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Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - Kein Anspruch auf Genehmigung der Humanistischen Schule vom 24.04.2012

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Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen

OVG: 2 A 271/10 (VG: 1 K 1209/09)

Niedergelegt in unvollständiger Fassung auf der Geschäftsstelle am 08.05.2012

gez. Bothe

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Im Namen des Volkes!

Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch die Richterin Meyer, Richter Dr. Grundmann und Richterin Dr. Jörgensen sowie die ehrenamtliche Richterin Yvonne Kranz und den ehrenamtlichen Richter Burghard Niederquell aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2012 für Recht erkannt:

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bremen - 1. Kammer - vom 24.02.2010 wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger kön- nen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des je- weils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d

Die Kläger beabsichtigen die Errichtung und den Betrieb einer humanistischen Schule mit den Jahr- gangsstufen 1 bis 10.

Die Klägerin zu 1. ist Mutter eines grundschulpflichtigen Kindes und Mitglied des Humanistischen Ver- bandes Bremen e. V. – dem Kläger zu 2. -, der als Landesverband dem Humanistischen Verband Deutschland angehört.

Mit Schreiben vom 17.12.2008 beantragten die Klägerin zu 1. und die Humanistisches Sozialwerk Norddeutschland gGmbH (HSW gGmbH) die Genehmigung zum Betrieb einer privaten Weltanschau-

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Interessenbekundungen für den Besuch der geplanten Schule von 11 weiteren Erziehungsberechtig- ten/Eltern, von denen sechs Mitglieder des Klägers zu 2. sind, und ein von der Klägerin zu 1. erarbeite- tes 48-seitiges Schulkonzept vor. Wirtschaftliche und organisatorische Trägerin der Humanistischen Schule Bremen soll die HSW gGmbH mit Sitz in Hannover werden, die zu 100% von dem Kläger zu 2.

und dem Landesverband Niedersachsen des HVD getragen wird. Für die weltanschauliche und päda- gogische Ausrichtung soll der der Kläger zu 2. verantwortlich sein.

Mit Schreiben vom 18.03.2009 teilte die Beklagte als Zwischennachricht mit, dass die Voraussetzung zur Errichtung einer privaten Humanistischen Schule als Weltanschauungsschule, was die verfassungs- rechtliche Zulässigkeit nach Art. 7 Abs. 5 GG und § 6 Bremisches Privatschulgesetz anbelange, im Grundsatz als gegeben angesehen werde. Damit sei noch keine Genehmigung zum Betrieb der Schule verbunden. Mit weiterem Schreiben vom 18.04.2009 teilte die Beklagte mit, dass der Aspekt der „Welt- anschauungsgemeinschaft“ zu vertiefen sei. Eine Gesamtbewertung werde insofern erst nach Auswer- tung eines noch zu beauftragenden Gutachtens möglich sein.

Mit Bescheid vom 29.01.2010 lehnte die Senatorin für Bildung und Wissenschaft, nach Einholung eines Gutachtens zu Rechtsfragen der Genehmigung einer Weltanschauungsgrundschule, den Antrag ab.

Unabhängig davon, ob der HVD als Weltanschauungsgemeinschaft zu betrachten sei, fehle es an einer Prägung der Schule sowie des gesamten Unterrichts durch die Weltanschauung. Das Konzept orientie- re sich an dem Konzept der in Bayern zugelassenen Humanistischen Grundschule, verlasse das Kon- zept aber gerade dort, wo die bayerische Schule sich in den beschriebenen Lerninhalten besonders stark um eine weltanschauliche Prägung bemühe. So übernehme das Konzept nicht die Vermittlung von Menschenrechtsfragen und auch nicht das Unterrichtsfach „Humanistische Lebenskunde“. Durch- gängig finde sich in dem Konzept nicht die Vermittlung einer Weltanschauung, sondern im Prinzip die Anregung zur Selbstfindung und Selbstverwirklichung. Welterklärungen würden gleichberechtigt ne- beneinander gestellt und vermittelt. Dies alles entspreche eher einer dem Neutralitätsgebot verpflichte- ten öffentlichen Schule. Die bloße Abwesenheit von Etwas führe aber noch nicht zur Vermittlung einer Weltanschauung. Die Schule müsse Antworten geben auf Fragen nach Ursprung, Sinn und Ziel der Welt und des Lebens der Menschen. Das Konzept der Kläger lasse diese Welterklärungsfragen offen.

Es werde auch an keiner Stelle deutlich, ob und in welcher Weise gewährleistet sei, dass Elternschaft, Schüler und Lehrer eine gemeinsame weltanschauliche Überzeugung hätten oder annehmen wollten.

Die Elemente des pädagogisch-inhaltlichen Konzepts würden keine Prägekraft entfalten: Philosophie- ren sei seit längerem Teil einer ganzheitlichen Grundschuldidaktik im werte- und religionspädagogi- schen Lernfeld. Selbstgesteuertes Lernen und ein konstruktivistischer Lernbegriff gehörten zur Grund- legung guten Unterrichts. Das Element der Mathetik sei konstitutiv für die Konzepte sog. Freier Schu- len, es liege aber auch hier eine starke Entsprechung in den Qualitätsstandards der Rahmensetzungen für die Arbeit der bremischen Schulen vor. Die Elemente des pädagogisch-inhaltlichen Konzepts ver- wiesen auf ein Lernkonzept, das erziehungs- und kognitionswissenschaftlich gestützt die Qualitätsstan- dards der Arbeit staatlicher wie privater Schulen bestimme, und auf ein Menschenbild, das ohnehin dem Grundgesetz, der Landesverfassung und den Schulgesetzen unterliege.

Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein, der nicht beschieden worden ist.

Bereits am 27.08.2009 - vor Erlass des Ablehnungsbescheids - haben die Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Dass der Humanismus eine Weltanschauung sei, ergebe sich aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von Herrn Prof. Löwer. Die Schule bekenne sich zur Weltanschauung des Hu- manismus. Für die Frage einer weltanschaulichen Prägung gebe das Gutachten nichts her. Es gebe keine Abweichungen zu dem Konzept der humanistischen Grundschule Fürth. Das Fach „Humanisti- sche Lebenskunde“ werde im vorgelegten Schulkonzept als „Humanistische Werte“ bezeichnet, da es in Bremen Lebenskundeunterricht an den öffentlichen Schulen nicht gebe. Dass die Gesellschaft oder auch staatliche Schulen einige ethische Überzeugungen des Humanismus teilten, mache aus ihnen keine humanistische Gesellschaft bzw. Schule. In der Realität erschienen Gesellschaft und staatliche Schulen eher christlich geprägt. Das Transzendentale wegzulassen, beruhe auf einer grundsätzlich anderen Welt-, Lebens- und Menschenauffassung. Zu einer humanistischen Lebensauffassung gehöre eine ethische Orientierung, die die Vernunft als zur Natur des Menschen gehörig und diesen somit als mündig und von keiner transzendentalen Autorität abhängig sehe. Die Humanistische Pädagogik habe sich im Wesentlichen aus der humanistischen Psychologie und der Reformpädagogik entwickelt. Mitt- lerweile sei sie ein anerkannter wissenschaftlicher Bereich. In Bremen sei beispielsweise das Institut für Humanistische Pädagogik in Schule und Weiterbildung seit 1994 an der Universität Bremen angesie- delt. Die Humanistische Pädagogik gebe Antworten, wie Inhalte und Anliegen der Reformpädagogik umgesetzt werden könnten. Die Schule halte Kontakt zu anderen humanistischen Organisationen. Für die Schüler gebe es eine Anbindung der Schule an den HVD Bremen durch humanistische Feiertage,

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durch Kooperation mit den Schulen in Fürth und Berlin, den humanistischen Kindergärten oder den jungen Humanisten. Lehrer und sonstige Mitarbeiter seien in der Regel Mitglied des HVD. Die meisten Eltern seien Mitglieder im HVD. Humanistische Lebenskunde werde immer wieder als eigenes Projekt sowie als Kurs angeboten. Zudem strahle es in alle anderen Projekte ein und biete die Grundlage, auf der an der Humanistischen Schule gearbeitet und gelebt werde. Im Fach Humanistische Wer- te/Lebenskunde werde altersgemäß eine Grundbildung des Humanismus in Geschichte und Gegenwart vermittelt, aber auch Kenntnisse über Religionen aus humanistischer Sicht, also als Bemühungen von Menschen, Antworten auf existenzielle Fragen zu finden. In den drei Lernfeldern Individuum, Verant- wortung des Menschen für Natur und Gesellschaft sowie Weltdeutung und Menschenbilder würden den Kindern grundlegende Prinzipien humanistischer Lebensorientierung wie Freundschaft, Toleranz und Gleichberechtigung nahe gebracht und somit eine ethisch bestimmte Wirklichkeitsbetrachtung ohne Rückgriff auf religiöse Deutungsmuster aufgezeigt. Methodisch entspreche die große Wahlfreiheit unter den verschiedenen Arbeitsformen der humanistischen Grundauffassung von der Verschiedenartigkeit aber Gleichwertigkeit der Menschen. Humanismus verwirkliche sich gerade in sozialem Handeln und humaner Praxis. Auch das informelle Lernen sei ein wichtiger Baustein. Weit über den eigentlichen Unterricht hinaus würden die Kinder bei der Suche nach Sinn und Orientierung im Leben auf der Grundlage humanistischer Weltanschauung unterstützt.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Senatorin für Bildung und Wissenschaft vom 29.01.2010 zu verpflichten, den Antrag auf Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Humanistischen Schule Bremen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Neben den Gründen, die Eingang in den Ablehnungsbescheid gefunden haben, hat sie vorgetragen, es sei nicht eindeutig, ob der Humanistische Verband sich selbst als Weltanschauungsvereinigung begrei- fe, denn er bezeichne sich auf seiner Homepage zwar als eine Weltanschauungsgemeinschaft, in sei- nem Selbstverständnis erkläre er aber auch, dass das Selbstverständnis des Humanistischen Verban- des keine Doktrin, keine Theorie, keine geschlossene Weltanschauung, kein Bekenntnis sei. Zwar komme das Gutachten von Prof. Löwer zu dem Schluss, dass Humanisten einer Weltanschauungsge- meinschaft angehörten, dieser Schluss komme allerdings angesichts des vorher Beschriebenen über- raschend. Es dränge sich der Eindruck auf, dass sich die Weltanschauungseigenschaft des Humanis- mus zwar nicht mehr explizit erklären lasse, ihn aber alle traditionell dafür hielten. Weitere Vorausset- zung sei, dass die Weltanschauung die Schule sowie den gesamten Unterricht prägen müsse. Diesen Anforderungen werde der Antrag nicht gerecht. In der Gesamtschau verfolge die Humanistische Schule ein offenes, aber kein weltanschauliches Konzept. Weltanschauung verharre in nebulöser Wertevermitt- lung. Die angebotene Methodik sei aus der Konzeption vieler freier Schulen geläufig. Die Strukturprin- zipien des Schulkonzepts fänden sich nahezu vollständig in allen Konzeptionen oder zumindest in den Konzeptionen einiger öffentlicher Schulen wieder oder sie seien den Konzepten sog. Freier Schulen entlehnt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die HSW gGmbH, die zunächst auch geklagt hatte, und der Kläger zu 2. erklärt, dass nur noch die Kläger den Rechtsstreit fortführen.

Die Beklagte hat dem zugestimmt.

Das Verwaltungsgericht Bremen hat die Beklagte mit Urteil vom 24.02.2010 unter Aufhebung des Be- scheides der Senatorin für Bildung und Wissenschaft vom 29.01.2010 verpflichtet, den Antrag auf Ge- nehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer „Humanistischen Schule Bremen“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, weil über den Antrag der Kläger ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht ent- schieden worden sei. Der vom HVD vertretene Humanismus stelle eine Weltanschauung dar. Nach dem Selbstverständnis 2001 des HVD bestehe ein moderner praktischer Humanismus darin, dass Menschen ein selbstbestimmtes und verantwortliches Leben führten und einforderten, ohne sich dabei religiösen Glaubensvorstellungen zu unterwerfen. In den vom HVD im Einzelnen formulierten Grundsätzen sei sowohl eine ganzheitliche Welt-, Lebens-, Sinn- und Werteordnung als auch eine Handlungsanleitung zu erkennen. Aus der Definition einer Weltanschauung ergebe sich nicht, dass

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diese einen Ausschließlichkeitsanspruch erheben müsse. Entscheidend sei vielmehr, dass ein Anhän- ger der Weltanschauung diese für sich selbst als eine Sinn- und Werteordnung mit subjektiv verbindli- chen Handlungsanleitungen begreife. In den oben geschilderten Grundsätzen des HVD sei eine welt- anschauliche Orientierung zu erkennen; aus der Betonung der Verantwortung des einzelnen für Gesell- schaft und Natur ergäben sich zudem moralische Anforderungen an das Handeln. Schließlich erscheine es nicht überzeugend, wenn eine Weltanschauung, deren Grundsätze inzwischen von einem Großteil der Bevölkerung geteilt würden und deren Grundforderungen auch Grundlagen des westlichen Verfas- sungsstaates seien, nur aus diesem Grunde keine Weltanschauung mehr sein solle, zumal die genann- ten Grundforderungen aus einem atheistischen Weltbild resultierten. Nach dem vorgelegten Schulkon- zept werde der Unterricht an der Humanistischen Schule Bremen durch die Weltanschauung des Hu- manismus geprägt. Zum einen nehme das Schulkonzept auf den eigenständigen Bereich der humanis- tischen Pädagogik Bezug, zum anderen ergebe sich die geforderte Prägung aus dem Schulkonzept.

Die Kläger verwiesen auf den eigenständigen Bereich der humanistischen Pädagogik, die ausweislich des Internetauftritts des Instituts für Humanistische Pädagogik in Schule und Weiterbildung an der Uni- versität Bremen den Menschen als eine Leib-Seele-Geist-Ganzheit sehe und von seiner Fähigkeit und Bereitschaft zu selbstverantwortlichem, konstruktivem und sozialem Handeln ausgehe. Sie respektiere seine Wertentscheidungen, achte seine Suche nach einem Lebenssinn und wolle ihn, wenn nötig, in dieser Suche begleiten und unterstützen. In dem vorgelegten Schulkonzept fänden sich hinreichende Bezüge auf die humanistische Weltanschauung und die Prinzipien des Humanismus. Die Betonung von Individualität, Selbständigkeit und Toleranz spiegele sich u. a. in der Mathetik, der inklusiven Pädago- gik, im Lernen durch Selbsttätigkeit, in dem Bestreben, Demokratie zu erlernen, in Lern- und Arbeits- formen, die die Bedürfnisse der einzelnen Kinder berücksichtigten, in unterschiedlichen Lerninhalten je nach den Interessen des Kindes, in kleinen Lerngruppen, damit auf jedes Kind eingegangen werden könne, und auch in dem vorgesehenen flexiblen Tagesablauf wider. Zwar sei der Beklagten zuzugeben, dass diese Gesichtspunkte auch den aktuellen pädagogischen Forderungen entsprechen würden, vor dem Hintergrund der humanistischen Weltanschauung erhielten diese pädagogischen Ansätze jedoch eine weitere, weltanschauliche Facette. Eine Besonderheit der Schule sei das Philosophieren, das im Schulkonzept als eigenständige Lern- und Arbeitsform geführt werde. Die weltanschauliche Prägung erfolge insbesondere durch das im Schulkonzept vorgesehene eigene Fachgebiet „Humanistische Wer- te“. Der Umstand, dass den Schülern eine letztlich offene Auseinandersetzung mit den verschiedenen Weltanschauungen und Religionen angeboten werde, resultiere daraus, dass der Humanismus eben keinen Ausschließlichkeitsanspruch erhebe. Die von der Beklagten hinterfragte Betonung der Men- schenrechte würde sich an zahlreichen Stellen im Schulkonzept finden. Die Kammer vermöge keine grundlegenden Unterschiede des von den Klägern vorgelegten Konzeptes zu den – nahezu identischen – Schulkonzepten der Humanistischen Schulen in Berlin und Fürth zu erkennen. Die Kammer habe keinen Zweifel daran, dass die für die Schulgründung maßgeblichen Personen eine gemeinsame welt- anschauliche Überzeugung hätten.

Gegen diese Entscheidung führt die Beklagte die durch Beschluss des Senats vom 15.10.2010 zuge- lassene Berufung.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, das Verwaltungsgericht habe versäumt zu prüfen, ob die beantragte Schule mit dem bremischen Landesschulrecht vereinbar sei. Insofern seien zwei Mängel zu beklagen: der Genehmigungsantrag gehe von einer sechsjährigen Grundschule aus und definiere nicht, welchen Schultyp die weiteren Klassen bis zur Klasse 10 ersetzen sollen. Außerdem sei dem Schulkonzept nicht zu entnehmen, wie die Lehrstandards erreicht werden können. Nach § 2 Abs.

1 Bremisches Privatschulgesetz seien Ersatzschulen Privatschulen, die den in den §§ 18 bis 31 des bremischen Schulgesetzes genannten Schularten oder Bildungsgängen entsprächen. Eine private Schule, die Ersatzschule sein wolle, müsse den Schultypen entsprechen, die das bremische Schulge- setz vorhalte. Die zu genehmigende Schule solle sechs Grundschulklassen umfassen; dahinter stehe die Prämisse, dass sechsjähriges gemeinsames Lernen von Kindern pädagogisch vorzugswürdig sei.

Zwar könnten Schulen mit der Jahrgangsstufe 1 - 4 beginnen und als Oberschule zum Abitur führen, wobei auf diesem Weg auch ein sechsjähriger zur erweiterten Berufsbildungsreife oder zum mittleren Schulabschluss führender Bildungsgang eingeschlossen sein könne, dennoch müsse eine Zäsur hinter dem vierten Schuljahr gesetzt werden. Ein Anschluss an das bremische Landesschulsystem sei an- sonsten nicht möglich. Bis zur Klasse zehn bleibe zudem unklar, ob eine Oberschulausbildung oder eine gymnasiale Ausbildung ersetzt werden solle. Die alternative Pädagogik setze gewissermaßen als Prämisse, dass ein dortiger Schüler von der ersten bis zur letzten Klasse in dem Schulweg bleibe, so dass Schulgliederungsentscheidungen ignoriert werden könnten. Das Konzept habe zudem den An- schluss an die von der Kultusministerkonferenz neugestaltete "Normativität" der Schule nicht herge- stellt. Dazu, wie die verbindlichen Bildungsstandards für die Grundschule erreicht werden sollen, finde sich in dem Antrag nichts. Die Bildungsstandards seien für alle Schulen verbindlich, da ansonsten nicht

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gewährleistet sei, dass die Privatschule in ihren Lehrleistungen nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehe. Ebenso sei die flexible Einschulung mit dem staatlichen Schulrecht nicht vereinbar, weil dieses bestimmte Beschulungszeiten vorsehe. Diese Spezifika seien für das Gesamtkonzept keines- wegs marginal, so dass darauf nicht mit Nebenbestimmungen zur Genehmigung reagiert werden kön- ne.

Das Verwaltungsgericht stelle zudem nur sehr geringe Anforderungen an die Prägung durch eine Welt- anschauung. Es begnüge sich mit der Feststellung, eine Weltanschauung müsse keinen Ausschließ- lichkeitsanspruch erheben. Die im Ergebnis auch von der Beklagten nicht bestrittene Prämisse, dass der Humanismus wegen seines atheistischen Ausgangspunkts Weltanschauung sein möge, dass aber wegen des nur geringen Verbindlichkeitsgrades notwendigerweise die Prägekraft, die sich als Legitima- tionsvoraussetzung für eine Privatschule dort entfalten müsse, gering sein müsse, werde nicht ange- messen verarbeitet. Das Verwaltungsgericht unterschätze die Legitimationsvoraussetzung der Prägung für die Durchbrechung des staatlichen Schulmonopols. Da beim humanistischen Verband die weltan- schauliche Basis, von der die Prägekraft ausgehen solle, nur schwach ausgebildet sei, sei auch eine hinreichende Prägung für die Schule nicht erkennbar. Die Problematik, die Grundsätze des Humanisti- schen Verbandes als Weltanschauung einzuordnen, liege daran, dass der Humanismus die Autonomie des Menschen, Weg, Weltsicht und Weltdeutung selbst zu finden, begleite, diese Weltsicht aber nicht inhaltlich vorpräge. Es gebe keine Vorprägung weltanschaulicher Art zur Entscheidung von moralischen Konflikten. Was aus den Grundsätzen erkennbar sei, sei ein Konzept der Überzeugtheit davon, dass freiheitliche Selbstentfaltung des Einzelnen möglich sei und dass diese Selbstentfaltung auch ohne transzendentalen Bezug gelinge. Nur in dem atheistischen Grundzug schaffe der Humanistische Ver- band wohl noch die Eigenschaft eines Weltanschauungsverbandes. Der Begriff der Weltanschauung im Rahmen des Art. 7 Abs. 5 GG sei aber eng auszulegen. Die zusammenfassende Beschreibung des Humanismus im Schulkonzept sei nicht mehr als eine Beschreibung der Werteordnung des Grundge- setzes. Das Spezifische des Wahrheitsanspruchs einer Weltanschauung sei im vorgelegten Konzept nicht erkennbar. Wenn Unterscheidbarkeit nicht gegeben sei, könne aber auch eine Prägung nicht fest- gestellt werden. Die schon bei der Erläuterung von Weltanschauungen und Religionen übliche Trias:

Dogma - Ethik - Ritus spiegele sich im vorliegenden Antragstext nicht wieder. Das im Konzept genannte Ziel einer Vermittlung einer humanistischen Lebensauffassung ließe eine weltanschauliche Spezifik vermissen. Die Aussagen zu dem Fach "Humanistische Werte" blieben inhaltlich und strukturell unklar.

Im Gegensatz zum Fachangebot "Humanistische Lebenskunde und Philosophie" im Konzept der hu- manistischen Grundschule Fürth fehlten im Bremer Konzept vor allem Mindeststandards für ein schul- fachliches Angebot. Die Aussagen zu den humanistischen Werten seien bestenfalls als Lehrintentionen zu verstehen, deren Vermittlungsprozesse würden mit umgangssprachlichen Begrifflichkeiten belegt.

Das Konzept verhalte sich auch nicht dazu, wie die Gemeinsamkeiten in personaler Hinsicht sicherge- stellt würden. Im Hinblick auf die Einzelheiten des Schulkonzepts werde deutlich, dass die humanisti- schen Grundsätze deckungsgleich seien mit den Zielen modernen Schulehaltens in der Staatsschule.

Soweit das Urteil Individualität, Selbstständigkeit und Toleranz als Ziel der humanistischen Pädagogik beschreibe, gestehe es zu, dass diese Gesichtspunkte aktuellen pädagogischen Forderungen entspre- chen würden, billige diesen aber eine „weltanschauliche Facette“ zu. Es sei aber die verfassungsrecht- liche Frage, ob solche Konzepte, die sich dicht an den pädagogischen Konzepten der Staatsschule bewegten, wegen ihres Hintergrundes eine genügende Prägung entfalteten, um eine Durchbrechung des Vorrangs der staatlichen Volksschule zu rechtfertigen. Die Frage einer genügenden Prägung werde nicht herausgearbeitet. Gleiches gelte, soweit das Urteil ausführe, ein Bezug des Humanismus zur Weltanschauung sei offensichtlich, wenn den Schülern das Philosophieren in einem Sinne, der reflek- tiertes moralisches und verantwortliches Handeln ermögliche, gelehrt werde. Denn Ziel jedes Philoso- phieunterrichts sei die Reflektion moralischen und verantwortlichen Handelns. Das Fach „Humanisti- sche Lebenskunde“ werde in den Konzepten der genehmigten Grundschulen in Fürth und Berlin Fach besonders hervorgehoben. In Bremen werde es als „Humanistische Werte“ mit anderen Schwerpunkt- bildungen bezeichnet. Beim Fach Philosophieren im Lebenskundeunterricht verschwinde die Lebens- kunde völlig. Den konkreten Unterrichtsanteil für dieses zentrale weltanschauliche Fach habe die Klä- gerin auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts nicht benennen können.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24.02.2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger sind der Auffassung, dass die Anforderungen an die Genehmigung einer Privatschule nicht so überzogen und überdreht werden dürften, dass die Erziehungsberechtigten als Grundrechtsträger de facto die Voraussetzungen und Bedingungen für die Genehmigung einer Weltanschauungsschule nicht erfüllen könnten. Dass vom Humanismus als Weltanschauung getragene Schulkonzept finde sich ent- gegen der Auffassung der Beklagten nicht mit seinen humanistischen Grundsätzen programmatisch vielfach im bremischen öffentlichen Schulwesen wieder. Dass die Lehrziele bzw. Leitprinzipien des vorgelegten Schulkonzepts sich weitgehend mit den Lehr- und Bildungszielen der staatlichen Schule decken würden, finde seinen Grund darin, dass die Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen dürfe. Gerade mit Rücksicht auf die Erfahrungen mit tota- litärer Erziehung an staatlichen Schulen im deutschen Nationalsozialismus hätten die Väter des Grund- gesetzes die Gründung privater Schulen auch als Weltanschauungsschulen ausdrücklich in Art. 7 Abs.

5 GG vorgesehen. Wenn dies aber so sei, dann müssten die Zulassungsvoraussetzungen bzw. Zulas- sungsbeschränkungen auch so ausgestaltet werden, dass es auf Initiative von Erziehungsberechtigten hin überhaupt möglich sei, solche Schulen zu gründen und zu betreiben. Alles andere würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass Weltanschauungen, wie der Humanismus, keine Chance hätten, eine Weltanschauungsschule zu betreiben, während totalitäre Weltanschauungen mit entsprechenden Prä- gungen danach wohl gute Chancen hätten, eine Errichtungs- und Betriebsgenehmigung zu erhalten.

Die dem Schulkonzept zugrunde liegende humanistische Pädagogik und Methodik sei im gerichtlichen Verfahren ausführlich dargelegt worden. Die Lehrinhalte des Fachs „Humanistische Lebenskunde“ in den Grundschulen Fürth und Berlin seien auch Gegenstand des Fachs „Humanistische Werte“. Le- benskunde werde immanent unterrichtet, so dass der Vorwurf, es sei keine bestimmte Stundenzahl für den Lebenskundeunterricht reserviert, nicht greife. Die Neutralität der staatlichen Schulen sei zu hinter- fragen. So würde an einer humanistischen Schule die Bundeswehr nicht zu Werbezwecken eingeladen und es würde auch keine Gottesdienste zur Einschulung geben. Ein neutraler Weltanschauungs- und Religionsunterricht finde an staatlichen Schulen nicht statt, sondern ein christlich geprägter. Die huma- nistische Schule halte Kontakt und kooperiere mit anderen humanistischen Organisationen, wie bei- spielsweise dem Ausbildungsinstitut des Humanistischen Verbandes und der Humanistischen Akade- mie. Für die Schüler erfolge die Anbindung an den Landesverband Bremen. Von der Schule Berlin wer- de der Rahmenplan für das Fach „Humanistische Lebenskunde“ übernommen und mit Fürth bestehe eine Zusammenarbeit bezüglich des Philosophierens mit Kindern. Eltern und Lehrer hätten eine beson- dere Nähe zum Humanismus und teilten diese Weltanschauung. Sie würden den besonderen Stellen- wert und die Funktion des Bereichs "Humanistische Werte" als Grundlage der Schule anerkennen. Die Lehrer, Mitarbeiter und Eltern seien in der Regel Mitglied des HVD. Anvisiert sei eine Zusammenarbeit mit dem 1994 gegründeten Institut für Humanistische Pädagogik in Schule und Weiterbildung. Huma- nistische Werte bzw. Lebenskunde würden immer wieder als eigenes Projekt sowie als Kurs angeboten und strahlten in alle anderen Projekte, Themenangebote sowie in den gesamten Schulalltag aus und bildeten die Grundlage, auf der an der Schule gearbeitet und gelebt werde. Im Fach "Humanistische Werte" würden die Grundideen und Werte des Humanismus vermittelt. Der Unterricht würde eine Grundbildung des Humanismus in Geschichte und Gegenwart, aber auch Kenntnisse über Religionen aus humanistischer Sicht vermitteln. Humanistische Pädagogik wende wissenschaftliche Methoden bei der Behandlung von Themen und der Lösung von Problemen an. Themen der drei Lernfelder Indivi- duum, Verantwortung des Menschen für Natur und Gesellschaft sowie Weltdeutung und Menschenbil- der seien grundlegende Moral- und Sinnfragen, verschiedene Welt- und Menschenbilder sowie Fragen der individuellen Lebensgestaltung und des Zusammenlebens. Die Kinder würden in der Auseinander- setzung mit humanistischen und anderen Lebensorientierungen unterstützt, damit sie eigene Antworten auf fundamentale Fragen ihres Lebens finden. Darunter sei keine Beliebigkeit von Werten zu verstehen, sondern es gehe um begründete, reflektierte Wertvorstellungen, die auf Entscheidungen des Verstan- des beruhten und sich am Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und der Verantwortung für die Ge- meinschaft orientierten. Themen, die die Kinder beschäftigten, würden in einem größeren Themenzu- sammenhang bearbeitet. Dabei gehe es darum, die moralischen Konsequenzen des Handelns für die Menschen und andere Lebewesen aufzuzeigen und an wissenschaftliche Erkenntnisse anzuknüpfen.

Methodisch entspreche die große Wahlfreiheit unter den verschiedenen Arbeitsformen der humanisti- schen Grundauffassung von der Verschiedenartigkeit, aber Gleichwertigkeit der Menschen - eben auch in ihren Lernwegen und Interessen. Eine Besonderheit sei das Philosophieren mit Kindern. Die aktive Auseinandersetzung mit und Verständigung über die Welt sei ein essentieller Bestandteil humanisti- scher Bildung, in dem grundlegende Kompetenzen gefördert bzw. erworben würden. Humanistische Werte würden nicht vorgebetet, sondern im täglichen Umgang miteinander von den Lehrern vorgelebt

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und so von den Schülern erlebt und als unmittelbar sinnvoll erfahren. Die Kläger orientierten sich an den Rahmenlehrplänen, ohne diese deshalb noch einmal vollständig abschreiben zu müssen. Hinsicht- lich der Rahmenlehrpläne gebe es aber keine detaillierten Stoffverteilungspläne, da dies den pädagogi- schen Konzepten widerspreche. Das Kerncurriculum werde aber mit den Interessen der Schüler ver- bunden. Ausreichend sei, dass die Kinder am Ende das Lehrziel erreichten. Zudem bestimme das Pri- vatschulgesetz, dass die Lernstoffe der Privatschulen andere sein könnten. Die Kläger seien jederzeit bereit, ihr Konzept in den Punkten, wo dieses mit dem geltenden Schulsystem nicht hinreichend kom- patibel sei, in der gebotenen Weise anzupassen. Soweit die Beklagte eine Zäsur nach der vierten Klas- se vermisse, sei darauf hinzuweisen, dass ein Schüler jederzeit auf eine andere Schule wechseln kön- ne. Wegen ständiger, politisch motivierter Änderungen sei es schwierig, den passenden Schultyp zu finden; passend erscheine die nun aktuelle Form der Oberschule.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte über ihren Antrag auf Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer „Humanistischen Schule Bremen“ erneut entscheidet. Der Genehmigung der geplanten Schule steht entgegen, dass sie mit der Gesamtkonzeption des Bremer Schulsystems, das von einer 4-jährigen Grundschule ausgeht, nicht zu vereinbaren ist (II.). Zudem fehlt es der Schule an einer weltanschaulichen Prägung (III.)

I.

Rechtsgrundlage für die Erteilung der beantragten Schulgenehmigung ist Art. 7 Abs. 4 und 5 GG i. V.

m. § 2 Abs. 2 und § 6 des Bremischen Privatschulgesetzes (im Folgenden: PrivatschulG) vom 3. Juli 1956 (Brem.GBl. S. 77, zuletzt geändert am 24. 11. 2009, Brem.GBl. S. 536).

Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet das Recht zur Errichtung von privaten Schulen. Kennzeichnend für die Privatschule ist ein Unterricht eigener Prägung, insbesondere im Hinblick auf die Erziehungszie- le, die weltanschauliche Basis, die Lehrmethode und die Lehrinhalte (BVerfGE 27, 195 <200 f.>). Nach Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG bedürfen private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehr- kräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird (Abs. 4 Satz 3).

Darüber hinaus ist nach Art. 7 Abs. 5 GG der Grundschulbereich mit einem besonderen staatlichen Vorrang ausgestattet. Nach Art. 7 Abs. 5 GG ist eine private Volksschule nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erzie- hungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. Mit dem Begriff der Volksschule meint Art. 7 Abs. 5 GG die Grundschule und begreift diese als eine eigenstän- dige Schulart (BVerfG, Beschl. vom 08.06.2011 – 1 BvR 759/08, 1 BvR 733/09 - NVwZ 2011, 1384- 1386). Art. 7 Abs. 5 GG verfolgt den Zweck, die Kinder aller Volksschichten zumindest in den ersten Klassen grundsätzlich zusammenzufassen und private Volks- oder Grundschulen nur zuzulassen, wenn der Vorrang der öffentlichen Schulen aus besonderen Gründen zurücktreten muss. Dahinter steht eine sozialstaatliche und egalitär-demokratischem Gedankengut verpflichtete Absage an Klassen, Stände und sonstige Schichtungen. Es ist ein legitimes Ziel staatlicher Schulpolitik, soziale Reibungen zu ver- meiden, die dadurch entstehen können, dass sich gesellschaftliche Gruppen fremd bleiben (BVerfGE 88, 40 <49 f.>).

Das Bremische Privatschulgesetz übernimmt die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 und 5 GG als Ge- nehmigungsvoraussetzungen. Entsprechend bestimmt § 6 Nr. 2 PrivatschulG, dass die Errichtung einer privaten Volksschule im Sinne des Art. 7 Abs. 5 GG nur genehmigt werden darf, wenn auf Antrag von Erziehungsberechtigten eine Gemeinschafts-, eine Bekenntnis- oder eine Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Schule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 PrivatschulG müssen ihre Lehrziele denen der öffentlichen Schulen, ihre Erziehungsziele

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dem Art. 26 der Bremischen Landesverfassung entsprechen. Die Lehr- und Erziehungsmethoden kön- nen von denen der öffentlichen Schulen abweichen, die Lehrstoffe andere sein.

Die von den Klägern zur Genehmigung gestellte Schule soll als durchgängige Schule die Klassen 1 bis 10 umfassen. Da die Schule die Jahrgangsstufen 1 bis 4 erfasst und insoweit Grundschule ist, bleibt es dabei, dass die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 5 GG, § 6 Nr. 2 PrivatschulG für die Genehmigung vorliegen müssen.

Art. 7 Abs. 5 GG räumt das Recht auf Erteilung der Genehmigung einer privaten Weltanschauungs- schule den antragstellenden Erziehungsberechtigten im Hinblick auf ihr Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs.

2 Satz 1 GG sowie ihre Weltanschauungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG ein. Deswegen kann eine Welt- anschauungsgemeinschaft als Schulträger nur dann antragsbefugt sein, wenn sichergestellt ist, dass der Antrag auf Errichtung einer privaten Grundschule als Weltanschauungsschule letztlich von den betroffenen Erziehungsberechtigten gestellt wird, ihnen zugerechnet werden kann, und dass es im Er- gebnis ihr gemeinsames Bekenntnis ist, das die Schule und deren gesamten Unterricht prägt (BVerwG, Urt. v. 19.02.1992, 6 C 3/91 - BVerwGE 90, 1-17). Danach ist neben der Klägerin zu 1. als Erziehungs- berechtigte eines grundschulpflichtigen Kindes auch der Kläger zu 2. als für die pädagogische und weltanschauliche Ausrichtung der Schule verantwortlicher Schulträger antragsbefugt nach Art. 7 Abs. 5 Alt. 2 GG, § 6 Nr. 2 PrivatschulG. Dem Antrag waren neben einer Erklärung der Klägerin zu 1. elf weite- re Erklärungen von Eltern beigefügt, die ihren Kindern den Schulbesuch an der Humanistischen Schule Bremen ermöglichen möchten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger vier weitere entsprechende Erklärungen von Eltern überreicht. Dies ist ausreichend, um darzu- legen, dass die Schule den betroffenen Erziehungsberechtigten zugerechnet werden kann und sich diese als eigentliche Antragsteller verstehen.

II.

Der mit der Klage verfolgte Anspruch auf Neubescheidung ist schon deshalb nicht gegeben, weil das Konzept tatsächlich zu einer Verlängerung der Grundschulzeit auf sechs Jahre führt, was einer Ge- nehmigung zwingend entgegensteht. Das Konzept fasst die Klassenstufen 1 bis 3 und 4 bis 6 zusam- men.

Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen unterstehen nach Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG den Lan- desgesetzen. Die Frage, ob die von den Klägern geplante Schule Ersatzschule im Sinne dieser Vor- schrift ist, lässt sich nicht ausschließlich nach Bundesverfassungsrecht beantworten. Auch das Landes- schulrecht beeinflusst die Beantwortung der Frage, welche Schule Ersatzschule ist. Dies geschieht in der Weise, dass es „bestimmt, welche öffentlichen Schulen es gibt, denen eine Privatschule entspre- chen kann“ (BVerfGE 90, 128, 139).

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 PrivatschulG sind Ersatzschulen Privatschulen, die den in den §§ 18 bis 31 des Bremischen Schulgesetzes genannten Schularten oder Bildungsgängen entsprechen, mit Ausnahme der Schulen, die für Berufe ausbilden, für die im Land Bremen keine Schule in öffentlicher Trägerschaft vorhanden ist.

§ 18 Abs. 1 BremSchulG legt fest, dass die Grundschule die Jahrgangsstufen 1 bis 4 umfasst.

Bis zum 31.07.2009 konnte die Grundschule nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BremSchulG als Schulversuch um die Jahrgangsstufen 5 und 6 erweitert werden. Diese Bestimmung ist durch die Schulrechtsnovelle 2009 (Gesetz vom 23.06.2009, Brem.GBl. S. 237) aufgehoben worden. Für Schülerinnen und Schüler, die sich am 01.08.2009 in den Jahrgangsstufen 5 und 6 der sechsjährigen Grundschule befanden, ist in einer Übergangsregelung (§ 68 BremSchulG) festgelegt worden, dass sie diese Jahrgangsstufen bis zum Ende der Jahrgangsstufe 6 durchlaufen.

Die Aufgabe der sechsjährigen Grundschule gehört zu den „wesentlichen Bestandteilen“ der Schul- rechtsnovelle 2009 (vgl. Mitteilung des Senats vom 12.05.2009 zum Gesetz zur Änderung schulrechtli- cher Bestimmungen, Bremische Bürgerschaft, Drucksache 17/778 S. 23). Begründet wurde die Ab- schaffung damit, dass die sechsjährige Grundschule seit ihrer Einführung von den Eltern und Schülern nicht angenommen worden sei und sich zukünftig nicht in die funktionale Übersichtlichkeit einfügen würde (vgl. Mitteilung des Senats, a.a.O., Seite 26). Nach der neuen Gesetzeslage ist im Land Bremen nach Klasse 4 die weiterführende Schule anzuwählen, wobei die Eltern die Schule für ihr Kind stadtweit anwählen können. Dabei wird das allgemeinbildende Schulsystem nach Beendigung der Grundschule im Kern auf zwei Schularten, die Oberschule und das Gymnasium, konzentriert. Die Oberschule ist eine Schule der Vielfalt mit zahlreichen, an der individuellen Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schü-

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ler orientierten Formen der Differenzierung, die den Erwerb aller Abschlüsse ermöglicht. Im Gymnasium ist der Bildungsgang in Inhalt und Lerntempo auf das Abitur in acht Jahren ausgerichtet (vgl. Mitteilung des Senats, a.a.O., Seite 23 f.).

Diese neue Grundstruktur der Bremer Schulorganisation lässt das Konzept der Kläger außer Acht, in dem es tatsächlich den Zeitpunkt des Endes der Grundschulzeit um zwei Jahre hinausschiebt. Damit wird eine neue, abweichende Struktur geschaffen, die verkennt, dass das Bremische Schulsystem nach der 4. Grundschulklasse auch den Weg zu den Gymnasien eröffnet. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 18.12.1996 (Az. 6 C 6/95) ausgeführt, eine Schule in freier Trägerschaft könne schon im Sinne des Wortes nur dann „Ersatzschule“ sein, wenn sie in der Lage sei, diese zu „ersetzen“. Ein Min- destmaß an Verträglichkeit mit vorhandenen Schulstrukturen einschließlich der damit verfolgten päda- gogischen Ziele sei insbesondere dann zu beachten, wenn der vom Grundgesetz in Art. 7 Abs. 5 GG mit besonderem staatlichen Vorrang ausgestattete Grundschulbereich mitbetroffen sei. Zu Recht weist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine Zäsur hinter dem vierten Schuljahr ge- setzt werden müsse, um den Anschluss an das bremische Landesschulsystem zu sichern.

III.

Unabhängig davon steht der Genehmigung der geplanten Schule entgegen, dass diese nicht hinrei- chend weltanschaulich geprägt ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem grundlegenden Urteil vom 19.02.1992 (6 C 5/91 - BVerwGE 89, 368-383) sind Weltanschauungsschulen Schulen, in denen eine Weltanschauung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG das Gepräge der Schule bestimmt. Überzeugungen zu Teilaspekten des Lebens genügen nicht, wenn sie nicht spezifischer Ausdruck einer gemeinsamen weltanschaulichen Gesamtkonzeption sind, die der Erziehung in der Schule insgesamt eine weltan- schauliche Basis verleiht. Eine Weltanschauung bestimmt das Gepräge einer Schule, wenn sie für die Gestaltung von Erziehung und Unterricht in den verschiedenen Unterrichtsfächern nicht nur metho- disch, sondern bei der Behandlung der jeweils berührten Sinn- und Wertfragen auch inhaltlich grundle- gend ist. Die Weltanschauung muss mithin für das gesamte Gepräge der Schule grundlegend sein.

Allein eine solche Prägung rechtfertigt es, von dem Grundsatz abzuweichen, dass die öffentliche Grundschule Vorrang haben soll.

Ausgehend von dem Zweck des Art. 7 Abs. 5 GG, Kinder aller Volksschichten zumindest in den ersten Klassen grundsätzlich zusammenzufassen und private Volks- oder Grundschulen nur zuzulassen, wenn der Vorrang öffentlicher Schulen aus besonderen Gründen zurücktreten muss, ist der Begriff der Welt- anschauungsschule restriktiv auszulegen. Eine extensive Auslegung des Begriffs Weltanschauungs- schule würde, ohne dass es des Nachweises eines besonderen pädagogischen Interesses bedarf, die Zulassung privater Grundschulen unter Berufung auf eine gemeinsame Weltanschauung ermöglichen und damit Art. 7 Abs. 5 Alt. 1 GG in seinem Ausnahmecharakter weitgehend unterlaufen und entwerten (BVerwG, Urt. vom 19.02.1992 – 6 C 5/91 - BVerwGE 89, 368-383; vgl. auch: Jach, DÖV 1990, S.

512).

Die tatsächliche Prägung ist äußerlich dadurch zu sichern, dass in personaler Hinsicht entsprechende Gemeinsamkeiten gegeben sind und diese auf Dauer - gemessen an der Dauer der projektierten Schulexistenz - sichergestellt sind. Elternschaft, Schüler und Lehrer müssen grundsätzlich eine ge- meinsame weltanschauliche Überzeugung haben oder zumindest annehmen wollen. Dieser Grundsatz lässt zwar - bei entsprechender Offenlegung - Ausnahmen zu. Sie müssen jedoch nach Zahl und Be- deutung so gering sein, dass davon die gemeinsame und durchgehende Wahrnehmung der positiven Freiheit zum weltanschaulichen Bekenntnis im Schulleben nicht beeinträchtigt wird (BVerwG, Urt. vom 19.02.1992 - 6 C 5/91 - BVerwGE 89, 368-383).

Für die Gewährleistung eines hinreichend gefestigten Bestandes der Weltanschauung ist darüber hin- aus auch ein Minimum an Organisationsgrad einer wie auch immer organisierten Weltanschauungsver- einigung unvermeidlich und daher vorauszusetzen (BVerwG, Urt. vom 19.02.1992 - 6 C 5/91 – a.a.O.).

1.

Der Humanismus ist als Weltanschauung anzuerkennen. Nach Art. 4 Abs. 1 GG ist die Freiheit des religiösen und des weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich. Religion und Weltanschauung wer- den von der Verfassung grundsätzlich gleich behandelt. Beiden Bekenntnissen liegt eine Gesamtan- sicht der Welt zugrunde. Religiöses Bekenntnis einerseits und Weltanschauung andererseits setzen gleichermaßen ein alle Lebensbereiche umfassendes, geschlossenes Weltbild voraus; sie unterschei- den sich nur dadurch, dass das religiöse Bekenntnis durch die Gottbezogenheit der Weltsicht geprägt

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ist, die bei einer Weltanschauung fehlt. Eine Weltanschauung ist durch die Ordnung der Weltsicht nach umfassenden Prinzipien gekennzeichnet, die aller Erkenntnis vorgeordnet sind, sowie durch ihre Rück- bezüglichkeit auf den Menschen, der als erkennendes Subjekt teilhat an einer ganzheitlichen Welt-, Lebens-, Sinn- und Werteordnung; Sinnhaftigkeit und Werthaltigkeit dieser subjektiv vorgeordneten Wahrheit fordern als Überzeugung von dem Menschen Verbindlichkeit auch im Sinne einer Handlungs- anleitung ein. Ein Gedankensystem, das im Sinne dieser grundrechtlichen Gewährleistung Weltan- schauung sein will, wird sich mit Fragen nach dem Sinnganzen der Welt und insbesondere des Lebens der Menschen in dieser Welt befassen und zu sinnentsprechenden Werturteilen hinführen. Es bedarf einer aus der individuellen Wahrheitsüberzeugung von der Sinn- und Wertordnung erwachsenen sub- jektiv verbindlichen Gewissheit. Für die Anerkennung als Weltanschauung ist eine hinreichende Konsis- tenz, eine ähnliche Geschlossenheit und Breite vorauszusetzen, wie sie den im abendländischen Kul- turkreis bekannten Religionen zu Eigen ist. Überzeugungen zu einzelnen Teilaspekten des Lebens - z. B. zum Gedanken der Toleranz - mögen im Einzelfall zwar Ausdruck einer weltanschaulichen Ge- samtkonzeption sein; ohne die Einbettung in einen entsprechenden Zusammenhang vermögen sie hingegen den Begriff der Weltanschauung nicht auszufüllen (BVerwG, Urt. vom 19.02.1992 – 6 C 5.91 – a.a.O.).

Daran gemessen erfüllt der Kläger zu 2. die Voraussetzungen einer Weltanschauungsgemeinschaft.

Der HVD, dem der Kläger zu 2. als Landesverband angehört, definiert sich in § 2 seiner Satzung als humanistische Weltanschauungsgemeinschaft in der Tradition der europäischen Aufklärung. Das Selbstverständnis seiner Mitglieder besteht in der Lebensauffassung des weltlichen Humanismus. Der Bundesverband tritt für die Interessen und Rechte seiner Mitgliedsverbände, seiner Mitglieder und jener Konfessionslosen in Deutschland ein, die zentrale Prinzipien des humanistischen Bekenntnisses für sich anerkennen (Bekenntniszugehörige). Der moderne, praktische Humanismus, wie ihn die Mitglieder des HVD sehen, steht in der freigeistigen Tradition der Aufklärung sowie der atheistischen, freireligiö- sen, freidenkerischen, humanistischen Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Humanistische Lebensauffassungen beruhen danach auf dem Vertrauen in die Fähigkeit jedes Menschen, in seinem Leben eigenständig Sinn zu erfahren – auch als Glück, Bedeutung des eigenen Handelns und Zusam- mengehörigkeit mit anderen. Nach den Grundsätzen des Klägers zu 2. kommt im Humanismus die persönliche Auseinandersetzung des Einzelnen mit der Wirklichkeit zum Ausdruck. Humanisten stehen auf dem Boden eines wissenschaftlichen Weltbildes. Es bedarf zu seinem Verständnis keiner übersinn- lichen Erklärung. Ein objektiver, auf den Menschen bezogener Sinn des Lebens ist nicht erkennbar. Es liegt an jedem Einzelnen, mit seinen eigenen Kräften und mit anderen Menschen zusammen sein Le- ben und den von ihm beeinflussbaren Lebenskreis sinnvoll zu gestalten. Das Zusammenleben der Menschen erfordert soziale Partnerschaft und Verantwortung, die nicht auf ein "höheres Wesen" über- tragen werden kann. Aus der Anerkennung der Würde jedes Menschen erwächst die Forderung nach Chancengleichheit. Aus der Verantwortung für sich selbst und für den Mitmenschen entwickelt sich die Solidarität in der Gemeinschaft. Was gut und böse ist, ist nicht vorgegeben, sondern wird von den Men- schen entschieden. Humanisten bekennen sich zur Toleranz.

Nach § 3 der Satzung des HVD liegt das Aufgabengebiet in der der Verbreitung der humanistischen Weltanschauung und der Förderung u. a. von humanistischer Bildungs-, Erziehungs- und Kulturarbeit sowie der Jugendpflege, -fürsorge und Altenhilfe. Die Mitglieder des Humanistischen Verbandes treten dafür ein, die Dominanz der christlichen Kirchen zu überwinden, die vielfach noch immer einem Allein- vertretungsanspruch gleichkommt. Der Kläger zu 2. pflegt zudem eine weltliche Feier-, Fest- und Trau- erkultur konfessionsfreier Menschen und ihrer Familien.

Der vom Kläger zu 2. vertretene moderne praktische Humanismus besteht nach diesem Selbstver- ständnis im Kern darin, dass Menschen ein selbstbestimmtes und verantwortliches Leben führen und einfordern, ohne sich dabei religiösen Glaubensvorstellungen zu unterwerfen. Es kommt dem Kläger zu 2. in erster Linie auf ein Leben in Toleranz, Selbstbestimmung und Solidarität an. Es sollen die Interes- sen und Bedürfnisse derjenigen Menschen aufgenommen und vertreten werden, die sich zu einer selbstbestimmten, nichtreligiösen, ethisch begründeten Lebensauffassung bekennen. Damit begreift sich der Kläger zu 2. als eine Gemeinschaft konfessionsfreier Menschen, die für ein Denken frei von Vorurteilen und religiösen Dogmen und auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen für eine rational begründete Weltsicht eintreten, wobei die Achtung vor der Würde des Menschen und vor der Natur ihr Handeln bestimmt (vgl. VG Potsdam, Beschl. vom 23.08.2003 – 12 K 2130 – juris; BFH, Urt.

vom 23.09.1999 - XI R 66/98 – juris).

In der Rechtsprechung wird der Humanismus allgemein als Weltanschauung anerkannt (vgl. VG Düs- seldorf, Urt. vom 19.01.2011 – 18 K 5288/07 – juris; in einem Nebensatz: BVerwG, Urt. vom 21.06.2005

(11)

– 2 WD 12/04 - BVerwGE 127, 302-374; BVerfG, Beschl. vom 19.09.2003 – 1 BvR 1557/03 – juris: zum humanistischen Verband Berlin-Brandenburg; VG Potsdam, Beschl. vom 23.08.2003 – a.a.O.; BFH, Urt. vom 23.09.1999 – a.a.O.; OVG Berlin, Urt. vom 08.11.1995 – 7 B 34.93 – juris; wohl auch:

Bay.VGH, Urt. vom 03.04.2008 – 7 B 07.1292 – juris).

Auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der im erstinstanzlichen Verfahren von der Beklagten als Gutachter zu Rechtsfragen der Genehmigung einer Weltanschauungsgrundschule beauftragt wor- den war, kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass es sich bei dem Humanismus um eine Weltanschauung handelt. Insoweit führt er aus: „Aber in der Tat wird man letztlich die Negation trans- zendentaler Wirkkraft für die Erklärung der Welt und der Stellung des Menschen in der Welt für eine Weltanschauung halten müssen, weil in der Freisetzung des Menschen zu dieser Form der Welter- kenntnis verfassungshistorisch erst Raum zu schaffen war, weil von den abendländisch religiösen Vor- stellungen naturgemäß wegen ihres Ausschließlichkeitsanspruchs, der aus dem Wissen um die Wahr- heit resultiert, versucht worden ist, solche Abweichungen von der Wahrheit zu unterdrücken. Reflex dieser verfassungshistorischen Konfliktlage ist der verfassungsrechtliche Äquivalenzschutz für das Religiöse wie für das Weltanschauliche.“ (S. 34 des Gutachtens).

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht nicht mehr an ihrer Auffassung festgehalten, dass der Humanismus nicht als Weltanschauung anzuerkennen sei.

2.

Es fehlt der von den Klägern geplanten Grundschule jedoch an einer hinreichenden Prägung durch diese Weltanschauung.

Den Klägern obliegt die Darlegungslast für die weltanschauliche Prägung der Schule. Das von den Klägern zur Genehmigung gestellte Schulkonzept muss die Prägung der Erziehung, der Unterrichtsme- thoden und der Unterrichtsinhalte durch den Humanismus als Weltanschauung substantiiert und in ihren richtungweisenden Besonderheiten nachvollziehbar darlegen. Die Beurteilung, ob der Humanis- mus für das gesamte Gepräge der Schule grundlegend ist, ist auf der Grundlage des vorgelegten pä- dagogischen Konzepts und nicht auf der Grundlage von möglichen inhaltlichen Änderungen, die die Kläger im gerichtlichen Verfahren schriftsätzlich in Aussicht gestellt haben, zu treffen. Das Schulkon- zept ist Gegenstand der Genehmigung und Maßstab für eine etwaige schulaufsichtliche Überprüfung der Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen. Es ist nicht Sache des Gerichts, Lücken in der Darstellung zu schließen und ein nicht substantiiertes Konzept anhand von Absichtserklärungen inhalt- lich zu ergänzen oder auszudeuten (vgl. zur Darlegungslast für das besondere pädagogische Interesse:

BVerfG, Beschl. vom 16.12.1992 – 1 BvR 167/87 – a.a.O.).

a)

Dem vorgelegten Schulkonzept mangelt es bereits an Vorgaben dazu, wie die notwendige weltan- schauliche Homogenität von Schülern, Eltern und Lehrern erreicht werden soll. Die Annahme einer Weltanschauungsschule im Sinne von Art. 7 Abs. 5 Alt. 2 GG setzt grundsätzlich eine gemeinsame Weltanschauung der Erziehungsberechtigten, die ihre Kinder in die Schule schicken wollen, voraus, zudem müssen auch die Lehrer - zumindest ganz überwiegend - dem fraglichen Bekenntnis angehören.

Zwar ist es einer Weltanschauungsschule erlaubt, auch Schülerinnen und Schüler aufzunehmen, die die weltanschauliche Zielsetzung der Schule nicht teilen, dies setzt aber voraus, dass die Schule be- reits durch eine bestimmte Weltanschauung als Weltanschauungsschule geprägt ist und deshalb eine Minderheit von Schülerinnen und Schülern, die diese Weltanschauung nicht teilen, den Weltanschau- ungscharakter der Schule nicht zu ändern vermag (BVerwG, Urt. Vom 19.02.1992 - 6 C 3/91 – a.a.O.).

Das Konzept verlangt weder bei der Schulaufnahme von Kindern noch bei der Einstellung und Beschäf- tigung von Lehrern und anderen Mitarbeitern ein Bekenntnis der Schülerinnen und Schülern bzw. ihrer Erziehungsberechtigten sowie des Lehrpersonals und der Mitarbeiter zum Humanismus als Weltan- schauung. Für die Aufnahme von Schülern formuliert das Konzept keine Auswahlkriterien. Nach dem Vorwort soll die Schule als weltliche Schule allen Kindern offen stehen, die unabhängig von ihrer ethni- schen oder sozialen Herkunft eine nichtreligiöse, humanistische und wissenschaftlich fundierte Bildung und Erziehung erhalten sollen. Unter „Menschen in der Schule“ wird weiter ausgeführt, dass auf die Aufnahme gleich vieler Mädchen und Jungen und auf eine sozial und kulturell ausgewogene Mischung der Kinder geachtet werden soll. Im Weiteren nennt das Konzept lediglich die Verfahrensbedingungen der Aufnahme. Danach soll der Aufnahme von neuen Kindern ein Gespräch mit den interessierten El- tern und Kindern vorausgehen, über die Aufnahme entscheidet sodann das Plenum, dass diese Aufga- be an eine Arbeitsgruppe delegieren kann, der auch Kinder angehören können.

(12)

Für die Mitarbeiter, zu denen auch das Lehrpersonal gehört, wird neben der fachlichen und persönli- chen Eignung vorausgesetzt, dass sie eine große Offenheit gegenüber den humanistischen Grundsät- zen der Schulen mitbringen und in der humanistischen Pädagogik mit den Kindern umgehen. Die von den Klägern im Verwaltungsverfahren eingereichten Unterlagen des Bewerbers um eine Stelle als Leh- rer und pädagogischer Leiter der Schule lassen dementsprechend auch kaum einen Bezug des Bewer- bers zum Humanismus als Weltanschauung erkennen, auch wenn der Bewerber mit seinem Praktikum in der Kinderschule Bremen und einem reformpädagogischen Themenbezug seiner Examensarbeit einen Ausbildungsschwerpunkt im reformpädagogischen Bereich gehabt haben mag. Dabei ist zu be- rücksichtigen, dass insbesondere der pädagogische Leiter der Schule eine besondere Verantwortung für die weltanschauliche Prägung der Schule in der täglichen Schulpraxis trägt.

b)

Das von den Klägern vorgelegte Konzept lässt schließlich auch nicht erkennen, dass der Humanismus als Weltanschauung für die Gestaltung von Erziehung und Unterricht in den verschiedenen Unterrichts- fächern sowohl methodisch, als auch bei der Behandlung der jeweils berührten Sinn- und Wertfragen prägend ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob angesichts des von der Beklagten geltend gemachten Umstandes, dass „die meisten der humanistischen Grundüberzeugungen mit den normativen und ethi- schen Grundlagen einer von westlicher Verfassungsstaatlichkeit stark geformten Gesellschaft überein- stimmen“ (vgl. Seite S. 38 des Gutachtens von Prof. Löwer), überhaupt Raum für die Genehmigung einer humanistischen Grundschule ist. Dies erscheint jedenfalls nicht von vorneherein ausgeschlossen.

Für die Darlegung einer Prägung ist erforderlich, dass im Schulkonzept Ziele definiert werden, die sich von den Zielen der staatlichen Schule durch ihren spezifischen Bezug zum Humanismus unterschei- den. Art. 7 Abs. 5 Alt. 2 GG ist Ausdruck der positiven Bekenntnisfreiheit. Der Verzicht auf den Vorrang der öffentlichen Grundschule besteht wegen dieser positiven Bekenntnisfreiheit, d. h. zum Zweck einer entsprechenden schulischen Erziehung. Das Ziel, den Kindern Humanismus als die für richtig gehalte- ne weltanschauliche Überzeugung zu vermitteln, muss für die Schule profilbildend sein. Nicht ausrei- chend ist, dass das Konzept von bestimmten Anschauungen des Humanismus nur beeinflusst wird, bzw., wie es das Verwaltungsgericht formuliert hat, „verschiedene pädagogische Ansätze vor dem Hin- tergrund der humanistischen Weltanschauung eine weitere, weltanschauliche Facette erhalten“.

Das Konzept zitiert zunächst Aussagen und Vorstellungen verschiedener Philosophen und Reformpä- dagogen und greift - nach seiner Selbstdarstellung - die beschriebenen Ansätze und Erkenntnisse auf, um sie für die pädagogische Arbeit nutzbar zu machen. Sodann werden die Unterrichtsmethoden und Prinzipien der pädagogischen Arbeit sowie die Rahmenbedingungen des pädagogischen Alltags be- schrieben, die im Wesentlichen auf Erfahrungen der Reformpädagogik gründen und sich vielfach in Konzepten und Programmen anderer Alternativschulen finden. Dies betrifft insbesondere die pädagogi- schen Grundlagen des Lernens, wie die Mathetik, die das Lernen aus dem Blickwinkel des Lernenden betrachtet und dem Lehrer eine beratende Rolle zuschreibt; das eigenaktive und selbstbestimmte Ler- nen, das seinen Ausgangspunkt in den aktuellen Interessen und Lernbedürfnissen des Kindes findet und bei dem das Kind seinen Lernweg selbst bestimmt; das ganzheitliche Lernen, das Bewegung, Sin- neswahrnehmung und Erkenntnis konstruktiv miteinander verbindet; das fächerübergreifende Lernen in Sinnzusammenhängen bzw. durch persönlich bedeutsames Lernen; Bildung als Auseinandersetzung mit der Welt um uns herum; das altersgemischte Lernen; die inklusive Pädagogik als gezielter und ge- wollter Umgang mit Vielfalt; die Mitverantwortung und Mitbestimmung von Schülern durch Teilnahme an demokratischen Entscheidungsprozessen; die Größe der Schule und die flexiblen Zeitstrukturen; Ar- beitsformen wie Freiarbeit, Projektarbeit, freies Spiel; die Öffnung zum Stadtteil; sowie die Ersetzung der Benotung durch Lernentwicklungsberichte. Viele dieser Elemente entsprechen zudem auch den Zielen und der Praxis der staatlichen Grundschule. So beinhaltet bspw. das Bremische Schulgesetz einen Inklusionsanspruch und sehen die „Pädagogische(n) Leitideen, Rahmenplan für die Primarstufe“

der Senatorin für Bildung und Wissenschaft (im Folgenden: Pädagogischen Leitideen) die Schaffung einer offenen und anregenden Lernkultur für eigenaktive Lernkonzepte sowie einen konstruktiven Ver- bund verschiedener Unterrichtsformen wie Offener Unterricht, Freiarbeit, Projektlernen, Gruppenarbeit oder auch Frontalunterricht vor. Die Grundlagen für ein lebenslanges interessiertes Lernen zu schaffen ist Ziel auch der staatlichen Grundschule.

Dem Konzept fehlt es an einer Unterscheidbarkeit zwischen pädagogisch für erstrebenswert oder sinn- voll erachteten allgemeinen Prinzipien der pädagogischen Arbeit und aus dem Humanismus als Welt- anschauung erwachsenen Leitideen, die die pädagogische Arbeit an der Grundschule tragen. Es wird nicht nachvollziehbar und begründet dargelegt, welche konkreten Unterrichtsmethoden, Arbeitsformen und schulorganisatorischen Besonderheiten einzeln oder in ihrer Gesamtkonzeption spezifischer Aus- druck einer humanistischen Weltanschauung sind.

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Soweit im Schulkonzept ausgeführt wird, dass sich die humanistische Pädagogik aus den Ansätzen der Reformpädagogik und der humanistischen Psychologie weiterentwickelt habe, fehlt es bereits an einer hinreichenden Beschreibung dessen, was eine insoweit weiterentwickelte humanistische Pädagogik auszeichnet.

Das Konzept definiert humanistische Pädagogik als eine „Einstellung gegenüber Erziehung, die den Aspekten der Freiheit, der Wertschätzung, der Würde und der Integrität von Personen mehr Gewicht beimisst. Sie ist personenzentriert. Humanistische Pädagogik soll sich mit dem Verhalten sowie auch mit dem Innenleben, Werten und Gefühlen von Schülern beschäftigen.“ Das „Ziel der humanistischen Pädagogik ist die Förderung auf den Menschen bezogener Formen ganzheitlichen Erziehens, Lehrens und Lernens. Bedeutsam ist hierbei der sich vollziehende Kontakt, die Begegnung von Person zu Per- son mit voller gegenseitiger Anerkennung der personalen Würde“. In dieser Erläuterung geht die huma- nistische Pädagogik aber bereits nicht über das hinaus, was auch Grundlage der Erziehung und Bil- dung in den staatlichen Grundschulen ist. Prägekraft vermag die Beschreibung nicht zu entfalten. Auch der Hinweis der Kläger, dass die große Wahlfreiheit unter den verschiedenen Arbeitsformen der huma- nistischen Grundauffassung von der Verschiedenartigkeit, aber Gleichwertigkeit der Menschen auch in ihren Lernwegen und Lerninteressen entspreche, reicht allein zur Darlegung einer humanistisch ge- prägten Unterrichtsmethodik nicht aus.

Die Gefahr, dass der Ausnahmetatbestand des besonderen pädagogischen Interesses in Art. 7 Abs. 5 Alt. 1 GG durch die schlichte Übernahme wesentlicher Teile von Konzepten reformpädagogischer Schulen unterlaufen wird, ist evident.

Allerdings bezeichnet das Konzept darüber hinaus das „Philosophieren“ als Alleinstellungsmerkmal und für die geplante Schule profilbildend. Das Philosophieren ist dabei sowohl unterrichtsmethodisch als auch inhaltlich bedeutsam. Das philosophische Gespräch soll kritisches und systematisches Nachden- ken über eigene und andere Bedürfnisse, über Interessen, Normen, Werte und Ziele erleichtern und so reflektiertes moralisches und verantwortliches Handeln, persönliche Sinngebung sowie eine humanisti- sche Lebensgestaltung ermöglichen. Angepasst an den Entwicklungsstand und die Fragen und Erleb- nisse der Kinder sollen Methoden des Philosophierens, wie Wahrnehmung eines Phänomens klären, Deutungen verstehen und vergleichen, Begriffe analysieren, Argumente im Dialog austauschen, zu- sammenfassen, neue Fragen aufwerfen, erlernt werden. Nach dem Konzept ist das Philosophieren eingebettet in den gesamten Tagesablauf, soll aber besonders durch den hohen Wert, den die Schule auf Gespräche und Debatten legt, gefördert werden. Über diese weitgehend allgemeine Beschreibung hinaus finden sich keine konkreten oder präziseren Ausführungen zu der unterrichtsmethodischen oder unterrichtsinhaltlichen Ausgestaltung des Fachgebiets „Philosophieren“.

Soweit die Kläger sich an dem „Rahmenplan Philosophieren mit Kindern“ des HVD orientieren (vgl.

Seite 12 des Schriftsatzes vom 13.04.2011), der in der Humanistischen Grundschule Berlin angewen- det wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Kinder nach dem dortigen Schulkonzept ab der Jahrgangs- stufe 4 im Rahmen des Humanistischen Lebenskundeunterrichts reguläre Philosophiestunden erhalten, in denen sie Methoden bzw. Praktiken des Philosophierens erlernen. Zudem wird das Fach „Humanisti- sche Lebenskunde“, mit dem das Philosophieren besonders eng verbunden ist, zusätzlich zu der wö- chentlichen Gesamtstundenzahl, die sich nach der Berliner Stundentafel richtet, mit drei Stunden pro Woche obligatorisch erteilt und daneben fächerübergreifend oder als Kurs bzw. in Projektform angebo- ten. Im Konzept der Kläger wird das Fach Philosophie nicht mit einer eigenen Stundenzahl in einer Stundentafel ausgewiesen, sondern ist lediglich in den gesamten Tagesablauf eingebettet. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Umsetzung des – im Übrigen für die Klassenstufen 1 bis 6 konzipierten - Rahmenplans, lässt das Konzept der Kläger ebenso offen, wie die Frage der Kompeten- zen und Inhalte, die vermittelt werden sollen.

Das „Philosophieren mit Kindern“, dem nach dem Selbstverständnis des Konzepts eine zentrale Bedeu- tung beizumessen ist, verliert, insbesondere auch im Vergleich mit der Humanistischen Schule Berlin, auf die die Kläger sich wiederholt bezogen haben, in seiner konkreten Ausgestaltung deutlich an Rele- vanz und prägender Wirkung. Es bleibt insgesamt vage und unbestimmt.

Auch hinsichtlich der weiteren Bildungsziele und Inhalte des Unterrichts fehlt es an einer substantiierten Darlegung der Prägung durch den Humanismus als Weltanschauung. Die im Schulkonzept der Kläger dargelegten Erziehungsziele und Erziehungsinhalte haben insbesondere im Verhältnis zu den in der Bremer Landesverfassung, im Bremer Schulgesetz und den Pädagogischen Leitideen für die Primar- stufe formulierten Erziehungszielen keine prägende Kraft.

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Nach der Selbstbeschreibung des Konzepts ist wesentlicher Kern des Humanismus die Unantastbarkeit der Würde jedes Einzelnen, die sich in der Anerkennung der persönlichen Identität und dem Recht auf freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zeigt. Humanisten würden Menschen eigenständige Ent- scheidungen zutrauen, respektierten und teilten deren Wunsch und Recht, nach eigenen Maßstäben zu leben. Dabei würden Humanisten auf Vernunft und Aufklärung setzen und jede Form von Dogmatismus und Manipulation ablehnen. Humanisten seien davon überzeugt, dass die Erklärung gesellschaftlicher oder naturwissenschaftlicher Phänomene keiner Berufung auf einen Gott oder sonstiger übersinnlicher Erklärungen bedürfe. Dem Dreiklang Selbst denken – selbst bestimmen – selbst Verantwortung über- nehmen, entsprächen die Werte Toleranz – Solidarität – Gemeinschaft. Zentrales Anliegen einer hu- manistisch geprägten Schule sei die Stärkung der Selbstverantwortung und Selbstbestimmung durch reflektiertes Hinterfragen der eigenen Anschauungen ohne Berufung auf eine höhere Instanz und die- selbe Toleranz gegenüber der Autonomie anderer Menschen.

Die sich daraus ergebenden im Schulkonzept formulierten Zielsetzungen unterscheiden sich nur gradu- ell von den Bildungsaufgaben und Erziehungszielen der staatlichen Grundschulen.

Als unterrichtsinhaltlich besonders bedeutsam ist zunächst das Fachgebiet „Humanistische Werte“

hervorzuheben. Es soll die Kinder befähigen, über sich selbst und die Welt nachzudenken und Stand- punkte aus nicht-religiöser, humanistischer Sicht zu entwickeln. Ziel ist es, den Schülern die reflektierte Möglichkeit zu geben, eigene Weltanschauungen zu entwickeln. Es werden grundlegende Prinzipien humanistischer Lebensorientierung, wie z.B. Freundschaft, Toleranz und Gleichberechtigung bespro- chen und eine ethisch bestimmte Form der Wirklichkeitsbetrachtung und -bewältigung ohne Rückgriff auf religiöse Deutungsmuster gemeinsam entwickelt. Unterschieden werden die Schwerpunkte Indivi- duum, Verantwortung der Menschen für Natur und Gesellschaft sowie Weltdeutung und Menschenbil- der. Im Schwerpunkt Weltdeutung und Menschenbilder sollen die Kinder mit unterschiedlichen religiö- sen, kulturellen und mythischen Weltdeutungsmodellen sowie dem humanistischen und wissenschaftli- chen Weltverständnis bekannt gemacht werden. Die Schüler lernen, wissenschaftliche Methoden von religiösen Deutungen zu unterscheiden und kulturelle Unterschiede auf ihre gesellschaftlichen, geogra- phischen und historischen Hintergründe zurückzuführen.

Unabhängig davon, dass – vergleichbar mit dem Fachangebot „Philosophieren mit Kindern“ - die Ver- ankerung und Umsetzung dieses als zentral und profilbildend anzusehenden Fachgebiets im Schulall- tag nicht hinreichend beschrieben ist, fehlt es auch an einer prägenden Ausrichtung des Lebenskunde- unterrichts am Humanismus. Zwar sollen die Schüler im Lebenskundeunterricht die Fähigkeit erwerben, eigene Weltanschauungen zu entwickeln und Positionen aus einer nicht-religiösen, humanistischen Sicht zu finden, eine besondere Gewichtung des Lebenskundeunterrichts im Hinblick auf die prägenden Ideen und Wertvorstellungen des Humanismus oder eine besondere Orientierung an der weltanschauli- chen Position der Kläger, beispielsweise durch eine problemorientierte vertiefte Auseinandersetzung mit Religionen insbesondere aus der Weltsicht des Humanismus, ist nicht zu erkennen.

Soweit im Schulkonzept der Kläger auf die Vermittlung grundlegender Prinzipien humanistischer Le- bensorientierung, wie Freundschaft, Toleranz und Gleichberechtigung abgestellt wird, sind dies Werte, die gleichermaßen zentral in der staatlichen Grundschule vermittelt werden. Zudem umfasst auch die Grundbildung in der staatlichen Grundschule die Entwicklung grundlegender personaler, sozialer und methodischer Kompetenzen und damit die Fähigkeit zur Entwicklung einer eigenen grundlegenden Lebens- und Weltorientierung. Nach den Pädagogischen Leitlinien für die Primarstufe soll grundlegen- de Bildung Handlungskompetenz schaffen und den Schülerinnen und Schülern u. a. helfen die eigene Persönlichkeit zu entwickeln, der eigenen Erfahrung zu folgen, kritisch zu urteilen und Informationen sinnvoll zu nutzen, das Eigene zu schätzen, das Fremde anzuerkennen und sich mit anderen darüber verständigen zu können. Soziale Kompetenz zeige sich in der wachsenden Fähigkeit und Bereitschaft sich für die Denk- und Lebensweisen, Werte und Normen anderer Menschen zu interessieren, eigene und fremde Sichtweisen und Wertvorstellungen zunehmend tolerant und kritisch zu hinterfragen. Damit werden Schülerinnen und Schüler nicht nur zur Offenheit gegenüber Personen anderer Religionen und Weltanschauungen erzogen, sondern sie sollen auch die Kompetenz entwickeln, eigene, auch nicht- religiöse Positionen zu finden.

Die weiteren Inhalte des Lernens wie Kulturtechniken, Fremdsprachen, Ökologie/Natur/Umwelt, Ge- sundheits- und Ernährungslehre, Sport und Bewegung, handwerklich-kreatives sowie musisch- künstlerisches Lernen sind Lerninhalte auch in der staatlichen Grundschule. Insoweit weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen dürfe. Eine besondere weltanschauliche Ausrichtung ist jedoch weder den inhalt-

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lichen noch methodischen Hinweisen zu den Lerninhalten zu entnehmen. Auch hinsichtlich der von den Klägern geltend gemachten Orientierung an den staatlichen Rahmenlehrplänen fehlt es an einer Dar- stellung, ob und ggf. wie diese angewendet werden sollen, damit die Grundsätze des Humanismus besonders zum Ausdruck kommen.

In der Humanistischen Schule soll weiterhin anstelle von Religionen bei den Fragen des Lebens auf Erfahrung, Vernunft und Aufklärung unter Achtung der Glaubens- und Gewissensfreiheit aller Men- schen gesetzt werden. Dies findet seine Entsprechung in § 5 Abs. 3 BremSchulG, wonach Schülerin- nen und Schüler lernen sollen, Informationen kritisch zu nutzen, sich eigenständig an Werten zu orien- tieren und entsprechend zu handeln (Nr. 1) sowie Toleranz gegenüber den Meinungen und Lebenswei- sen anderer zu entwickeln und sich sachlich mit ihnen auseinanderzusetzen (Nr. 7), und in Art. 26 Nr. 1 BremLV, wonach Aufgabe von Erziehung und Bildung die Erziehung zu einer Gemeinschaftsgesinnung, die auf der Achtung vor der Würde jedes Menschen, zur Sachlichkeit und Duldsamkeit gegenüber den Meinungen anderer beruht, ist.

Nach dem Konzept geht es der humanistischen Pädagogik weiter um das Individuum, den einzelnen Menschen in seiner konkreten Lebenswelt mit all seinen Bedürfnissen, Hoffnungen und Wünschen. Das Kind steht im Mittelpunkt. Seine Einzigartigkeit wird als besonderer Wert anerkannt. Auch die Pädago- gischen Leitideen gehen vom Individuum aus. Danach steht die Beachtung der Eigenwertigkeit indivi- duell gelebter Kindheit im Zentrum des Bildungs- und Erziehungsauftrags. Die vielfältigen psycho- sozialen Entwicklungsgeschichten der Kinder erforderten die Entwicklung individualisierter, kindgerech- ter und an die alterstypische Lebens- und Weltsicht angepasster Lern- und Arbeitsformen im Verbund mit adäquaten Inhalten. Vielfalt (Ausdruck individueller Prägungen) und Gemeinsamkeiten (Ausdruck gemeinsamer Bildungsprozesse) seien kein Widerspruch, wenn das Individuum in seiner ganzheitlichen Entwicklung im Mittelpunkt von Erziehung, Unterricht und Schulleben stehe.

Soweit als Grundsatz humanistischer Pädagogik das Recht des Einzelnen auf Unantastbarkeit der per- sönlichen Identität und auf volle Entfaltung der eigenen Persönlichkeit hervorgehoben und als Heraus- forderung der menschlichen Würde die Aufgabe, so selbstbestimmt wie möglich zu leben und Verant- wortung für sich, für sein Handeln und seinen Lernweg zu übernehmen, bezeichnet wird, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 26 Nr. 3 BremLV als Bildungsaufgabe die Erziehung zum eigenen Denken, zur Achtung vor der Wahrheit, zum Mut, sie zu bekennen und das als richtig und notwendig Erkannte zu tun, bestimmt. Nach § 5 Abs. 3 BremSchulG sollen Schülerinnen und Schüler lernen, eigene Rechte zu wahren und die Rechte anderer gegen sich selbst gelten zu lassen (Nr. 3), selbstkritisch und selbstbe- wusst zu werden (Nr. 8) und nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BremSchulG soll die Schule zur Bereitschaft, politi- sche und soziale Verantwortung zu übernehmen, erziehen. Auch die von den Klägern hervorgehobene Besonderheit, dass die humanistischen Werte im täglichen Umgang miteinander erlebt und erfahren würden, hat keine Unterscheidungskraft, denn auch in der staatlichen Grundschule gehören Lernen und soziales Miteinander zusammen. Nach den Pädagogischen Leitideen äußert sich soziale Kompetenz vor allem in der Entwicklung einer Lern- und Lebensgemeinschaft zwischen Kindern mit heterogenen Lernvoraussetzungen.

Das Konzept beschreibt ferner eine Atmosphäre der Vielfalt und Offenheit, in der die Verschiedenheit der Menschen, ihre Lebenswelten und Lebensziele anerkannt und respektiert werden, als die Grundla- ge für Toleranz. Gemäß § 5 Abs. 2 BremSchulG soll Schule zum Verständnis für die Eigenart und das Existenzrecht anderer Völker sowie ethnischer Minderheiten und Zuwanderer in unserer Gesellschaft (Nr. 7), zur Achtung der Werte anderer Kulturen sowie der verschiedenen Religionen (Nr. 8), zur Bereit- schaft, Minderheiten in ihren Eigenarten zu respektieren, sich gegen ihre Diskriminierung zu wenden und Unterdrückung abzuwehren (9.), erziehen, und nach § 5 Abs. 3 Nr. 7 BremSchulG sollen Schüle- rinnen und Schüler lernen, Toleranz gegenüber den Meinungen und Lebensweisen anderer zu entwi- ckeln und sich sachlich mit ihnen auseinander zu setzen. Man wird es gerade der öffentlichen Grund- schule als einer gemeinsamen Schule für Kinder aller gesellschaftlichen Gruppen nicht absprechen können, dass sich in ihr in besonderer Weise der Umgang mit Heterogenität auf der Grundlage von Toleranz verwirklichen kann.

Soweit im Schulkonzept darauf abgestellt wird, dass die Kinder lernen sollen, die Anwendung wissen- schaftlicher Erkenntnisse ethisch zu reflektieren, findet dies eine Entsprechung nicht nur in § 5 Abs. 3 Nr. 1 BremSchulG, wonach die Schüler lernen sollen, Informationen kritisch zu nutzen, sich eigenstän- dig an Werten zu orientieren und entsprechend zu handeln, sondern auch in Art. 26 Nr. 3 BremLV, wonach Erziehungs- und Bildungsauftrag die Erziehung zum eigenen Denken ist.

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