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178 Bayerisches Ärzteblatt 3/2005

Gastkommentar

Faites votre jeux, bitte das Spiel zu machen –, eine Aufforderung am Roulette-Tisch, eine Aufforderung an jeden von uns zu Beginn ei- nes neuen Jahres.

Wieder rollt die Kugel, rollt und rotiert unser Erdball und wieder wollen wir, sollen wir alle mitspielen. Das Leben ein Spiel? Wer stellt denn eigentlich die Spielregeln auf? Wer glaubt, sie erfunden zu haben, wer ist legiti- miert.

Spielregeln für das Miteinander oder für das Gegeneinander? Jeder spielt für sich alleine, jeder ist sich selbst der Nächste, ein jeder kann Gewinner sein. So oder so ähnlich lau- ten wohl die zurzeit gültigen Regeln. Jeder kann mitspielen. Jeder?

Nun ja auf alle Fälle die, die am Spieltisch sitzen und ihren Einsatz machen können.

Denn es ist unbedingt zu erwähnen, dass oh- ne Einsatz nichts läuft. Einsatz ja, und in welcher Form? Materiell oder ideell? Also am Roulette-Tisch ist natürlich zuerst materielles in Form von Münzen und Scheinen notwen- dig. Die, die nur ideelle Werte mitbringen haben es schwerer. Sie stehen zwar hinter den Herausgeputzten, aber sie können nur hin und wieder, quasi aus der zweiten Reihe, ih- ren Wunsch nach Teilnahme signalisieren.

Nur wenn sich ihre Werte in klingende Mün- zen verwandeln lassen, vielleicht noch Profit winkt, dann ist ihnen Beifall sicher, dann können auch alle störenden Einflüsse skru- pellos über Bord geworfen werden. Begriffe wie Miteinander, Füreinander, Kollegialität, Ethik und Moral dienen nur der Gefühlsdu- selei, sie sind zu vergessen.

Das Gesundheitswesen bleibt von dieser Ein- stellung nicht verschont. Gesundheitsreform mit der Dominanz der Ökonomie hat eine Katalysator-Wirkung, festigt solche Denk- prozesse und bestimmt das Verhalten. Natür-

lich auch das der Ärzte. Warnungen vor dem Profitdenken in der Medizin hat es immer wieder gegeben und gibt es auch noch, aber die Eigendynamik entwickelt jene Kräfte, die auch Goethes Zauberlehrling kennen gelernt hat.

Die Patientenversorgung – hin und wieder erinnert man sich, dass sie die eigentliche Profession sein sollte –, wird schneller und könnte hochmodern sein, wenn da nicht die immensen Kostensteigerungen wären, die von den zu vielen Krankenkassen angeblich nicht bezahlt werden können. Die flächendeckende medizinische Versorgung ist hochgradig ge- fährdet. Den niedergelassenen Kollegen fehlt der Nachwuchs. Nur wenige junge Ärzte übernehmen die etablierten Praxen. Die Krankenhäuser sind von Ökonomen geleitete Wirtschaftsunternehmen und kämpfen gegen

„rote Zahlen“. Sie müssen sich nach gewinn- bringenden Maßnahmen umsehen oder sie sind reif für den Abschuss.

Welcher Unternehmer leistet sich denn einen Zuschussbetrieb? So ist es auch nicht ver- wunderlich, dass in privatisierten Kranken- häusern junge Chef- und Oberärzte mit ho- her Qualifikation stets willkommen sind, ein Weiterbildungsassistent eher eine freundli- che, aber bestimmte Absage erhält. Kostet nur!

Unzufriedenheit auf allen Seiten mit der Konsequenz, dass die Fluktuation angekur- belt wird. Sie entspricht auch eher dem ver- mittelten Gesellschaftsklischee vom mobilen, jungen, dynamischen Leistungserbringer.

Man wählt übrigens immer häufiger den Be- griff „Leistungserbringer“, mit der Berufsbe- zeichnung „Arzt“ verbindet man noch immer humanistische Grundeinstellung, und die wird konsequenterweise peu à peu verbannt.

Das Sein bestimmt das Bewusstsein, haben wir früher einmal gelernt. Die Erkenntnis be- wahrheitet sich täglich, und so ist es nur fol- gerichtig, dass auch eigenes Wissen nicht mehr kostenlos abgegeben werden kann, Da- bei meine ich nicht die Honorare für Vorträge

oder die Gehälter der Ärzte. Nein, es geht um die kollegiale Wissensvermittlung im täg- lichen Routinebetrieb.

Fortbildung nach dem Prinzip „einer sagt es dem anderen“: Es wird nicht mehr sein, ohne Bezahlung, und man stelle sich vor, dass Leit- linien medizinischer Versorgung, von wem auch immer aufgestellt, von jedem Anwender zuerst bezahlt werden müssen. Das ist in an- deren Bereichen üblich. Tantiemen heißt es bei der darstellenden Kunst. Zu Ende ge- dacht, müssen natürlich sofort Studienge- bühren her, und für jede Vorlesung sollte Ein- tritt genommen werden. „Ich weiß was – bezahl was!“

Früher – schon wieder das ewige früher – war man stolz auf seinen Lehrer und man be- zeichnetet sich als Schüler von …, übernahm Diagnostik- und Therapiekonzepte, gab es an seine Schüler weiter. Inzwischen bestimmen die finanziellen Regeln das Spiel, nicht die Spieler. Und ich fürchte, es ist erst der An- fang. Noch immer ist Talfahrt angesagt, noch immer werden Arbeitsplätze abgebaut, Zig- tausende fallen einer vermeintlichen Spar- notwendigkeit zum Opfer. In allen Branchen wird überlegt, wie man Personalabbau sozial- verträglich gestalten kann, und noch immer erzählt man uns von den Anstrengungen, die Zahl der Arbeitslosen zu vermindern. Schi- zophrenie des Denkens oder bewussten

„falsch Zeugnis reden wider deinen Näch- sten?“. Solidarisch werden die Steuerzahler die Betroffenen unterstützen, aber wie lange wird das gehen? Wann wird es heißen: Rien ne vas plus!?

Sind das die richtigen Worte für 2005? Die Beschreibung von Realitäten hilft vielleicht, unseren Willen und unsere Kräfte zu mobili- sieren, dieses und noch Schlimmeres nicht zuzulassen. Ein jeder an seinem Platz.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Henning Friebel, Präsident der Ärzte- kammer Sachsen-Anhalt, Doctor-Eisenbart- Ring 2, 39120 Magdeburg

Nachdruck aus „Ärzteblatt Sachsen-Anhalt“, 1/2005, Seite 5 f.

Neues Spiel

Dr. Henning Friebel, Präsident der Landesärztekammer Sachsen-Anhalt

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