Kasse machen im sozialen Netz
1. Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler sollen ...
1. die Gründe herausarbeiten, weshalb Kunden nun verstärkt ihre Produkte direkt über die sozialen Medien kaufen können.
2. den Marketing-Mix erklären und benennen, welche Instrumente davon im vorlie- genden Fall eingesetzt werden.
3. diskutieren, inwiefern der Trend zum E-Commerce den stationären Handel beein- flussen könnte.
2. Aufgaben
1. Beschreiben Sie das neue Geschäftsmodell einiger Unternehmen, welches diese mit Hilfe der sozialen Medien seit Neuestem haben.
2. Arbeiten Sie die Ursachen dafür heraus, dass die Kunden nun verstärkt Produkte direkt über die sozialen Medien bestellen können.
3. Erläutern Sie, was unter dem Marketing-Mix verstanden wird und zeigen Sie mit dessen Hilfe auf, welche Instrumente davon vorwiegend beim neuen Geschäftsmo- dell eingesetzt werden.
4. Beurteilen Sie, inwiefern im vorliegenden Fall von einem Strukturwandel gespro- chen werden kann.
5. Diskutieren Sie, inwiefern der Trend zum E-Commerce den stationären Handel be- einflussen könnte. Begründungen Sie Ihre Einschätzungen.
Kasse machen im sozialen Netz
Instagram und Pinterest öffnen sich dem E-Commerce. Gerade Modehändler wittern dort ein gutes Geschäft. Denn in Asien läuft schon jeder dritte Onlineverkauf über Social Media.
Zalando strengt sich mächtig an, um für seine neue Kollektion in knalligem Orange zu werben: Auf Instagram zeigt ein Modell lässig Schuhe in der Leuchtfarbe, ein anderes gibt sich auf drei Fotos beschwingt in einer orangefarbenen Jacke. Die Fotos gefallen auch bis zu 1 700 Menschen. Doch ob sie die Jacke jemals kaufen, ist völlig offen.
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Diese Ungewissheit will das Berliner Onlinekaufhaus beenden. Zalando gehört zu den ersten Modehändlern in Deutschland, die das soziale Netzwerk Instagram als direkten Verkaufskanal nutzen. Wer auf einem Foto einen kleinen Einkaufswagen sieht, kann das Foto anklicken, erhält weitere Informationen und landet dann ohne Umwege im
Onlineshop.
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Für Instagram beginnt eine neue Zeitrechnung: Mit der Einkaufsmöglichkeit, die das soziale Netzwerk vor Kurzem offiziell in Deutschland gestartet hat, wandelt es sich von einem Unterhaltungs- und Marketing- zu einem Einkaufskanal. Modekonzerne wie Hugo Boss, Zalando und Esprit oder die Parfümeriekette Douglas hoffen so, künftig noch mehr
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Kunden von Followern zu Käufern in ihren Onlineshops zu machen.
Den neuen Einkaufsservice gibt es zwar in Deutschland offiziell erst seit gut vier Wochen.
Doch das Interesse ist riesig. "Der Onlineverkehr über soziale Medien ist gestiegen", beobachtet Linda Dauriz, Chefin der Abteilung für Customer Experience & Corporate
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Development bei Hugo Boss in Metzingen. "Wir sehen, dass Kunden über alle Kontinente hinweg das neue Angebot nutzen."
Das Potenzial ist riesig: Umfragen zufolge hat in den USA fast jeder zweite Nutzer schon mal ein Produkt gekauft, weil er es vorher in einem sozialen Netzwerk gesehen hat. In Asien laufen bereits 30 Prozent aller Onlinekäufe direkt über soziale Netze wie
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beispielsweise WeChat.
Dieser Trend drängt jetzt auch nach Europa. Social Media dürften nach Einschätzung von Experten zu einem wichtigen neuen Shoppingkanal werden. "Bisher ging es im E-
Commerce weitgehend um Bedarfskauf", sagt Moritz Hagenmüller, Handelsexperte von
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Accenture. "Auf Instagram oder Pinterest lassen sich die Kunden dagegen vom Angebot inspirieren. Ähnlich wie bei einem Shoppingbummel dominiert dort der Impulskauf", sagt Hagenmüller.
Die Konzerne beobachten, dass der Markt für den Einkauf über Smartphones rasant
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wächst. In Europa ist der Handelsumsatz durch mobile Endgeräte laut Euromonitor im vergangenen Jahr von rund 67 Milliarden auf mehr als 85 Milliarden Euro gestiegen. Für die kommenden Jahre wird ein Plus von 13 Prozent erwartet.
Und dabei dürften Dienste wie Instagram eine wichtige Rolle spielen. "Wenn
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Unternehmen hier schnell sind, können sie durch den Verkauf über soziale Netzwerke Marktanteile gewinnen, denn diese Kanäle werden künftig enorm an Bedeutung gewinnen", erwartet Hagenmüller.
Viele Unternehmen umwerben ihre Kunden in den sozialen Netzwerken mit Models und
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Influencern, die ihnen die coolsten Outfits schmackhaft machen sollen. Doch bevor es zum Kauf kam, brachen bisher die meisten Nutzer ab - weil es ihnen zu umständlich war.
Beispiel Zalando: Da mussten die Konsumenten, denen zum Beispiel ein T-Shirt oder eine Paar Schuhe auf Instagram gefiel, bisher erst die Produktnummer im dazugehörigen
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Bildtext kopieren, dann in die Zalando-App wechseln und die Nummer dort einfügen, um in den Shop des Modekaufhauses zu gelangen. "Jetzt können Kunden durch einen
einfachen Klick auf das Instagram-Bild auf die Zalando-Website weitergeleitet werden und den angezeigten Artikel direkt einkaufen", erklärt Linus Glaser, Deutschlandchef bei Zalando, die Vorteile.
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Für Instagram ist die neue Einkaufsfunktion in Deutschland eine Chance, das Geschäft auszuweiten. "Menschen sind täglich auf Instagram, um Produkte ihrer Lieblingsmarken zu entdecken und zu kaufen. Wir möchten, dass dieses Einkaufserlebnis nahtlos ist", wirbt Jim Squires, Head of Business von Instagram. Er hofft darauf, dass möglichst viele der
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monatlich rund 15 Millionen aktiven Nutzer der Plattform auch dort shoppen.
Das aber geht bislang nur eingeschränkt. Denn noch nicht alle Fotos, die die Unternehmen posten, haben die neue Einkaufsfunktion. "Wir posten jede Woche sechs bis sieben Fotos auf Instagram", sagt Linda Dauriz von Boss. "Einige davon haben die neue Kauffunktion"
- aber eben noch nicht alle.
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Noch testen die Unternehmen, was in dem neuen Service am besten funktioniert. Bei Esprit beispielsweise shoppen vor allem Frauen gerne über Instagram. Das liegt nahe, denn 80 Prozent der Follower dort sind weiblich. Das Unternehmen setzt voll auf den neuen Kanal, bereits jetzt haben alle Fotos, die Esprit über Instagram publiziert, die
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Shoppingfunktion.
"Wir sehen ein großes Potenzial im Social Commerce, das uns ganz neue Möglichkeiten in der Produktpräsentation und der Kundeninteraktion bietet", sagt Kirsten Last, Chefin des Digitalmarketings bei dem Modehändler. "Deshalb werden wir unsere Social-
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Marketing-Aktivitäten weiter ausbauen."
Denn der Markt ist vielversprechend, wie die USA zeigen, wo soziale Netzwerke bereits eine wichtige Rolle beim Einkauf spielen. Nach einer Umfrage der Marktforscher von ViSenze unter Nutzern sozialer Medien in den USA haben im vergangenen Jahr rund 32
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Prozent der Facebook- und knapp 13 Prozent der Instagram-Nutzer angegeben, dass die sozialen Netzwerke Einfluss auf die Kaufentscheidung gehabt haben. Und da stand die neue Kauffunktion erst am Anfang.
Auch der Instagram-Konkurrent Pinterest entdeckt den Markt für Social Commerce. Das
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amerikanische Netzwerk hat jetzt in Deutschland mit "Shop the Look" ebenfalls eine Einkaufsfunktion für seinen Dienst eingeführt.
Erste Erfahrungen hat Pinterest mit dem Social Commerce bereits in den USA und in Brasilien gesammelt. Die überraschende Erkenntnis: Wenn Fotos eine Einkaufsfunktion
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haben, werden sie doppelt so oft angeklickt. In Deutschland arbeitet Pinterst in der Einführungsphase mit Top-Influencern aus dem Modebereich wie Masha Sedgwick oder Caro Daur zusammen.
Auch kleinere Unternehmen wollen vom Trend zum Social Commerce profitieren - wie
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Mey & Edlich. Der Versender von Premiumherrenmode, der zur Walbusch-Gruppe in Solingen gehört, fotografiert und inszeniert seine Kollektionen ohnehin schon für seine Onlineseite und seine gedruckten Kataloge. "Diesen Content können wir schnell, zum Beispiel auf Instagram, einbinden, wenn er uns dafür relevant erscheint", sagt
Geschäftsführerin Ulrike Schoben.
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Ein Großteil der Unternehmen ist jedoch auf die neuen Verkaufsmöglichkeiten noch nicht vorbereitet. "Meist betreut die Marketingabteilung die Social-Media-Kanäle", sagt Berater Hagenmüller. Und die erkenne das Potenzial im Verkauf nicht richtig. Reinen
Onlinehändlern falle es leichter, die Möglichkeiten konsequent zu nutzen.
Das gilt sicherlich für das Berliner Modehaus Zalando, bei dem inzwischen schon rund 60
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Prozent der Käufe über Mobilgeräte wie Handys oder Tablets erfolgen. Und die Zahl der Kunden, die über ihr Smartphone zumindest den Onlineshop besuchen, ist im vergangenen Jahr von 60 auf 70 Prozent gestiegen.
"Wir sehen einen parallelen Trend, bei dem Nutzer für ihre mobilen Erfahrungen verstärkt
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auf eine kleinere Anzahl von Apps zurückgreifen", beobachtet Zalando-Deutschlandchef Glaser. Das heißt im Klartext: Die meisten Kunden wollen nicht mehr parallel in mehreren sozialen Netzwerken und zusätzlich noch über die Apps der vielen Einkaufsplattformen surfen.
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Das dürfte künftig harte Konsequenzen haben: Unternehmen, die sich dem Social Commerce verweigern, werden wohl viele Kunden verlieren.
Quelle: Kolf, F./Weishaupt, G., Handelsblatt, Nr. Nr. 089, 09.05.2018, 024