M 028/2008 ERZ 2. Juli 2008 ERZ C Motion
1193 Gagnebin, Tramelan (SP-JUSO)
Weitere Unterschriften: 9 Eingereicht am: 29.01.2008
Erlernen der Zweitsprache im Kleinkinderalter
Der Regierungsrat wird beauftragt, einen Massnahmenkatalog zu erarbeiten, um das Erlernen der zweiten kantonalen Amtssprache im Kleinkinderalter (Krippen, Stufen -2 bis +2) zu fördern. Diese Massnahmen müssen namentlich Folgendes beinhalten:
- eine pädagogische Begleitung für Gemeinden, Schulen und Krippen, die auf diesem Gebiet Erfahrungen machen möchten
- Ausbildungsangebote für die betroffenen Lehrkräfte und Kleinkindererzieherinnen und Kleinkindererzieher
- eine Plattform für den gegenseitigen Austausch - finanzielle Anreize für die interessierten Gemeinden Begründung:
Die bis anhin getroffenen Massnahmen zur Stärkung des Fremdsprachenunterrichts betreffen fast ausschliesslich die Klassen 3 bis 9. Zahlreiche Fachleute sind hingegen der Ansicht, dass das Erlernen einer zweiten Sprache im frühen Kinderalter wesentlich leichter ist, da das Kleinkind auf dieselben kognitiven Prozesse zurückgreift, die es zum Erlernen seiner Muttersprache braucht. Krippen und die Stufen -2 bis +2 sind ein ausgezeichneter Ort, um eine Sprache auf spielerische Weise zu erlernen. Dies ist ab der 3. Klasse weniger der Fall. Und schliesslich kann auch festgestellt werden, dass es Kindern, die möglichst früh mit einer Zweitsprache konfrontiert werden, später wesentlich leichter fällt, eine dritte oder gar vierte Sprache zu lernen.
Viele Eltern sind sich bewusst, dass das Beherrschen einer zweiten Sprache für ihre Kinder eine ausserordentliche Chance ist. Dies trifft besonders in Regionen nahe der Sprachgrenze zu. Mit einer absolut offensiven und innovativen Haltung in diesem Bereich könnte der Kanton Bern nicht nur eine Vorreiterrolle spielen, sondern er würde sicherlich auch als Wohnort und Wirtschaftsstandort an Attraktivität gewinnen.
Sprachunterricht im Kleinkinderalter ist sicher kein Wundermittel, und er richtet sich auch nicht flächendeckend an alle Kinder. Die Pilotprojekte müssen an die örtlichen Besonderheiten und Umstände angepasst sein. Die vorgeschlagenen Massnahmen sollen daher auch mehr einen Anreiz schaffen und nicht zwingend sein. Solche Erfahrungen können im Übrigen nur erfolgreich sein, wenn alle beteiligten Partner voll und ganz hinter dem Projekt stehen.
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Antwort des Regierungsrates
Der Motionär fordert die Erarbeitung eines Massnahmenkatalogs, um das Erlernen der anderen (zweiten) Amtssprache (Deutsch respektive Französisch) im Kleinkinderalter (in Krippen, Tagesstätten und Kindergarten bzw. im 1./2. Schuljahr) zu fördern.
Der Regierungsrat begrüsst grundsätzlich das Anliegen des Motionärs: Frühes Sprachenlernen stellt eine grosse Chance für Kinder dar: Kinder lernen Sprachen leichter als Erwachsene.
Totz der grundsätzlichen Unterstützung des Anliegens möchte der Regierungsrat jedoch derzeit keinen Massnahmenkatalog zum Erlernen der zweiten Amtssprache im Kleinkinderalter erarbeiten. Dies aus folgenden Gründen:
Betreffend Krippen/Tagesstätten:
- Es ist für den Aufbau von Sprachkompetenzen in zusätzlichen Sprachen sehr wichtig, dass die Kompetenzen in der Erstsprache ausreichend gefördert werden und gefestigt sind. In der Frühförderung (vor Eintritt in den Kindergarten) sollte sich der Kanton Bern deshalb primär darauf konzentrieren, die Kinder im Erwerb und in der Festigung der Erstsprache in Krippen und Tagesstätten zu stärken.
- In Krippen und Tagesstätten lernen sehr viele Kinder, deren Eltern ausländischer Herkunft sind, bereits vor dem Schuleintritt die regionale Umgangssprache (Deutsch im deutschsprachigen Kantonsteil, respektive Französisch im französischsprachigen Kantonsteil). Dies ist ein äusserst wichtiger Beitrag zur Integration und Chancengleichheit der Kinder. In Anbetracht der hohen Anzahl Kinder, die in Krippen und Tagesstätten aufgrund ihrer Herkunft bereits eine Fremdsprache erlernen müssen (Deutsch oder Französisch), sind weitere Massnahmen für die zusätzliche Fremdsprachenförderung nicht prioritär.
Der Kanton prüft gegenwärtig die finanzielle Unterstützung einer Initiative der Stadt Bern zur Frühförderung der Kinder im Vorschulalter (Projekt Primano). Damit soll u.a. die sprachliche Ausdrucksfähigkeit von sozial benachteiligten Kindern in der Herkunftssprache und in der Zweitsprache Deutsch gefördert werden.
Betreffend Kindergarten/Unterstufe:
- Sprachförderung im Eingangsstufenalter (Kindergarten/Unterstufe (-2/+2) ist vor allem dann sinnvoll, wenn sie immersiv stattfindet, d.h. wenn der Unterricht in der Zweitsprache eine Art Eintauchen in ein Sprachbad ist. Einzelne Lektionen im Sinne von Sprachunterricht in Französisch (für Deutschsprachige) respektive Deutsch (für Französischsprachige) ist nach neueren Erkenntnissen und Erfahrungen nicht so zielführend, wie lange angenommen.
- Auf Grund des revidierten Volksschulgesetzes, das am 1. August 2008 in Kraft tritt, haben Gemeinden die Möglichkeit, Immersionsunterricht im Kindergarten und in der
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Volksschule einzurichten, wenn sie dies wünschen. Immersionsunterricht bedeutet, dass gewisse Unterrichtsinhalte in der anderen Landessprache vermittelt werden.
- Die Motion greift ein Anliegen auf, das in ähnlicher Form bereits im Sprachenkonzept des Kantons Bern enthalten ist. Das Konzept hält u.a. als Ziel fest, dass Schülerinnen und Schüler ab dem Kindergartenalter anderen Sprachen als der Erstsprache begegnen sollen. Diese Sprach-Begegnungen sind allerdings nicht auf die Zweitsprache begrenzt. Es können auch andere sein. Ziel ist es dabei, den Kindern eine erste Begegnung mit anderen Sprachen, die Entwicklung von Bewusstsein für Sprache und das Wecken von Interesse an der Sprache zu ermöglichen.
Die Vorverlegung und Verstärkung des Fremdsprachenunterrichts (Französisch im 3.
Schuljahr sowie Englisch im 5. Schuljahr) ist erst im Gang. Eine Kursänderung dieses Prozesses ist nicht sinnvoll. Vorerst will der Regierungsrat mit dem Bestehenden und Beabsichtigten Erfahrungen sammeln und sich darauf konzentrieren, die beschlossene Vorverlegung und Verstärkung des Fremdsprachunterrichts optimal umzusetzen.
Schlussfolgerung:
- Insgesamt ist der Regierungsrat der Auffassung, es sollte aus den dargelegten Gründen zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Massnahmenpaket im Sinne des Motionärs ergriffen werden.
Antrag: Ablehnung
An den Grossen Rat