränkung iSd § 126 II 1 HGB

Daraus folgt: Gestattet ist die Beschränkung gem. § 125 II HGB nur entweder für alle Geschäfte der Gesellschaft oder für keines

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