• Keine Ergebnisse gefunden

Zur Klinik der infantilen Form der famili~iren amaurotischen Idiotie (Tay-Sachs).

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Zur Klinik der infantilen Form der famili~iren amaurotischen Idiotie (Tay-Sachs)."

Copied!
28
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

(Aus dem Kaiserin Auguste Victoria- Haus zur Bek~mpfung der S~uglings°

sterblichkeit im Deutsehen Reich. Direktor: Prof. L a n g s t e i n.)

Zur Klinik der infantilen Form der famili~iren amaurotischen Idiotie (Tay-Sachs).

(Einige neue S y m p t o m e . E i n Beitrag zu den yon M a g n u s beschrie- benen tonischen ,,Hals- u n d L a b y r i n t h r e f l e x e n " . )

Von A. DoUinger,

Assistenzarzt.

M i t ' l T e x t a b b i l d u n g .

(Eingegangen am 39. Juli 1919.)

Aus der grol~en Reihe noch nicht gekl~rter Arten kindlicher Idiotie hat 1887 S a c h s die jetzt im Gegensatz zu ciner j u v e n i l e n (Typ S p i e l m e y e r - V o g t ) als i n f a n t i l e F o r m d e r f a m i l i i ~ r e n a m a u r o - ti s c he n I di o t i e bezeiehnete heredo-famili~re E r k r a n k u n g des Zen- tralorganes als anatomisch und klinisch scharf und eng umgrenztes Krankheitsbfld abgesondert. Mehr als 100 Mit.teilungen*) haben die Be- rechtigung dieser Abgrenzung bewiesen, ohne wesentlich neue Ziige bei- bringen zu kSnnen. Auch die yon 1ms in den letzten ftinf J a h r e n beob- achteten und durch 2, 3 und 16 Monate verfolgten 3 F~lle b o t e n bis auf die Familiarit~t die klassischen S a c h s schen S y m p t o m e : V e r b l S - d u n g , L ~ h m u n g u n d E r b l i n d u n g , M a r a s m u s u n d P r o g r e d i e n z , Die Kinder, jtidischer H e r k u n f t , e r k r a n k t e n n a c h n o r m a l e m Ablauf der frtthesten L e b e n s m o n a t e u m die Mitte des ersten Jahres, verfielen geistig u n d d a n n kSrperlich rasch u n d zeigten bei weitgehender A m a u - rose den typischen Hintergrundsbefund. Der famili~re C h a r a k t e r jedoch, wie auch schon S e h a f f e r 19) bei seinem Materiale auffiel, sowie die n e u r o - p s y c h o p a t h i s c h e Belastung w a r bei unserem rdcht in ausge- sprochenem Ma6e vorhanden.

*) F a l k e n h e i m ~) stellte 1901 64, A p e r t 1) 1908 116 F£1te zusammen und

B i ng 3) sch~tzt die bis 1912 hinzugekommenen auf hSchstens 10 weitere. Seitdem

jedoeh mehren sich die Mitteilungen fiber diese seltene Krankheit, vor allem aus

Deutschland, (Jsterreieh und auch aus Frankreieh, wo sic bis zum Jahre 1907 ganz

unbekannt war [der erste Fail stammt yon A p e r t und Dubois2)].

(2)

168 A. Dollinger: Zur Klinik der infantilen Form

VCenn auch auf die p a t h o l o g i s c h e A n a t o m i e der f . a . I , nicht eingegangen werden soll, so sei doch angefiihrt, dab das Gehirn des einen von uns sezierten Kindes (II; I starb auBerhalb der Klinik; I I I lebt zur Zeit noeh) schon m a k r o s k o p i s c h schwere Veri~nderungen bot (vgl. Obduktionsprotokoll). An der Richtigkeit der klinischen Diagnose, die histologisch durch Prof. B i e l s c ho ws k y erhi~rtet wurde, kann trotz der gegenteiligen Ausftihrungen S c h a f f e r s 19) nicht gezweifelt werden*), der gelegentlich der Kritik eines Falles von H u y s m a n s 9) behauptet:

,,Die Mannigfaltigkeit des grob-pathologischen Substrates in H u y s - m a n s Fall steht mit der fast v611igen Leere des makroskopisehen Be- fundes der echten S a c hsschen Idiotie in so auffallendem Gegensatz, dab allein die Makroskopie diesen Fall aus dem Rahmen der f. a. I. mit der gr6gten Sicherheit ausschliegen li~Bt. I c h wiederhole, dab ein makro- skopisch positiver Befund von B e d e u t u n g . . . mit dem makroskopischen**) Bride der echten S a c h s s c h e n Idiotie unvereinbar ist".

Ohne uns in eine ausftihrliehe klinische Schilderung einzulassen - - um so mehr, als im Anhange die nur in unwesentliehen Punkten gektirz- ten Krankengesehiehten folgen sollen - - , m6ehten wir die Aufmerksam- keit auf einige B e s o n d e r h e i t e n im Verlaufe der Krankheit lenken, wie wir sie in der einsehli~gigen Literatur***)gelegentlieh wohl erw~itmt, nir- gends abet Ms spezifisehe Eigentiimtiehkeiten angesproehen fanden.

Bei unseren s~mtliehen drei Kindern jedoeh kehrten diese in einer sol- ehen Stereotypie wieder, dal~ wir trotz der zwar geringen Zahl unserer Fi~lle nieht anstehen, heute schon diese Erseheinungen als C h a r a k t e r i - s t i k a d e r S a c h s s e h e n I d i o t i e , w e n i g s t e n s i n i h r e n l e t z t e n S t a d i e n , anzusprechen, worin wir aueh dureh die zwar spgrlichen, abet gleiehlautenden Ausftihrungen anderer Ahtoren bestiirkt werden.

Diese Phi~nomene shad:

1. ( k l o n i s c h - ) t o n i s c h e S t r e c k k r ~ m p f e d e r E x t r e m i t ~ t e n ,

die sich in den oberen derart i~uBern, dab die A r m e in einer sagittalen Ebene zu beiden Seiten des Kopfes nach oben oder - - in besonders typischer Weise - - nach vorne oben oder rein vorne, also am liegenden

*) Eine Erkl~rung dieses Widerspruches mag vielleicht in der ganz auger- gew6hnlich langen I)auer der Krankheit bei diesem Kinde (siehe Anhang, Kranken- geschichte II, Vorbemcrkung) gegeben sein.

**) Soll wohl ,,mikroskopisch" heigen.

***) Beziiglich der ausliindischen Literatur waren wir grSBtenteils nur auf R e f e r a t e angewiesen. Es ist also immerhin m6glich, dab der eine oder andere Autor/ihnliches berichtet hat, was uns abet aus diesem Grunde entgehen mul3te.

(3)

der familiaren amaurotischen Idiotie (Tay-Sachs). 169 Kinde mehr oder minder s e n k r e c h t n a c h a u f w ~ r t s g e s t r e c k t w e r d e n ;

2. H y p e r ~ s t h e s i e i m B e r e i c h d e r B e i n e , die distalw~rts sieh so verst~rkt, dab sensible Reize a m Ful~ aul~er zu allgemeinen tonischen oder klonischen K r a m p f e n zu F ul~ k l o n u s ffihren u n d

3. V a s o m o t o r i s c h e S t 5 r u n g e n , die sich in Angioparalysen- ErytheInen-, A n g i o s p a s m e n - Z u s t ~ n d e n lang andauen~der Ktihle der ]-IKnde und FfiBe mit konsekutivem 0 d e m - und endlich in einer Ano- malie der Schweil~sekretion, in widerliehem Geruch der Ausdtinstungen bestehend, kundgeben.

Sehlief31ich sei noch erw~hnt, d a b alle K i n d e r eine hochgradige A s y m m e t r i e i m S c h ~ d e l b a u und ferner zwei d a v o n U n t e r t e m - p e r a t u r e n aufwiesen, die sich bei Fall I I fiber lange Wochen hinzogen.

Zu I. K r ~ m p f e seheinen, wenigstens nach den Lehrbiichern zu ur- teilen, im Verlaufe der infaniilen F o r m der f l a . I. kein obligates Sym- p t o m zu sein, wenn sie auch in der Kasuistik nieht so selten angefiihrt werden. Schon H i g i e r s) vermiBte vor m e h r als 20 J a h r e n jegliche An- gaben dartiber, und auch seitdem ist noch keine Kl~rung in dieser Frage eingetreten. So z. B. gehSren sie nach K o b l°) ,,nieht z u m Bilde der f. a. I . " und S a c h s is) selbst sagt: ,,Kr~mpfe fehlen entweder ganz oder k o m m e n n u r vereinzelt vor." J~hnlich ~uBern sieh Ziehen25), nach d e m ,,hin und wieder epileptische Anf~lle b e o b a e h t e t w e r d e n " und J e n - d r a s s i k g ) , d e r n u r ,,ausnahmsweise Muskelkrampfe in den E x t r e m i - t ~ t e n " gesehen hat. Auch V o g t 21, 22) und S e h a f f e r is, 19), die genaue- sten. Kenner dieses Leidens, gedenken in ihren klinischen Ausffihrungen derselben fiberhaupt nicht, und in F a l ke n h e i m s 5) Zusammenstellung der bis dorthin beobachteten 64 FKlle, von denen er 38 ausffihrlicher bringt, werden n u r sechsmal , , K r ~ m p f e " , ein p a a r m a l ,,leichte kon- vulsive Bewegungen, aber keine v611igen K r a m p f a n f ~ l l e " erw~hnt. I n einigen dieser Krankengeschiehten jedoch linden sieh Mitteilungen fiber ,,Contracturen" und ,,Streckcontraeturen der E x t r e m i t ~ t e n " , Beobach- tungen, die sich wohl m i t unseren gleieh zu sehitdernden deeken dfirfteI~.

Naeh Z a p p e r t 24) hingegen ,,geht die K r a n k h e i t m i t K r ~ m p f e n und Spasmen einher", und ausffihrlicher liest m a n darfiber bei B i n g 3 ) :

,,Nun mischen sich aber diesem Bilde h y p o t o n i s c h e r A k i n e s i e mehr und

mehr s p a s t i s e h e Ph~ mo m e n e bei, um endlieh ganz und gar in den Vordergrund

zu treten. Allgemeine tonische Streekkr/~mpfe befallen plStzlich das Kind, oft. nach

Art der Tetanuskonvulsionen, yon/~uSeren l~eizen ausgel6st; immer h/~ufiger werden

diese Anf/~lle, immer l~nger ihre urspriinglich nur minutenlange Dauer. Zuletzt

tritt ein kontinuierlicher spastischer Zustand an die Stelle der friiheren Schlaffheit."

(4)

170 A. Dollinger: Zur Klinik der infantilen Form

Aus eigener Effahrung mSchten wir hier noch hinzuftigen, daB, wie in dem Falle von Kuh11), diese Erseheinungen auf selbst geringe sen- sible oder akustische Reize hin (Hyper~sthesie; Hyperakusie!), schlieB- lich aber auch vSllig spontan auftreten.

Diese Verschiedenheit in den Angaben tiber ein so auffaUendes und wohl kaum zu tibersehendes Ereignis ist ungemein tiberraschend. Eine Erkl~rung daftir dtirfte vieUeicht darin zu suchen sein, dal~ die K r ~ m p f e e i n B e g l e i t s y m p t o m e r s t d e r l e t z t e n Z e i t , des Stadiums des voll ausgepr~gten schwersten kSrperlichen Veffalls darstellen. In dieser unserer Ansieht befinden wir uns in Ubereinstimmung mit den Beob- achtungen von K u h und yon H i g i e r e ) , der bei drei Geschwistern per- manente Kr~mpfe das Krankheitsbild der letzten Monate beherrschen bzw. das letale Ende einleiten sah. Da jetzt bei der aueh den AngehSrigen gewissen Aussiehtslosigkeit therapeutisehen Vorgehens der Arzt n u r noch selten gerufen, oder der K r a n k e der klinischen Behandlung entzogen wird, ist die Zahl der l~ngere Zeit genau verfolgten fortgesehrittenen Fi~lle eine reeht geringe und die sich widerspreehenden Angaben der Litera- t u r verst~ndlich, um so mehr als Spasmen dem Laien gewShnlieh nicht als Kr~mpfe imponieren. Aber auch rein theoretisch schon w~re im Kindesalter bei einem so f o u d r o y a n t und grtindlich fortschreitenden degenerativen, wenn aueh nicht entztindlichen Gehirnprozel~ das dau- ernde Fehlen von Reizerseheinungen naeh den sonstigen Erfahrungen s c h w e r verst~ndlich.

Die yon uns als typisch betraehteten Anfi~lle treten erst ungef~hr 2 - - 5 Monate vor dem Tode (ebenso bei H i g i e r , K u h ) und dann ge- h~uft 20--50 mal am Tage auf. Das leiseste Geri~usch, selbst die Er- schtitterung des Fui~bodens durch nahende Schritte, gentigt sehon,

~hnlieh wie beim Tetanus, u m diese Zust~nde auszulSsen. I h r Verlauf

ist ungefi~hr folgender: Der Beginn ist der des gewShnliehen Ersehrek-

kens. Das Kind f~hrt zusammen und die bis dorthin leer und unbeweg-

lich in die Ferne bliekenden Augen geraten in unkoordinierte Bewegun-

gen, werden von Nystagmus, besonders verticalis, aber auch horizon-

talis oder einer Kombination beider befallen, um dann endlieh in einer

extremen SteUung, meist nach oben oder der Seite gewandt, zur Ruhe

zu kommen. Gleichzeitig damit sieht man schnell ablaufende Zuckungen

in der mimischen Muskulatur und die Gesichtsziige nehmen einen lei-

denden Ausdruek an. Jetzt, nach ca. 10--30 Sekunden, strecken sich

die vorher schlaff in leiehter Beugung befindliehen Beine, der FuB ge-

r~t in Spitzful3stellung, der meist ohnehin erhShte Tonus der Arm-

(5)

der familiaren amaurotischen Idiotie (Tay-Sachs). 171 muskulatur wird starker, u n d g a n z l a n g s a m u n d z i t t e r n d , m a n c h m a l m e h r r u c k w e i s e , w e r d e n d i e A r m e i n e i n e r f a s t s a g i t t a . l e n E b e n e b i s z u r S e n k r e c h t e n o d e r d a r i i b e r h i n a u s e r h o b e n (Abb. 1), wobei sie jedoch keineswegs parallel zueinander stehen brauehen, sondern der eine mehr kranial-, der andere mehr kaudalw~rts gerichtet ist. Naeh vollendeter Elevation werden die Arme entweder, wie tetaniseh erstarr$, vSllig steif gehalten, 5fter abet zeigen sie Oscilla- tionen geringer Exkursionsbreite, beiderseits fast stets in verschiedenem AusmaBe. Nach einer halben bis zwei, meist einer Minute sinken die Arme langsam, gleich wie gegen einen inneren Widerstand ank~mpfend,

Abb. l.

herab und bald kehrt das Kind wieder in seinen lethargisehen Zu-

stand zuriick. Wi~hrend der ganzen Zeit ist die Atmung deutlieh ver-

tieft, vermehrt und angestrengt, wobei das Zwerchfell sich besonders

lebhaft beteiligt und deutliches Nasenfltigelatmen besteht. - - I)ieser

Vorgang kann in obiger Weise dureh sensible Reize mit der Sicherheit

eines physikalischen Experimentes und in einer geradezu ,,maschinen-

m~l~igen Regelm~Bigkeit" beliebig oft reproduziert werden. So babe ieh

bei Gelegenheit der Aufnahme des beigefiigten Bildes wolff 20real

hintereinander dutch Stechen mit einer Nadel in die FuBsohle die eben

geschilderten Zust~nde hervorgertffen. Auffallend ist ferner noeh, dab

die Art und der Grad der Armbewegungen periodenweise wechselt; so

f i ~ r t den einen Tag jeder den Schwellenwert tibersehreitende Reiz zu

(6)

172 A. Doltinger: Zur Ktinik der infantilen Form

einem senkrechten Erheben, ein andermal n u r zu einem Emporschlagen der Arme zu beiden Seiten des Kopfes, ein drittes Mal bleiben sie in einer Mittellage zwischen beiden verharren. Doch herrscht meistens der erste Modus vor.

J~nliches, jedoch nicht vSllig Gleiches, haben, soweit wir beurteilen k6nnen, nur noch drei Autoren beobachtet. H i g i e r 7) notiert bei einem 13 monatigen Kinde: ,,Allgemeine, ziemlich tebhafte Reaktionsfi~hig- keit auf ~uBere l~eize taktiler oder akustischer Natur. Wenn es erschrickt, fghrt es zusammen, und es stellen sich kurz dauernde automatische Bewe- gungen ein in den Vorderarmen und H~nden, und best~ndige Zuckungen in der sonst unbeweglichen mimischen Muskulatur." I m Falle S t e r - tings~°), ring der 11 monatige Si~ugling ,,pl6tzlich an, m i t den Lidern zu schlagen, wirft den K o p f nach hinten, biegt die Wirbels~ule bogen- f6rmig, die Konvexiti~t n a c h vorne (Opisthotonus) aus und s t r e c k t d i e o b e r e n E x t r e m i t ~ t e n * ) " . W~i.hrend diese Mitteilungen noch often lassen, ob es sich hier u m den unseren analoge Erscheinungen ha.ndelt, beschreibt d e B r u i n 4) - - d a s Original war uns leider nicht zug~ngig - - bei der Nachpriifung der von M a g n u s u n d s e i n e n Mi t a r b ei t e r n 14) entdeckten ,,tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskulatur des Menschen" bei einem M;4dchen des zweiten Lebensjahres m i t S a c h s scher Idiotie einen Zustand, der mit dem eben geschilderten eine geradezu photographische _~nlichkeit besitzt. Bei s t a r k e r Ncigung des Kopfes nach hinten in Rtickenlage zeigte sich bei diesem Kinde ein ,,Strecktonus der Arme, welche zitternd in sagittaler Ebene aufgehoben werden und in jener Stellung verharren".

Bevor wir in unserem T h e m a weitergehen, sei es bei der nicht n u t theoretischen Wichtigkeit der M a g n ussch'en Untersuchungen und zum besseren Verst~ndnis unserer eigenen Befunde gestattet, die Resultate beztiglich der a m decerebrierten Tiere gefundenen und an 8 MeI:schen m i t schweren Affektionen des Zentralnervensystems, d a r u n t e r einem 16 monatigen, an f. a. I. leidenden Kinde, best~tigten Lagesinnsreflexe m i t den W o r t e n der Autoren 14) zu bringen:

,,Beim Menschen lassen sich in F~llen, bei denen durch Erkrankungen des Hirns und seiner H~,ute die Gro~hirnfunktion mehr oder weniger vollst~ndig aus- geschaltet ist, sowohl ttals- als auch Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskulatur nachweisen.

Die Halsreflexe werden durch Drehen (manchmal auch dutch Wenden) des Kopfes ausgel~st und bestehen in tonischer Streckung der Glieder auf der ,,Kiefer-

*) Im Original nicht gesperrt.

(7)

der familiaren amaurotischen Idiotie (Tay-Sachs). 173 seite" und in Hemmung des Strecktonus und tonischer Beugung der GIieder auf der ,,Sch~delseite". In geeigneten F~llen dauert die Reaktion so lange, als der Kopf in seiner gedrehten Lage gehalten wird.

Die Labyrinthreflexe werden dutch Ver~nderung der Stellung des Kopfes im Raume ausgelSst. Sie sind Reflexe der Lage. Es gibt nut eine Stellung des Kopfes im Raume (wenn bei Riickenlage der Kopf U m ca. 45 ° unter die Horizontale ge- senkt wird), bei der der Strecktonus der vier Extremiti~ten maximal ist, und nur eine um 180 ° davon verschiedene Stellung, bei der er minimal ist. Die Reaktion der Glieder ist tonisch, nimmt aber nach einiger Zeit an Intensiti~t ab.

Bei normalen S~,uglingen l~flt sich bis zum Alter yon etwa 31/~ Monaten der- selbe Labyrinthreflex auf die GliedmaBen nachweisem Die Reaktion ist aber weniger tonisch und yon ki~zerer Dauer."

Vergleichen wir damit unsere Result, ate, so bestgtigen dieselben ein- wandfrei diese Feststellungen beziiglich der dtu'ch J~nderung der Stetlung des Kopfes zum KSrper (Halsreflexe), nicht aber der dutch Anderung der Stellung des Kopfes im R'aume (Labyrinthreflexe) hervorgerufenen typischen Tonusvergnderungen und der Haltung der Gliedmal3en. Der Ausfall der Prfifungen an unserem Kinde ist vSllig analog dem in obiger Arbeit erw~hnten Fall VII, einem 9jghrigen Idioten unbekannter J~tiologie. Unser Protokoll vom 3. VII. 19 lautet: ,,Delta Zuriick- schlagen der Bettdecke treten sofort die oben geschilderten Streck- kri~mpfe ein. Nach Abl~uf derselben liegen die Beine annghernd in Mittelstetlung, die Arme sind zu beiden Seiten des Kopfes hochgeschla- gen. J e t z t wird briisk - - um die iiblichen Spasmen zu vermeiden - - der Kopf des licgenden Kindes nach rechts gedreht. Eine drittet bis eine viertel Sekunde, und langsam erschtafft der linke A r m und wird nach abwgrts, an den KSrper herangezogen, "der rechte d~gegen in hori- zontaler und fast sagittaler Ebene extendiert. Das Gegengleich in genau derselben Weise findet bei Drehungen des Kopfes nach links s t a t t . "

Wahrend d e B r u i n keinen EinfluB auf die Muskulatur der Beine beobachten konnte, trat bei unserem Kinde, gleichzeitig wie in der oberen, derselbe Erfolg auch in der unteren Extremit~t ein: das rcchte Bein wird maximal gestreckt, so daI3 der Ful3 in SpitzfuBstellung zu stehen kommt, das linke Bein dagegen, unter unseren Augen erschlaffend, wird durch Beugung in Knie- und Htiftgelenk langsam hochgezogen. Die reflek- torische Streckung und Beugung kann beliebig oft hintereinander ~ e d e r - holt werden, so dab man dutch abwechselndes Drehen des Kopfes nach rechts und links eine Art stark verlangsamter und seitlich alternierender t I a m p e l m a n n b e w e g u n g e n erzeugen kann.

(8)

174 A. D011inger: Zur Klinik der infantilen Form

Aul~er in dieser sichtbaren Weise ~ul]ert sich die ~xnderung des Tonus auch darin, dal~ in den gestreckten Gliedern einer passiven ~ u g u n g , in den gebeugten einer Streckung ein kr~ftiger Widerstand entgcgengesetzt wird (wie im Fall V I I I v o n M a g n us und d e K l e i i n), und zwar dauern diese Reaktionen so lange an, als der K o p f zur Seite gedreht gehalten wird.

Ebenso wie bei dem F a l l e d e B r u i n s folgten auch bei unserem die Augen bei schneller Drehung des Kopfes, y o n vertikalem N y s t a g m u s unterbrochen, ruckweise nach und k e h r t e n d a n n langsam wieder nach der anderen Seite zurtick. Sonstige Halsreflexe, wie durch Neigung des Khans auf die Brust oder Beugung des Kopfes nach hinten*), sowie Labyrinthreflexe h a b e n wit bei den zahlreichen weiteren Untersuchun- gen, wie schon oben erw~hnt, nie in eindeutiger oder ahnlicher Weise wie d e B r u i n zu sehen b e k o m m e n .

Die h~ufigen Nachprfifungen (vgl. K r a n k e n b l a t t ) ergaben jedesmal dasselbe Resultat, wenn es iiberhaupt mSglich war, einen Ausschtag zu erzielen. ])as tuberkulSs e r k r a n k t e K i n d (im J u n i tuberkulSse Pleuritis u n d P i r q u e t q - ~ q - ) zeigte seit Anfang Juli die S y m p t o m e einer be- ginnenden Gehirnhautentztindung. Seitdem ist im Zustande des K r a n - ken ein eigenttimlicher Wechsel eingetreten, indem einmal die menin- gitischen Erscheinungen g~nzlich fehlen, ein andermal aber das Bfld vSllig beherrschen, so dal~ an solchen Tagen durch keinerlei Reize die sonst so leicht auslSsbaren Krampfanf~lle hervorgerufen werden kSnnen.

Diese Abschweifung von unserem T h e m a w a r nStig, um einmal dem Wunsche yon M a g n uslZ), mSglichst viele derartige Beobachtungen bei- zubringen, n a c h z u k o m m e n , ferner aber, weft unsere Auffassung dieser eigentiimlichen A r m s p a s m e n als einer Bdsonderheit der T a y - S a e h s - schen Idiotie d a n n hinf~llig ware, wenn die Meinung d e B r u i n s zu R e c h t best~nde. Wtirde es sich n~mlich hier u m einen Reflex der Lage im Sinne von M a g n u s handeln, so mtil3te bei vielen, wenn nicht allen F~llen schwerster E r k r a n k u n g e n des Zentralorganes, bei denen die GroB- hirnfunktionen aufgehobe n sind (vgl. obige Ausfiahrungen yon M a g n u s u n d d e K l e i j n) dieses Aufw'artsstrecken der Arme beobachtet werden.

D e m widerspricht a b e r die t~gliche E r f a h r u n g ebenso wie die von M a g n u s und d e K1 ei j n selbst verSffentlichten acht Beobachtungen a m Menschen. Da ferner, soweit uns die Arbeiten der U t re c h t e r S c h u l e

*) De B r u i n (oder dessen Referent Schippers) bezeichnet die bei diesen

~i.nderungen der Stellung des Kopfes zum KSrper auftretenden Reflexe f~lschlicher-

weise als ,,Labyrinthreflexe'\

(9)

der familifiren amaurotischen Idiotie (Tay=Sachs). 175 bekannt sind, nirgends dieser Streckkr~mpfe der oberen Extremit~ten geda.cht ist und a.us d e B r u i n s Ausfiihrungen nicht hervorgeht, ob diese Erscheinungen nur bei der e i n e n Art von passiver Kopfbewe- gung auftraten, sind wit vielmehr geneigt, dieses Phi~nomen auch dort lediglich als Reaktion auf den ~uBeren Reiz hin aufzufassen.

Bevor wir dieses Kapitel verlassen, ist auch auf die B e t e i l i g u n g d e r A t e m m us k u l a t u r an den allgemeinen K r a m p f e n hinzuweisen, die bei Fall I I I und besonders bei Fall I I deutlich ausgepr~gt war und bei dem Kinde S t e r l i n g s so weir ging, dab es zu einer vollst~ndigen inspiratorischen Apnoe und Cyanose kam.

Z u II. Gelegentlich einer sp~teren Nachprtifung des B a b i n s k i - schen Zeichens bei dem zur Zeit noch in Behandlung befindlichen Kna- ben fiel gleichzeitig mit der E r h 6 h u n g d e r a l l g e m e i n e n S e n s i - b i l i t ~ t i m B e r e i c h d e r u n t e r e n E x t r e m i t e r e i n e b e t r ~ c h t l i c h e S t e i g e r u n g d e r t i e f e n R e ' f l e x e auf. Das Bestreichen der FuBsohle mit dem Hammerstiel 16ste sofort neben einem klonischen K r a m p f der gesamten Beinmuskulatur F u l 3 k l o n u s aus, was 21/2 Monate friiher nicht der Fall war. W~hrend dieser Klonus schon durch die leiseste Bertihrung der FuBsohle mit der Spitze einer Nadel hervorgerufen werden konnte, waren vom Unterschenkel aus s c h o n st/~rkere Reize nStig; vom Oberschenkel und den iibrigen K6rperstellen indes gelang dieses erst dutch kr~ftige Stiche und auch nicht jedesmal. Dadurch aufmerksam gemacht nahmen wir die friiheren Krankengeschichten vor und fan- den dort die gleiche Hyper~isthesie und Reflexsteigerung verzeichnet.

Bei Fall I ist unterm 18. XI. 14 (Aufnahmestatus) bemerkt: ,,Bei Stechen mit einer Nadel, ebenso bei Kneifen der t t a u t zuckt Kind stark zusammen und beginnt zu schreien. Besonders empfindlich isb es an den Unterschenkeln und den FiiBen." Ferner: ,,Bei Priifung des B a - b i n s k i s c h e n Ph~nomens, das selbst nicht ausgel6st werden kann, t r i t t Ful]klonus ein." Bei dem anderen Kjnde linden sich unterm 20. III.

und 20. IX. 18 folgende l~achtr~ge: ,,H~nde auf Druck unempfindtich, FiiBe stark hyperasthetisch." ,,Bei Beriihrung der Beine t r e t e n sofort allgemeine klonische Zuckungen im ganzen K6rper auf", und u n t e r m 30. I. 19: ,,Bei Bestreichen der FuBsohle ger~t das Bein, besonders der FuB, in heftigste klonische Zuckungen; Babinski dabei positiv. Der in der iiblichen Weise leicht ausl6sbare FuBklonus ist ungemein heftig und langdauernd."

Diese zeitlich weir auseinanderliegenden und zum Teil yon ver-

schiedenen Arzten stammenden Eintragungen zeigen ebenfalls eine

(10)

176 A. Dollinger: Zur Klinik der infantilen Form

solche G l e i c h f 6 r m i g k e i t , d a $ wir a u e h d i e s e b e i d e n E r s c h e i n u n g e n , d i e H y p e r a s t h e s i e d e r Beine u n d d i e S t e i g e r u n g d e r t i e f e n Reflexe, als t:~Tisch fiir d i e f. a. I. a n s e h e n m 6 c h t e n . A u c h S t e r l i n g h a t in s e i n e m b e r e i t s m e h r f a c h e r w ~ h n t e n F a l l e g a n z ~hnliehes b e o b a e h t e t . E r s c h r e i b t :

,,Das sehr stark ausgepr~gte Symptom von B a b i n s k i l~Bt sic h vonder ganzen Sohlenoberfl~che auslSsen, sogar yon den Fersen, wobei man eine isolierte, dorsale Flexion der groBen Zehe nur bei sehr leichtem Streichen der inneren Oberfliiche erhKlt; wenn man etwas st~irker streicht, schliel3t sich zu diesem Effekte die dor- sale Flexion der vier anderen Zehen, und nur eine Abduktion der fiinften; bei noch st~rkerer tteizung erhalten wh" schon einen Effekt im Sinne Mtineh- P e t e r s e n s , n~mlich Beugung der Schenkel, Beugung im Kniegelenk, Flexion des F u B e s . . . "

~ b e r d a s e r s t m a l i g e A u f t r e t e n d i e s e r P h ~ n o m e n e k a n n a n H a n d u n s e r e s M a t e r i a l s n i c h t s a u s g e s a g t w e r d e n , d a sie i m G e g e n s a t z z u d e n K r ~ m p f e n n i c h t so a u f f a l l e n d e r N a t u r s i n d , u m d a r i i b e r s e h o n a n a m - n e s t i s c h e A n g a b e n e r h a l t e n zu k S n n e n . A u c h w a r b e i d e r b i s h e r i g e n U n b e k a n n t h e i t d e r s e l b e n w ~ h r e n d d e s A u f e n t h a l t s in d e r K t i n i k n i c h t d a r a u f g e a e h t e t w o r d e n . I m m e r h i n w a r e n bei K i n d I I s c h o n 10 M o n a t e v o r d e m T o d e d i e e r s t e n Z e i e h e n e i n e r U b e r e m p f i n d l i c h k e i t n a c h w e i s - b a r ; 71/, M o n a t e s p a r e r a b e r s e h o n s t ~ r k s t e n s a u s g e s p r o c h e n .

Z u I I I . Die l e t z t e d e r k l i n i s c h e n E i g e n a r t e n , die zu d e r w e i t g e h e n - d e n G l e i c h f 6 r m i g k e i t u n d E i n t 6 n i g k e i t d e s K r a n k h e i t s b i l d e s u n s e r e r d r e i F ~ l l e b e i t r ~ g t , s i n d die v a s o m o t o r i s c h e n S t 6 r u n g e n . Diese L a b i l i t ~ t d e r I n n e r v a t i o n d e r Hautgef~13e ~ul3erte sich in A n g i o - s p a s m e n , , g i p f e l n d e r " Teile, h i e r d e r H ~ n d e u n d FiiBe (Ohren, N a s e usw. w u r d e n d a r a u f h i n n i e h t u n t e r s u e h t ) , i n A n g i o p a r a l y s e n , in G e s t a l t f l i i c h t i g e r E r y t h e m e , u n d e n d l i e h i n e i n e r A n o m a l i e d e r S c h w e i l 3 s e k r e t i o n .

Diese oft t a g e l a n g d a u e r n d e n Z u s t ~ n d e v o n K f i h l e d e r E x t r e m i t ~ t e n , v e r b u n d e n m i t e i n e r b l a u r o t e n o d e r fahlweiBen V e r f ~ r b u n g , f a n d e n sieh bei a l l e n d r e i K i n d e r n in d e n l e t z t e n M o n a t e n v o r d e m T o d e u n d w a r e n n i c h t in e i n e r S c h w ~ e h e d e r H e r z t ~ t i g k e i t b e g r i i n d e t . A l l e n E r w ~ r - m u n g s v e r s u c h e n d u r c h H a n d s c h u h e o d e r W ~ r m f l a s e h e n t r o t z e n d ver- s c h w a n d e n sie g a n z s p o n t a n w i e d e r fiir l~ngere Zeit. J e m e h r a b e r die K r a n k h e i t sich i h r e m E n d e n~thert, d e s t o k t i r z e r w e r d e n d i e P a u s e n , u n d d e s t o d e u t l i c h e r t r e t e n g l e i c h z e i t i g d a m i t 0 d e m e des H a n d - u n d F u B r i i c k e n s auf, d i e m e i s t d i e G e l e n k l i n i e n n a c h a u f w ~ r t s i i b e r s c h r e i t e n . Die S t a u u n g m a g a u f d i e u n n a t i i r l i c h e , d e n Lymphfluf3 e r s e h w e r e n d e

(11)

der familiaren amaurotischen Idiotie (Tay-Sachs). 177 Stellung des betreffenden Gliedes zuriickzuftihren sein. Eine ghnliche Beobachtung ftihrt auch S t e r l i n g an.

Was das E r y t h e m a h y p e r a e m i c u m anlangt, so lokalisiert es sich m i t Vorliebe auf den Wangen und d e m GesgB, ohne aber andere KSrperregionen zu verschonen. So sahen wir bei K i n d I I I kurz hinter- einander zuerst a m rechten, d a n n a m linken A r m eine ausgebreitete RStung und Schwellung auftreten, die sich w~rmer als die iibrigen H a u t - partien anfiihlte und die im h6chsten Grade erysipelat6s aussah, aber nach nicht ganz 24 Stunden wieder spurlos verschwunden war.

Die Dauer dieser E r y t h e m e s c h w a n k t zwischen wenigen Stunden bis zu hSchstens einem Tage.

Als letzter der vasomotorischen St6rungen ist noch des H a u t g e - r u c h e s , den wir besonders bei I und I I w a h r n e h m e n konnten, zu ge- denken. Es ist der b e k a n n t e widerlich stiB-sguerliche Geruch der t t y p e r - hidrosis p e d u m und l~Bt sich durch peinlichste K6rperpflege nicht ver- hindern.

Als zuf~lligen somatischen Befund stellten wir ferner bei den drei I d i o t e n eine A s y m m e t r i e d e s S c h ~ d e l s fest, die bei Fall I I und I I I in einer einseitigen Vergr61~erung des linken H i n t e r h a u p t a n t e i l e s be- stand. So fiberraschend dies auf den ersten Blick scheinen mag, so ein- fach ist die Erkl~rung dafiir: beide K i n d e r lagen wghrend der langen Monate ihrer K r a n k h e i t dauernd und unbeweglich auf der rechten Seite, den K o p f tier in die Kissen gebohrt. Dieser leichte Widerstand hatte also schon gentigt, um das W a c h s t u m tier einen Hglfte zu behin- dern und eine kompensatorisehe Vergr6Berung der anderen herbeizu- ffihren. Bei Kind I I w a r die Deformit~t eine so hochgradige, d a b der grS~te horizontale Durchmesser der linken Sch~delseite u m 2 - - 3 cm l~nger war als der der linken.

Endlich sei noch als einer weiteren, aber nicht k o n s t a n t e n Eigenttim- lichkeit im Krankheitsverlaufe die auff~llige N e i g u n g z u U n t e r - t e m p e r a t u r e n erw~hnt. Fall I I I scheidet dabei wegen Tuberkulose aus; bei Kind I sank die T e m p e r a t u r an m a n c h e n Tagen ohne ersieht- lichen Grund auf 36,4 °, ja 36 ° herab, und bei K i n d I I bewegte sie sich 8 Monate lang dauernd zwischen 35,8 und 37 °. N u r die letzten drei Wochen maehten hiervon eine Ausnahme. Ob diese v e r m i n d e r t e F~hig- keit des W~rmehaushaltes auf einem Ergriffensein der regulierenden Zentren beruht oder auf das vSllige Fehlen s p o n t a n e r Bewegungen zuriickgeftihrt werden muB, wagon wir nicht zu entscheiden. T r o t z d e m sind wir mehr geneigt das erstere anzunehmen, denn die geh~uften und

Zeitschrift flit Kinderheilkunde. O. X X I I . 12

(12)

178 A. Dollinger: Zur Kliaik der infantilen Form

schweren K r a m p f a n f a l l e w~ren doch sons~ wohl imstande gewesen, steigernd auf die K S r p e r t e m p e r a t u r einzuwirken. Auch [ e i dieser Frage m a c h t sich der Mangel zahlreicher, l~ngere Zeit klinisch beobachteter FMle bemerkbar, denn bis auf eine Mitteilung von SachslV), der ein- real in den letzten zwei Wochen vor d e m Tode subnormale T e m p e r a t u r e n , mid einer von Mohrt~), der das Gegenteil gesehen hat, l~iBt die L i t e r a t u r zu diesem P u n k t e v611ig im Stich.

Die E r k l ~ r u n g ft~r d iese von uns als typisch b e t r a c h t e t e n Erschei- nungen, der A r m s p a s m e n und der Sensibilit~ts- und vasomotorischen St6rungen, diirfte in denselben Ursachen zu suchen sein, wie bei den ganz ahnlichen Anomalien auf muskulomotorischen, vasomotorischen und sekretorischen Gebieten - - solche trophischer N a t u r k o n n t e n wir nicht no~chweisen - - bei all den iibrigen Nerventeiden, bei denen sich die pa- thologischen Ver~nderungen im zentralen motorischen Neuron oder in der P y r a m i d e n s e i t e n s t r a n g b a h n abspielen. Da d a s a n a t o m i s c h e S u b s t r a t d e r f. a. I. i n e i n e r s c h w e r e n D e s t r u k t i o n d e r G a n - g l i e n z e l l e n d e s g e s a m t e n Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m s besteht, ist es geradezu verwunderlich, wie bis heute noch k a u m nach solchen S y m p t o m e n gefahndet wurde. ])as Auffinden des unscheinbarsten Phanomens, das auf eine o r g a n i s c h e L~ision hinweist, ist besonders beim kindlichen Schwachsinn von gr6~ter Wichtigkeit, als gerade diese F o r m e n meistenteils'als funktionelle angesprochen werden, ohne es in Wirklichkeit zu sein. Die auffallende Tatsache des ungemein hohen Pro- zentsatzes kindlicher Idioten, die als Frtihgeburten zur Welt kamen*), finctet in den letzten Forschungen Yl p p 6s 23) eine ebenso iiberraschende wie beffiedigende E r k l a r u n g und beweist eindrucksvoll die Notwendig- keit weiteren Suchens in dieser Richtung. Ob freilich dadurch ftir die Praxis bzw. Therapie etwas gewonnen ist, m a g dahingestellt bleiben.

Z u m Schlusse noch kurz zur . ~ t i o l o g i e dieses seltenen LeideEs.

Wie S c h a l f e r stellten auch wir bei unseren Fallen f~st, dal~ ,,der fami- li~re Zug nicht so k o n s t a n t wie der l~assezug" war, dal~ alle drei also als ,,erratische" ( A p e r t ) imponieren, wobei aber nicht verhehlt wer- den daft, dal~ diese drei E l t e r n p a a r e z u s a m m e n n u r ffinf Kinder her- vorgebracht haben. Ferner s t a m m e n die V~ter und M~itter dieser K i n - der nicht aus d e m Osten Europas, sind also nicht als ,,Ostjuden" anzu- sprechen. Von besonderer neuro- oder psychopathischer Belastung ist anamncstisch nichts zu eruieren, ebe~so wie auch Lues auf Grund des d a u e r n d negativen Ausfalles der verschiedentlichen Blutuntersuchungen

*) Noch unver6ffentlichte Statistik des Verf.

(13)

der familiaren amaurotischen Idiotie (Tay-Sachs). 179 ausgeschlossen w e r d e n muB. Bei F a l l I I I j e d o e h s i n d V a t e r u n d M u t t e r des K i n d e s eng b t u t s v e r w a n d t , e c h t e G e s e h w i s t e r k i n d e r . Beziiglich d e r A n g a b e eines A u t o r s , H i r s c h S ) , d e r a n eine V e r g i f t u n g d u t c h d i e Milch tier eigenen M u t t e r d e n k t , i s t z u e r w ~ h n e n , d a b z w a r I u n d I I I 5 bzw.

9 M o n a t e y o n dieser, I I d a g e g e n v o n e i n e r A m m e g e s t i l l t w u r d e , tiber d e r e n F a m i l i e n g e s c h i c h t e freilieh n i e h t s b e k a n n t ist.

A u c h u n s e r e F ~ l l e v e r m 6 g e n also n i c h t z u e i n e r A u f h e l l u n g d e r n o c h d u n k l e n ~ t i o l o g i e d e r f. a. I. b e i z u t r a g e n . I n E r m a n g e l u n g e t w a s Besse- r e n i s t also e i n s t w e i l e n n o c h d i e E d i n g e r s e h e A u f b r a u c h t h e o r i e als einzige M S g t i c h k e i t e i n e r Erkli~lnang a n z u s e h e n .

K r a n k e n g e s e h i c h t e n . I.

L., M a r i a n n e, 839/1914. Geboren 2. I. 13, aufgenommen 18. XI. 14; enttassen 15. I. 15. Gestorben 28. IV. 15.

A u f n a h m e d i a g n o s e : Idiotie unbekannter Genese; zur Beobachtung.

E n t l a s s u n g s d i a g n o s e : Infantile Form der famili~ren amaurotisehen Idiotie ( T a y - Sachs).

A n a m n e s e ( v. d. Eltern): Vater: 42 Jahre, geb. in Kreuzburg, Oberschlesien, Mutter: 29 Jahre, geb. in M~hrisch-Ostrau. Beide gesund. Keine Blutsverwandt- sehaft; keine faraili~iren Krankheiten, insbesonders keine nervSsen oder psyehi- schen.

1. Kind, heute (Juli 19) 10 Jahre alt, kSrperlich und geistig vSUig gesund, sehr gut begabt.

2. (und letztes) Kind = Pat. Keine Friih- oder Fehlgeburten.

G e b u r t : Zu Hause, ausgetragen, ca. 6 l~fund schwer. ~[¥otz doppelter

~ N a b e l s c h n u r u m s c h l i n g u n g um den Hals ging die Geburt schnell und gtatt vor sich, ohne zu Asphyxie oder Cyanose zu ftihren.

E r n a h r u n g : 5 Monate nur Brust, dann weitere 4 Monate 2 - - 3 m a l Brust und 3--2 mal Malzsuppe (wegen Obstipation), sowie Beikost; seit dem 8. Monat 3 mal Vollmilch und 2real zu essen.

Bis zum 4. Monat angeblich vSllig normale und gute Entwieklung; damals wurde vom Arzt die vorliegende Krankheit bemerkt: K i n d l a c h ~ n i c h t m e h r , v e r f o l g t Gegensti~nde n i c h t mit den Augen und g r e i f t n i e h t darnaeh; ma~ht k e i n e s p o n t a n e n B e w e g u n g e n mehr. Gleichzeitig fiel ein I)iekerwerden der Zunge und der Extremit~iten auf. - - Vom 15.--18. Monat bekam Kind Thyreoidin- tabletten, worauf sich die Verdiekung der Extremit~ten und die Ansehwellung der Zunge besserten, die statischen und psychisehen Funktionen aber unbeeinfluBt blieben.

A u f n a h m e s t a t u s : Gewicht 8,130 kg ( - - 3,320 kg), L~nge 81 cm ( - - 1 cm)*), Umfang des Kopfes 471/2, der Brust 471/2, des Leibes 411/~ era.

Fiir sein Alter im Gewicht stark zurtickgebliebenes Kind in m~13igem Ern~h-

*) Naeh v. P i r q u e t : Eine einfache Tafel zur Bestimmung von Wachstum und Ern~hrungszustand bei Kindern. Zeitsehr. f. Kinderheilk. 6, 253 (1913).

12"

(14)

180 A, Dollinger: Zur Klinik der infantilen Form

rungszustand. Knochenbau gracit; Muskulatur gering, oh n e j e g l i e h e n To n u s ; Fettpolster gering. Kann nieht sitzen und stehen. Beim Aufriehten ist der Ko pf v S l l i g h a l t l o s , er waekelt hin und her und f~llt endlich vorn- oder hintiiber.

F i x i e r t n i e h t, versucht jedoch manehmal in die Richtung des Spreehenden zu blieken. Brtillt bei jeder Beriihrung. Sonst keinerlei Zeiehen irgend einer psychi- schen Funktion.

Haut rein, feucht, yon geringem Turgor.

AUe fiihlbaren Driisen mehr oder minder vergr6~ert. Keine Cubitaldriisen.

K o p f vSllig a s y m m e t r i s c h GreBe Fontanelle 2 × 3era, etwas unter Seh~lelniveau, normal gespannt. Die anliegenden N~hte klaffen einige Millimeter.

- - Kleine FontaneUe noch zu ffihlen.

Augen: Pupillen weir, beiderseits gleich, reagieren prompt und ausgiebig auf Belichtung. Starker S t r a b i s m u s c 0 n v e r g e n s .

Ohren ohne DeformitEteIL Nasenriieken breit und niedrig.

Mund steht dauernd often; Zunge nicht auft~llig groB oder dick, etwas belegt.

Z~hne: 8 Sehneide-, 2 Baekz~hne, alle sehr groG. Tonsillen und Rachen ger6tet.

Thyreoidea anscheinend yon normaler GrSBe.

Brustkorb flaeh und breit. H e r z stark naeh links v e r g r S B e r t . Sehr be- sehleunigte Aktion; T6ne sehr laut und dumpf, keine GerEusehe. Puls gut gefiillt und gespannt. Lungen: o. B. - - Leib unter Thoraxniveau. Deeken diinn. Milz, Leber: o. B.

Die Beine werden in Hiift- und Kniegelenk rechtwinkelig gebeugt, in Frosch- steltung gehalten. B e i m p a s s i v e n S t r e e k e n ftihlt man sehr starken W i d e r - s t a n d .

Patellarreflexe tebha~t, A e h i l l e s s e h n e n r e f l e x e i i b e r a u s s t a r k , f a s t F u l ~ k l o n u s . Bauchdeckenreflex nieht auslSsbar; F a e i a l i s p h ~ n o m e n a n - g e d e u t e t , P e r o n ~ u s p h ~ n o m e n s e h r l e b h a f t . Bei Priifung des Babinski- schen Ph~nomens, das selbst nieht ausgel6st werden kann, tritt F u B k l o n u s ein.

Bei Stechen mit einer Nadel, ebenso bei Kneifen der Haut z uc k t Kind s t a r k z u s a m m e n und beginnt zu schreien. B e s o n d e r s e m p f i n d l i e h i s t es a n d e n U n t e r s c h e n k e l n u n d F i i B e m

Bei der G e s e h m a c k s p r i i f u n g mit Zueker- und Chininl5sungen schreit es bei beiden gleich stark; iBt jedoch Apfelmus entsehieden lieber als GrieBbreL Bei G e r a u s c h e n s e h r i c k t Kind z u s a m m e n , bei starker Belichtung wendet es sieh ab und schlieBt die Augen.

WEhrend der Untersuchung bekommt Kind e i g e n a r t i g e K r a m p f a n f a l l e : es s t r e c k t b e i d e A r m e s e n k r e c h t n a c h o b e n (im Liegen) und zeigt N y s t a g - m u s horizontalis und Z u c k u n g e n in beiden GroBzehen.

P i r q u e t s c h e n n d W a s s e r m a n n s c h e R e a k t i o n : negativ.

V e r l a u f : 26. XI. Kind i m m e r s c h r e e k h a f t e r ; beim Betreten der Boxe f~hrt es zusammen. - - Nahrungsaufnahme schleeht.

L u m b a l p u n k t i o n : I n weitem Bogen entleerfl sich wasserklarer Liquor.

Ohne dab eine Verminderung des Druckes bemerkbar were, wird nach Ablassen yon 40--50 ecm der Troieart zuriickgezogen.

A u g e n s p i e g e l u n t e r s u c h u n g (Dr. Moll): B e i d e r s e i t s f a s t t o t a l e O p t i c u s a t r o p h i e m i t p o r z e l l a n w e i B e r t e m p o r a l e r A b b l a s s u n g . An

(15)

der famili~ren amaurotischen Idiotic (Tay-Sachs). 181 der rechten Papille ein kleiner, orangeroter Herd. In dcr llnken Makula e|ne papillengrol~e weiBe Scheibe mit einem kirschrotem Fleck i m Zentrum, vsllig ~hnlieh einer frisehen Embolie der Art. eentr, retinae.

30. XI. VSllig regungs- und reaktionslos, nut hin und wieder l~flt es den B]ick leer umherschweifen oder bewegt die Arme etwas hin und her. Meist liegen dieso senkrecht vom KSrper abgestreckt auf dem Bert. Die Beine, abduziert und nach auBen rotiert, werden kaum je bewegt.

G e s c h m a c k s p r t i f u n g : Es wird pulverisierter Zucker auf die Zunge ge- streut. Zuerst k e i n e r l e i R e a k t i o n; dann, nach ca. x/2 Minute, maeht Kind einigo Schmeek- und Kaubewegungen. I)er Versuch mit Chinir~ verl/iuft genau ebenso, auch bei einem nochmaligen Aufstreuen auf die Zunge.

S e h r g r e b e S c h r e c k h a f t i g k e i t ; es zuckt bei Ann~herung, Beriihrung uncl Ger/iusehen jedesmal kurz zusammen. Dabei e r h e b t es d i e A r m e und dreht den Kopf hin und her. 0fters treten dabei f i b r i l l a r e Z u c k u n g e n , sowie l ~ y s t a g - m u s auf.

Trotz sorgf/~Itiger Hautpflege sende~ Kind einen w i d e r l i e h e n G e r u c h aus, besonders die H/~nde und Ftille. Diese sind insgesamt leieht ( i d e m a t S s , abet nich$

mehr so stark wie am 27. Damals waren sic e i s k a l t , s t a r k g e s c h w o l l e n u n d s t i n k e n d . Die Haut ist heute lederartig, blaBbr/iunlieh, stellenweise fleekig rot.

Es besteht eine a b s o l u t e M u s k e l s e h l a f f h e i t , d e r K o p f i s t v f l l i g h a l t l o s . Urin: o. ]3.

L u m b a l p u n k t i o n : Unter normalem Druck entleert sich ktarer Liquor.

9. XII. L u m b a l p u n k t i o n : 20cm Druck (Wasser); nach Ablassen yon 20 ecm noch 8 cm Druck. Eiweil]gehalt: Essigs~ure-Koehprobe: negativ. Essig- s/~ure-Ferrocyankali: Spur. Zueker ( F e h l i n g ) : positiv. Sediment: o. B.

18. XII. L u m bal p u n k t i o n: 22 em, naeh Ablassen yon 25 ccm noch 8 cm Druck. EiweiBgehalt: Kochprobe: negativ; Essigs/iure-Ferroeyankali: Spur.

Zucker: positiv. Sediment: o. B.

19. XII. Gewicht: 8,210 ( - - 3,74) kg, L/~nge 85 (-[- 2) era, Umfang des Kopfes 51 cm, der Brust 49,5 cm, des Leibes 47,5 era.

22. XII. Zwischen teilnahmslosem Hind~mmern zeitweise p l S t z l i c h e s A u f - s e h r e i e n oder Jammern, das bald spontan aufhSrt.

8. L L u m b a l p u n k t i o n : 28 cm, naeh Ablassen yon 13 ccm 8--9 cm I)ruck.

Liquor klar, wie immer. Eiweil~: positiv (Koch- und Ferrocyankaliprobe), Zueker:

negativ.

13. L L u m b a l p u n k t i o n : 25 em Druck. EiweiI~ deutlich vermehrt. Zueker:

negativ. Sediment: o. ]3.

15. I. I m Befinden des Kindes ist keinerlei Anderung eingetreten. Wird un- geheilt in eine Idiotenanstalt entlassen.

Am 28. IV. 15 ist es dort anseheinend an Masern gestorben (nach einer Mit- teitung des Vaters), 24/12 Jahre alL.

II.

W., J o h a n n a , 716/1917. Geboren 3. VII. 16, aufgenommen 7. X. 17; ge- storben 1. H. 19.

Dieses K i n d i s t d e s h a l b b e s o n d e r s i n t e r e s s a n t , w e l l es w o h l d e r b i s j e t z t a m l ~ n g s t e n b e o b a c h t e t e F a l l y o n f a m i l i ~ r e r a m a u r o t i s c h e r

(16)

182 A. Dollinger: Zur Klinik der infantilen Form

I d i o t i e ( i n f a n t i l e F o r m ) sein dtirfte. Obwohl bei d e r A u f n a h m e d a s K r ~ n k h e i t s b i l d schon r o l l a u s g e p r i i g t war, g e l a n g es d u r c h a u f o p f e r n d s t e Pflege, d a s K i n d n o e h f a s t 16 M o n a t e a m L e b e n z u e r h a l t e n . Von der z w e i t e n H~lfte des e r s t e n M o n a t s w u r d e es teilweise, e i n volles J a h r aus- schliel31ich m i t d e r S o n d e erni~hrt, soweit es fltissige K o s t erhielt. Brei k o n n t e bis z u m Tode, w e n n a u c h u n t e r grol3er Mtihe y o n seiten der pfle- g e n d e n P e r s o n e n , so g e g e b e n w e r d e n .

V i e l l e i c h t i s t d e r p a t h o l o g i s c h - a n a t o m i s c h e B e f u n d , d e r v o l l s t ~ n d i g y o n d e m s o n s t i g e n a b w e i c h t (vgl. Text), a u f d i e s e l a n g e D a u e r d e r K r a n k h e i t z u r i i c k z u f t i h r e n u n d s e l l t e i n e n E n d z u s t a n d d a r , d e r b e i d e n b i s j e t z t z u r S e k - t i o n g e l a n g t e n F ~ l l e n e b e n w e g e n d e s v o r z e i t i g e n T o d e s n i c h t e r r e i c h t w e r d e n k o n n t e .

A u f n a h m e - u n d E n t l a s s u n g s d i a g n o s e : Infantile Form der familii~ren amaurotischen Idiotie.

A n a m n e s e (v. d. Eltern): Vater 43 Jahre, Mutter 34 Jahre.

Beide gesund, keine Blutsverwandtschaft. Keine famili~ren, insbesonders keine Nervenkrankheiten.

Erstes und einziges Kind; keine Friih- oder Fehlgeburten.

Ausgetragen, nach normaler Schwangersehaft normal zu Hause geboren. Ge- burtsgewicht ca. 41/2 Pfund.

l0 Monate yon einer A m me gestillt, wegen Hohlwarzen der Mutter. Mit 6 Mo- naten Griei~brei, mit 7 Monaten Gemiise. Vom 10. Monat ab Halbmilch, die Menge der Milch allmghlich ansteigend. War ~del obstipiert.

Als Kind Halbmilch erhielt, litt es 2--3 Tage an starkem Durchfall, der rnit Eiweil3milch behandelt in wenigen Tagen abgeheilt war.

Keine weiteren, insbesondere keine infektiSsen Erkrankungen.

S e i t dieser Ern~hrungsstSrung im 10. M o n a t macht - - nach Angaben der Elt~rn - - das Kind k6rperlich und geistig keina Fortsehritte mehr, im Gegenteil, es richter sieh nicht mehr wie friiher hoch, lallt nicht mehr. Der Hausarzt ver- ordnete deshalb Phosphortebertran und Kalk, sowie Pillen. Da keine Besserung eintrat, Anfnahme ins Haus.

A u f n a h m e s t a t u s : Gewicht 8,730 kg ( - - 1,720), Li~nge 77 em (~: 0), Urn- fang des Kopfes 46,5, der Brust 46, des Leibes 42,5 cm.

I n der L~nge etwas, im Gewicht deutlieh zurtickgebliebenes Kind, jedoeh yon kr~ftigem K6rperbau und ohne Zeichen yon Abmagerung; Fettpolster sogar ziemlich reichlieh; Muskulatur yon gutem Tonus.

Votlkommene T e i l n a h m s l o s i g k e i t wechselt mit u n m o t i v i e r t e n F r e u - d e n ~ u s b r i i c h e n ab. - - Der Gesiehtsausdruck ist stumpf, das Mienenspiel fast.

v611ig erloschen, der Blick ins Leere geriehtet. Auf vorgehaltene Gegenstiinde r e a g i e r t das Kind i n k e i n e r ~Veise, f i x i e r t n i e h t , g r e i f t n i c h t danaeh.

Kopf: Fontanelle geschlossen, keine Craniotabes. Augen: P u p i l l e n sehr weir mit t r i i g e r R e a k t i o n anf Belichtung. 0hren, Nase, Mund: o.B. Haut: blagweil3, mit gutem Turgor. Drtisen: o. ]3.

(17)

der familittren amaurotischen Idiotie (Tay-Sachs). 1 8 3 Brustkorb: normal gehaut und gewSlht. Kein Rosenkranz. Herz: normale Grenzen, reine T6ne, normale Aktion. Lunge; o. B.

Leib: I n Thoraxniveau. Milz, Leber; o. B.

Extremitaten: Geringe S p a s m e n ; R e f l e x e g e s t e i g e r t . Urin: o. B. Stuhh angehalten.

W a s s er m a n n sche Reaktion: Negativ.

V e r l a u f : A u g e n u n t e r s u e h u ng (Dr. M ii h s a m ) : Augen reizlos, ~ul3erlieh normal. Pupillen (unter Homatropin) maximal erweitert. Die Augen sind in st~n- diger Bewegung. Wenn sie in eine extreme Stellung geraten sind, werden sie mit einer merkwiirdigen ruckartigen Bewegung in eine mittlere Lage zuriickgebracht. - - Die brechenden Medien sind k]ar. - - Hintergrund entsprechend der Haaffarbe hell.

Papillen scharf begrenzt, milchwei/L Die Gegend der Makula wird dutch eine fast runde, mattweifle Sehelbe eingenommen, in deren Zentrum ein kleiner - - durch Kontrastwirkung - - kirsehroter Fleck erseheint.

2. XI. Kind sehr s c h r e c k h a f ~ .

15. XI. L u m b a l p u n k t i o n : 60 em (Wasser) D r u e k . I m Befinden ist keinerlei Jimder~ng eingetreten.

22. X I I . K l o n i s e h - t o n i s e h e K r a m p f e d e r A r m e , B e i n e u n d i m G e - s i c h t . Beide HH~nde werden dauernd in tonischer Krampfstellung gehalten.

27. X I I . Wieder K r a m p f e von ca. 2 Minuten Dauer.

30. X I I . K r ~ t m p f e yon derselben Art und Dauer.

6. I. 18. Geringe klonisehe K rii m p f e in der linken H a n d beobaehtet.

8. I. Gewieht: 8,810kg ( - - 2,140), L~nge: 79 em (--~ 0), U m f a n g des Kopfes:

47,5, der Brust 45,5, des Leibes 42 cm.

T e m p e r a t u r bewegt sieh um ca. 36,8 ° als Durchsehnitt. - - Urin: o. B.

10. I. Das Befinden des Kindes hat sieh im allgemeinen versehleehtert (bei normaler L~nge jetzt ein Untergewieht yon 2,149 kg, gegen 1,720 kg vor 1/4 Jahr).

Die Untersuchung des A u g e n h i n t e r g r u n d e s (Dr. M ii h s a m) ergibt keine Veriinderung gegeniiber dem Befunde vom 9. X. 17.

7. II. Das Befinden versehlechtert sich langsam. Kind ist vieI apathischer.

I-Ii~nde i n d a u e r n d e r K r a m p f s t e l l u n g .

20. I I I . Befinden unver~ndert; Kind liegt meist in tiefem Sopor. - - H~nde in Krampfstellung, auf Druck unempfindlich; F i i B e s t a r k h y p e r ~ s t h e ~ i s e h . Ohren laufen. Kind s e h r e i t z u w e i l e n unmotivier¢ a u f .

15. IV. D e r K o p f w i r d groB. Die N~hte sind iiberall aufgelockert; leiehte D a u e r s p a s m e n i n d e n A r m e n u n d B e i n e n . Die linke H a n d st~ndig in Krallenstellung, an der rechten weniger ausgepr~igt. Die Finger lassen sich jedoch verh~ltnism~13ig leicht strecken.

1. V. Weiterer Verfall. Krallenstellung beider H~nde; S t e i f i g k e i t d e r B e i n e . Liegt dauernd rulfig da; stShnt viel; Atmung tier und unregelm~Big.

L u m b a l p u n k t i o n : D r u e k 80 cm (?). Es werden 60 eem klaren Liquors abgelassen.

3. V. Gewicht 9,730 kg ( - - 1,970), L~nge 82 cm (::~: 0), Umfang des Kopfes 54, der Brust 48, des Leibes 43 cm.

T e m p e r a t u r bewegt sieh naeh zweiwSchentlichen subfebrilen Graden an- fangs Februar z w i s c h e n 37,1 u n d 36,4 °. - - Urin: hell, klar, sauer. EiweiB und Zueker: negativ.

(18)

1 8 4 A. Dollinger: Zur Klinik der infantilen Form

25. V. Erscheinungen yon G e h i r n d r u e k . Alle Nahte, besonders des Hinter- hauptes stark aufgelockert. Pupillen sehr welt. Dcutlicher H y d r o c e p h a l u s (Umfang am 3. V. 54 cm). Z u c k u n g e n in den krallenartig verkrampften H/~nden.

Starker N y s t a g m u s h o r i z o n t a l i s . Fortschreitender Vcrfall.

L u m b a l p u n k t i o n : Es entleeren sich unter s e h r h o h e m D r u c k ca. 80 ccm wasserklaren Liquors.

30. VII. Allm/~hlicher weiterer Verfall. L u m b a l p u n k t i o n ergibt unter geringem Druek nur wcnige Kubikzcntimer klaren Liquors.

3. VIII. Gewicht 8,600 kg ( - - 3,1), L/i~lge 82 cm ( - - 2,5), Umfang des Kopfes 53,3, der Brust 45,8, des Leibes 39 cm.

T e m p e r a t u r e n bewegen sich u m 36,6 ° als Mittelpunkt.

Urin: Hell, klar, sauer.

Eiweil3, Zucker: negativ. Sediment: o. B.

17. IX. Seit 21/~ Wochen trotz W/~rmflaschen U n t e r t e m p e r a t u r e n zwischen 36,6 und 35,2 °. Herzaktion regelm/~l~ig, etwas verlangsamt.

S t a t u s am 20. IX. K o p f w a c h s t b e s t a n d i g , n a m e n t l i c h n a c h h i n t e n . GreBe Fontanelle markstiickgroB. Blick starT, P u p i l l e n r e a g i e r e n n i e h t . N y s t a g m u s horizontalis und verticalis. Kind tiegt dauernd auf der rechten Ge- sichtsseite.

Herzaktion regelm/iBig, TSne rein.

Leib kahnfSrmig eingesunken.

Deformit~t dcr linken Hand unverKndert. W/~hrend der Untersuchung treten in der rechten Hand klonische Z u c k u n g e n auf. I n d e n A r m e n b e s t e h t aut3erdem D a u e r s p a s m u s . Die Fii6e befinden sich in Equinovarusstellung.

Bei B e r i i h r u n g d e r B e i n e t r e t e n s o f o r t a l l g e m e i n e k l o n i s e h e Z u e k u n - g e n i m g a n z e n K S r p e r auf. Patellarreflexe gesteigert; Babinski links -4-, rechts --. ~'acialisph/~nomcn beidcrseits stark H--

W~hrend der ganzen Untersuchung wimmert das Kind mit kt~glieher Stimme.

2. X. Befinden unver/indert. D i e r e e h t e H a n d , vor allem der Zeigefinger, ist diffus g e s c h w o l l e n . Die Hand wird in Beugekontraktur gehalten.

12. X. Starke Spasmen in H/inden, Armen und Beinen. Die H&nde werden krampfhaft zur Faust gcballt und sind 5 d e m a t S s .

3. XI. Gewicht 8,250 kg (~-- 3,7), L~nge 83 cm ( - - 3,5), Umfang des Kopfes 55, der Brust 47, des Leibes 39,5 cm.

Temperaturen um 36,3 °.

15. XI. A u g e n s p i e g e l b e f u n d : P u p i l l e n sehaff begrenzt, g a n z weiB;

d i e G e g e n d d e r M a c u l a i s t v o n d e r s e l b e n F a r b e wie d e r i i b r i g e H i n t e r - g r u n d , d e r F l e c k e n i n d e r M i t r e d e r s e l b e n i s t m a t t rosa.

20. XI. Bei Beriihrung des Kindcs treten klonische Zuckungen auf.

S t a t u s am 30. XII. Seizmm Alter entsprechend langes Kind in reduziertem, aber nicht hochgradig schlechtem Ern/ihrungszustand, yon sehr gracilem Knochen- bau, iiberaus diirftiger Muskulatur und sehr geringcm Fettpolster.

Das Kind licgt jetzt, w/~hrend der Untersuchung, m i t s e n k r e e h t n a c h a u f - w a r t s g e r i e h t e t e n A r m e n und gekreuzten.Unterschenkeln. Der Kopf ist nach rechts gewandt, beim Aufrichten wackelt er haltlos bin und her und ist nach allen Seiten aueh passiv, jedoch nut mit Ubcrwindung eines gewissen Widerstandes (Spas- men der Nackenmuskulatur) frei beweglich. Die Atemmuskulatur, einschtieBlicR

(19)

der familiiiren amaurotischen Idiotie (Tay-Sachs). 185 des Zwerchfells, scheint normal zu funktionieren. Sitzen und Stehen vbllig un- mSgrich. ])ie Muskulatur der Beine ist schlaff, die der Arme dagegen hochgradig spastisch, so dal~ im Ellbogen nur mit grot3er ~Iiihe gebeugt werden kann.

Auffallend ist besonders die eigentiimliche Stellung der H~nde und ]?iil3e. ])er rechte Unterarm ist nach auBen rotiert, die Hand stark dorsatflektiert, die Finger zur Faust geballt, der ])aumen liegt zwischen 2. und 3. Finger. Ein ()ffnen der Hand ist nur schwer m6grich; unmSglich eine vSlrige Streckung der Finger in den Grundgelenken. ]:)as Hand- und Ellbogengelenk sind, wenn auch mit einem ge- wissen Widerstand, frei bewegrich. ])er linke Unterarm ist ebenfalls nach auflen rotiert, die Hand im Handgelenk maximal gebeugt. ])ie Finger sind in den Grtmd- gelenken derartig stark iiberstreckt, dab besonders der 4. und 5. Finger durch eine tiefe Hautfalte yore Handriicken getrennt sind. ])ie 2. und 3. Phalange sind stark gebeugt, der ])aumen im ganzen gestreckt und opponiert.

B e i d e H ~ n d e sind infolge der umlatiirrichen Stellung s t a r k g e r S t e t u n d 5 d e m a t b s .

I)as linke Ellbogengclel~k ist frei bewegrich, das Handgelenk vSlrig versteift. Knie- gelenke beiderseits frei beweglich. I m ]?uBgelenk besteht rechts Plantarflexion und Abduktion; passiv ist es bew~grich. ])ie Zehen sind ebenfalls plantarflektiert.

])as linke ]?ul3gelenk ist nur schwer bewegrich, die ])orsalflexion ist nicht ganz his zur Horizontalen m6glich. ])ie Groi3zehe wird spontan bewegt; schaut meist nach aufw~rts (])auerbabinski); die iibrigen Zehen sind plantarflektiert.

Besonders die d i s t a l e n T e i l e d e r FiiBe s i n d g e r S t e t u n d e t w a s 6 d e m a t S s . ])ie Beweglichkeit in den Schulter- und Hiiftgelenken ist normal.

])as Kind ]iegt dauernd vollkommen teilnahmslos in der oben geschilderten Weise in seinem Bette. Der Kopf ist in den Nacken gebeugt; die Augen stehen offen, der leere Brick ist nach oben gerichtet. ]?fir gewShnrich wird kein Nystag- mus, auch kein Schielen bemerkt. ])er Mund wird geschlossen gehalten.

Tiigl]ch 20--30 real - - sobald man sich mit dem Kinde beschiiftigt - - t r e t e n k r a m p f h a f t e Z u s t a n d e atff, vereinzelt jedoch auch vbllig spontan, besonders in der letzten Zeit. ])ieselben beginnen mit beschteunigter und vertieftcr Atmung;

dann einige Zuckungen in der Gesichts- und Halsmuskulatur, die Augen werden stark nach rechts gewandt. I n d e n A r me n zuerst leichte Zuckungen, dann t ri t t t o n i s c h e r K r a m p f e i n , i n d e m sie z i t t e r n d s e n k r e c h t n a c h o b e n ge- s t r e c k t w e r d e n . ])ies dauert ungefghr 1/2 bis h6chstens 2 Minuten. Hicrauf Nystagmus horizontalis nach rechts. ])ie im AnfaU aufeinandergepreBten Lippen 6ffnen sich, blasiger Speichel tritt vor den Mund. Langsam kehrt die versti~rkte Atmung zur Norm zuriick. A u ~ ~ hrampfhafte Zuckungen in der Riicken- muskulatur, vielleicht auch des Zwerchfells werden beobachtet.

Gesicht: ])as Kind f i x i e r t n i c h t .

Gehbr: A u f S c h a l l r e i z e a b n o r m e S c h r e c k h a f t i g k e i t , so dal3 dadurch meist Krampfaldi~lle ausgelSst werden.

G e s c h m a c k : Beim EinflSBen einiger Tropfen konzentrierter Chininauf- schwemmung treten nach a/~ Minute Kaubewegungen auf sowie starke Sali- vation. Keine Abwehrreaktion. Dasselbe bei Zuckerlbsungen, abet ohne Speichelflufl.

Nahrungsaufnahme: Essen geht teilweise leidlich gut. ])a Kind keinerlei Saugbewegungen macht und bei Fiitterung mit dem LSffel die Milch zum Munde herausfrieBen tiiI3t, mul3 es dauernd sondiert werden.

(20)

1 8 6 A. Dollinger: Zur Klinik der infantilen Form

Die H a u t ist sehr blaB, von m/il3igen Turgor, 1/iBt sich in groBen Falten abheben und fiihlt sich trocken an. D a s K i n d sender einen w i d e r l i c h e n G e r u c h aus, der an den starker SchweiBfiiBe erinnert.

Driisen o. B., nur die Unterkieferdriisen etwas vergr6Bert.

Kopf: Der S c h a d e l hat eine eigentiimliche langgestreckte F o r m und ist s t a r k a s y m m e t r i s c h, die linke H~lfte ist um mindestens 2 - - 3 em l~nger als die reehte (Kind liegt dauernd auf der rechten Seite). Die Lambdanaht ist deutlieh zu fiihlen, der lit~ke Schenkel klafft ca. 1/2 cm; der rechte ist verwaehsen. Die kleine Fontanelle ist fingerkuppengrol~, die groBe 21/2 cm breit, 31/2 cm lang und liegt unter Seh~delniveau, ist aber gut gespannt. Keine Stirnh6eker, keine Augen- brauenwiilste. Das reichliche H a a r ist ca. 3 0 4 0 cm lang. Gesichtsfarbe blaB;

absolut ausdruekslose Physiognomie, keinerlei Mienenspiel.

Augen: P u p i l l e n m a x i m a l e r w e i t e r t , v S l l i g l i e h t s t a r r . Die Bindehaut rechts ist stark ger6tet, die Augen jeden Morgen voll Eiter. I m inneren oberen Quadranten der rechten Sctera starke Gef/~t~injektion, am Hornhautrand ein phlykt/inenartiges Gebilde, zu dem die erweiterten Gef~Be hinziehen.

Die rechte Ohrmusehel, auf der das Kind dauernd liegt, ist stark deformiert, teilweise ulzerOs, der GehSrgang fast zugeschwollen.

7. 2. 19. Kind

21/2

J a h r e alt.

Gewicht 8,120 kg (--4,080), L/~nge 84 em ( - - 2), Umfang des Kopfes 53, der Brust 46, des Leibes 42 cm.

Die K S r p e r t e m p e r a t u r bewegt sich in den letzten 2 Wochen z w i s c h e n 36,4 u n d 35,5°.

Urin: o . B .

28. I. Seit einigen Tagen h u s t e t Kind sehr stark, b r i e h t sehr viel. Heute besonders s t a r k e U n t e r t e m p e r a t u r e n ; mittags 34,9 °. Seit letzter Nacht st6hnt Kind fast dauernd. Das Erbrochene enth~lt viel streifiges Blur. K r ~ m p f e treten jetzt noch h/~ufiger auf wie frtiher.

30. I. F o r t s e t z u ng d e s S t a t u s vom 30. X I L Mund dauernd leicht geSffnet;

Lippen sehr blab; Zunge weiBlich belegt. Tonsillen gerStet.

Brustkorb: flach, symmetrisch. Sehwertfortsatz einw~rts gebogen. Deutlieher Rosenkranz. Starre Rippen. Atmung, in krampffreier Zeit leicht besehleunigt, zeigt vorwiegend abdominalen Typus. Lungen: o.B. Herz: Grenzen normal, Aktion beschleunigt, unregelmEBig, zwischen 95 und 110, TSne rein. Puls sehr weehselnd in Spannung und Fiillung, wEhrend der KrampfanfElle kaum zu fiihlen.

Leib unter Thoraxniveau; Decken sehr diinn; Leber und Milz: o.B. Genitale nnd After: o . B .

Die Wirbels/~ule zeigt im oberen Brustanteil eine leichte Kyphose mit cnt- sprechender Gegenkriimmung in der Lendenwirbels~ule. Die Extremit/~ten sind frei von rachitischen Ver/inderungen.

Sensibilit/~t: Auf Nadelstiehe am Stamm und an den Armen erfolgen keinerlei Abwehrbewegungen, hingegen st6hnt das Kind und bekommt Kr~mpfe.

Reflexe: Patellarreflexe beiderseits nicht auslSsbar. B e i B e s t r e i c h e n d e r F u B s o h l e ger/~t d a s B e i n , b e s o n d e r s d e r F u B , i n h e f t i g s t e k l o n i s e h e Z u e k u n g e n; Babinski dabei positiv. Der in der tiblichen Weise leicht auslSsbare FuBklonus ist ungemein heftig und langdauernd. Oppenheim negativ; Bauch- deekenreflex tiberall vorhanden, rechts unten besonders stark. Kein Kernig.

(21)

der familfiiren amaurotiscben Idiotie (Tay-Sachs). 187 Facialisph~nomen im Mundanteil kaum, im Augenanteil deutlich vorhanden.

Achillessehnenreflex nicht ausl6sbar.

31. I. Vorgestern Magenspiilung, dieselbe f6rderte stark saute, stinkende Massen zutage. Erbrechen besteht unver/~ndert fort. Dauernd Reizhusten. l~achen und Lungen o. B.

1. II. Dauernd heftigstes Erbrechen. Seit einigen Tagen Nghrklysmen.

Gegen 21/2 Uhr nachmittags veff/illt Kind rapid und stirbt 31/4 Uhr nach- mittags, 27/12 Jahre alt.

S e k t i o n (3. II., Dr. Y l p p 5 ) . Nur Sch/~delsektion gestattet.

Sch~del unfSrmig groB und sehr a s y m m e t r i s c h . Fontanelle etwa 2 × 2 cm, die Sagittalnaht noch often. S c h ~ d e l d a c h allein wiegt 230 g (Sggelinie dicht ober- halb des Ohrmuschelansatzes). SchAdelknochen hart, nicht verdickt. Beim ()ffnen des Sch/tdels flieBen einige Tropfen leiehtgetriibter Fliissigkeit ab. Die Gehirnober- fl~che nirgends mit der Dura verwachsen. D a s G e h i r n a u f f a l l e n d g r o B ,

1690 (!)

gr. Fia iiberall grau, triibe, besonders in den Sulei verdickt, bis 3 mm stark.

D i e G e h i r n s u b s t a n z . f i i h l t sich iiberall m e r k w i i r d i g h a r t , g e r a d e z u h o l z i g an. Gefrorene Stellen kan~l man nirgends naehweisen (Leiehe lag bei Frost 2 Tage im Leichenhaus). Auf dem Sehnitt zeigt sich, dab die harte Besehaffenheit sich lediglich auf die R i n d e beschr~nkt. I)iese ist ca. 3 mm d i c k , m a k r 0 s k o - p i s c h a u f f a l l e n d blaI3 u n d g e h t n a e h i n n e n z u a l l m i ~ h l i e h i n e i n e w e i ch e, g l a s i g - s c h l e i m i g e M a r k s u b s t a n z fiber, die sich mit dem Messer- riicken abstreifen l~l~t. Am ausgepr~gtesten scheint diese Erweichung im linken Occipitallappen, am geringsten im rechten Frontallappen zu sein. (Nur an diesen beiden Stellen werden Schnitte angelegt, im tibrigen wird das Gehirn unversehrt gelassen. )

Das K l e i n h i r n macht einen auffallend h o l z i g e n E i n d r u c k ; die Mark- substanz ist hier nicht erweicht. Die Basis des Gehirns zeigt keine Besonderheiten.

Die beiden Seitenventrikel sind nur in geringem Grade dilatiert, an der breitesten Stelle ca. 21/2 cm mit. Beide Augen werden zur histologischen Untersuehung auf- bewahrt.

iN. B. Nach der Sektion fiihlte sieh die Gehirnsubstanz weniger hart und derb an (war also doeh etwas gefroren).

Das gauze Gehiru wurde an das neuro-biologisehe Institut (Prof. B i e l - s c h o w s k y) zwecks genauer histologischer Untersuchung geschickt.

Prof. B i e l s c h o w s k y an Prof. L a n g s t e i n , am 8. II. 19.

,,Bei der makroskopischen Betrachtung des mir aus Ihrem Institut iiber- gebenen Cerebrums treten auBer der Atrophie der Nervi und Traetus optici zwei pathologische Befunde deutlich hervor: E r s t e n s eine hochgradige Destruktion bzw. Aplasie des gesamten MarkkSrpers der GroBhirnhemisph~ren. In dieser Be- ziehung besteht eine weitgehende Ahnlichkeit mit denjenigen F~llez~, welche von M e r z b a c h e r als Aplasia extracortiealis congenita besehrieben worden sind. Es haudelt sieh bei ihnen um eine seltene Form der Heredodegeneration des Zentral- organs. Z w e i t e n s besteht eine hochgra~tige atrophische Selerose des ganzen Kteinhirns. Einen Khnliehen Befund habe ich bei mehreren Kindern ein und der- selben Familie beschrieben, bei welchen, wie in Ihrem Falle, die klinischen (und hi,~tologischen) Zeiehen der amaurotischen Idiotie vorhanden w a r e n . . . Sollten

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

März 2012 vergaben das Rekto- rat und das Büro für Gleichstellung und Frauenförderung der TU Graz erstmals zehn Mobilitätsstipendien zur Förderung des weiblichen

Kehrmann: Die Gäste-Block- Sicherung muss gewährleistet sein. Das heißt zunächst ein- mal ein Ausbau des Stadions. Künftig wird es einen eigenen Gästebereich mit Toiletten,

Es muss aber nicht mal Afrika oder Asien sein, auch bei Reisen nach Südeu- ropa kommen Durchfallerkran- kungen, aber auch grippale In- fekte häufiger vor.. Die Zahlen hatte ich

«Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diejenigen, die kommen, sehr wissbegierig sind, und daraus entwickeln sich dann sehr gute Gespräche.» Damit alle Besucherinnen und

Von diesem Problem und anderen erzählen europäische Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus Italien, Deutschland, Griechenland und Spanien in teils eindringlich-ernstem,

wie alle Mäuse aus Der kleine Finger wird gezeigt hat zwei Ohren soooo klein, Ohren ganz klein anzeigen ein Näschen soooo platt, Nase mit der Hand

Oder eine Prinzessin mit ganz hoher Stimme und ganz zart aufstampfen. Man kann verschieden Charakter in diesem

Agroscope freut sich seinerseits, dass das Weingut Reb- halde auch nach über 40 Jahren weiterhin als Meldebetrieb einen konstruktiven Bei- trag für Forschung und Praxis liefern