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Beiheft
zum Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstahen.
XXXVI. 1918.
Mitteilungen und Äbliandlungen
aus dem Gebiet der romanischen Pliilologie
veröffentlicht
vom
Seminar für romanische Sprachen und Kultur
(HAMBURG).
Band
V.Inhalt:
Hermann Urtel, Volkskunde und romanische
Philologie.In
Kommission
beiOtto Meissners Verlag
Hamburg
1919.Beiheft
zum Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen
Anstalten.XXXVI. 1918.
Mitteilungen und Äbliandlungen
aus dem Gebiet der romanischen Pliilologie
veröffentlicht vom
Seminar für romanische Sprachen und Kultur
(HAMBURG).
Band
V.Inhalt:
Hermann Urtel, Volkskunde und romanische
Philologie.In
Kommission
beiOtto Meissners Verlag
Hamburg
1919.Volkskunde und romanische Philologie
von
Hertnann
Urtel,Vorwort.
Die vorliegende Arbeit hat die (Grundlage für die öffentliche Antrittsvorlesung gebildet, die der Verfasser bei seiner Habilitation an der Universität Hamburg* gehalten hat.
Wenn
er sie jetztdem Druck
übergibt, so leitet ihn derWunsch,
den Studierenden der romanischen Philologie eine erste Orientierung über einige Probleme der„Romanischen
Volkskunde" in dieHand
zu geben.Denn
der Student verlangt heutemehr
denn je nach kurzgefaßten Überblicken.Dem Wesen
einer an die Zeit gebundenen Vorlesung entspringen Nachteile. Inhaltlichmußte
die Erörterungmancher
allgemeinen Probleme wesentlich beschränkt werden,und
die einzelnenFragen
konnten nicht in der wünschenswerten Breite behandelt werden.Formell
wurde
die Redeweise des Vortrages nicht geändert.Damit
der Text nicht zu sehr belastet werde, ist von einer ausführlichen bibliographischen Berichterstattung abgesehen worden.Sollte es
dem
Verfasser auf diesen Blättern gelungen sein, zu zeigen, wie notwendig für die Romanisten, die sich der Aufklärung der Probleme romanischer Volkskunde widmen, ein Studium derMethoden und
Ergebnisse der religionsgeschichtlichen Forschung ist, sowäre
seine Arbeit nicht vergeblich gewesen.Weihnachten
1919.Es
ist eine alte Erfahrung im Bereiche der wissenschaftlichen Forschung, daß in Perioden,wo
große Materialien, reiche neue Stoff-massen der Bearbeitung zuströmen, auch neue
Methoden
und damit neue Arbeitsprobleme sich zu eröffnen pflegen. Solch einen gesegneten Zeitraum reichen materiellenZuwachses
hat die romanische Philologie in den letzten beiden Dezennien erlebt.Man
wird diese Jahrein der Sprachgeschichte vermutlich einmal als die
Epoche
der großen4
Heniiiinii Irtel.Glossare, der Spraclintlaiitcii bczeicluien.
Das
(ilossaire des pafoi.s dr h( Sitf.s.sc rumandc, das Vocübolar/o delln Svizzera italimut, das große rätischc Idiotikon, das wallonische große Wörterbuch, das sardische etymologischeWörterbuch
von M. L.Wagner,
das Dicrionar} de. la IJ(>)i(/na ((äaUuia vonMossen Alcover
(alle sechs noch im Werden), dazu das seit 1913 inLa
Coruna erscheinende Dicdouario Gal/rf/o- Casfdlano por Ja RealÄrademia
Gallega, dasnunmehr
imDruck
nahezuabgeschlossene vorbildlicherumänischeWörterbuch
vonTiktin, endlich, dieganzeRomania
überspannend,Meyer-Liibkes
Romanisches etymologischesWörterbuch
und—
last not least—
die ungeheuren Materialien der Sprachatlantenvon(TÜlieron-Edmont
für Frankreich und Corsica, türRumänien
von^^>igand, —
das alles wirdfürspätere Geschlechter eine erstaunlicheAnhäufung
sprachlicher Einzeltatsachen ergeben!Indes nicht
nur um Worte
handelt es sich. HinterjedemWort
steht ein Begriff, steht ein Stück lebendiger Anschauung, ein kleines Erlebnis romanischer Volksseele.
Und
Avie sich die AVörter zu einem ungeheuren linguistischenMosaik
zusammenfügen, so ordnen sich auchin unabsehbaren Reihen die volkstümlichen Ideen, freilich in anders- artiger Verknüpfung, als jene Laute und Wörter.
Wenn
wir von densprachgeschichtlichen
Problemen aus- gehen, so haben wir, zumal seit der Durcharbeitung des französischen Sprachatlasses, diezahllosenVarietäten derSprachen Frankreichs genau kennengelernt;und
Gillieron selbst hat in glänzenden Arbeiten die sprachliche Methodik auf neue Grundlagen gestellt.Aber
wie steht es mitdem
Studium der volkstümlichen Lihalte, von denen uns die AusdrückeKunde
geben? Sindsiein ihremWesen,
ihrergeographischen Verteilung, in ihrer zu vermutenden historischen Schichtung und vor allem in ihrer Stellung indem
allgemein romanischenZusammenhange
genügend untersucht und gewürdigtworden?
Natürlich sind im Zeit- alter der Wortforschung und der begrifflichen Studien in einzelnen ausgezeichneten Arbeiten auch viele solcher Vorstellungsinhalte in die Untersuchung hineingezogen worden, aber das Schwergewicht lagebendochaufder philologischenSeite. Grammatische,etymologische, rein semantische Forschungwar
die Hauptsache; das volkskundliche und kulturhistorischeMoment
fand nur insofern Berücksichtigung, als es für die philologische Beurteilung wünschenswert erschien.Und
doch, wie oft zeigte es sich, daß die ideelle Fundierung für die sprachlichenAufstellungennichtgründlichgenugwar, daßdieAnalogien,
I
Volkskunde und romanische Philologie. 5
die die Volkskunde an die
Hand
g-ab, niclit hinreicliend ausg-enutzt wurden!Der
ganze Zug- unserer Forschung- gravitierte eben nacligewissen Seiten liin, und erst bei Berührung von Problemen an den (Trenzg:ebieten
—
und das seheinen ja heute l)esonders bevorzugte Bezirke zu sein—
fiel die ganz andere Orientierung des Nachbar- landes in die Augen. Solche Diskrepanzen sind stets entwicklungs- geschichtlich begriindet,undsodürfenwir fragen:worinliegen, histoi'isch betrachtet, dieGründe
desungleichenAufbauesder einzelnenForschungs- gebiete innerhalb der romanischen Wissenschaft, so wie es sichdem Auge
des Rückblickenden darstellt?Wir
inHamburg
können dasum
so getroster tun, als wir hiei- seit Jahren lebendig ei-fahren,was
für einen reichen Zustrom an aussichtsvollen Problemen die Erfassung der
Gesamtkultur
der romanischen Völker auch für die Philologie im engeren Sinne herbeizuführen imstande ist.Halten wir
Umschau, was
an allgemeinromanischenzusammen-
fassendenWerken
in den letzten Jahrzehnten geleistetworden
ist,so sehen wir nur
Morfs
grandiosen Überblick über die romanischen Literatui'en undMej^er-Lübkes
große romanisclie vergleichende Grammatik. DiesesWerk,
das dieHand
des Meisters auf jeder Seite veiTät, hat einen neuen Lebensabschnitt der romanischen Sprachwissenschaft eingeleitet. Gerade weil das romanische Material ganz aufdem
lateinischen Mutterboden aufgebaut erscheint, gab diesesWerk dem Gedanken Raum,
daß romanisches Sprachleben ein Leben für sich und in gewissem Sinne auch eine Einheit sei. Abei- der Einheitsgedanke, der in sprachlicher Hinsicht eine festeAnschauung geworden
war, vermochte bisher für andere geistige Lihalte nicht unbedingte Geltung zu gewinnen.Wohl
hat uns die geistige Bildungs- geschichte der Jahrhunderte die innerenZusammenhänge
der einzehien romanischen Gebiete offenbart, das Herüber- und Hinüberfluten, die unbedingte Abhängigkeit der Kleinen von den Großen, so Portugals von Spanien und Frankreich; es ist stets so etwas wie ein Gefühl geistiger Zusammengehörigkeit lebendig gewesen, und, auf solches Gefühl sich stützend, haben intransigente Verlniiderungsfanatikei- inden vergangenen Jahren politische
Wafen
geschmiedet; und doch, ein wissenschaftliches Erlebnis ist diese ]>räjudizierte jinitv (h' hi ran' latimi' bisher nur in Sprache und Literatur geworden.Man
wird wohl von einer interromanischen Ästhetik sprechen dürfen, als wissenschaftlich systematischerErfassung eines eigentüm- lichen romanischen Schönheitsideals; ob aber von einer ,.romanischenQ Hermann Urtel.
Philosophie" die
Rede
sein könne, dürfte sclionzweifelliiiftererscheinen, Soh'he Ki'wägungen über die Zulässigkeit oderAbweisung
gemeinsamer methodischer Beliandlini.u- bestimmter Gebiete sind ja keine unnütze theoretische SpiehMei. Je stärkei' das Bewußtsein von der Wichtig-keitvergleichender
Betrachtungsweise sich durchsetzte,um
somehr
nnißte die
Frage
nach Isolierung oder Verknüi)fung gewisser Arbeits- gi'biete Bedeutung gewinnen.Es
gibtin jedereinzelnenWissenschafts- geschichte AVendepunkte. an denen Verbindung oder andererseits Abtrennung und Sonderbehandlung gewisser Problenu'eihen aus innevenGründen
zur wissenschaftlichen Pflicht wird.Für
die „romanische Volkskunde" aber scheint uns ein solcher Zeitpunktgekommen
zu sein. In allen Teilen der weitenRomania' war
die sich behauptende herrschende Schicht der Eroberer ursprünglich gleicher völkischer Herkunft, mitim großen und ganzengleichartigemtraditionellen Gei)äck ausgestattet,wenn
auch die einzelnenAbzweigungen
vondem
gemein-samen Stamme
zu verschiedenen Perioden stattfanden und die Art der Assimilierung ungleichartig war; vor allemwaren
die ethnischen Substrate, auf denenman
aufbaute, unter sich ganz disparat, und doch entstanden Gebilde, die in sprachlicher und kultureller Hinsicht sich in so reichen Beziehungen verknüpften, daß eben das Einigende das Trennende weit überwog.A\'enn wir nun die
Annahme
einer solchen Einheit auch für die„Volkskunde" für zulässig halten, so wollen wir hier, indem wir die Grenzen enger stecken, nur die „romanische Mythologie" in den Bereich unserer Betrachtung ziehen.
Vor
welcheAufgaben
stelltuns nun die wissenschaftliche Erforschung der romanischen M.ythologie?Wir
erhoffen vor allem ein synoptisches Studium dermodernen
und, soweit sie erreichbar sind, älteren mythologischenAnschauungen
allerromanischen Völker im Anschluß an das,
was
uns Archäologie und Schrifttum in älterer Zeit, mündliche Tradition,in neuerer Zeit lehren, eine zusammenfassende Erforschung des romanischen Paganismus vondem
erstenZusammenwachsen
mitdem Römertum
biszum
heutigenTag
und daraus folgend ein Studium der seelischen Struktur der romanischen Völker.Was
können wir nun von der wissenschaftlichen Behandlung solcherProbleme berichten? Seit hundertJahren hat sich die Wissen- schaft mit der Gesetzmäßigkeit sprachlicherVorgänge
befaßtund
sie zu wertvollen Hilfskonstruktionen ausgebaut, die uns erst eigentlich in dasWesen
sprachlicher Entwicklung Einblick verschafft haben.Volkskunde und romanische Philologie. 7
Wir
kennen—
außer den allgemeinen großen Entwicklungsgesetzen der romanisp.lien Sitrachen—
die Charakteristik der französischen Dialekte bis ins einzelne; auch ihre geographische Verteilung ist unsin den großen
Zügen
vertraut, und die Folgerungen, die aus ihr türdijßBesiedelung sichergeben, sind seitlangem Gegenstandwissenschaft- licher Erörterung.
Vermögen
wir aber heute dievolks kund
liehen Tatsachender einzelnenromanischenGebietevoneinanderzusondernund kennenwirden BestandalterTraditionim GegensatzzurNeuschöpfung?Wir
wissen genau: dies ist pikardischer Dialekt.Aber
worin bestehen pikardisch volkskundliche Eigenheiten im Gegensatz—
nurallein
zum
Südfranzösischen? Gibt es überhaupt volkskundliche Ein- heiten und wie weit reichen sie?Das
Wesentliche volkstümlicher eigenartigerAusgestaltung suchtja seitzehn.Taln-en diegroßeBewegung
der„Wörter
und Sachen" zu erfassen; und die Themata, die in der gleichnamigen Zeitschriftbehandelt werden, umschließen nichtnur die„räumlichen Gegenstände, sondernebensowohlGedanken,Vorstellungen und Institutionen, die in irgendeinem W^orte ihren sprachlichen Aus- druck finden".
Auf
dieGedanken
möchten wir gern den Nachdruck legen, auf ihre örtlicheAusprägung
unter Betonungdes vergleichenden Momentes. Eine Phänomenologie der ideellen volkstümlichen Inhalte der romanischen Seele ist das Ziel, auf das wii' von der Volkskunde aus zustreben. AV'ir brauchen einen solchen seelischen Grundbau,um
den lastenden Reichtum philologischer Einzelkenntnisse tragen zu können. Vortreffliche methodische Untersuchungen,wenn
wir nurvom „Wort"
aus ins Innere vorstoßen, können Enttäuschungenbereiten.Das
haben wir bei einigen Arbeiten erfahren, die mythologische Dinge nicht religionsgeschichtlich, sondern nur aufGrund
der Wortgeschichte behandelten. AVir sind eben innerhalb der R,omaniaüber Verbreitung und Charakter der volkstümlichen Ideen, die ja doch nicht nur von der linguistischen Seite aus zugänglich sind, niclitgenügend oder doch nichtzweckmäßig
unterrichtet. Selbst eine so glänzende, an rein philologischen Ergebnissen so reiche Arbeit, wie S.Merlans
Disser- tation über die französischenNamen
des „Regenbogens", läßt denMangel
an Kenntnissen überWesen
und AVandel des meteorologischen volkstümlichenDenkens
in Frankreich empfinden. A\'iewäre
ihmdui'ch eine vergleichende Übersicht iiber die heutigen
Anschauungen
der romanischen Völker vorgearbeitet worden!Die vergleichende Volkskunde datiert erst seit
Mannhardt.
Albrecht Dieterich
undmitihmderunvergeßlicheRichard Wünsch
3 Hermann Urtel.
liaben
Wege
gewiesen, die auchdem
Studium der romanischen Psyche vielversprecliende Arbeitsgebiete eröttneu.Wir
müssenimmer
wiedei' die Hoffnung aussijrechen, daß sich der junge Romanist anUseners
undErwin
Roiides unvergleicli- licher religionsgeschichtlicherMethode
bilde, daß ihmAlbrecht Dieterichs
und W'iinschs Arbeiten und die Reihe derBände
des„Archivsfiu'Religionswissenschaft"unddei-„Versuche
und
Vorarbeiten"lieb und vertraut seien, daß er die Forschungen von Gelehiten, wie
Deubner,
Kioll,Reitzenstein
undWissowa,
in sich aufnehme und von ihnen erfüllt seineAugen
nach derRomania
hin wende,um
ilort die
Fäden
weiter zu spinnen.Vor
einerAusdehnung
der (4renzen unserei- Beobachtung über den „Mittelmeerkulturkreis" wollen wir nicht zurückschrecken. Viele Fragen, die aufengem
Gebiete nicht lösbar sind (darüber hat uns seit langemFrazer
belehrt), lassen sich nur auf breitester Grund-lage in Angriff nehmen.
Zur
Eröffnung von Wissenschaftsgebieten bedürfen wir in erster Linie geeigneter Bibliographien, die uns Jahr für Jahr den Ertrag der wissenschaftlichen Forschung in übersichtlicherWeise
mit kurzen kritischen Hinweisen vorAugen
stellen.Wie
steht es nun damit überhaui)t aufdem
Gebiete der Volkskunde?Wir
sagenwohl
nicht zu viel,wenn
wir meinen, daß geradezu ein Unstern über der biblio- graphischen Bei'ichterstattung der Volkskunde im allgemeinen waltet.Einmal ist zu erwähnen, daß es eine romanische volkskundliche Bibliograi)hie nicht gibt.
Wir
sind auf die betreffenden Abschnitte in der Bibliographie zu Gröbers Zeitschrift, auf die Hinweise der Zt. f. Volksk., der Revue des traditions popnlaircs, des ArrJavio delJetradmoni
popolari, des Schweiz. Aich. f. Volksk. u. ä. angewiesen.Frühertröstete uns die vortreffliche volkskundliche Zeitschriften- schau der „Hess. Blätter für Volkskunde". Sie erschien bis 1905.
Dann war
ein Lichtblick A.Abts
vortrefflichesBuch
über die volks- kundliche Literatur des Jahres 1911, und nun liegtHoffmann-
Ki'ayers Bibliographie für 1917vor. Dieses
Buch
istsehrverdienstlich;indessen in der Ausscheidung „alles rein Sprachlichen" sehen wii-
keinen Vorzug.
Wo
sollen da die Grenzen gestecktwerden?
Sobald wir in der Linguistik von der rein formellen Seite aus die schmale Brücke hinüberzum
Inhaltlichen überschreiten, so befinden wir uns bereits mitten in der Volkskunde.Wir
können dieWortform
von der Wortbedeutung, Körper und Seele des Wortes, nicht voneinanderVolkskuiule und romanische riiilologie. 9
reißen. Arbeitet nicht die Wissenschaft von den \\'andlungen der Wortbedeutungen, von der Geschichte der sprachlichen Begrilfsent- wicklungen in einem fort mit volkskundlichen
Daten? Und
dann:wo
ist die Grenze zwischen stilistischerFormung
und volkspoetischer Gestaltung, jene doch zweifellos zur Linguistik, diese sicherzur Volks- kunde gehörig. Die romanische Volkskunde berücksichtigt ferner seitJahrenderkritischeJahresberichtVo
llmöllers. Fürsfranzösische Gebiet erschien1906zum
erstenMale eineumfassendeÜbersicht(X.Bd.).Karl Reuschels
Bericht über Frankreichistwirklich eine Arbeit, wie wir sie für diese Gebiete wünschen.Was
wirimmer
wieder ersehnen,ist eine solche Übersicht für die iberische Halbinsel; für Spanien gibt es nicht ein
einziges
zusammenfassendes '\\'erk übervolkskundliche Dinge, obwohl zahlreiche Interessentenund Sammler
seit alten Zeiten vorhanden sind, obwohl ganze Zeitschriftenreihen volkskundlichen Inhaltes zeitweilig erschienen sind; wir denken dabei an dasFolklore esjKinol, die Bihlioteca delastradiciones papilläresespafiolesvonAntonio Machado
yAlvares,
Sevilla 1883, an das Folklore andaluzvon 1882 und die unabsehbaren Reihen von lokalen Veröffentlichungen und pro- vinziellen Zeitungen, Vereinszeitschriften dilettantischen Charakters, vonAlmanachen und
Volksschriften.Für
die neuere Zeit wirdman
in der Revista critica de hisforia // liieratura, expmolas, portHfjuesas t- his-pano-americanas
manches
linden.Auf
katalanischem Gebietea) bringen das Batlleü del Cenire Exairsionista de Caicüimya, vereinzelt auch die Revista de Menorca, auf galizischemBoden
das Boletin dela RealÄcademia
GaUer/a folkloristische Artikel. Unter den spanischen Gelehrten ist hier vor allenTelesforo de Aranzadi's Name
zu nennen, der eine Reihe vortrefflicherArbeiten publiziert hat. (Bisher nurdem
Titel nach bekanntgeworden
istdem
Verf. das neueWerk
von
Aranzadi
undHoyos
Sainz, Etnograßa. Sus hases, sns metodos]l aplicaciones a Espana, Madrid 1917, 239p.)b)
Bei der Überschau über die einzelnen Gebiete der
Romania
können wir einige Bezirke namhaft machen, von denenman
wirklich sagen darf, dato sie bereits folkloristisch erobert sind oder daß ihre Besitznahme gut vorbereitet ist.Es
sind das Sizilien, Portugal, die romanische Schweiz, die W\illonieund
der äußersteWesten
Frank-reichs. Diese Vorzugsstellung verdanken diese Länder ihren großen Persönlichkeiten. Einer der vielseitigsten aller folkloristischen Vor- kämpfer auf romanischem Gebiete ist
Giuseppe
Pitre, derwährend
des Krieges die
Augen
geschlossen hat.Wie
er im Archivio delleIQ Heniiaiiii ['rtel.
fiKfl/z/oni jxijio/tiri \uu\ der daran anschlit^ßendcii Bihliotccn den Volks- glauben und die Volksliteiatur Italiens durchforscht hat, wird für immei- vorbildlich bleiben. Seine umfangreiche Bibliograidiie der italienischen Volksüberlieferungen ist für alle folkloristischen Studien Italiens unentbehrlich.
An
zweiter Stelle ist Portugal zu nennen.Dorthat
Jose LeitedeVasconcellos
seitJahrzehntendieVolkskundein trefflicher
Weise
ge])ilegt.Davon
geben— um
nur die haupt- sächlichstenWerke
und Zeitschriften zu nennen—
die Tratl^ven poindares dePortugal, das zweibändige ^\'erk Eclnjwrs da Lnsitaiiia und vor allem dieBände
der volkskundlicli luichst roichhaltigenRerista Lnsitana und des Archcö/of/o purtufjnrs beredte Ivunde.Neben Lei
tes Arbeiten sind vor allem die von ConsiglieriPedroso
(Nekrolog Rev. Lus.XIV,
318f.), vonAdolpho Coelho und Tomas Pires
(Nekrolog Rev. Lus.XVI,
347) zu erwähnen, diedem
Volksglauben und der Volksliteratur ihre trefflichen Studiengewidmet
haben.Aus
früheren Zeitensind dieheuteseltengewordenen
wertvollenZeitschriften„Po,y////7>wio" und „7Vr/fZ/rfto" zunennen undvor allem die ,,Porfuf/a/ia''.
Soeben erreichen uns die ersten Hefte der ,.Lum'', einer in Viana do Castello seit 1919 erscheinendenphilologisch-literarisch-volkskund- lichen Zeitschrift, die der durch seine ausgezeichneten Studien in der Rev. Lus. bekannte Dr. med.
Claudio Basto
in Viana do Castello herausgibt. Kin neuerliches erfreuliches Zeichen gesunder volks- kundlicher Arbeit in Portugal! Die romanische Schweiz ist diu-ch zwei vortreffliche folkloristisch orientierende Zeitschriften, das Schweizei- Archiv für ^^olkskunde und das leider 191G zuletzt erschienene Bulletin du Glossaire, vertreten. Bei ihnen hat sich so recht gezeigt, wie wichtig es ist, daß die große Zahl der Sammler, der Dilettanten, von einer wissenschaftlichen Kraft dirigiert, invernünftige Schranken gewiesen, aber doch bei wissenschaftlichem Interesse erhalten werde, damit der einzelne J^aie an die richtige Stelle gestellt werdeund
seine Kraft nicht in nutzlosem Sammeleifer auf abenteuerlichen Irrwegen verpuffe. Diese Werke, die unter den
Händen
der verdienst- vollen RedaktorenHoffmann-Krayer
einerseitsund Gauchat, Jeanjaquet, Tapp
ölet andrerseits herangewachsen sind, schöpfen die reichen inneren Schätze des schweizerischen Volkslebens aus.Jeder werdende romanische Volkskundler
muß
sich einmal mit den ungeheuren Materialien der Schweiz gründlich vertraut machen.Das
romanische Belgien mit seinem starken mundartlichen Leben, mit den zahlreichen lokalen Vereinigungen, die der Pflege des PatoisI
Vulkskuiidij iiud luiiiiuii.sche Pliilulugie.
H
dienen, mit einer weitverzweigten Volksscliauspielliteratur, ist ein Gebiet, auf
dem
seitlangenJahrzehntenalleÄußerungen
des wallonischen eigentiimlichen Volkslebens mit Eiferund
Verständnis beobachtetund
sorgsam studiertworden
sind. In denBänden
der Gröberschen Bibliographie hatJoseph Defrecheux
jahraus jahrein mit vieler Hingabc die wallonische nuuidartliche Literatur gesammelt und vei- zeichnet; ferner sei der VerdiensteMonseur und Harou's
gedacht und des großenKreises verständnisvoller Mitarbeiter, die das Bidletin du Folklore wallon, die Wallonia, das Biillethi de la ISoclete Imjeoise deLcmgue
et Litteratiireum
sich vereinigt haben. Viel Förderung wird endlich die romanische Volkskunde,wenn
auch zumeist mittelbar, durch das umfassendeUnternehmen
des großen Glossaire W(d(on unter der trefflichenFührung
von J.Haust
und J.Feller
erfahren!Endlich der äußerste
Westen
Frankreiclis. Hier liat Sebillotin jahrzehntelanger uK^thodischer Arbeit reiche Quellen wissenschaft- licher Arbeit erschlossen; er selbst hat sie in seinem inhaltsreichen vortrefflichen vierbändigen AVerke
Le
Folklore en France mit den volkskundlichen Materialien ganz Frankreiclis in Beziehung gesetzt und damit ein hervorragendes, nach Ideenkreisen aufgebautesHand-
buch geschaffen, wieman
es sich auch für andei-eLänder
derRomania
wünschte.Für
die Beliandlung etymologischer Probleme wird es vor allem daraufankommen,
daß Avir uns volkskundlich richtig einstellen, d. h.daß wir uns in die Betrachtungsweise der Naturvölker hinein ver- setzen lernen^).
Wir
müssenimmer
wieder versuchen, die ganze Entwicklung kulturellerAnschauungen und
mit ihnen die sprachlicheFormenwelt
nicht nur mit den
Augen
derGegenwart
zu betrachten, alte rerirab, d. h. sprachliche Data, deren eigentlicher Inhalt nichtmehr
gefühlt wird, mit primitivemDenken
in Beziehung zu setzen.Es
scheint, daß die ganze Frage, wie Aveit überhaupt An- schauungen, die jetzt nur noch bei den Naturvolkern lebendig sind,in leblosen Etiketten im Sprachgebrauch mitgeschleift werden, einer gründlichen prinzipiellen Erörterung bedarf. Gerade onomasiologische Arbeiten
würden
davon Nutzen haben.Daß
der Primitive nicht vergleicht, sondern gleichsetzt,kommt
z. B. in gewissen Bezeichnungen der Sippe
zum
Ausdruck.Wenn
der') Vgl. die Tortreffliclieu Darlegungen von Reuterskjöld im Arch. f. Eelig.
Wiss. XV, 10ff.
12 llrriiiaiiii l'rtel.
Knkcl den Namrii ih-sVoifalnvn cilialt, ja.
wenn
er direkt als ».eine Art (iioßvater" bezeichnet wirdc), so geschieht dasnicht, weilman
wünscht, daß er jenem nachstrebe,ihm
ähnlich werde, sondern weil er eben nach i»rimitiver Vorstellnn<2: tatsächlich jener ist.Name
wie Bild stehen im engsten mystischenZusammenhange
mit den Dingen und Wesen, die sie bezeichnen;Namennennung
ist geradezu Selbst- darstellung; der Teufel ist bereits zur Stelle, Avennman
ihn an die M'and malt, und derWolf
ist indem
Augenblicke gegenwärtig,wo man
seinenNamen
nennt; deruntreue Geliebte erblindet selbst, sobald das verlasseneMädchen
dieAugen
seines J^ildes durchsticht,d)Eine Notwendigkeit der Einfühlung in das Zeitdenken ist für jeden,der])hilol()gischarbeitet,unabweislich; das
mag
selbstverständlich klingen, Avar es aber bis in die neueste Zeit nicht immer.Und
dieses Verständnis fiir die zeitliche oder ethnische Eigenart einerGruppe
und deren geistigeÄußerungen
zu erwerben, halten wir für das wichtigste Erfordernis für jeden, der Volkskunde im weitesten Sinne studiert. Innenleben. Puls der Zeit gilt es mitzufühlen bis in die kleinstenRegungen
sprachschöpferischerTätigkeit!e)Wenn
wir nachErnst Troeltschs
wundervollemAufsatz (Histor. Zeitschr. 110, 52<3f.) in der Renaissance vor allem den Eintritt Italiens in die allgemeine Geschichte ..den Gegensatz einer italienischen Kultur gegen die bisher das Mittelalter beherrschende französisch-theologisch-ritterlicheIdeen- welt" sehen, so liegt derWunsch
nahe, daß wir eine Darstellung dieserVerjüngungdes europäischenGeistes, soweit sprachlicheFormung
in Betracht
kommt,
erhalten möchten.Wir
besitzen ja w^ohlArbeiten über die italienischen Sprach- und Kulturelemente im Französischen, aber dassind imwesentlichen RegistrierungenvonEinzelheiten, nicht die intuitive Erfassung der Seele der ganzen Bewegung'). Solche Be- trachtungen könnten vielleicht vonjenem Lyoner
Kreis, indem
wir das Vorspiel der gi'oßen Renaissancebewegung in Frankreich zu sehen haben, beginnen, dortwo
aufdem Boden
des Wohlstandes der Seiden- industrieherren und der italienischen Emigranten die i)latonische TMiilosophie und die Dichtkunst (Louise Labe) neu erAvachten.Und
dann: wie wenig kennen wir noch in (4esamtei'fassung in der weitenRomania
die tiefstenZusammenhänge
der großen Geistes-') Ich brauche wohl in dieseinZusammenhangenichtbesonders auf K.Vosslers
küstliches Buch: Frankreichs Kultur im Spieg-el seiner Sprachentwicklung, Heidel- berg 1913, hinzuweisen; hier finden wir (besonders S.212—270) in großen Umrissen zum ersten Male geistvoll jene Probleme behandelt.
Volkskuiule und romanische Philologie. 13
bewegungen
mit den sprachlichen Entwicklungen!Wer
schenkt uns dasBuch
über die Sprache derRomantik
und ihrem Tasten nach Form, der Aufklärung— wenn man
überhaupt von solchenEpochen
als greifbarer Einheit reden will
—
, derTrennung
von Staat und Kirche in Frankreich! Endlich, welch unerschöpflicher Schatz ganz neuartiger Prol^^leme erschließt sich uns angesichts der letzten sechs Jahre mit ihrem Strudel von weltumstürzenden Inhalten!Wenn
Avir aufdem
Gebiete volkskundlicherThemen Umschau
halten,
was
locktuns als Fürsprecher einer „romanischen Mythologie"mehr, als das alteProblem „Religion
und
Sprache"!Wo
derVolksgeistsich
dem
symbolischen Formenreichtum der Kirche entfremdet, dapflegt sich eine Unfähigkeit zur Symbolisierung in der sprachlichen Schöpfung einzustellen. In älteren Zeiten ist Reichtum
und
Kraft sprachlicher Bilder so groß, weil die Personifizierung der Naturkräfte noch lebendig gefühlt wird. Religiöse Bedürfnislosigkeit und kirch- licher Niedergang bedeuten für die Sprache eine Verarmung; starkes kirchlichesLeben
fördert die Erhaltung und dasWuchern
aller phantastischen Kräfte, auchwenn
mit der Zeit die einzelnen Vor- stellungen von theologischenDogmen
verkleidet und von ihrem eigent- lichen Ausgangspunkte abgetrieben werden.Götterkult und Namenschöpfung
ist einThema,
das auf romanischem Gebiete so selten betretenworden
ist.Und
wie reicheAufgaben
scheinen unsda—
auch abgesehenvom
römischen Urs]n'unge—
dieeinzelnenromanischenGebiete zu versprechen. Solltenwirnichtauch,
z. B. bei der reichen Götterwelt des rumänischen Volksglaubens, einer
„romanischen Theorie" von dieser Seite aus nähertreten können?
Jedenfalls scheinen Kultprobleme geeignet,
um
neues Licht zu bringen in die Genese jenes vielgestaltigen romanischen Synkretismus mit seinen Amalgamierungsprozessen zwischendem
römischen Volksgeist—
auchkeiner Einheitinsich—
und den grundverschiedenen autochthonen Geistesverfassungen der eroberten Provinzländer. Darin weiter zu forschen, sollenuns die im wesentlichen negativen Resultate einer so vortrefflichen, mit bemerkenswerter Umsicht geführten Arbeit wie derHans Mavers
(Einfluß der vorchristlichenKulte auf dieToponomastik Frankreichs,Wiener
Sitz.-Ber. 175,2, 1914) nicht abschrecken.Er
hat gezeigt, wie sehr spärlich die Überreste vonNamen
sind, die an gallische oder römische Gottheiten anknüpfen. AVas hier auf einemAusschnittegelehrt wird, zeigt sichaufdem
gesamten romanischen Gebiete; die ganze römische Götterwelt lebt nur noch in wenigen14 Ilmiiaiin Urtcl.
Si)iir('ii (voi allem D/nnn. yr^l.
REW
2G24. Xri//nniisREW 5H94
u. ä.);luul ihre eigentliche Bedeutung ist ganz verwischt worden. Die
Stillken Wellen des Chrisfentniiis Jiahen das Alte hinweggeschweninit.
Wie
weit sonst alteKulte noch in idiomatischenRedensarten erkennbar hervorleuchten (so das merkwürdige ,haiser cjrancVmere''=
.zurErde
fallen', das wie eine Erinneiung an den Kult der
Magna Mafrr
klingt), bedarf noch genauerer Nachforschungen.Man
geht wohl nicht unzweckniäljig vor,wenn man
enger um- grenzte Bezirke auf ihre mythologischen (lestalten prüft und dann die Einzelnen genauerer historischer Betrachtung würdigt.A\'enden wir uns zu diesem
Zwecke dem
äußersten westlichen Gebiete derRomania
Portugal zu, das auch hierin, wie in anderen Erscheinungen, denVorzug
i)erii)herischer Bezirke in derBewahrung
altertümlicherZüge
erkennen läßt.Aus
älteren Jahrgängen schwer zugänglicher Trovinzblätter und älterenAlmanachen
Portugals entnehmen wir dieKunde
von einer itortugiesischenTotengottheit,dem
ScniioHihirio, einemteuflischen Ungeheuer, das die Phantasie des Volkes mit allerlei Schrecklichkeiten ausstattet (so einer porra de ferro, einem alöoiov aus Eisen); von ihm glaubt man, daß er unverheirateten Mädchen, aber auch Jungen keuschenMännern
nachdem Tode
eine grausame Hochzeit bereite').Für
ihn ist derTotengroschen bestimmt, der Tr/hiifo a HantaHihirio, mitdem
er besänftigt wird, so daß er die 0[)fer verschont. Kindern gibtman
keinen Totengroschen inden Sarg mit, denn mit ihnen hat der Heilige nichts zuschaffen.Auch
im spanischen ^^olksglaubensindReste solcherAnschauung
vorhanden.Aus
andalusischer Überlieferung^)•) Zu diesem ganzen Alisclmitte vi;l. man 0. Schraders kleine Schrift: Toten- hochzeit, Jena 1904.
^) „De las ')nHJf}T^ qiic inneren saliei-as, dice el piieblo qiie raii i'i scntar.'ie en elpolletön: luijar sitnado sin diida eii el otromundo, mui/pröximo alen que dehe de esfnr Pilatos; siqiiiesto /jue el pncblo afirma tamhlcn, que las mujeres que hajun al sepulcro con la pahna de In virginidad se emplean en la otra vida en dar hesos ä aqtiel personaje". (Bibl. de Tradiciones popul. espafi. r,7r,.) Demnach werden auf Pilatus ähnliche Funktionen übertragen, wie auf *S'. Hilario. Pilatus ist liier offenbar ein anderer, als ihn die mittelalterliche Legende zeichnet. Ein chthonischer Charakter schimmert allerdings auch in einigen Zügen der Pilatussage hindurch: Pilatus verschwindet inVienue zusammen mit dem Turme seinesKerkers in einem Erdabgrund; er wird entrückt in Berge und tiefe Waldseen usw. Ein klares Bild erhalten wir wohl erst, wenn das von v. Dobschütz in Aussicht gestellte Buch (vgl. Frotesfaniisehc Eealien-EncycL,s.v.Pilatus, vgl.auchdesselben Verfassers „Christuslegenden") erschienen sein wird.
VolkskiiiKh' uiiil ruiiiaiiisclie Philologie. 15
erfahren wir, daß das Volk von weiblichen Wesen, die unver- heiratet sterben, behauptet, daß sie sich im Jenseits auf ein polletön setzen müssen, ein Ausdruck, der nicht klar ist. Dort hause in der
Nähe
auch Pilatus,und
keuschen jungenMädchen
liege es ob, diesen zu küssen.Was
mit diesem polldön gemeint sei, ist nicht klar. Die Wörterbücher geben darüber keine Auskunft.Meinem
Kollegen F. Krüger verdanke ich dazu folgenden Hinweis:„la nina. auuqnr madiirita, iio tiene mal aquel . . . vamos. .
.
Jle parece,
du
emhargo, que la pohredlla irä ä sentarse en elpoUetön?
—
Que es eso'^—
/.Nu
sähe Vd. lo que es el polletön'^ .... Pnes es mi lur/ar»IUI/ alio qne liay alld en el cielo, doiide tan d sentarse las que mueren solteras". (Palacio Valdes,
La hermana San
Sidpicio ed. Nelson S. 54.)Lautlich hindert nichts, dieses poUetdn zu pullus
(KEW
68282)„Hahn"
mit augmentativemSuftixzu stelleu;lägedarin eineBezeichnung desnrüe
vor (vgl. dt. .MaliiC), so hätten wir im spanischen Glauben eine Parallele zu jenem römischen Hochzeitsgebrauche,wo
die Neu- vermählte auf das göttlichefasclnum gesetzt wird (vgl. G.AVissowa,
Religion und Kultus der Römer, S. 243). f)A^'er ist
nun
eigentlich jener Santo Hilario?Bei ihm fehltder direkte
Zusammenhang
mit der mittelalterlichen Sagenüberlieferung,g) Vielleicht ist es derName,
der uns weiterführt.Er
wird gewiß nichtfrivolem Namenspiele entsprungen sein.U) Unwill- kürlich schweift der Blick zurück zu einigen antiken (Tottheiten.Eine ..Hilaritas" (bei Röscher erwähnt), wird gewöhnlich mir Füllhorn,
Palme und
mit Kindernumgeben
dargestellt; eine,Mdara'\
die er gleich ,,drn Lihera'' setzt, erschließtMommsen
aus einer Inschrift von Nisch ((^IL HI, 1680); von da aus Beziehungen zudem
bekannten spätrömischen Feste der „Hilaria" zu knüpfen, dürfte verfehlt sein.Aber
da dieseGestalt bisher nur auf der iberischenHalbinsel nachweis- bar erscheint, könnte vielleichtiberischerUrsprung^)anzunehmen
sein;') Darauf führte mich eine Mitteilung G.Wissowas, dem ich für wichtige Fingerzeigezudanken habe;erverweistmichaufdieTatsache,daßdieberufsmäßigen göttlichenEntjungfererdieFlußgöttersind(vgl.dieGeschichtevonKimonundKallirhoe im 10. aeschineischenBriefe); dasBrautbad spielt dabeieineEolle(Fehrle,Kultische KeuschheitimAltertum,S. lOf.),wozumichP.
Rüben
auf Bergk.,Kl.phil.SchriftenII,659f., Gruppe, Griech. Myth. u.Religionsgesch., S.914A«, 943A" Spaltet freund- lichst hinweist. W. legt mir den Gedanken an einen iberischen Flußgott nahe;
dem werde ich weiter nachgehen. Vgl. auch Pauli-WissowaVI,j, p. 2778, 49ff.
IH Ilorinaiiii l'rtel.
ich (l(Miko in erster Linie an
Zusammenhang
mit hask. ////• „tot" und(ii(»ser ganzen Sippe,
was
freilich noch sehr der Stützen bedarf.Die Voi'stelhnig von einer Hochzeit der Unverheirateten nach
dem Tode
können wir bisher in der weiterenRomania
Aveder direkt belegen, noch aus den Bestattungsgebräuchen erschließen^).Das mag
daian liegen, daß esimmer
noch unmöglich ist, übersichtlich das volksmythologische ideelle Inventar der einzelnen romanischenLänder
zu überschauen. In anderenLändern
sind reichliche Hinweise auf solche Vorstellungen vorhanden^).In Deutschland kennen wir die Älyrtenbekränzungi) der ver- storbenen jungen
Mädchen
(Rud.Hans Bartsch
spricht davon im„Deutschen Leid"); in Thüringen und Hessen, auch in
Schweden
istder Myrtenkranz auf
dem Mädchengrabe
bekannt; auch in Holstein scheint die Sitte verbreitet zu sein; auf einem Bilde vonLudwig
Jessen in derHamburger
Kunsthalle ist die Aufbahrung eines jungenMädchens
dargestellt, dessen Sarg mit einem Myrtenkranz bedeckt ist.Ein Hochzeitskranz ist natürlich auch die Totenkrone auf den Särgen der Unverheirateten, von denen 0.
Lauffer
in lehrreicherAbhandlung
gesprochen hat"'').Wenden
wir uns nini gar derAntike zu, so treten ims allenthalben Hindeutungen auf ähnlichen Glauben entgegen.Wie
tiefinnerlich hat das Griechentum diesen Glauben gefaßt, indem es die Vollendung desMenschen
imZusammenhang
mitdem
großenMysteriumderLiebe erblickte! DieEhe
isteinrdoc,undvor der Hochzeit zu sterben gilt als ein schlimmes Unheil, nicht allein, weil dann keinzum
Seelenkult Berufener auf derErde zurückbleibt, sondern auchweil die, die unteilhaftig derWeihen
[dieXeic Uqmv) bleiben, im Jenseits schwerer I^äuterung entgegengehen(vgl. E.Rohdes
Psyche U, S. 327).Auf
die nachdem Tode
zu erwartende Hochzeit deutet die XovTQocfoQoc, der für das Hochzeitsbad bestimmteWaschkrug
aufdem Grabe
der jungen Mädchen*).Fortpflanzung und
Wachstum
in der Natur sind in den volks- tümlichen Vorstellungen der Vorzeit eng verknüi)ft.Das
Aufsprießen') Daran anklingt, was Sebillot, Folkl. d. Fr.,III,ns, bericlitet, <laß die jungen Mädchen, die sich der Heirat entziehen, nacli dem Tode bestraft werden.
^) „Braut und Bräutigam des Todes" in der griech. Sage vgl. Alb.Dieterich
in Zeitschr. f. franz.Sprache Lit. 23, 120; Hochzeit in der Unterwelt im neugriech.
Volksliede bei Liebrecht zur Volkskunde S. 181 u.a. m.
^) Ein Leichentuch oder Sargtuch wird geschmückt mit Bändern, künstlichen Blumen, das „Spengeltuch" nur für Unverheiratete. Zt.f. Volksk.4, 87 u.1916.
*) Vgl. 0. Schrader, a. a.0., S.5 u. ff.
Volkskunde und romanische Philologie. 17
der Vegetation im Frühjahr wird als stets erneute
Zeugung
aufgefaßt, und auf solcheAnalogien deuten auch die Riten bei der Feldbestellung.Bei der beherrschenden Rolle, die derRitus im Gegensatz
zum
heutigenDogmatismus
innerhalb der alten Kulte spielte, ist auf ihn bei der Betrachtung der heutigen religiösen Feste derRomania
das Haupt-augenmerk
zu richten.Ich glaube, daß sich ein sicheres Bild übei- den religiösenSyn- kretismus im einzelnen Falle nur gewinnen läßt, indem
man
die Einzel- motive in Kult, Ritus und Mythos, wie sie heute im Volksglauben vorliegen, sammelt und sie dann, zunächst ohne die Beimischung gewisser dogmatischer christlicherMomente
zu berücksichtigen, mit der Antike vergleicht.Wir
wollen nur in wenigen Andeutungenvom
portugiesischen Karneval lumdeln^).Über
die romanischenNamen
des Karnevals sind wirvon derWortforschung aus aufs reichlichste undvortrefflichste durchdemente Merlos
Arbeit in„Wörter
und Sachen", Bd. 3,88ff. orientiert.
Aber
gerade diese Rinzelkenntnis läßt scharf hervor- treten, daß in bezug auf dieBegründung
der Ausdrücke nach der volksmythologischen Seite noch vieles zu tun bleibt.Wenn
wir dieNamen
in Merlos Arbeit betrachten, so fällt uns besonders eine Klasse auf, diejenigen, nach denenman „einen Anfang"
indem
Karnevaltage sieht, nachMerlo
den Anfang, den erstenTag
der Fastenzeit; darauf deuten careme-entrant nebst qiiadra- ßps/mamtrans
(Merlo S. 97). In die gleiche Kategorie wird introiüis zu stellen sein, dasdem
aspan. entroidoheute antniejo, port. intrnido, po])ulär i)ort. entrudo entspricht; ferner ebendahin: incipere obwald.tsrheirer
und
mscipere engad. t^clu'itxchniver. Nicht zu trennen davonist das kelt. kymr. I^ehnwort ynijd, irisch /r
med =
initium, das seitlangem schon mit jenem anderen in Beziehung gesetzt
worden
ist.Man kann
nunfragen, ob wirklichnurderBeginn derFastenzeit
mit jenem „Anfang" gemeint sei.Vor
allem hatman, soviel ich sehe, bisher nirgends beachtet, daß introitm, das merkwürdigerweise auf die iberischeHalbinsel beschränkterscheint, garnicht„Anfang",sondern.,Einzug, Hereintritt" bedeutet, ebensowenig wie intrare „aufangen"
heißt.
Wenn man nun
dieNamen
der römischen Feste im Fi'ühjahr betrachtet, so fallen sofort die im Kalender des Philocalus genannten') Einespätere,ausführlicheAbhandlungsoll an ClemensArbeit „Der Ursprung des Carneval", Areh. f.Rel. Wiss. 1914, 13<>ff., anknüpfen.
lg Hermann Urtel.
Festtage:
Canna
intrat (15. ^Färz) und Arhor inirat (22. März) in dieAugen;
beim ersteren ist es der Einzug der Schiltträger in die Stadt, derdem
FestedenNamen
gegebenhat. DieSchiltträger, dieplnygischen xavro(f6o()i, geliörenzum
Attiskult undzum
(4()tt('sdienst der Mafpia mater. (HepdingAttis147).Ks
wirdnach diesenAnalogienwalirschein-licli,daßes sichauch bei
dem
entrudo\\v^)Y\\\\^\\Q^\um
denEinzugirgend- einer den Vegetationsgeist verkörperndon symbolischen Persönliclikeit handelt.Dazu kommt
nun noch ein wichtiges Zeugnis.Der
baskisclieName
des Kai-nevals ist inaate oder mit romanischei-Endung
inautt-ri:wenn
sich hinter diesem Wort, wie mir H. Schuchardt nahelegt, ein griech. h'hcviuq verbirgt, dann läge hier eine recht alte Auffassung zugrunde, die Jahresanfang=
Frühlingsanfang setzt; daß das römische Jahr bis zu Caesars Zeiten mitdem März
begann, ist ja bekannt.Sehen wir nun. welche rituellen und kultischen ]\rotive im portugiesischen Karneval auf ältei'e Herkunft schließen lassen.
Zuerst sei erwähnt, daß der Karnevalin Portugal, wie übrigens ja auch
am
Ehein, inFrankreich undItalien, als i)ersonifizierterscheint.PrinzKarneval heißt dortiSanto Entrudo.
Er
wird als bärtigerHeiliger dargestellt, dessen Bart geschontwerden
muß, daß er wachse;man
darf nicht spinnen
am
Karnevaldienstag, sonst spinntman
den Bart des Santo Entrudo,und
dann flammt der Spinnrocken in Feuer auf.(Man
versi)richtzudem
den Seelen 10 Heller, damit sie auch uns den Bart wachsen lassen.)—
Diese Sorgeum
denHaarwuchs
erinnert uns an Simson, der ja als Fruchtbarkeitsgott angesehen wird; bei den Masai in Afrika gehen dieRegenmacher
ihrer Zauberkraft ver- lustig,wenn
sie sich die Barthaare ausreißen; andeies finden wir bei Frazer (GoldenBough
H. 2G0). Also Analogiezauber, beidem Wachs- tum
derHaare
und Erntesegen in Beziehung gesetzt wii'd.In den Bräuchen finden wir folgende Motive:
1.
Der
Karneval ist auch in Portugal einNarrenfest; man
schlägt sich mit Zwiebelrisjjenk)und
wirft sich mit Kleie 1), an deren Stelle heutzutage die Confetti getreten sind. Beides zweifellos Frucht- barkeitsriten; ähnliche Sitten begegnen uns anderwärts, so inSchweden
und Serbien, indem
Bewerfen mit Reis und Überreichen von Getreidekörnern m) bei der Hochzeit.2. Die Ernteverfluchungen zu Karneval; der portugiesische Bauer ruft zu Mitternacht in den Nachbargartcni: „(^ute Hirse fiir uns, schlechte Hii'se für euch!"
Vulkskuude und roniauische Philologie. 29
Der
Karneval in Portugal hat den aiiso-es]H'oc'henen Charakter einer Feier der wiedererwachendenFruchtbarkeit^).
Andere Sitten aber erinnern deutlich an den Faunuskult bei den Luperkalien (A\'issowa a. a. ()., S. 209).
In Collares
war
esam
Karnevalstage üblich, daß ein ]\Iann mit einem Sprachrohr außerhalb auf einen Hügel ging mui dortum
sich dieDorfbewohner
versammelte, denen er dann die allergeheimsten, oftunangenehmen
Familienereignisse mit tiefen, hohlenTönen
mit- teilte.Das
nannteman
„dizer j/?^/Art.§'" (eig. .Staub erzählen').Der
portugiesische Bauer läßt ferneram
Karnevalstage bis Mitternacht überall auf den Feldern Posaunen ertönen. Vielleiclit darfman
indiesenBräuchen eine Erinnerung daran sehen, daß derWaldgott als der Herr der „im
Walde
vernehmbaren geheimnisvollenStimmen
derNatur"' gilt(Wissowa
a. a. 0., S. 211).Die
Jugend
setzt sich bei denUmzügen
mit VorliebeSchwänze
auf, „Fuchsschwänze", wie
man
sagt. Junge Leute mit A\^)llkämmen, sogenannte ..cardadores", durcheilen den Ort.Der Wollkamm
aberist das
Symbol
eines gezähnten Wolfsmaules, das zeigt uns z. B.Abeghian in seinem „Armenischen Volksglauben" (S. 115).
Und
endlich der Tod, der mit der Sichelund
einem Schusterriemen {tirape) be- waffnet auf die ihn verfolgende Straßenjugend einhaut (Revista d'Efhnulogia c de (jrloUohxjia II, 58), eiinnert er nicht an die Szene beidem
römischen Feste,wo
die Luperci „mit den aus derHaut
des geopferten Bockes geschnittenenRiemen
ifehnrnY^ dieBegegnenden schlagen?Alle solche Einzelmotive bedürfen natürlich vorsichtigster Ein- ordnung.
Kaum
ein Gebiet lockt so zu voreiligen Schlüssen, wie die Entwicklungund
Übertragung der Ritenund
Bräuche.Ein weiteres wichtiges Problem der Volkskunde scheint uns dei-
Tierdämonismus,
einThema,
das in seiner Gesamtheit noch einer Darstellung wartet.Das
„dämonische Tier" reicht weit herein in die Kultur und die Sprachgeschichte. Die Tiergestalt ist oft die Versinnlichung gewisser stark wahrnehmbarer, in ihrer Entstehungdem
Naturmenschen rätselhafter Empfindungen.Der Hunger
wirdals ein A\'urm empfunden. Dieser
Hungerwurm —
darauf hat der in diesen Dingen so bewanderteRiegler
verwiesen—
wird nach verbreiteter romanischer Vorstellung getötet, indemman
Alkohol') Begießen der Bilniuc zum Kui'iiev;ilstage bei Sebillot, Kolkl. d. Vr. III. 378.
20 Hennann Urtel.
aufgießt, so liaben wir tuer Je rer sp, mafar vi (//(.sitno. pt. matur o hicho (Wörter und Sachen, Bd. III,
UU,
A').Hier wird doi- Tierdämon in die bildliehe Sprache
übernommen;
er wird in diesem einzelnen Falle noch als animalisches A\'esen ver- standen, abei' die Gleichung Hunger-
Wurm
hat im allgemeinen Sprach- leben keine Geltung eilangt. Anders gestalten sich die Dinge,wenn
aus der Tiergestalt eine dämonische (Tottheit entwickelt wird, die hineinwächst in andere mythischeVorst(!llungen, sich dort erhält und kultischeVerehrung auchdarin bewahrt. Sosieht
man
eine chthonische.(Tottheit im Wiesel, sein Biß ist giftig und todbringend,
man
darf es nicht töten, ihm zuEhren
wird (in den Karpathen) ein Fest gefeiert.Als solch ein dämonistisch gefürchtetesTier gilt nun auch die
Heu- schrecke,
deren göttliche Verehrung im Altertum vielfach bezeugt wird.Wir
erinnern uns dabei des Ai)ollo IIooroniMv bei Pausanias.Parnopios zu nuqvoili, Koqvoitiuc bei den Ötäern als Retter dei- Ernte
(vgl. Röscher, II, 2775). In Frankreich scheintvon solcher Inkarnation nach dem,
was
der Sprachatlas auf K. 1198 sehen läßt, wenig über- liefertM.Und
doch: bei einer Alt von Bezeichnungenmachen
wir Halt.Am Punkt
508 (Vienne) finden wir den sonderbarenNamen
ledi
(=
lundi) ,.iVrontag"; damit stehen imZusammenhang Namen
wieJHili 531, 429 {\e.\\(\ee)\\. VL.\
Jan
jviidi in derVendee
(nach Rolland,Faune
pop. XIII, 110); dieWochentagsnamen
liDidi. jeiidi für das Tier sind aber weiter nichts als Reflexerscheinungen eines sprach- geographischen Zentrums, indem
sich „midi''' findet.Der
Ausdruck„Mittag" für Heuschrecke ist im
Westen
Frankreichs in den Dep.Maine-et-Loire, Vendee, Loire-Inferieure recht weit verbreitet. Gibt es nun auf romanischem
Boden
einenDämon
des Mittags? Gregor von Tours berichtet uns vondem
TJaoiion meridianus, der die Feld- arbeiter übei'fällt, wohl eine mythologische Personifiziei'ung der heißen Sonnenstrahlen; auch in der Vita dei' Saucta Rusticula von Arles wird er (s.Ducange
s. v. d(iomo7i meridianm) erwähnt; auch sonstist das daifiorioi' fieatjfißQivov nicht unbekanntn); in Portugal ist die Mittagsstunde die Stunde der Geister, der Teufel erscheint zwischen 12 und 1
Uhr
mittags; in einigenGegenden
wird der ^Mittagsgeist alsderMann
mit siebenZähnen
ohörnern dassefedenftiduras bezeichnet, der alles verschlingt,was
er auf seinem ^Yege findet. Über dies') S.gleichwohl ,loup-raron' ^^ grillotulpa (Puj' deDome) Rolland, Faune pop.
XIII 112; die Heuschrecke als zauberische Krankheitstilgerin in der Norniandie, Sebillot, Folkl. d. Fr. III, :«0.
Volkskunde und romanische riiilologie. 21
portugiesische „Mittagsgespenst'' hat einst Coiisiglieri
Pedroso
im PüsitivismoIV
(1882)39ff. gehandelt, auch beiGrimm
undMann-
hardt findenwir es (s. a. a. 0.).Wenn
wirnun in Schilderungen lesen,wie
Heuschreckenschwärme
in schwarzenWolken
die Sonne verdunkeln (Brehms Tierleben II*, 99), sowerden
wir es begreiflichfinden, daß die Heuschrecke mit einerMittagsgottheit in Verbindunggebracht wurde.Wir
habenhier einige der dringendstenProbleme derVolkskunde, soweit sie aufdem Boden
derRomania
Bedeutung gewinnen, im Flugegestreift.
Es
lag uns dabei daran, auf die Vorteile hinzuweisen, die eine Isolierung engerer Wissenschaftsgebietezum Zwecke
frucht- bringender Durcharbeitunggewähren
kann. Andererseitswar
es unsdarum
zu tun, die Wichtigkeit der Verbindung großer Avissenschaft- licher Disziplinen der romanischen Volkskunde im Aveitesten Sinneund
der Philologie hervorzuheben. Beidekönnen
sich in ihren Resultaten gute Dienste leisten, aber die Struktur ihres wissenschaft- lichen Aufbaues ist bei beiden durchaus wesensverschieden.Dem
Volkskundler sind bis heute nicht bestimmte nächstver-wandte
Gebiete zur Vergleichiuig angewiesen wiedem
Linguisten.Man
kann, soweit wirsehen,wohl
vonkeltischenMärchen
im Gegensatz zu slavischen reden; aber die Verwandtschaft der Motive und die Differenz der formellen Gestaltung und Stilisierung müssen, so scheint es, unter anderen Gesichtspunkten betrachtet werden, als die Ver- wandtschaftsnähe oder Entferntheit sprachlicherWurzeln
und Formen.Inwiefern Glauben und Riten zueinander auf ethnisch
verwandtem
Gebiete in Beziehung stehen, das sind Fragen, die noch wenig spruch- reif sind.Auch
über dieMethodik
desWanderns
volkskundlicher Materien sind wir trotz der reichen,zum
Teil vortrefflichen Studien, die Quellennachweise behandeln, doch noch rechtim unklaren.Fragen
volkskundlicher Methodologie können nur im engstenZusammenhang
mit der Sprach-
und
Literaturwissenschaft erfaßt werden; da wird sich zeigen, wie wichtig es ist,um
ein A\"ort Alb. Dieterichs zu gebrauchen, daß „der Volkskundler einen UnterstützungSAvohnsitz bei einer Philologie habe".Die Wissenschaft gleicht eiiK^r Front, die nirgends gleichmäßig entwickelt ist; hier stürmt eine Schar untergenialer
Führung
vor; an einigenPunkten
gelingt derVormarsch
nur schwer undmühsam,
an andern bleibt er durch allerleiHemmnisse
völlig zurück.Die vergleichende Volkskunde ist ein halbes Jahrhundert jünger als die vergleichende Sprachwissenschaft.