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” M¨ ogliche Vektoren“ sind unm¨ oglich

Michael Grosser 8. Juni 2018

. . . wenn man Wert darauf legt, korrekte und sinnvolle S¨atze zu bilden — so m¨usste man die Titelzeile erg¨anzen, um einen vollst¨andigen und verst¨andli- chen Satz zu erhalten.

Ein instruktiver Anlassfall f¨ur besagte Feststellung ist gleich mit zwei Auf- gaben aus der standardisierten kompetenzorientierten schriftlichen Reife- pr¨ufung AHS vom 9. Mai 2018, Mathematik, Teil-1-Aufgaben gegeben.

Zwei Reifepr¨ufungsaufgaben aus 2018

In Aufgabe 5 ist eine Strecke AB imR2 durch die beiden Punkte A= (3|4) und B(−2|1) vorgegeben. Die Aufgabenstellung lautet [Fettdruck vom Ver- fasser, MG]:

”Geben Sie einenm¨oglichen Vektor~n ∈R2 mit~n 6= 00

an, der mit der Strecke AB einen rechten Winkel einschließt!“

In Aufabe 17 werden f¨ur eine nicht konstante Funktion f : R → R die folgenden Bedingungen vorgegeben:f(4) = 2;f0(4) = 0;f00(4) = 0;f0(x)≤5 f¨ur allex∈R. F¨ur die L¨osung ist eine graphische Darstellung von [−6,+6]2 als Ausschnitt desR2 beigef¨ugt. Die Aufgabenstellung lautet [Fettdruck vom Verfasser, MG]:

”Skizzieren Sie in der nachfolgenden Abbildung einenm¨oglichen Graphen einer solchen Funktion f.“

Der Sukkus dieses Aufsatzes wird sich als die folgende Ausssage ergeben:

[Un-]M¨oglich zu sein ist ein grunds¨atzlich sinnvolles Pr¨adikat f¨ur Abl¨aufe oder Aktionen, nicht jedoch f¨ur Gegenst¨ande im engeren Sinn. M¨oglich sind demnach Ereignisse oder Handlungen, nicht jedoch Gegenst¨ande, seien sie nun materieller oder gedanklicher Natur.

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Angesichts der L¨ange des vorliegenden Textes liegt es allerdings auf der Hand, dass es nicht allein um Bedeutung und artgerechte Handhabung des Wortes

”[un]m¨oglich“ gehen wird. In der Tat werden die Textierungen der vorstehend zitierten Aufgaben in weiterer Folge zum Anlass genommen, zwei allgemei- ne Fragen ins Auge zu fassen, eine linguistische und eine didaktische: Die Folgen des illegitimen Weglassens von Mittelgliedern in sprachlichen Sinnbe- ziehungsketten (der L¨ange 3) einerseits und das zumutbare Niveau der Be- herrschung der deutschen Sprache, das von AbsolventInnen der Reifepr¨ufung gefordert werden kann und sollte, andererseits. Im letzteren Zusammenhang wird es jedoch keineswegs um irgendwelche ausgefuchsten Subtilit¨aten ge- hen, sondern um so elementare Dinge wie die Kenntnis der Bedeutung des bestimmten und des unbestimmten Artikels vor Hauptw¨ortern und den an- gemessenen Umgang mit diesem.

Methodisch lassen wir die Dekonstruktion vorangehen und die Konstruk- tion folgen. Demgem¨aß befassen wir uns zuerst kritisch mit der Beif¨ugung von”[un]m¨oglich“ an Vektoren, Funktionen und allgemeiner an konkrete Ge- genst¨ande (im Unterschied zu Abl¨aufen und Handlungen). In einem zweiten Schritt wenden wir uns der Frage zu, welche Attribuierungen als

”[un]m¨og- lich“ sinnvoll sind. Jedesmal gehen wir dabei vom Kulinarischen (weil es einen so sch¨onen Kontrast ergibt und ¨uberdies eine intuitive, gut affektiv gest¨utzte sprachliche ¨Uberzeugungskraft aufweist) zum Mathematischen.

Bevor es in medias res geht, erlaube ich mir noch eine kurze ¨Uberschreitung der eigentlichen thematischen Grenzen dieses Aufsatzes: Die Formulierung des Arbeitsauftrags von Aufgabe 17 weist abgesehen von dem im gegebenen Zusammenhang grunds¨atzlich nicht ad¨aquaten Einsatz des Wortes

”m¨oglich“

noch eine weitere Unzul¨anglichkeit auf, n¨amlich die sachlich fehlerhafte An- bindung von

”m¨oglich“ an den Graphen statt an die Funktion1, zusammen mit dem unbestimmten Artikel

”einen“ vor dem Graphen: F¨ur jede Funktion ist deren Graph eindeutig determiniert (ohne Spielraum f¨ur M¨oglichkeiten oder Unm¨oglichkeiten — also jedenfalls weg mit

”m¨oglich“ vom Graphen!), und bekommt demzufolge einen bestimmten Artikel davorgestellt: Immer nur

”der Graph einer Funktion“, niemals jedoch

”ein Graph einer Funktion“.

1Ein Konter der Art

Hier ist

ein m¨oglicher (Graph einer Funktion)‘ gemeint, genau in dieser Klammerung“ [das w¨are allerdings ein interessantes neues Element der deut- schen Textgestaltung!] w¨urde ins Leere gehen: Solche Klammmerungen gibt es wohl bei Mehrfachverkn¨upfungen in der Mathematik, jedoch nicht im Deutschen bei der Aneinan- derbindung einzelner W¨ortern oder Satzteile. Hier ist gedanklich immer von links nach rechts zu

klammern“, im gegebenen Fall somit

(ein m¨oglicher Graph) einer Funktion“

zu lesen ((ab)cgeht in laufenden Texten somit immer vora(bc)). ¨Uberdies enth¨alt die Auf- gabe ohnehin keinerlei explizite Klammerung, also gilt sowieso die Standardreihenfolge des Von-links-nach-rechts-Lesens.

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Verfressene Flugpassagiere und halbierte SeminarteilnehmerInnen Zur¨uck zum Hauptthema der Unm¨oglichkeit des Wortes

”m¨oglich“ im sprach- lichen Kontext der betreffenden Aufgabe.

Es geht hier nicht um ein (fach-)mathematisches Problem im engeren Sinne, sondern um ein semantisches beziehungsweise linguistisches. Es versteht sich f¨ur mich jedoch von selbst, dass alle im Unterricht verwendeten (geschriebe- nen und gesprochenen!) Texte einigermaßen hohen Anspr¨uchen einer fehler- freien (Bildungs-)Sprache gen¨ugen m¨ussen. Das gilt nat¨urlich umso mehr f¨ur Aufgabenstellungen im Rahmen einer Reifepr¨ufung.

Das Problem bei den beiden zitierten Vorkommen des Wortes

”m¨oglich“ be- steht in dessen sachlich (d.h. hinsichtlich seiner Bedeutung) fehlerhafter An- bindung an die Begriffe

”Vektor“ und

”Funktion“.

Bevor ich hier lange herumtheoretisiere, bringe ich zwei Beispiele, die mir in der hier vorgestellten Form oder ¨ahnlich (leider) bereits in seri¨osen Medien untergekommen sind:

Beipiel 1:

”Die Passagiere des Flughafens Schwechat haben im vergangenen Jahr wiederum zugenommen“. [Diese Fresss¨acke!]

Beispiel 2:

”Zur Bildung von zwei Arbeitsgruppen wurden die Anwesenden in der H¨alfte geteilt.“ [Die ¨Armsten!]

Die Fehler in diesen Formulierungen entstehen daraus, dass die Verben

”zu- nehmen“ und

”[in die H¨alfte] teilen“ direkt an die Nomina

”Passagiere“ bzw.

”[die] Anwesenden“ angebunden werden.

Was de facto zunimmt bzw. in der H¨alfte geteilt wird, ist nat¨urlich dieAnzahl der Passagiere bzw. die Gruppe (oder Gesamtheit) der Anwesenden. Es wird somit bei der Bildung der beiden zitierten sprachlichen Missgeburten in den (semantisch einwandfreien) Anbindungsketten

zunehmen — Anzahl — Passagiere und

teilen — Gruppe — Anwesende

jeweils das mittlere Glied unterschlagen und der erste Begriff direkt an den dritten angebunden, was einerseits die Bedeutung der beiden S¨atze radikal ver¨andert und die LeserInnen oder Zuh¨orerInnen unausweichlich zum La- chen bringt (probieren Sie es aus!), andererseits jedoch einen sprachlichen Fehler darstellt, insofern die involvierten Begriffe letztlich nicht gem¨aß ihrer tats¨achlichen Bedeutung gehandhabt werden.

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In einer vielleicht eher sch¨ulerInnengerechten Diktion: Wir haben es in den Beispielen 1 und 2 jeweils mit einem Deutsch-Deutsch-Vokabelfehler zu tun.

Die beiden vorstehend pr¨asentierten Beispiele mit ihrer typischen Fehler- struktur haben mehr mit der Didaktik der Mathematik zu tun als man all- gemein annehmen m¨ochte. Ich verweise auf den Anhang.

An dieser Stelle ist noch ein Hinweis angebracht, worum es in diesem Auf- satz definitiv nichtgeht, n¨amlich um den beachtlichen Reichtum der Anwen- dungsm¨oglichkeiten des Wortes

”[un]m¨oglich“ in der Alltagssprache und im schriftstellerischen und dichterischen Bereich. Dort gelten ganz andere oder gar keine Gesetze. Da finden wir unm¨ogliche Lackln, unm¨ogliche Funzn, das Einhorn als unm¨ogliches Tier, die unm¨oglichen Figuren und Gegenst¨ande von M.C. Escher und vieles mehr. An eine Bildungssprache, in der unter anderem Reifepr¨ufungsaufgaben verfasst werden, sind jedoch spezifischere, strenger handzuhabende Anforderungen zu stellen.

Die wundersame Verwandlung einer Birne

”Nimm dir doch ein St¨uck Obst aus der Schale dort“, werde ich freundlich aufgefordert. Ich lasse jedoch die (einzige, wie wir f¨ur unsere kleine Geschichte annehmen wollen) Birne in der Schale links liegen und entscheide mich f¨ur einen Pfirsich. Wenig sp¨ater beschließt meine GastgeberIn, zum abendlichen Dessert Birne Hel`ene zuzubereiten.

”Nimm dir doch einstweilen noch ein St¨uck Obst, aber bitte nicht die Birne, die brauch ich abends f¨urs Dessert“.

In der Diktion der beiden eingangs zitierten Reifepr¨ufungsaufgaben ist im Zuge der kleinen Episode, deren ZeugIn Sie soeben geworden sind, aus der eingangs

”m¨oglichen Birne“ im weiteren Verlauf eine

”unm¨ogliche Birne“ ge- worden — ohne dass diese sich allerdings auch nur im geringsten ver¨andert h¨atte. Der Verdacht keimt auf, dass es sprachlich und und inhaltlich unsin- nig ist, die besagte [Un-]M¨oglichkeit der Birne als Eigenschaft zuzuschreiben.

Das, was hier zuvor m¨oglich war, im weiteren Verlauf jedoch unm¨oglich ge- worden ist, ist nicht die Birne.

Alles, was sich ge¨andert hat, ist der Kontext, genauer: die Liste der mir offen stehenden Handlungsm¨oglichkeiten in bezug auf die Birne. Was zuvor m¨oglich war, dann jedoch unm¨oglich geworden ist, ist die Option, die Birne zu ergreifen und sie unverz¨uglich zu verspeisen, ohne sich mit der K¨ochIn anzulegen.

Redet man im gegebenen Kontext von einer

”[un-]m¨oglichen Birne“, dann hat man in der sinnvollen Anbindungskette

m¨oglich — Wahlakt — Birne

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das Mittelglied unterschlagen und die Birne direkt an

”m¨oglich“ angekoppelt, was jedoch in einer genauso unsinnigen Formulierung resultiert wie wie sie uns in den oben angef¨uhrten Beispielen 1 und 2 begegnet ist. Da sicherlich Einigkeit besteht, dass das f¨ur die Aufgabenstellung einer Reifepr¨ufung er- forderliche Sprachniveau von den beiden Beispielformulierungen um L¨angen verfehlt wird, m¨ussen wir auch der Birnengeschichte dieses Niveau abspre- chen und somit letztlich auch den Formulierungen der Aufgaben 5 und 17.

Zusammenfassend halten wir fest: Es ist sprachlich sinnwidrig und somit nicht akzeptabel, die besagte Kontext¨anderung durch die dem Nomen

”Bir- ne“ beigef¨ugten Adjektive

”[un]m¨oglich“ zu kennzeichnen. Wenn wir schon in Termen von m¨oglich und unm¨oglich sprechen wollen, dann sind wir zur Sicherstellung einer korrekten sprachlichen Gestaltung gezwungen, ein Wort in unseren Satz einzubauen, das als Mittelglied in der semantischen Anbin- dungskette just diesen Kontext repr¨asentiert, und diesem erst k¨onnen wir das Adjektiv

”m¨oglich“ beistellen.

Einfacher w¨are es nat¨urlich nachzusehen, ob man das Anlass zum ¨Argernis gebende Wort

”m¨oglich“ nicht einfach weglassen und dadurch die Formulie- rung eventuell sogar verbessern k¨onnte. Ich komme darauf zur¨uck.

Vom Obst zur Mathematik

Eine Birne hat’s gut: Die kann groß, klein, l¨anglich, gedrungen, schwer, weich, hart, gelb, gr¨un, rot gesprenkelt, frisch, faulig und noch vieles andere mehr sein (allerdings nicht m¨oglich oder unm¨oglich, das haben wir bereits oben auseinandergesetzt).

Ein Vektor (aufgefasst als Element des Rn) als Objekt der Mathematik ist im Vergleich dazu ein armer Hund, wenn man sich die Eigenschaften ansieht, die ihm allein ¨uberhaupt denkm¨oglich zukommen k¨onnen, ohne dass man weitere Objekte nennt und gewisse Relationen mit diesen als Eigenschaften formuliert. Eine kleine Beispielliste, wobei ich mich jedesmal bem¨uhe, die betreffende Eigenschaft durch ein Adjektiv auszudr¨ucken, auch wenn dies zu einigermaßen gek¨unstelten Resultaten f¨uhrt:

• Er kann dreikomponentig sein.

• Er kann nichttrivial sein in dem Sinne, dass keine seiner Komponenten null ist.

• Er kann positiv sein in dem (erst noch zu definierenden) Sinne, dass alle seine Eintr¨age positiv sind.

Jetzt wird die Luft aber schon d¨unn. Es hat sich im Wesentlichen bereits mit den Adjektiven (der mathematischen Objektsprache — alles andere ist

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von vornherein sinnfrei), die kombiniert mit dem Wort

”Vektor“ einen Sinn ergeben.

Wie bereits oben erw¨ahnt ließen sich weitere Eigenschaften dadurch bilden, dass man weitere (als konstant gedachte) mathematischen Objekte einbezieht und ”relationale“ Eigenschaften bildet:

• die Eigenschaft, auf einen gegebenen anderen Vektor senkrecht zu stehen

• die Eigenschaft, L¨osung eines Gleichungsystems Ax=b zu sein, wobei A eine passend gegebene Matrix und b ein passend gegebener weiterer Vektor ist

und so weiter. Derartige relationale Eigenschaften lassen sich jedoch im all- gemeinen nicht durch ein einzelnes Adjektiv ausdr¨ucken, es sei denn, dieses wird durch eine passend gew¨ahlte Definition eingef¨uhrt (

”Ein Vektor v heiße zyklisch, wenn der vonv,Av,A2v, . . . aufgespannte abgeschlossene Teilraum der ganze (Banach-)RaumEist.“) Es liegt auf der Hand, dass wir mit solchen Man¨overn den Rahmen einer schriftlichen Reifepr¨ufung ¨uberschreiten, daher vergessen wir diesen Exkurs besser gleich wieder und halten fest, dass es nur ganz wenige Adjektive gibt, die dem Wort

”Vektor“ als mathematischem Begriff ¨uberhaupt sinnstiftend beigestellt werden k¨onnen.

Eine sinnvolle und wichtige Erweiterung diese Liste von Beif¨ugungen ergibt sich andererseits durch Heranziehung von Partizipien, die sich auf der sprach- lichen Metaebene auf Prozesse oder Handlungen beziehen, denen ein Vektor unterworfen werden soll oder unterworfen wurde. Diese Partizipien verlassen jedoch stets die mathematische Objektsprache und sind auf der Ebene der Metasprache anzusiedeln. So sprechen wir zum Beispiel sinnvollerweise von einem

• gesuchten Vektor

• zu ermittelndem Vektor

• gew¨unschten Vektor

• oben genannten Vektor

• vermaledeiten Vektor (wenn er sich hartn¨ackig seiner Berechnung wider- setzt).

”M¨oglich“ geh¨ort definitiv zu keiner der angef¨uhrten Listen. Es dr¨uckt weder eine Eigenschaft der mathematischen Objektsprache aus noch eine Relation zu anderen (fixierten) mathematischen Objekten noch handelt es sich um ein Partizip, das von einem Verb abstammt, das einen einschl¨agigen Prozess oder eine einschl¨agige Handlung benennt.

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Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?

W¨are ich mit einer Ausformulierung der (Auftragsteile der) beiden betref- fenden Aufgaben f¨ur die schriftliche Reifepr¨ufung betraut worden, h¨atte ich garantiert das Folgende abgeliefert:

”Geben Sie einen Vektor ~n ∈ R2 mit ~n 6= 00

an, der mit der Strecke AB einen rechten Winkel einschließt!“

sowie

”Skizzieren Sie in der nachfolgenden Abbildung den Graphen ei- ner solchen Funktion f.“

Halt! Bevor Sie zur¨uckbl¨attern, um die die Unterschiede zu den eingangs zitierten Originalformulierungen herauszufinden, lesen Sie sich diese alter- nativen Versionen ein weiteres Mal durch, sagen Sie sie (halb-)laut f¨ur sich selbst auf und suchen Sie entspannt, n¨uchtern und ehrlich nach Unklarheiten und Zweideutigkeiten in den betreffenden Arbeitsauftr¨agen.

Ich kenne das Resultat: Es gibt keine — jedenfalls keine, insoweit es die Tat- sache der Nicht-Eindeutigkeit der L¨osung betrifft, dass sich also sowohl f¨ur den gesuchten [Partizip!] Vektor als auch f¨ur die gew¨unschte [Partizip!] Funk- tion mehrere M¨oglichkeiten der Auswahl [Mittelglied der Ambindungskette!2] anbieten.

Allein die unbestimmten Artikel (ein Vektor, eine Funktion) zeigen schon unmissverst¨andlich an, dass mit einer Vielfalt m¨oglicher L¨osungen [prozess- bzw. handlungsorientierter Begriff!] zu rechnen ist und von der Kandida- tIn ein Akt der Auswahl, eine Entscheidung f¨ur eine von vielen m¨oglichen Varianten [prozess- bzw. handlungsorientierter Begriff!] gefordert ist.

Nun bewegen Sie sich als LeserIn dieses Aufsatzes zweifellos auf einem ande- ren mathematischen und sprachlichen Niveau als die typische Reifepr¨ufungs- kandidatIn. Was Ihnen glasklar erscheint, muss einer solchen noch lange nicht verst¨andlich sein.

Jetzt geht es allerdings ans Eingemachte: Sollen beziehungsweise d¨urfen wir (auch) im Mathematikunterricht die Kenntnis davon voraussetzen, was durch die Setzung des bestimmten bzw. des unbestimmten Artikels im Deutschen ausgedr¨uckt wird? Dass im ersteren Fall ¨uberhaupt nur ein Objekt des betref- fenden Typs existiert oder dass aus mehreren gedanklich prinzipiell erfassba-

2Sie sehen: Wenn man entspannt und sorgf¨altig zugleich formuliert, verf¨allt man au- tomatisch — gesteuert allein von seinem Sprachzentrum — in die Befolgung der von mir empfohlenen Sprach

regeln“.

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ren bereits eines fix ausgew¨ahlt wurde, um das es nun und im folgenden geht;

dass im zweiteren Fall eines von (m¨oglicherweise) mehreren gemeint ist?

Ich habe hier eine Meinung, und ich stehe dazu: Selbstverst¨andlich kann und muss man diese sprachliche Kenntnis voraussetzen (und auch L/L-seitig im Unterricht laufend einsetzen), jedenfalls in der Sekundarstufe. Da werden doch noch viel weniger grundlegende und viel subtilere sprachliche F¨ahig- keiten gefordert, ohne deren Beherrschung eine Teilnahme am Unterricht uberhaupt nicht m¨¨ oglich w¨are.

Lernziel: Mathematische Texte wollen genau angesehen und — in jedem Detail — w¨ortlich genommen werden.

Außerdem muss der Mathematikunterricht den in diesem Fach absolut g¨ulti- gen Grundsatz

”Wos liegt, des pickt!“ vermitteln. Wenn also x >3 als Vor- aussetzung dasteht, dann heißt das auch genau das, nicht mehr und nicht weniger, und man kann auf keinen Fall x= 2,99999 oderx= 3

”ausnahms- weise durchgehen lassen“, sehr wohl jedoch x= 3,00001. Genauso bedeutet die Forderung,

”einen Vektor“ mit gewissen Eigenschaften abzuliefern, dass es (m¨oglicherweise) mehrere passende gibt und man sich auf die Notwendigkeit einstellen sollte, selbstst¨andig eine geeignete Auswahl vorzunehmen. Umge- kehrt sollte eine Aufgabenformulierung wie

”Bestimmen Sie den Vektor, der diese und jene Eigenschaften erf¨ullt“, die Alarmglocken klingen lassen, wenn man mehrere solche Vektoren als m¨ogliches Ergebnis [Prozesswort!] erh¨alt;

da vorausgesetzt werden darf und muss, dass die Aufgabe perfekt formuliert worden ist, ist der (vorl¨aufige) Erhalt einer Mehrfachl¨osung ein warnender Schuss vor den Bug, dass man gut daran t¨ate, seiner Bearbeitung dieser Aufgabe einen zweiten kritischen Blick zu g¨onnen.

Sollte also die der Einf¨ugung des Wortes

”m¨oglich“ in die beiden Aufgaben zugrunde liegende Motivation darin bestanden haben, die (ohnehin schon durch das Auftreten des unbestimmten Artikels unmissverst¨andlich kommu- nizierte) Tatsache der Nichteindeutigkeit der L¨osung zu

”verdeutlichen“ (wie es einer meiner Diskussionspartner in dieser Frage vermutet hatte), dann frage ich mich, was die AutorInnen dieser Aufgabe f¨ur eine Vorstellung von einer erfolgreichen AbsolventIn der Reifepr¨ufung haben.

Letztlich w¨urde hier den MaturantInnen ein mangelndes Verst¨andnis von Rolle und Bedeutung des bestimmten bzw. unbestimmten Artikels unter- stellt. Ich bin allerdings der Ansicht, dass insbesondere auch dieses Verst¨and- nis zur unverzichtbaren Grundausstattung eines f¨ur reif (und insbesondere f¨ur hochschulreif) erkl¨arten jungen Erwachsenen geh¨ort. Mit dem gerade in j¨ungster Zeit ¨ofters zu vernehmenden, jedoch an der Sache vorbeizielenden

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und letztlich uns¨aglich dummen Einwand, die ¨Uberpr¨ufung von Kompeten- zen aus dem Bereich der deutschen Sprache sei allein Sache des Deutschun- terrichts und die Reifepr¨ufung aus Mathematik solle hier nicht in fremden Gefilden wildern, will ich mich hier (abgesehen von der oben vorgebrachten Verbalinjurie) nicht abgeben.

Wenn wir schon beim Aufstellen von Hypothesen hinsichtlich der sprachli- chen Gestaltung von Reifepr¨ufungsaufgaben sind: Bekanntermaßen werden deren Textierungen mit ¨außerster Sorgfalt und Umsicht vorgenommen, sie werden vielfach diskutiert, bevor sie in die freie Wildbahn entlassen werden.

Bei den

”m¨oglichen Vektoren“ und

”m¨oglichen Funktionen“ handelt es sich somit sicherlich nicht um Fl¨uchtigkeitsfehler. Es ist davon auszugehen, dass auf Seiten der AutorInnen eine ganz bestimmte Vorstellung von der Bedeu- tung dieser Wortverbindungen zugrunde liegt, und dass sie auch k¨unftig in entsprechenden Situationen wieder auf derartige Formulierungen zur¨uckgrei- fen w¨urden.

Wie k¨onnte diese Vorstellung aussehen? Man liegt wahrscheinlich nicht all- zu falsch mit der Annahme, dass hier eine Bedeutungsgleichheit von

”ein m¨oglicher“ (Gegenstand) mit

”einer von mehreren zur Verf¨ugung stehenden“

(Gegenst¨anden) unterstellt wird. Diese Annahme ist jedoch letzlich unhalt- bar, wie wir gleich mit einem (uns ein weiteres Mal in kulinarische Gefilde f¨uhrenden) sprachlichen Test in einer Alltagssituation nachweisen werden, in dessen Rahmen wir die k¨uhlen und unnahbaren Vektoren durch verlockend in der Vitrine pr¨asentierte St¨ucke vom Rindsfilet3 ersetzen4.

Wenn mir beim Fleischhauer also sagen wir f¨unf St¨ucke Rindsfilet zur Aus- wahl zur Verf¨ugung stehen, ist dennoch kein einziges davon ein

”m¨ogliches Rindsfilet“, und dementsprechend keines von denen, die in diesem Moment bei einem anderen, weit entfernt liegenden Fleischer angeboten werden, ein

”unm¨ogliches Rindsfilet“ — auch wenn umgangssprachlich ein wenig sch¨ones St¨uck, das nur geringen Genuss verspricht, durchaus als ein solches bezeich- net werden k¨onnte. Dahinter steckt jedoch eine ganz anderer Bedeutungs- bogen, und ¨uberdies geht es in diesem Aufsatz wie bereits gesagt nicht um Umgangssprache.

Die m¨oglicherweise gutgemeinte Hilfestellung in den Aufgaben 5 und 17 er- folgt somit einerseits um den Preis eines nicht hinnehmbaren sprachlichen Fauxpas und ¨uberdies w¨are es auch rein von der Sache her besser, sie g¨anz- lich zu unterlassen. Einmal mehr ein gelungenes Beispiel f¨ur die bekannte Redensart, dass

”gutgemeint“ oftmals das Gegenteil von

”gut“ ist.

3. . . oder vom Rindslungenbraten, aber sicher nicht vom Rinderfilet! Dies ist schließlich ein in ¨Osterreich verfasster Aufsatz und keine deutsche TV-Kochshow.

4VegetarierInnen und VeganerInnen m¨ogen stattdessen an Butternussk¨urbisse denken.

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Das Paradigma der eindeutigen L¨osbarkeit

Nat¨urlich muss man im gegebenen Zusammenhang zugestehen, dass trotz al- ler Kompetenz- und sonstiger Orientierung die ¨uberwiegende Mehrzahl aller im Mathematikunterricht auftretenden Aufgaben nach wie vor dem Paradig- ma entspricht, dass

”die“ L¨osung anzugeben ist, das heißt also, dass es derer bloß eine einzige gibt, eben die eindeutige solche, die sich den bestimmten Ar- tikel durch ebendiesen Status auch redlich verdient hat, und dass just deren Verlautbarung der KandidatIn die volle Punktezahl garantiert.

Unter dieses Schema l¨asst sich (der Mengensprache sei’s gedankt) auch der Fall subsumieren, dass es zwei, drei oder mehr, sogar unendlich viele L¨osun- gen gibt: Dann ist eben die L¨osungsmengeeindeutig bestimmt. Die Gleichung x+y = 1 ¨uber der Grundmenge R2 hat die Gerade, die durch die Punkte (0,1) und (1,0) ohne Wenn und Aber bestimmt ist, als eindeutige L¨osung.

Nun sind die Auftr¨age der beiden hier in Rede stehenden Aufgaben allerdings viel bescheidener: Ungeachtet der unendlich vielen M¨oglichkeiten, zur L¨osung von Aufgabe 5 einen Vektor~v abzuliefern, der mitAB einen rechten Winkel einschließt und vom Nullvektor verschieden ist5, begn¨ugt sie sich bereits mit dem Vorweis eines einzigen derartigen Vektors. Die KandidatIn muss also jedenfalls aus dem Paradigma der

”einzigen L¨osung“ ausbrechen.

Allerdings bleibt mir r¨atselhaft, wieso dieser Arbeitsauftrag nicht mit den oben angef¨uhrten Formulierungen ohne das Wort

”m¨oglich“ bereits glasklar ubermittelt ist. Anscheinend h¨¨ alt man die Mehrheit der Sch¨ulerInnen f¨ur unf¨ahig, sich ohne ein ermunterndes Hoppauf in Gestalt des Wortes

”m¨ogli- ch[en]“, das wohl suggerieren soll, sich nicht durch das Vorhandensein meh- rerer L¨osungen beunruhigen zu lassen, f¨ur eine der zahllosen korrekten Aus- wahlen f¨ur ~v zu entscheiden und dann auch noch ¨uber die Selbstsicherheit zu verf¨ugen, diese außerhalb des Standardparadigmas liegende Antwort als L¨osung hinzuknallen.

5Diese zweite Forderung sollte man allerdings nicht allzu ernst nehmen, da der Nullvek- tor mit irgendeinem anderen Vektor ohnehin gar keinen Winkel einschließt, insbesondere keinen rechten. Offenbar wird hier

schließt mit AB einen rechten Winkel ein“ mit

ist orthogonal zuAB“ als ¨aquivalent angesehen. Diese Gleichsetzung ist jedoch ¨außerst pro- blematisch: Die letztere Bedingung wird in manchen Lehrg¨angen auch f¨ur den Nullvektor als erf¨ullt definiert, in anderen jedoch nicht. Die erstere Formulierung hingegen ist f¨ur den Nullvektor auf keinen Fall sinnvoll. Insofern sind die beiden Versionen durchaus nicht

¨aquivalent. — Zu pingelig f¨ur die Schulmathematik? Keineswegs: Sch¨ulerInnen haben von Seiten der Schule die bestm¨ogliche Sprache verdient. Sie haben ohnehin alle H¨ande voll damit zu tun, sich selbst eine tragf¨ahige mathematische Ausdrucksweise anzueignen. Man darf sie keinesfalls noch mit der Aufgabe belasten, gezielt und selektiv Schlampereien einer im Unterricht verwendeten mangelhaften Sprache auszufiltern, auch wenn diese schon auf dem Niveau der Alltagssprache grunds¨atzlich als windig zu durchschauen w¨aren.

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Was ist nun tats¨achlich

”m¨oglich“? Torten?

Was kann rechtens

”m¨oglich“ oder

”unm¨oglich“ sein? Welchem Typ von Ob- jekt oder gedanklichem Gegenstand kann man ¨uberhaupt eine dieser beiden Eigenschaften sinnvollerweise zuschreiben?

Nat¨urlich ist im vorliegenden Fall der Vorweis einer strikten Definition oder einer strikten semantischen Regel nicht m¨oglich. Es lassen sich jedoch sehr wohl gewisse Linien angeben, entlang derer sich Sinn ergibt, und von denen abzuweichen Sinn verpuffen l¨asst.

In vorderster Linie treten als Kandidaten f¨ur m¨ogliche beziehungsweise un- m¨ogliche Gegenst¨ande (abstrakte) Begriffe auf, die

”Ereignischarakter“ oder

”Handlungscharakter“ haben. Die grundlegend sinngerechte Verwendung des Wortes

”m¨oglich“ findet sich demnach in den Wendungen

”ein m¨ogliches Ereignis“ und

”eine m¨ogliche Handlungsvariante“.

Es muss also um einen Ablauf oder um ein Geschehen gehen, der bzw. das grunds¨atzlich verschiedene Wege einschlagen kann, also nicht vollst¨andig de- terminiert ist. Jeder Weg, der nicht von vornherein als ausgeschlossen ange- sehen wird, kann als m¨oglich bezeichnet werden.

Es ist dabei unerheblich, ob dieser Ablauf ohne menschliches Zutun statt- findet, wie etwa der Wetterverlauf, oder ob es sich um einen Ablauf von Handlungen eines oder mehrerer Menschen handelt wie etwa den Prozess einer Auswahl aus mehreren sich anbietenden Vorgehensweisen.

In diesem Sinne kann man beispielsweise von m¨oglichen Niederschlagsver- l¨aufen sprechen, von m¨oglichen Strategien, Auswahlen oder Optionen; von m¨oglichen L¨osungen, von m¨oglichen Ausg¨angen einer Unternehmung, von m¨oglichen Verl¨aufen eines Prozesses oder von m¨oglichen Resultaten eines Berechnungsverfahrens.

Jeder von mehreren Ablaufwegen kann nun gegebenenfalls auch ein spezifi- sches gegenst¨andliches (materielles oder gedankliches) Resultat produzieren, etwa ein Auswahlprozess ein bestimmtes Objekt. Es ist legitim, ein derartiges Resultat als

”m¨ogliches Resultat“ zu bezeichnen, da im Begriff des Resultats noch das Prozesshafte des Vorgangs erkennbar ist.

Ist das Resultat jedoch beispielsweise eine Torte (eine bestimmte von meh- reren verschiedenen, die zu produzieren ich die Wahl hatte), dann beinhaltet die Kombination

”eine m¨ogliche Torte“ bereits einen Anbindungsfehler inso- fern hierbei in der Kette

m¨oglich — Auswahl — Torte das Mittelglied weggelassen und das Adjektiv

”m¨oglich“, das eine passende

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Beif¨ugung zu

”Auswahl“ w¨are, direkt an die

”Torte“ angeh¨angt wurde. In dieser ist jedoch kein sprachliches K¨ornchen des Wahlprozessses mehr zu finden und insofern nichts, das rechtens m¨oglich oder unm¨oglich sein k¨onnte.

Sehr deutlich wird das zuvor Gesagte, wenn man testweise die Negation von Adjektiven bzw. von S¨atzen heranzieht. Der

”Negationstest“ f¨ur Sinnhaftig- keit besagt, dass eine Wendung oder ein Satz genau dann sinnvoll [Achtung

— hier ist nicht wahr/falsch gemeint!] ist, wenn ihre bzw. seine Negation sinnvoll ist. Probieren wir es mit einer

”unm¨oglichen Torte“. Habe ich keine Kirschen im Haus und kann mir auch keine mehr besorgen, so scheidet die Variante, eine Schwarzw¨alder Kirsch herzustellen, (kurzfristig) aus.

Wer w¨urde jedoch hier (in ernsthafter Weise) sagen

”Eine Schwarzw¨alder Kirsch ist eine unm¨ogliche Torte“? Eine Schwarzw¨alder Kirsch wird es an diesem Tag bei mir schlicht nicht geben. Es ist blanker sprachlicher Unsinn, einem Objekt, das es gar nicht gibt, frischfr¨ohlich Eigenschaften zuzuschrei- ben. Was ist denn der Gegenstand, dem das Attribut

”unm¨oglich“ angeh¨angt wird? Hier ist der Attribuierung das Bezugsobjekt abhanden gekommen.

[Nicht] existierende und

”[un]m¨ogliche“ mathematische Objekte Noch sch¨arfer stellt sich das vorliegende Problem, wenn es um mathemati- sche Objekte geht. Nach der g¨angigen (Alltags-)Philosophie der Mathematik existiert ein mathematisches Objekt, wenn es widerspruchsfrei definiert wer- den kann, und es existiert sicherlich nicht, wenn seine Definition inkonsistent, also mit einem inneren Widerspruch behaftet ist.

Hier ist kein Platz f¨ur

”m¨oglich“ oder

”unm¨oglich“. Alle Zweiervektoren exis- tieren gleichermaßen als Elemente des R2, und keiner von ihnen ist in ir- gendeiner Weise per se

”m¨oglich“ oder

”unm¨oglich“. Diese Attribute k¨onnen nur Begriffen der Metamathematik zukommen (wie etwa dem L¨osungsbegriff der Alltagssprache): Ein Vektor kann eine von mehreren L¨osungen eines be- stimmten Problems darstellen; insofern ist er eine m¨ogliche L¨osung, jedoch kein ”m¨oglicher Vektor“: In der Anbindungskette

”m¨oglich — L¨osungspro- zess — Vektor“ f¨uhrt das Weglassen des Mittelgliedes zu einer semantisch fehlerhaften Konstruktion, ganz wie im Fall der verfressenen Flugpassagiere.

Wenn wir oben die Wendungen

”m¨ogliche Resultate“ und

”m¨ogliche L¨osun- gen“ als korrekt akzeptiert haben, dann stellt dies keinen Widerspruch dazu dar, dass mathematische Objekte per se nicht

”m¨oglichkeitsf¨ahig“ sind:

”Re- sultat“ und

”L¨osung“ bezeichnen beide nicht ein spezifisches mathematisches Objekt, sondern (beliebige) mathematische Objekte in ihrer Position in ei- nem Ereignis - oder Handlungszusammenhang, geh¨oren demnach nicht der Objekt–, sondern der Metasprache an. ¨Uberdies ist in ihrer Bedeutung auch

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das Prozesshafte der Berechnungs- oder L¨osungst¨atigkeit enthalten.

V¨ollig analog zum Fall der nicht existierenden Schwarzw¨alder Kirsch steht es auch um mathematische (Nicht-)Objekte, die von einer inkonsistenten Definition vermeintlich angepeilt werden.

Wir definieren:

”Sei a eine ganze Zahl, deren Quadrat gleich−1 ist.“ Ist dann a ”eine unm¨ogliche Zahl“?

Nein, aist gar keine Zahl, es ist ¨uberhaupt kein Objekt, und gibt daher auch nichts f¨ur eine Attribuierung welcher Art auch immer her. Es ist nicht sinn- voll, von einer Zahl, an die eine inkonsistente Kollektion von Anforderungen gestellt wird (die demnach gar existiert) zu sagen, sie sei

”unm¨oglich“. Die Sachlage ist viel einfacher: Es gibt sie schlicht nicht.

Gem¨aß dem oben vorgestellten Negationstest ist es nun genauso sinnlos (in der Bedeutung von sinnleer), von einer existierenden Zahl oder einem exis- tierenden Vektor zu sagen, sie seien

”m¨oglich“, gleichg¨ultig, mit welchen Zus¨atzen und in welchem Kontext.

Wir wollen das abschließend am Beispiel von Aufgabe 5 illustrieren: In deren Originaldiktion w¨are etwa −53

ein ”m¨oglicher Vektor, der verschieden vom Nullvektor ist und mit der Strecke AB einen rechten Winkel einschließt“ und etwa −17

ein ”unm¨oglicher Vektor, der verschieden vom Nullvektor ist und mit der Strecke AB einen rechten Winkel einschließt“.

Wer will das wirklich so haben?

Schlussfolgerung Die Adjektive

”m¨oglich“ und

”unm¨oglich“ resultieren bei Kopplung an No- men, die mathematische Gegenst¨ande im eigentlichen Sinn bezeichnen (Zah- len, Punkte, Vektoren, Funktionen etc.), in sinnfreien Verbindungen.

Anders gesagt: Will man einen sinntragenden Satz formulieren, dann ha- ben sprachliche Gebilde wie

”m¨ogliche Punkte“,

”unm¨ogliche Vektoren“ oder Ahnliches nichts darin verloren.¨

Bei der genannten Verwendung der Termini (un-)m¨oglich handelt es sich um eine Art

”Vokabelfehler“, insofern diese beiden Worte nicht gem¨aß ihrer tats¨achlichen Bedeutung gebraucht werden.

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Anhang: Sechsmal soviele Studierende wie ProfessorInnen

In den Untersuchungen zum ber¨uhmten (u.a. von G¨unther Malle beforschten) Beispiel

”An einem Institut gibt es sechsmal soviele Studierende wie Profes- sorInnen; dr¨ucken Sie dieses Tatsache durch eine Gleichung aus“ wurde in den auf die Tests folgenden Interviews von vielen der ProbandInnen, die die (falsche) Gleichung 6S = P als L¨osung geliefert hatten,

”S“ als

”die Stu- dierenden“ und

”P“ als

”die ProfessorInnen“ bezeichnet. In Bewusstsein der Interviewten waren die BezeichnungenS undP logisch offenbar direkt an die (jeweils als Personengruppe vorgestellten) ProfessorInnen bzw. Studierenden angebunden. Ganz analog zum Flughafenbeispiel (Nummer 1 oben) war das notwendige Zwischenglied

”Anzahl“ gedanklich einfach nicht pr¨asent.

Nun h¨atte ein bloßer Hinweis auf dieses fehlende Mittelglied das Problem der betreffenden ProbandInnen kaum gel¨ost (bekanntermaßen erwiesen sich diese in den Interviews als ungemein beratungsresistent), die Bewusstma- chung, dass in der Gleichung (An-)Zahlen und nicht Personen auftreten, ist jedoch sicherlich eine der notwendigen Voraussetzung f¨ur den Aufbau korrek- ter Vorstellungen im gegebenen Zusammenhang, da dann (und erst dann!) davon gesprochen werden k¨onnte, welche der Zahlen(!)S undP die gr¨oßere ist, dass eine Multiplikation mit 6 im Spiel ist (die aus eine kleineren Zahl sicherlich eine gr¨oßere macht) und dass auf den beiden Seiten einer Gleichung dieselben Zahlen(!)werte stehen m¨ussen, damit diese richtig dasteht.

Ohne den(An-)Zahlbegriffals Mittelglied im Bewusstsein kann man nat¨urlich leicht auf falsche Vorstellungen kommen, etwa insofern man die Bestandteile der ”Gleichung“ 6S =P abseits von Zahlen und Zahlenrelationen interpre- tiert, etwa 6S als

”Auf 6 Studierende“, das Gleichheitszeichen als

”kommt“

und P als

”eine ProfessorIn“ — so geschehen in mehreren der Interviews.

Ist jedoch einmal der Anzahlbegriff im gegebenen Kontext fest eingebun- den, dann hilft einem beispielsweise die Vorstellung eines Jahresbschlussfo- tos der bekannten Art weiter: Allen ist vertraut, dass im realen Leben von einem Betreungsverh¨altnis, bei dem auf eine/n Studierende/n sechs Lehren- de kommen, nur getr¨aumt werden kann. Selbstverst¨andlich werden es viele Studierende und weniger Lehrende sein. Der armen kleinen Anzahl der Pro- fessorInnen muss daher mit einem (multiplikativen) Sechser kr¨aftig unter die Arme gegriffen werden, damit sie gleichberechtigt mit der großen Anzahl der Studierenden in den Gleichungsring steigen kann und sich das erforderliche Unentschieden (d.h. also Gleichheit) f¨ur die Anzahlenergibt.

Michael Grosser, Fakult¨at f¨ur Mathematik der Universit¨at Wien Oskar-Morgenstern-Platz 1, A-1090 Wien

e-mail: michael.grosser@univie.ac.at

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