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Gültigkeitsprobleme spielen innerhalb der Sozial­forschung eine bedeutsame Rolle. Hinsichtlich dieser Problematik ist zwar der

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© F. Enke Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 8, Heft 3, Juli 1979, S. 267 - 278 V e r ö ffe n tlic h te em p irisch e S ozialforsch u n g: E in e K u m u la tio n v o n A rtefak ten ?

Eine A n a ly se v on P eriodika Heinz Sahner

Institut für Soziologie der Christian-Albrechts-Universität Kiel Olshausenstraße 40/60, D-2300 Kiel

Z u s a m m e n f a s s u n g : Die vorliegende Arbeit versucht, empirisch fundierte Anhaltspunkte für die These zu finden, daß individuelle Haltungen bzw. soziale Erwartungen den Datenanalyseprozeß dergestalt beeinflussen, daß zumindest Teile der veröffentlichten empirischen Sozialforschung als Artefakte bezeichnet werden müssen. Die Prüfung geschieht wie folgt: Einmal wird zu prüfen versucht, ob signifikante Ergebnisse eine größere Publikations­

chance haben als nicht-signifikante. Unter den Publikationen, die Signifikanztests aufführen, dominieren die Arti­

kel mit überwiegend signifikanten Ergebnissen (74%). Von den Signifikanztests insgesamt resultieren 60% in signi­

fikant und 40% in nicht signifikanten Ergebnissen. Zum anderen wird geprüft, ob ex ante formulierte und gerichtete Hypothesen eher bestätigt oder eher widerlegt werden. Die Analyse zeigt, daß 75% derartiger Hypothesen bestätigt und nur 25% widerlegt oder modifiziert werden. Selbst bei empirischer Sozialforschung, die vergleichsweise restrik­

tiv vorgeht (ex ante formulierte Hypothesen prüft), besteht der Verdacht, daß sie noch einmal das bestätigt, was man ohnehin schon weiß. Bei beiden Überprüfungsversuchen der angeführten These besteht aber die Schwierigkeit, ein Entscheidungskriterium anzugeben.

1. Vorbemerkung

Gültigkeitsprobleme spielen innerhalb der Sozial­

forschung eine bedeutsame Rolle. Hinsichtlich dieser Problematik ist zwar der gesamte For­

schungsprozeß prekär, das Interesse richtet sich aber in diesem Zusammenhang vorwiegend auf die Datenerhebung. Hier wiederum dominieren die Forschungen zu dem Datenerhebungsverfah­

ren Interview (vgl. z.B. Scheuch 1973, Esser 1975). Derartige Probleme zu verfolgen ist zwei­

fellos wichtig. Nicht minder bedeutsam ist je­

doch eine Antwort auf die Frage, was mit den erhobenen Daten geschehen sei. Hier herrscht weitgehend individuelle und unkontrollierte Be­

liebigkeit. Offenbar ist man der Auffassung, daß — ist man erst einmal im Besitz eines „gül­

tigen“ Satzes von Daten - bei der Datenanalyse nichts mehr schief gehen kann. Dabei dürfte je­

dem einigermaßen mit empirischer Forschung vertrauten Soziologen klar sein, daß ein Survey mit verschiedenen Vorurteilen vereinbar ist. Und es besteht sogar die Gefahr, daß der Forscher dies auch - bewußt oder unbewußt - weidlich ausnutzt und die seinen Vorurteilen genehmen Aspekte extrahiert. Diese Vermutung haben sicher viele; Versuche, dieses Vorurteil wieder­

um empirisch zu stützen, sind selten. Sollte diese Befürchtung nicht völlig aus der Luft ge­

griffen sein, so dürfte es doch nicht schwierig sein, Belege für diese These zu finden. Es wird den Leser nun nicht mehr überraschen, daß die im folgenden präsentierten Daten nach meiner Meinung just dazu geeignet sind.

Dieser Beitrag hat also einen empirischen Schwer­

punkt. Er hat aber auch einen wissenschafts­

theoretischen Aspekt. Nach meiner Meinung re­

sultieren weitaus mehr Mängel daraus, daß Re­

geln, metatheoretische Forderungen, die man weitgehend für ganz sinnvoll betrachtet, nicht eingehalten werden. Angesichts dieser Misere stellt sich die Frage — und das wäre der dritte zu behandelnde Aspekt: Was tun? Da uns Kri­

tik allein kaum weiterhilft, möchte ich eine Möglichkeit aufzeigen, die es uns erleichtern soll, diese metatheoretischen Regeln zu realisie­

ren — zumindest eine.

2. Metatheorie und Forschungspraxis Die Diskrepanz zwischen „normaler Wissen­

schaft“ (Kuhn 1967) und Wissenschaftstheorie ist ein allseitig beklagtes Faktum und gilt nicht nur für den naturwissenschaftlichen Bereich, auf den sich die Thesen Kuhns vorwiegend beziehen, sondern in besonderer Weise für den sozialwis­

senschaftlichen Bereich. Sowenig, wie man eine Berücksichtigung metatheoretischer Postulate in­

nerhalb der Forschungspraxis beobachten kann, sowenig kümmern sich die Wissenschaftstheore­

tiker um die „normale Wissenschaft“ , so daß immer noch ein Diktum von Lazarsfeld gilt:

„Den in Gang befindlichen empirischen Arbei­

ten auf dem Gebiet der Sozialforschung widmen die Wissenschaftstheoretiker jedoch keinerlei Aufmerksamkeit“ (Lazarsfeld 1965: 37). Tat­

sächlich läßt sich auch eine strenge Trennung

(2)

hinsichtlich des Personals zwischen empirisch vorgehenden Sozialforschern und Meta-Theore­

tikern konstatieren. Anwendungen meta-theore­

tischer Aussagen in empirischen Untersuchungen sind von den Hauptexponenten z.B. des kriti­

schen Rationalismus im deutschen Sprachbereich unbekannt. Zwar wird der Terminus „Empirie“

stets strapaziert, doch mündet der Anspruch nicht in empirische Arbeiten ein1.

Andererseits lassen die Vertreter einer empirisch orientierten Soziologie kaum Versuche erkennen, die von den Meta-Theoretikern angebotenen For­

schungsstrategien anzuwenden, so daß man der gängigen Kritik an dem Theoriedefizit der Pro­

tagonisten des im angelsächsischen Bereich vor­

herrschenden Soziologieverständnisses noch die einer mangelnden Reflexion meta-theoretischer Postulate anhängen kann. Selten sind die Ver­

suche, empirische Sozialforschung vor dem Hin­

tergrund allgemeiner soziologischer Theorien und unter konsequenter Anwendung metatheoreti­

scher Regeln zu betreiben. Die Arbeiten von Opp (1972, 1974; vgl. auch Opp und Heydt 1968, Opp und Hummell 1969) bilden hier eine Ausnahme. Die mangelnde Berücksichtigung me­

ta-theoretischer Postulate in der Forschungspra­

xis birgt jedoch die Gefahr, daß empirische So­

zialforschung zu einem Verfahren zur Produk­

tion von Artefakten degeneriert. Allein daraus, daß metahteoretische Regeln nicht angewendet werden oder daß laufend gegen sie verstoßen wird, ergibt sich nicht die Notwendigkeit, sie zu verwerfen, wie es z.B. Feyerabend (1976) empfiehlt. Es einmal mit der Einhaltung solcher Regeln zu versuchen, liegt näher.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf zwei Gesichtspunkte verweisen, die innerhalb des kri­

tischen Rationalismus eine bedeutende Rolle spielen. Der eine bezieht sich auf die Einsicht, daß Aussagen nicht empirisch zu fundieren sind, der andere bezieht sich auf das Postulat der Kri­

tik. Eine rein empirische Begründung von Theo­

rien bzw. von Basissätzen, die ja Prüfsteine Für die Gültigkeit von Theorien darstellen sollen, gibt es nicht. Zur Stützung von Sätzen sind wir

1 Ganz anders die Opponenten im „Positivmusstreit“

Adorno und Habermas, die selbst empirische Arbeiten vorgelegt haben, wenn auch hier vergeblich eine der kritischen Theorie bzw. der dialektischen Methode ei­

gene Verfahrensweise gesucht wird. Vgl. z.B. Adorno u.a. 1950; Habermas u.a. 1961.

immer wieder gezwungen, auf Hintergrundwis­

sen, auf Instrumententheorien zurückzugreifen.

Dies in Auseinandersetzung mit dem Wiener Kreis deutlich gemacht zu haben, ist das Ver­

dienst Poppers (1973, zuerst 1934; vgl. z.B.:

60 ff). „Nackte Tatsachen“ gibt es also nicht, hier ist Feyerabend beizupflichten (1976: 30).

Damit deuten sich die in der Forschungspraxis auftretenden Schwierigkeiten an, denn alle „Tat­

sachen“ , die in unsere Erkenntnis eingehen, wer­

den auf bestimmte Weise gesehen (Feyerabend 1976: 30). Der einzelne Forscher hat einen ge­

wissen Spielraum für die Behandlung seiner Da­

ten bzw. die Überprüfung seiner These; sein Vorurteil wird nicht ohne Einfluß darauf sein, wie er seine Theorie überprüft. Variablenauswahl, Korrespondenzregeln, Faktorenkontrolle verlan­

gen individuelle Entscheidungen, die lediglich Plausibilitätsgesichtspunkten genügen. Kurz, mit­

hilfe des gleichen Datensatzes können zwei For­

scher durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Überprüfung einer Theorie kom­

men. Oder negativer formuliert: Ein Datensatz, und das gilt vor allem für Surveys aufgrund der größeren Wahlmöglichkeit zwischen i.d.R. zahl­

reichen Variablen, ist mit unterschiedlichen Vor­

urteilen vereinbar.

Als wichtiges Korrektiv für diese individuellen, höchst subjektiven Entscheidungen könnte das Postulat der Kritik dienen. „Jene Theorie ist be­

vorzugt, die sich im Wettbewerb, in der Auslese der Theorien am besten behauptet, die am strengsten überprüft werden kann und den bis­

herigen strengen Prüfungen auch standgehalten hat“ (Popper 1973: 73). Es muß aber bezweifelt werden, daß es in der Forschungspraxis zu ei­

nem derartigen Wettbewerb kommt. Über die Gültigkeit von Theorien wird nicht innerhalb ei­

ner konkurrierenden „scientific community“

entschieden, also sozial sondern höchst indivi­

duell wobei das Ziel „Objektivität“ auf der Strecke bleibt. Zwar garantiert ein funktionsfä­

higer Wettbewerb, eine konkurrierende „scien­

tific community“ , nicht letztgültige Wahrheit, zumindest nicht nach Popper, doch könnten so individuelle Verzerrungen minimiert werden.

Von der Erfüllung dieses Postulates ist die For­

schungspraxis aber weit entfernt. So, wie sie sich darstellt, besteht die Tendenz zur Produk­

tion von Artefakten. Die Genese derartiger Arte­

fakte variiert. Man kann sozusagen verschiedene Typen unterscheiden.

(3)

H. Sahnen Veröffentlichte empirische Sozialforschung: Eine Kumulation von Artefakten? 269 Artefakte vom Typ A:

Dieser Typ soll dadurch charakterisiert sein, daß z.B. die für einen Hypothesentest erforderlichen Standards erfüllt worden sind. Die Problematik liegt hier in der selektiven Verwendung und Dif­

fusion von Ergebnissen.

Da hat jemand zu Beginn eines Forschungspro­

zesses eine Hypothese formuliert, die er anhand eines durch Zufallsauswahl gewonnenen Daten­

satzes (ohne Ausfälle) einem Signifikanztest un­

terzieht. Mein Vorurteil ist, daß für den Fall der Nicht-Signifikanz die Chance einer Publikation geringer ist als für den Fall einer signifikanten Beziehung. Die Gefahr der Produktion von Arte­

fakten resultiert hier also daraus, daß empirische Befunde in gute — signifikante - und schlechte

- nicht signifikante — Ergebnisse eingeteilt wer­

den. Die Erklärung sozialer Phänomene wird dann erschwert — wenn nicht verhindert —, wenn nur die Ergebnisse publiziert werden, die signifikant sind. Dies dürfte einleuchten. Selbst wenn in einer Grundgesamtheit zwischen zwei Variablen keine Korrelation besteht, werden wir natürlich in ungefähr fünf von hundert Fällen (bei einem Signifikanzniveau von p = 0,05) in unserer Auswahl signifikante Beziehungen fest­

stellen können. Werden nun aber - getreu der angeführten Verfahrensweise — nur diese signifi­

kanten Ergebnisse publiziert, verbreitet man (empirische) Artefakte, ln diesen 5 von 100 Fäl­

len verwirft man ja Hq, obwohl sie richtig ist (Fehler 1. Art). Da diese fünf von hundert Fäl­

len eine größere Verbreitungschance haben (sig­

nifikante Ergebnisse werden höher bewertet), sind die Periodika — so lautet der Schluß - voll von empirischen Untersuchungen, deren Ergeb­

nisse den Fehlertyp I repräsentieren.

Nehmen wir an, jemand ist an der Prüfung des von ihm schon immer behaupteten Zusammen­

hanges zwischen sozialer Schicht und psychischer Erkrankung interessiert. Selbst wenn in der Grundgesamtheit keine Beziehung zwischen den Variablen „Soziale Schicht“ und „Psychische Erkrankung“ vorliegt, wird in den Periodika den noch dieser Tatbestand behauptet werden, falls er zum Forschungsgegenstand geworden ist.

Diese geschilderte Verfahrensweise ist keines­

wegs aus der Luft gegriffen. Jeder empirisch ar­

beitende Forscher kennt die Genugtuung, die ihn erfüllt, wenn der Output signifikante und

hochkorrelative Beziehungen (und erstere sind von letzteren nicht unabhängig) beschert. Wie­

derholt wird von Kollegen berichtet, die Berge von Computerausdmcken nach signifikanten Ergebnissen durchpflügen bzw. durchpflügen las­

sen. Schließlich dürfte jenes vielzitierte Compu­

terprogramm, das nur noch die signifikanten Ergebnisse ausdruckt, eine Antwort auf die hier skizzierte Verfahrensweise sein. Diese Praxis vergißt zudem, daß auch Nicht-Beziehungen Wirklichkeit adäquat beschreiben können. Mit einem Appell an den Forscher, schön objektiv zu sein, ist hier wenig auszurichten. Eine Kor­

rektur und eine effektive Kritik erscheinen nur interindividuell erfolgversprechend.

Artefakte vom Typ B

Bei dieser Sorte von Artefakten liegt der Pfer­

defuß im Forschungsprozeß und weniger im Problem selektiver Diffusion. Da hier die indi­

viduellen Vorurteile immer bestätigt werden, steht einer Publikation meist nichts im Wege.

Zwei mögliche Varianten sollen kurz skizziert werden:

Variante B\ : Der Forscher sieht sich einem auszubeutenden Survey gegenüber, sei es, daß er eine Diplomarbeit, eine Dissertation, ein Gut­

achten oder ein Forschungsprojekt durchführt.

Er hat mehr oder minder diffuse Vorstellungen, was er überprüfen will. Mit diesen Vorstellungen tritt er in die Phase der Datenanalyse ein, z.B.

in die Tabellenanalyse2. Entspricht das Ergeb­

nis einer Überkreuzung zweier Variablen nicht den Vorstellungen des Forschers (z.B. keine Signifikanz, geringe Korrelationen), dann gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Daten so lange hin- und herzuschaukeln, bis sie den Vor­

urteilen entsprechen oder bis man zu Aha-Er­

lebnissen kommt. Dies ist dadurch möglich, daß man neue Indikatoren für die unabhängige Va­

riable sucht oder so lange Drittfaktoren einführt - d.h. eine oder mehrere Variablen konstant hält — bis man endlich die gewünschte Bezie­

hung gefunden hat oder bis man überhaupt eine Korrelation gefunden hat.

2 Die zu diskutierende Problematik ist nicht auf die Ta­

belle nanalyse beschränkt, sondern stellt sich auch, wenn man z.B. den Harderschen 14 Punkten (Harder 1975: 52 ff) oder den Anweisungen von Opp und Schmidt (1976: 159 f; vgl. auch 319) folgt.

(4)

Variante B2: Variante B2 gleicht der Variante B i, nur daß hier zu Beginn der Analyse konkrete Hypothesen stehen. Im Enttäuschungsfalle, wenn die Hypothese so, wie sie formuliert wurde, nicht zutrifft, wird durch das angeführte Proce­

dere (neue Indikatoren, Drittvariablenkontrolle) doch noch erreicht, die eingangs formulierten Hypothesen zu bestätigen.

In beiden Fällen irrt man also so lange durch die Daten - und die Möglichkeiten der Compu­

teranalyse erleichtern diese Prozedur - , bis man (a) zu interessanten Ergebnissen kommt — was man auch vornehmer „serendipity pattern“ nen­

nen kann - oder bis man (b) seine These bestä­

tigt.

Ex post werden dann erst die Thesen formuliert, aber bei der Publikation vorangestellt, so als würde es sich um einen echten Hypothesentest handeln. Da ein Survey mit mehreren Theorien vereinbar ist, lassen sich so empirisch unter­

schiedliche Weltbilder bestätigen, nämlich die eingangs erwähnten individuellen Vorurteile. Daß es sich hier aber nicht um eine Prüfung von Theorien handeln kann, resultiert einfach daraus, daß diese „Theorien“ , und das ist in diesem Zu­

sammenhang wichtig, keine Chance hatten zu scheitern (cf. Galtung 1967: 333).

3. Überprüfung der These

Nun ist eine derartige Kritik an der empirischen Sozialforschung nicht neu. Schwieriger ist es schon, den Nachweis zu führen, daß dem tat­

sächlich so ist. Lassen sich die Vermutungen durch empirische Belege erhärten?

Zuerst soll der Frage nachgegangen werden, ob signifikante Ergebnisse eine größere Publikations­

chance haben als nicht signifikante Ergebnisse.

Daß tatsächlich vorwiegend signifikante Ergeb­

nisse publiziert werden, ist durch verschiedene Untersuchungen belegt worden (Sterling 1959, Wilson, Smoke und Martin 1973, Galtung 1967).

Folgende Periodika wurden analysiert:

Sterling 1959: 4 psychologische Jg. 1955 Zeitschriften (USA) bzw. Jg. 1956 Galtung 1967: 3 soziologische Jg. 1959

Zeitschriften (2 USA, 1 Brit.)

Wilson u.a. 1973: 3 soziologische Jg. 1969/70 Zeitschr. (USA)

Es wurden jeweils die Artikel mit Signifikanz­

tests danach unterschieden, ob signifikante oder nicht signifikante Ergebnisse überwiegen. In allen drei Untersuchungen konnte nachgewiesen wer­

den, daß mehr Artikel mit überwiegend signifi- kannten Ergebnissen eröffentlicht wurden. Die Einheit der Analyse sind hier also A rtikel Hq gilt als verworfen, wenn mindestens die Hälfte aller statistischen Nullhypothesen verworfen wor­

den sind.

Sterling 97,28% der Artikel verwerfen Hq

(Psychologen) Galtung

(Soziologen) 100,00% der Artikel verwerfen Hq

Wilson u.a.

(Soziolgen) 80,40% der Artikel verwerfen Hq

In den deutschen Periodika3 * überwiegen die be­

richteten signifikanten Ergebnisse ebenfalls die nicht signifikanten, ohne allerdings ein derartiges Ungleichgewicht zu zeigen, wie cs Sterling, Gal­

tung und Wilson u.a. von den angelsächsischen Periodika berichten. Hierbei ist allerdings zu be­

denken, daß deren Zahlen sich auf weiter zurück­

liegende Jahre beziehen. Es ist durchaus möglich, daß auch dort in der Zwischenzeit ein Wandel eingetreten ist. Allerdings zeigen auch die älteren Jahrgänge der „Sozialen Welt“ und der „Kölner Zeitschrift“ keine so starken Asymmetrien, wenn auch starke Schwankungen von einem Jahrgang zum anderen (vgl. Tabelle 1; alle Tabellen am Schluß des Beitrags).

Eine Einteilung der Artikel mit Signifikanztests danach, ob die signifikanten Ergebnisse überwie­

gen oder die nicht signifikanten Ergebnisse, er­

gibt ein deutliches Übergewicht ersterer (vgl Ta-

3 Es wurden drei Zeitschriften analysiert: „Soziale Welt“ (1965 bis 1976), „Kölner Zeitschrift für Sozio­

logie und Sozialpsychologie“ (1965 bis 1976), „Zeit­

schrift für Soziologie“ (1972 bis 1976). Zwei getrenn­

te Verkodungen wurden durchgeführt: Einmal hat der Autor alle angeführten Jahrgänge der drei Zeitschrif­

ten analysiert; unabhängig davon wurden die beiden Zeitschriften „Kölner Zeitschrift“ und „Zeitschrift für Soziologie“ von Dieter Fürst und Bernd Litschwager und die „Soziale Welt“ von Maren Klüver verkodet. Be­

hoben wurden abweichende Ergebnisse anschließend durch Diskussion. Den Genannten sei für ihre kritische Mitarbeit gedankt. Zu kritischen Anmerkungen von Sei­

ten der Autoren und Leser wird herzlich eingeladen.

Die „Daten“ stehen in jeder Institutsbibliothek und sind somit für Sekundäranalysen zugänglich. Eine Dokumentation, aus der die Verkodung ersichtlich ist, kann vom Autor bezogen werden (Sahner 1978).

(5)

H. Sahner: Veröffentlichte empirische Sozialforschung: Eine Kumulation von Artefakten? 271 belle 6). Der Anteil liegt (für die drei Zeitschrif­

ten gemeinsam) bei 74%. Die Abweichungen der einzelnen Zeitschriften von diesem Durchschnitt ist maximal 6 Prozentpunkte (Zeitschrift für Soziologie). In jedem Fall liegt der Anteil deut­

lich unter den Zahlen für die angelsächsischen Zeitschriften.

Eine Auszählung der einzelnen Signifikanz tests (vgl. Tabelle 5) ergibt ebenfalls ein deutliches Übergewicht signifikanter Ergebnisse4. Im Durch­

schnitt sind die referierten Tests zu 60% signifi­

kant und zu 40% nicht signifikant

Zusammenfassend kann man sagen, daß die Er­

gebnisse der Tendenz nach, wenn auch nicht im Ausmaß, mit den für angelsächsische Zeitschrif­

ten referierten vergleichbar sind.

Aus diesem Tatbestand, daß nämlich vorwiegend signifikante Beziehungen referiert werden, wäh­

rend — so wird geschlossen — nicht signifikan­

te in der Schublade bleiben, resultiert der Ver­

dacht (vgl. Wilson u.a. 1973, Galtung 1967:

360), daß die Periodika voll von Fehlern des Typs I sind: Hqwird verworfen, obwohl sie rich­

tig ist. Oder mit anderen Worten: Aufgrund ei-

4 Ein Vergleich von Tabelle 5 und 6 für die Spalte

„Soziale Welt“ zeigt, daß bei dieser Zeitschrift die Artikel mit überwiegend signifikanten Ergebnissen über dem Durchschnitt und nach Tabelle 6 - in der Signifikanztests die Einheiten der Analyse sind - die signifikanten Ergebnisse unter dem Durchschnitt liegen. Dies ist wie folgt zu erklären: Im Jahrgang 1975 erschienen zwei Artikel, die jeweils Matrizen von Mittelwerten bzw. Korrelationskoeffizienten enthielten. Die signifikanten wurden ausgezeichnet („signifikant“ bzw. „sehr signifikant“). Die Unter­

schiede bzw. Korrelationen, die nicht derart ausge­

zeichnet worden sind, wurden konsequenterweise als nicht signifikant gezählt. In beiden Artikeln über­

wiegen die nicht-signifikanten Ergebnisse. Es ist zu erwarten, daß die Relationen zwischen signifikanten und nicht signifikanten Ergebnissen zukünftig sich verändern werden und zwar dergestalt, daß zuneh­

mend mehr nicht-signifikante Ergebnisse ausgezählt werden können. Dies dürfte ein Ergebnis der zuneh­

menden Verwendung der EDV sein. Während früher (mein Vorurteil) nur die vermutüch signifikanten Beziehungen errechnet und referiert worden sind, werden heute alle möglichen Tests durchgeführt. Die veränderte Relation könnte ein Indikator dafür sein, daß sich empirisch nicht so viele signifikante Bezie­

hungen finden lassen, wie früher durch selektive Be­

rechnung berichtet wurden.

ner sozialen Haltung wird eine nicht näher zu umreißende Zahl von Artefakten tradiert5.

Diesen Schluß auf der Grundlage der Relation der signifikanten zu den nicht signifikanten Ergebnissen zu ziehen, ist aber nicht unproble­

matisch, und zwar aus folgenden Gründen:

1. Hq dürfte kaum jemals exakt zutreffen. Das heißt, in der Grundgesamtheit wird es zwischen zwei Parametern Unterschiede geben, wenn auch noch so kleine. Desgleichen dürfte Indif­

ferenz zwischen zwei Variablen kaum auftreten.

Auch hier werden Abweichungen von der Indif­

ferenz die Regel sein.

2. Wenn das zutrifft, dann kann ich immer signi­

fikante Ergebnisse erwarten, vorausgesetzt, ich wähle die Fallzahl der Auswahl groß genug. Den Auswahlumfang so zu bestimmen, daß signifikan­

te Ergebnisse resultieren, wird freilich jeweils schwierig sein, weil ich ja nicht weiß, wie groß z.B. die Mittelwertunterschiede in der Grundge­

samtheit sind. Die ermittelten Unterschiede oder Korrelationen können zwar höchst bedeutungs­

los sein (Insignifikanz signifikanter Ergebnisse), die Überlegungen zeigen aber, daß die empirisch gefundene Relation zugunsten signifikanter Er­

gebnisse nicht zwingend nachweist, daß signifi­

kante Ergebnisse eine größere Publikationschan­

ce haben bzw. nicht signifikante Ergebnisse un­

terdrückt werden.

Die empirisch auffindbaren Asymmetrien zwi­

schen signifikanten und nicht signifikanten Er­

gebnissen und die Primärerfahrung empirisch arbeitender Forscher mögen zwar den Verdacht nahe legen, daß Befunden die skizzierte geteil­

te Aufmerksamkeit zuteil wird, doch reichen diese Zahlen m.E. nicht zur überzeugenden Stützung meiner These aus, daß „empirische

5 In psychologischen Zeitschriften, in denen diese Problematik diskutiert wird, wird dieser Tatbestand der Bevorzugung signifikanter Ergebnisse mit der Herausgeberpolitik erklärt. Man erwarte nämüch, daß etwas Gescheites, nämlich Signifikantes bei einer Untersuchung herauszukommen habe. Ich kann mir kaum vorstellen, daß dem so ist. Vor allen Din­

gen kann ich mir nicht vorstellen, daß ein Heraus­

geber oder ein Herausgebergremium einen Artikel ab­

lehnt, weil sich die Beziehung zweier Variablen oder zweier Mittelwerte nicht als signifikant erwiesen hat.

Viel eher (mein Vorurteil) spielen hier individuelle Fak­

toren eine Rolle.

(6)

Sozialforschung ein Instrument zur Bestätigung individueller Vorurteile des Forschers“ ist.

Folgende Vorgehensweise scheint mir eher ge­

eignet, diese These zu prüfen: Wenn tatsächlich ernsthaft Hypothesen stetigen Prüfungsversuchen ausgesetzt werden, dann müssen sie ja nicht nur die Chance haben zu scheitern, sondern tatsäch­

lich zuweilen scheitern. Scheitern können Hypo­

thesen nur, wenn sie ex ante formuliert worden sind und wenn angegeben wird, unter welchen Bedingungen sie als gescheitert zu betrachten sind. Wenn keine Vor-Informationen vorliegen — eine freilich nicht ganz realistische Annahme dann beträgt die Wahrscheinlichkeit 0,5, daß zwei Variablen miteinander z.B. positiv variieren oder daß Xi größer als X2 ist.

Wenn tatsächlich empirische Sozialforschung oder „normale“ Wissenschaft sich an den metho­

dologischen Standards orientierte und nicht ein Verfahren gepflegt würde, wie es oben unter (B) skizziert worden ist, dann müßte die Anzahl der gescheiterten Theorien (Hypothesen) in der Nähe dieses Anteils liegen.

Um diese These (ex-ante-These!) zu überprüfen, wurden die drei wichtigsten deutschen soziologi­

schen Periodika analysiert, nämlich die „Köl­

ner Zeitschrift“ (Jg. 1965 bis Jg. 1976), die

„Soziale Welt“ (Jg. 1965 bis Jg. 1976) und die

„Zeitschrift für Soziologie“ (Jg. 1972 bis Jg.

1976). Ausgezählt wurden die Hypothesen, die folgenden Kriterien genügten: (1) Ex-ante- Formulierung; d.h., es mußte der Eindruck er­

weckt worden sein, hier seien Hypothesen vor der Konfrontation mit den Daten formuliert worden. (2) Die Hypothesen mußten „gerich­

tet“ sein, d.h. es mußte angegeben sein, ob eine positive oder negative Korrelation erwartet wur­

de; bei einem Mittelwertvergleich mußte vorher bestimmt worden sein, ob Xi oder X2 größer ist. Es wurde dann ausgezählt, wieviele dieser Hypothesen bestätigt und wieviele durch die Untersuchung widerlegt worden sind. Hierbei sind alle empirischen Untersuchungen einbezo­

gen worden, unabhängig davon, ob Testverfahren verwendet worden sind oder nicht.

Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 dargestellt. Es ergibt sich eine hohe Bestätigungsquote von 75%6 6 Bei restriktiver Auslegung der Daten. „Modifizierte“

Hypothesen wurden der Kategorie „W“ zugeordnet.

und damit eine geringe Widerlegungsquote von 25%, in der schon die lediglich modifzierten The­

sen enthalten sind. Das heißt, empirische Sozial­

forschung bestätigt mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal das, was man ohnehin vermutet.

Der Verdacht ist nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen, daß sie affirmativen Charakter für die eigenen Vorurteile hat. Wie dieser Prozeß individuell abläuft, ist oben versuchsweise ange­

deutet worden. Jeder Forscher geht mit für ihn plausiblen Vorstellungen oder Erklärungsansätzen durch die Welt. Stimmt diese Vorstellung mit den Daten überein, frohlockt er: Publikation. Im Enttäuschungsfalle, wenn Vorstellungen und Da­

ten auseinanderfallen, wird er diese unangeneh­

me Situation abzustellen suchen. (Diese Haltung kann man natürlich zum Gegenstand theoreti­

scher Bemühungen machen: Theorie der kogniti­

ven Dissonanz). Mehrere Möglichkeiten stehen zur Auswahl: (a) Verdrängen; man hat für die Schublade gearbeitet (Typ A); oder (b): Kogni­

tive Konsonanz wird durch Auswechseln der In­

dikatoren, Einführung von Drittfaktoren etc.

wiederhergestellt (Typ B). Oder - und das wäre eine andere Erklärung nach Typ B — hier han­

delt es sich um Aha-Erlebnisse, die sich bei der Niederschrift in Ex-ante-Hypothesen verwandel­

ten.

Die Ergebnisse legen den Schluß nahe: Gegen­

über gegenteiliger empirischer Evidenz ist man immun.

4. Mögliche kritische Anmerkungen

Es sollen kurz einige mögliche kritische Einwän­

de diskutiert werden. Da heißt es einmal, die Annahme, daß die Wahrscheinlichkeit für die Be­

stätigung bzw. Ablehnung einer Hypothese bei 0,5 liege, sei wenig realistisch. Dies könne z.B.

nur dann gegeben sein, wenn kein Vorwissen exi­

stiere. Dagegen könnte man folgenden Einwand erheben: Selbst wenn wir einen guten Fundus an bestätigten Theorien hätten, was immer wie­

der bestritten wird, dann kann doch die Konse­

quenz auch hier nur sein, Theorien harten Tests auszusetzen, was eine höhere Widerlegungsquote als die beobachtete zur Folge haben würde. Oder es läge nahe, andere, noch nicht so gut abgesi­

cherte Theorien zu überprüfen und nicht Theo­

rien, bei denen man von vorneherein schon weiß, was herauskommt (Motto: Wenn der Vater ein Graf ist, dann ist auch der Sohn ein Graf). Viele

(7)

H. Sahnen Veröffentlichte empirische Sozialforschung: Eine Kumulation von Artefakten? 273 empirische Arbeiten, die mit einer Schichtvaria­

blen arbeiten, haben diesen Charakter. Und noch etwas: Wann bestätigt man denn eine Theorie?

Doch nicht dann, wenn eine schwache Beziehung in der prognostizierten Richtung vorliegt. Das kann man zwar zuweilen beobachten, es ist aber nicht die Regel. Also müßte man sogar von einer geringeren Wahrscheinlichkeit als 0,5 für die Be­

stätigung von Thesen ausgehen.

Die vorliegende Kritik soll nicht den Eindruck erwecken, als sei etwas gegen eine Verfahrens­

weise gesagt, die zuweilen euphorisch mit dem Etikett ,,Laßt die Daten sprechen!“ belegt wird, also dagegen, daß sich die Theoriebildung und die Datenanalyse wechselseitig beeinflussen. Ein solches Procedere hat durchaus heuristischen Wert, doch kann man es nicht als Theorientest bezeichnen, weil das, was schließlich heraus­

kommt, keine Chance hatte, widerlegt zu wer­

den. Leider — siehe die einleitenden Bemerkun­

gen — besteht jedoch der Verdacht, daß das Endprodukt einer solch dialektischen4 Vorge­

hensweise als Ausgangspunkt genommen und so dargestellt wird, als handele es sich um eine ex ante formulierte These, die dann mit den Daten konfrontiert worden sei. Dagegen richtet sich diese Kritik.

5. Sekundäranalyse als Möglichkeit zur Reali­

sierung metatheoretischer Postulate und damit zur Reduzierung möglicher Artefaktbildung.

Ich behaupte nun nicht, daß die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung lediglich aus Arte­

fakten bestehen oder Manifestationen individuel­

ler Vorurteile sind. Ich bin auch nicht der An­

sicht, daß sich hier wieder einmal die Nutzlo­

sigkeit einer empirisch orientierten Soziologie zeigt. Ich glaube aber, daß die hier aufgeführten empirischen Befunde Gefahren aufzeigen, die aus einer allzu individualistisch orientierten Ver­

fahrensweise resultieren. Daraus ergibt sich auch schon eine mögliche Strategie, die Gefahren zu bekämpfen.

Ich habe eingangs darauf verwiesen, daß die Gül­

tigkeit eines Basissatzes und damit die Gültig­

keit einer Theorie nicht empirisch begründet wer­

den kann. Zwar müssen nach verbreitetem Ver­

ständnis die Theorien empirischen Gehalt haben und an der Erfahrung scheitern können, doch die Entscheidung, ob tatsächlich einem Basissatz

(vorläufige) Gültigkeit zukommen soll, bleibt sozialer Natur. Indikator für die Gültigkeit ei­

nes Basissatzes (einer Theorie) ist danach das Maß der bei einer Entscheidung über Theorien eingebrachten sozialen Kritik, oder besser: das Ausmaß des Konsensus einer idealen Wissen­

schaftlergemeinschaft (scientific community).

Für die Arbeit dieser idealen Wissenschaftlerge­

meinschaft, die eine effektive Kritik sicher stel­

len soll, müssen (zumindest) zwei wichtige Vor­

aussetzungen erfüllt sein: (a) Intersubjektive Zu­

gänglichkeit des jeweils erfaßten Sachverhaltes und (b) eine möglichst heterogene Zusammen­

setzung der am Diskurs Beteiligten, weil bei ei­

ner Homogenität der Weltanschauungen das Kri­

tikpotential gering ist.

Ich bin nun der Ansicht, daß das Instrument der Sekundäranalyse eine gute Voraussetzung für die annähernde Realisierung dieser beiden Postulate liefert.

Durch Sekundäranalyse kann der Kreis der am Diskurs Beteiligten beliebig erweitert werden.

Der Sachverhalt wird dem Sekundäranalytiker gleichermaßen wie dem Primäranalytiker zugäng­

lich. Intersubjektivität ist also gewährleistet. Die Vorteile seien stichwortartig hervorgehoben:

1. Durch Replikationen können die stets zu er­

wartenden individuellen Verzerrungen kontrol­

liert werden. Bekanntlich gibt es keine Autono­

mie der Tatsachen.

2. Sozialwissenschaftler, die sich für Replikatio­

nen zu schade sind, können das von ihren Stu­

denten besorgen lassen. Sekundäranalysesemina­

re eignen sich vorzüglich zur Ausbildung in den Methoden der empirischen Sozialforschung.

3. Metatheoretischer Aspekt: Wie die Praxis zeigt, eignet sich Sekundäranalyse auch zur Überprüfung von Instrumententheorien. So wur­

de durch Sekundäranalysen von Untersuchun­

gen über die Machtverhältnisse in Gemeinden nachgewiesen, daß die Aussagen über die Macht­

verteilung in den Gemeinden instrumentenspezi- fisch variieren (vgl. z.B. Drewe 1967, Sahner 1975: 31 ff; siehe zu dieser These kritisch: Nel­

son 1974, Seiler 1975).

Un überhaupt Sekundäranalysen mit dieser Ziel­

setzung durchführen zu können, müssen aller­

dings einige Voraussetzungen und Forderungen erfüllt sein.

(8)

1. Die Ergebnisse müssen reproduzierbar sein.

Das dürfte heute nur für einen geringen Teil der Publikationen möglich sein, weil die Daten nicht mehr existieren oder nicht mehr zugänglich sind, weil wichtige Informationen fehlen (Codepläne, Variablenbildung etc.).

2. Die Daten müssen für Sekundäranalysen zur Verfügung gestellt werden. Auch das dürfte heu­

te nur ausnahmsweise möglich sein, weil irgend­

welche Auftraggeber oder Erhebungungsinstitute aus den unterschiedlichsten Gründen nicht an Replikationen interessiert sind. Zumindest die mit öffentlichen Geldern geförderten Untersu-,

Literatur:

Adorno, Th. W., Frenkel-Brunswick, E, Levinson, D.J., und Sanford, R.N., 1950: The Authoritarian Person­

ality. New York.

Böltken, F., 1976: Auswahlverfahren. Stuttgart: Teubner Drewe, P., 1967: Techniken zur Identifizierung lokaler

Eliten. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozial­

psychologie 19, 7 2 1 -7 3 5 .

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Main: Suhrkamp.

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search. Oslo: Universitätsforläget.

Habermas, J., Friedeburg, L. von, Oehler, Ch., und Weltz, F., 1961: Student und Politik. Neuwied und Berün: Luchterhand.

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Opp, K.-D., und Hummell, H.-J., 1969: On the Re­

lations between Theory and Research in Sociology.

A Critique of Empirical Studies in Sociology, de­

monstrated with ,Union Democracy4. Quality and Quantity 3, 2 3 -6 1 .

chungen müßten nach einem bestimmten Zeit­

raum zugänglich sein. Die Erfahrung lehrt leider, daß dies nicht immer der Fall ist.

3. Herausgeber von Zeitschriften nehmen nur solche Artikel mit Substanzforschung auf, deren Autoren einen verwendbaren Datensatz für Se­

kundäranalysen (zumindest nach einem bestimm­

ten Zeitraum) zur Verfügung stellen.

Wenn der Verdach besteht, daß ein Großteil der veröffentlichten Ergebnisse Artefakte sind, dann sollte es eine Lobby verstehen, diese Forderun­

gen zu realisieren.

Opp, K.-D., 1972: Verhaltenstheoretische Soziologie.

Reinbek: Rowohlt.

Opp, K.-D., 1974: Abweichendes Verhalten und Ge- sellschaftsstruktur. Darmstadt und Neuwied: Luch­

terhand.

Opp, K.-D., und Schmidt, P., 1976: Einführung in die Mehrvariablenanalyse. Grundlagen der Formulierung und Prüfung komplexer sozialwissenschaftlicher Aus­

sagen. Reinbek: Rowohlt.

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Mohr.

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strument zur Bestätigung der Vorurteile des For­

schers? Eine Analyse veröffentlichter empirischer Sozialforschung. Christian-Albrechts-Universität So­

ziologische Arbeitsberichte 4. Kiel

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schung Bd. 2, hrsg. v. Rene König. Stuttgart: Enke.

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The Replication Problem in Sociology: A Report and a Suggestion. Sociological Inquiry 43, 141 — 149.

(9)

H. Sahner: Veröffentlichte empirische Sozialforschung: Eine Kumulation von Artefakten? 275

TABELLE 1: Anteil einzelner Zeitschriften an den Signifinanz-Texts*

Jahr n

% sig.

KZfSS

n-sig. zus. sig.

SW

n-sig. zus. sig.

ZfS

n-sig. zus. sig.

insgesamt n-sig. zus.

n 79 91 170 4 1 5 _ _ _ 83 92 175

% 46 54 100 80 20 100 47 53 100

1965 % 95 99 97 5 1 3 100 100

% 45 52 - 2 1 - - - 100

n 69 26 95 28 4 31 _ _ _ 97 30 127

% 73 27 100 88 12 100 76 24 100

1966 % 71 87 75 29 13 25 100 100

% 54 21 - 22 3 - - - 100

n 68 102 170 32 43 75 _ _ _ 100 145 245

% 40 60 100 43 57 100 41 59 100

1967 % 68 70 69 32 30 31 100 100

% 28 42 - 13 17 - - - 100

n 20 20 40 11 0 11 _ _ _ 31 20 51

% 50 50 100 100 0 100 61 39 100

1968 % 65 100 78 35 0 22 100 100

% 39 39 - 22 0 - - - 100

n 126 55 181 0 0 0 _ _ _ 126 55 181

% 70 30 100 0 0 0 70 30 100

1969 % 100 100 100 0 0 0 100 100

% 70 30 - 0 0 - - - 100

n 282 73 355 30 19 49 _ _ _ 312 92 404

% 79 21 100 61 39 100 77 23 100

1970 % 90 79 88 10 21 12 100 100

% 70 18 - 7 5 - - - 100

n 134 84 218 - _ _ _ _ 134 84 218

% 61 39 100 61 39 100

1971 % 100 100 100 100 100

% 61 39 - - - 100

n 216 62 278 9 1 10 1 0 1 226 63 289

% 78 22 100 90 10 100 100 0 100 78 22 100

1972 % 96 98 96 4 2 4 0 0 0 100 100

% 75 22 - 3 0 - 0 0 - - - 100

n 30 1 31 145 28 173 49 16 65 224 45 269

% 97 3 100 84 16 100 75 25 100 83 17 100

1973 % 13 2 12 65 62 64 22 36 24 100 100

% 11 0 - 54 11 - 18 6 - - - 100

n 51 52 103 4 0 4 237 75 312 292 127 419

% 50 50 100 100 0 100 76 24 100 70 30 100

1974 % 18 41 25 1 0 1 81 59 74 100 100

% 12 12 - 1 0 - 57 18 - - - 100

n 93 57 150 197 337 534 53 28 81 343 422 765

% 62 38 100 37 63 100 65 35 100 45 55 100

1975 % 27 13 20 57 80 70 16 7 10 100 100

% 12 7 - 26 44 - 7 4 - - - 100

(10)

Fortsetzung TABELLE 1

Jahr n

% sig.

KZfSS

n-sig. zus. sig.

SW

n-sig. zus. sig.

ZfS n-sig. zus.

insgesamt sig. n-sig. zus.

n 41 67 108 347 267 614 204 160 364 592 494 1086

% 38 62 100 57 43 100 56 44 100 55 45 100

1976 % 7 14 10 59 54 57 34 32 33 100 100

% 4 6 - 32 24 - 19 15 - - - 100

insg. n 1209 690 1899 807 700 1507 544 279 823 2560 1669 4229

% 64 36 100 54 46 100 66 34 100 61 39 100

% 47 41 45 32 42 36 21 17 19 100 100

% 28 16 - 19 17 - 13 7 - - - 100

* Es bedeuten (jeweils pro Jahrgang): 1. Zeile: Absolute Häufigkeiten der signifikanten und der nicht-signifikanten Ergebnisse. Die Zeilen zwei bis vier enthalten die relativen Anteile der signifikanten, nicht-signifikanten bzw. der Ergebnisse insgesamt. 2. Zeile: Basis sind die Tests pro Zeitschrift bzw. die Tests insgesamt. 3. Zeile: Basis sind hier die signifikanten Ergebnisse bzw. die nicht-signifikanten Ergebnisse insgesamt. 4. Zeile: Basis ist hier die Anzahl der Tests insgesamt.

TABELLE 2: Anteil einzelner Zeitschriften an den Artikelinhalten *

Jahr n

% T M

KZfSS

S 5 zus. T M

SW

S 3 zus. T M

ZfS

S 3 zus. T

insgesamt

M S 3 zus.

n 21 4 13 3 41 14 0 2 1 17 _ - _ _ _ 35 4 15 4 58

% 51 10 32 7 100 82 0 12 6 100 60 7 26 7 100

1965 % 60 100 87 75 71 40 0 13 25 29 100 100 100 100

% 36 7 23 5 - 24 0 3 2 - - - - - 100

n 19 1 11 3 34 10 0 3 2 15 _ _ _ _ _ 29 1 14 5 49

% 56 3 32 9 100 67 0 20 13 100 59 2 29 10 100

1966 % 66 100 79 60 69 34 0 21 40 31 100 100 100 100

% 39 2 23 6 - 20 0 6 4 - - - - - 100

n 11 2 11 4 28 9 1 2 2 14 _ _ _ _ _ 20 3 13 6 42

% 39 7 39 15 100 65 7 14 14 100 48 7 31 14 100

1967 % 55 67 85 67 67 45 33 15 33 33 100 100 100 100

% 26 5 26 10 - 21 2 5 5 - - - - - 100

n 18 2 6 0 26 13 0 1 1 15 _ _ __ _ _ 31 2 7 1 41

% 69 8 23 0 100 86 0 7 7 100 76 5 17 2 100

1968 % 58 100 86 0 63 42 0 14 100 37 100 100 100 100

% 44 5 15 0 - 32 0 2 2 - - - - - 100

n 34 4 4 6 48 13 2 5 0 20 _ _ _ _ _ 47 6 9 6 68

% 71 8 8 13 100 65 10 25 0 100 69 9 13 9 100

1969 % 72 67 44 100 71 28 33 56 0 29 100 100 100 100

% 50 6 6 9 - 19 3 7 0 - - - - - 100

n 17 7 2 6 32 19 4 2 2 27 _ _ _ _ _ 36 11 4 8 59

% 53 22 6 19 100 71 15 7 7 100 61 19 7 13 100

1970 % 47 64 50 75 54 53 36 50 25 46 100 100 100 100

% 29 12 3 10 - 33 7 3 3 - - - - - 100

n 10 7 7 4 28 10 7 7 4 28

% 36 25 25 14 100 36 25 25 14 100

1971 % 100 100 100 100 100 100 100 100 100

% 36 25 25 14 - - - - - 100

n 27 3 8 2 40 22 4 3 2 31 17 7 5 1 30 66 14 16 5 101

% 67 8 20 5 100 71 13 10 6 100 57 23 17 3 100 65 14 16 5 100

1972 % 41 21 50 40 40 33 29 19 40 30 26 50 31 20 30 100 100 100 100

% 26 3 8 2 - 22 4 3 2 - 17 7 5 1 - - - - - 100

n . 28 2 17 2 49 18 3 2 3 26 14 4 3 4 25 60 9 22 9 100

% 57 4 35 4 100 69 12 7 12 100 56 16 12 16 100 60 9 22 9 100

1973 % 47 22 77 22 49 30 33 9 33 26 23 45 14 45 25 100 100 100 100

% 28 2 17 2 - 18 3 2 3 - 14 4 3 4 - - - - - 100

Abbildung

TABELLE  1:  Anteil einzelner Zeitschriften  an den  Signifinanz-Texts*
TABELLE  2:  Anteil einzelner Zeitschriften an  den Artikelinhalten *
TABELLE  3:  Verteilung der ex-ante formulierten Thesen (n = Anzahl,  B  = bestätigt, W  = widerlegt) Kölner  Zeit­ schrift  Thesen Soziale Welt Thesen Zeit sehr, fürSoziologieThesen insgesamt n B W n B W n B W n B W 1965 3 3 1 1 4 4 1966 10 5 5 1 1 11 6 5
TABELLE  4:  Auszählung der Artikel nach theoretischem, methodischem und  empirischem  Schwerpunkt KZfSS 1965  -   1976 Soz

Referenzen

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