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Datei öffnet in neuem Fenster Gedenkkonzert für die Opfer der Pogromnacht 1938 am 9. November 2013 - Grußwort des Landtagspräsidenten Dr. Matthias Rößler (PDF; 15 kB)

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Grußwort des Herrn Landtagspräsidenten Dr. Matthias Rößler anlässlich des Gedenkkonzertes für die Opfer der

Pogromnacht 1938 am 9. November 2013, 19.00 Uhr

Meine sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

ich darf Sie herzlich zum Gedenkkonzert für die Opfer der Pogromnacht 1938 begrüßen. Mein besonderer Gruß gilt Hans-Christoph Rademann und dem Dresdner Kammerchor sowie dem Schauspieler Peter Prager und den

Schülerinnen und Schülern der Evangelischen Schulgemeinschaft Annaberg- Buchholz, die diesen Abend gestalten werden.

Ebenso herzlich begrüße ich natürlich meine Kollegen Abgeordneten sowie Herrn Rabbiner Nachama.

Vor genau 75 Jahren, am 9. November 1938, erreichte der antisemitische Terror der Nationalsozialisten einen ersten, traurigen Höhepunkt. In

Deutschland brannten unzählige Synagogen. Und Geschäfte jüdischer

Mitbürger wurden zerstört. Was damals geschah, ist vielfach von Historikern erforscht und beschrieben worden. Spät, vielleicht zu spät, wurde dann auch den Opfern selbst zugehört. Es gibt heute insgesamt ein umfassendes Bild jener Nacht vom 9. und 10. November 1938.

Aber erscheint uns dadurch dieses Ereignis begreiflich? Unverständlich bleibt, was der Mensch dem Menschen antun kann. Und warum er das tut.

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Wo ist der Punkt, an dem oftmals ganz normale Frauen und Männer bereit waren, ihren Nachbarn anzugreifen, zu misshandeln und später dann

bürokratisch exakt und mit perfider industrieller Organisation Millionen Juden zu ermorden? Wie können wir verstehen, warum jegliche Bindungskräfte – wenn nicht in Form von Freundschaft, dann doch wenigstens in Form von Toleranz – versagten?

Gestatten Sie mir folgenden Gedanken: Vielleicht ist es heute, im Jahr 2013, sogar gut, dass uns die Ereignisse im November 1938 zum großen Teil

unverständlich bleiben. Zeugt das doch möglicherweise davon, dass wir heute der Sogkraft von Hass und Gewalt gegenüber gewappneter sind als damals.

Aber sicher sein sollten wir uns dessen nicht. Noch immer gibt es – in der Mitte unserer Gesellschaft – versteckten und offenen Antisemitismus. Und es gibt Gesellschaften in Ländern dieser Welt, die antisemitisch geprägt sind. Es gibt auch Staaten, in denen Antisemitismus und Antizionismus Teil der

Staatsdoktrin sind. Und etwas weiter gedacht: Noch immer muss 'der Andere' oder 'der Fremde' als Schuldiger herhalten, wenn es Menschen darum geht, ökonomische Krisen oder soziale Spannungen mit einfachen Antworten zu erläutern.

So hat das heutige Gedenkkonzert für die Opfer der Pogromnacht von 1938 zwei maßgebliche Bedeutungen.

Zum einen ist es unsere Aufgabe, den Opfern durch unser Gedenken einen würdevollen Platz im kulturellen Gedächtnis des Freistaates Sachsen

einzuräumen.

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Der 9. November ist ja in der Geschichte der Deutschen ein „Schicksals“-Tag mit ganz verschiedenen, äußerst gegensätzlichen Bedeutungen.

Ich selbst habe im Gemeindesaal dieser Kirche am Tag der Maueröffnung, am 9. November 1989, an einer Gründungsveranstaltung der SDP – der Sozialdemokratischen Partei in der untergehenden DDR teilgenommen.

Aber ich bin froh und dankbar, dass Hans-Christoph Rademann und der Dresdner Kammerchor seit den 1990er Jahren beständig daran festhalten, jenseits der Freude über den Fall der deutsch-deutschen Mauer auch des Leides jener Menschen zu gedenken, die an diesem Tag im Jahre 1938 gerade nicht die Freiheit erlangten, sondern systematisch ihrer Freiheit beraubt wurden – bis ihnen schließlich millionenfach auch das letzte genommen wurde, was ihnen geblieben war: ihr Leben.

Zum anderen kann ein solches Gedenkkonzert auch ein Mahnzeichen für die Gegenwart und Zukunft sein, diese menschenverachtende Haltung von vor 75 Jahren nicht mehr aufkommen zu lassen. Vor diesem Hintergrund bin ich besonders erfreut, dass heute der Jugendchor der Evangelischen

Schulgemeinschaft Annaberg-Buchholz an diesem Konzert mitwirkt. Im Rahmen der Schulchorpatenschaft des Dresdner Kammerchores haben sie sich mit jüdischer Musik, mit Fragen von Leid, Freundschaft und Toleranz beschäftigt. Sie wurden dabei in einem Mentorenprogramm von Sängerinnen und Sängern des Kammerchores unterstützt. Es ist ein gutes Gefühl, dass sich junge Menschen mittels Gesang mit den Schattenseiten unserer

Geschichte beschäftigen. Ich bin überzeugt, dass dies auch ein Weg ist, die Gegenwart und Zukunft friedfertiger zu gestalten.

Die einstmals gefeierte Dresdner Opernsängerin, die Jüdin Henny Brenner, überlebte die Pogromnacht und die Shoah. Dennoch nannte sie ihre

Lebenserinnerungen „Das Lied ist aus“, denn durch Ereignisse wie die Pogromnacht war für sie etwas unwiderruflich verloren gegangen.

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Wenn in Konzerten wie dem heutigen das Lied nicht aus ist, sondern in eindrucksvoller Interpretation durch den Dresdner Kammerchor gesungen wird und einer jüdischen Musikgeschichte damit eine Stimme gegeben wird, so ist das ein gutes Zeichen.

Und eine Möglichkeit, sich vor den Opfern und den Überlebenden zu verneigen.

Vielen Dank.

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