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Kombinierte Risikoscores für die gezielte Prävention

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ARS MEDICI 6 | 2021

175 STUDIE REFERIERT

Demenz

Kombinierte Risikoscores für die gezielte Prävention

Die globale Prävalenz von Demenzerkrankungen steigt. Neben der wachsenden Lebenserwartung tra- gen vor allem ein ungesunder Lebensstil, eine vererbbare Prädisposition und offensichtlich auch ein mangelndes Bildungsniveau dazu bei. Angesichts des herausfordernden gesellschaftlichen Auftrags zur präventiven Einflussnahme auf ein derart multifaktorielles Geschehen ist es wichtig, diejenigen Indivi- duen zu identifizieren, die von entsprechenden Massnahmen am meisten profitieren. Neu entwickelte Risikocharts könnten dabei helfen.

European Heart Journal

In einer immer älter werdenden Gesell- schaft wird der Anteil derjenigen Hoch- betagten, die mit einer Demenzerkran- kung versterben, mittlerweile auf etwa ein Drittel beziffert. Andererseits gehen auf entsprechenden randomisierten, kontrollierten Studien basierende Schät- zungen der Lancet Commission davon aus, dass sich wiederum ein Drittel aller Demenzfälle durch die Behandlung kar- diovaskulärer Risikofaktoren wie Dia- betes, Hypertonie, Rauchen und kör- perliche Inaktivität verhindern liesse.

Wie solche präventiven Interventionen im Einzelnen aussehen müssten, ist bis anhin nicht geklärt. Tatsächlich zeigen die altersstandardisierten Demenzinzi- denzen in wohlhabenden Regionen der Welt inzwischen aber eine rückläufige Tendenz, was auf eine verbesserte Kon- trolle der genannten Risikofaktoren und ein allgemein gestiegenes Bildungsniveau in den letzten Jahrzehnten zurückgeführt wird. Unterstützt werden diese Annah- men durch die Ergebnisse umfangreicher Interventionsstudien, in denen eine posi- tive Beeinflussung vor allem vaskulärer Risikofaktoren die kognitive Funktion bei demenzgefährdeten Personen verbes- serte.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob derlei vorbeugende Massnahmen sämtlichen Personen mit Risiko für Demenz oder aber nur bestimmten Hochrisikogrup- pen zuteilwerden sollten, denn Ersteres würde aufgrund des erforderlichen ar- beits- und kostenintensiven Aufwands die meisten Gesellschaften vor unrealis- tische ökonomische Herausforderun- gen stellen. Abhilfe schaffen könnte hier

ein Score, mit dem es gelingt, Personen mit hohem Risiko für eine Demenz- erkrankung zu identifizieren, die höchst- wahrscheinlich am ehesten von geziel- ter Prävention profitieren würden. Da die Entwicklung seniler Demenzformen nachweislich auch genetischen Einflüs- sen (über das APOE-[Apolipoprotein- E-]e4-Allel sowie 30 weitere in genom- weiten Assoziationsstudien [GWAS]

identifizierte Genloci) unterliegt, sollte ein solcher Risikoscore neben den mo- difizierbaren Risikofaktoren auch diese erbbiologischen Komponenten enthal- ten.

Kardiovaskuläre, genetische und intellektuelle Faktoren ...

Vor diesem Hintergrund gelang es nun einer dänischen Arbeitsgruppe, anhand der Daten zweier nationaler prospekti- ver Kohortenstudien (Copenhagen Ge- neral Population Study [CGPS], Copen- hagen City Heart Study [CCHS]) solche kombinierten Scores zur Ermittlung des absoluten 10-Jahres-Risikos für De- menz jedweder Ursache zu erstellen.

Ausgewertet wurden dazu die in beiden Studien zu Baseline (CGPS: 2003, CCHS: 1976–1978) erfolgte Genotypi- sierung und die teils über Messgrössen, teils über Befragung ermittelten kardio- vaskulären Risikofaktoren (Diabetes [z. B.: Plasmaglukose: > 11 mmol/l bzw.

198 mg/dl], Hypertonie [z. B.: Blut- druck > 140/90 mmHg], Rauchen [nie/

jemals geraucht], geringe körperliche Aktivität [≤ 4 h/Woche], starker Alko- holkonsum [Frauen: > 14 Drinks/Wo- che, Männer: > 21 Drinks/Woche],

niedriges Bildungsniveau [< 8 Jahre formale Ausbildung]) der Teilnehmer sowie die als Endpunkt definierte Ent- wicklung einer demenziellen Erkran- kung (M. Alzheimer, vaskuläre/unspe- zifizierte Demenz; Diagnosen gemäss ICD-8/10) während des Follow-up (CGPS: 2003–2017, CCHS: 1991–

1994/2001–2003/2011–2013). Insge- samt waren aus beiden Studien zusam- men für 61 664 Individuen (Alter: 20 bis 60 Jahre) Genotypisierungen ver- fügbar; von diesen hatten 2158 nach im Mittel 10 Jahren (Wertebereich:

1–25 Jahre) Follow-up eine demenzielle Episode entwickelt.

Wie die mithilfe diverser statistischer Verfahren durchgeführten Analysen der Daten ergaben, steigt das absolute 10-Jahres-Risiko für das Auftreten ei- ner Demenzerkrankung jedweder Ursa- che mit zunehmendem Alter, mit der Anzahl von APOE-e4-Allelen und GWAS-Risikoallelen, mit manifester Diabeteserkrankung, bei geringem Bil- dungsstand sowie unter Raucherana- mnese an. Geringe körperliche Aktivität wirkt sich, insbesondere bei Männern, ebenfalls risikofördernd aus. Als die modifizierbaren Risikofaktoren mit den höchsten beobachteten Hazard Ratios (HR) erwiesen sich unabhängig vom Al- ter Diabetes (HR: 1,54; 95%-Konfi- denzintervall [KI]: 1,22–1,93), Rauchen (1,17; 1,04–1,32) und niedriger Bil- dungsstand (1,27; 1,13–1,42) bei Frauen sowie Diabetes (1,26; 1,01–1,57), kör- perliche Inaktivität (1,35; 1,18–1,55) und niedriger Bildungsstand (1,38;

1,20–1,58) bei Männern.

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STUDIE REFERIERT

... und ihre potenziellen Effekte

Die Mechanismen, über die die kardio- vaskulären Risikofaktoren eine De- menzentwicklung beeinflussen, sind noch nicht umfassend verstanden. Hin- sichtlich Diabetes wird angenommen, dass sich die Erkrankung, abgesehen von Inflammation und hohen Blutglu- kosekonzentrationen, welche ihrerseits die kognitive Funktion verschlechtern, auch in einer verminderten Insulinpro- duktion im Gehirn auswirkt, die zu ei- ner beeinträchtigten Amyloidelimina- tion führen kann. Das Rauchen schlägt sich ebenso wie körperliche Inaktivität höchstwahrscheinlich über kardiovas- kuläre Pathologien negativ auf das De- menzrisiko nieder; hinzu kommen die Effekte der im Tabakrauch enthaltenen Neurotoxine. Das Vorliegen von Blut- hochdruck im mittleren Alter (40–60 Jahre) war, wie schon anderweitig be- obachtet, auch in dieser Studie, zumin-

dest bei Männern, ebenfalls mit einem höheren Demenzrisiko vergesellschaf- tet, was hauptsächlich dem erhöhten Risiko für zerebrovaskuläre Erkran- kungen und für das metabolische Syn- drom zugeschrieben wird. Der Einfluss des Bildungsstands ergibt sich womög- lich aus einer grösseren kognitiven Re- serve bei Individuen mit höherem Aus- bildungslevel, welche sie im Vergleich mit Personen mit niedrigerem Bildungs- stand eher neurodegenerative Prozesse tolerieren lassen könnte, ohne eine kli- nische Demenz zu entwickeln. Zudem lässt sich mutmassen, dass Individuen mit niedrigerem Ausbildungsniveau auch einen weniger vorteilhaften Le- bensstil pflegen. Zur Frage, welche kau- sale Beziehung zwischen starkem Alko- holkonsum und dem Demenzrisiko besteht, ist die vorliegende Evidenz bis anhin nicht eindeutig.

Tools zur Risikostratifizierung

Zusammenfassend sind die Autoren der referierten Studie der Ansicht, dass sich die in ihren Analysen beobachteten Zu- sammenhänge angesichts der weltweit steigenden Demenzprävalenz zur rech- ten Zeit zeigen und die ermittelten Risi- koscores geeignete Werkzeuge zur um- fassenden Risikostratifizierung dar- stellen, mit deren Hilfe es künftig einfa- cher werden könnte, effiziente präven- tive wie kurative Ansätze in Hochrisiko- gruppen zu implementieren. RABE s Quelle:

Rasmussen IJ et al.: Impact of cardiovascular risk factors and genetics on 10-year absolute risk of dementia: risk charts for targeted prevention. Eur Heart J 2020; 41: 4024–4033.

Interessenlage: Die Autoren der referierten Stu- die haben keinerlei Interessenkonflikte dekla- riert.

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