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Konsumentenschutz – Aktuelle Entwicklungen

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AJP 2015 S. 339

Autor Daniel Donauer, Barbara A. Möri

Titel Widerrufsrecht im schweizerischen

Konsumentenschutz – Aktuelle Entwicklungen

Seiten 339-350

Publikation Aktuelle Juristische Praxis Herausgeber Arnold F. Rusch

Frühere Herausgeber Ivo Schwander

ISSN 1660-3362

Verlag Dike Verlag AG

AJP 2015 S. 339

Widerrufsrecht im schweizerischen

Konsumentenschutz – Aktuelle Entwicklungen

Daniel Donauer*

* Daniel Donauer, MLaw (Universität Bern), Substitut bei einer Zürcher Wirtschaftskanzlei, Zürich.

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Barbara A. Möri**

Vorliegende Abhandlung beschäftigt sich mit den im schweizerischen Konsumentenschutzrecht aktuell bestehenden Widerrufsrechten. Die Einräumung solcher Rechte aus Sicht des Konsumenten verbleibt auch nach Jahren der Relativierung des sog. «pacta sunt servanda»-Grundsatzes eine Seltenheit. Damit soll in erster Linie der Privatautonomie und Selbstbestimmung Rechnung getragen werden. Nichts desto trotz bestehen auch in der schweizerischen Rechtsordnung vereinzelte Widerrufsmöglichkeiten. Im Nachfolgenden sollen diese näher dargestellt und erörtert werden.

Die bisher bestehenden Widerrufsrechte sind auf Fälle, bei denen sich Verkäufer und Käufer physisch nicht gegenüberstehen, nicht anwendbar. In unserer technisch geprägten und globalen Welt entspricht es jedoch immer häufiger der Realität, dass die Verkäufer nicht mehr an der Haustür klingeln, sondern auf elektronischem Weg mit dem Kunden in Kontakt treten, sei es telefonisch oder übers Internet. Diesen sogenannten Fernabsatzgeschäften ist ein Ungleichgewicht des Kenntnisstandes der Vertragsparteien immanent, denn der Konsument kann bei Vertragsschluss die bestellte Ware weder unmittelbar sehen noch prüfen. Gerade im Falle des Telefonverkaufs kommt insbesondere, wie bei den Haustürgeschäften, der Überraschungs- und Überrumpelungseffekt hinzu. Im Folgenden wird somit auf bestehende Widerrufsrechte und aktuelle Entwicklungen sowie die besondere Rechtsproblematik betreffend Fernabsatz eingegangen.

La présente étude se penche sur les droits de révocation qui existent actuellement en droit suisse de la protection des consommateurs. L’octroi de tels droits, d’un point de vue du consommateur, demeure rare, même des années après que le principe «pacta sunt servanda» ait été assoupli. Il s’agit en premier lieu de tenir compte de l’autonomie privée et de l’autodétermination. Néanmoins, des possibilités de révocation existent de manière isolée dans l’ordre juridique suisse. Elles seront présentées et expliquées plus en détail dans l’étude qui suit.

Les droits de révocation existants ne s’appliquent pas aux situations dans lesquelles le vendeur et l’acheteur ne se trouvent pas en présence l’un de l’autre. Dans un monde technique et global comme le nôtre, il est de plus en plus fréquent que les vendeurs renoncent au porte-à-porte et contactent les clients par voie électronique, que ce soit par téléphone ou au travers d’Internet. Ces ventes dites à distance se caractérisent par un déséquilibre des connaissances entre les parties au contrat, étant donné que le

** Barbara A. Möri, MLaw (Universität Bern), Substitutin bei einer Aargauer Anwaltskanzlei, Baden.

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consommateur ne peut ni voir la marchandise commandée, ni l’examiner au moment de la conclusion du contrat. L’effet de surprise vient notamment s’ajouter lors du démarchage téléphonique, comme c’est le cas pour le démarchage à domicile.

L’article qui suit examine les droits de révocation existants et les développements récents ainsi que les problèmes juridiques propres à la vente à distance.

I. Einleitende Bemerkungen

Das schweizerische Privat- und Vertragsrecht richtet sich grundsätzlich nach der Maxime der Vertragsfreiheit. Das Recht unterlegt den betreffenden Grundsatz gleichzeitig dem Prinzip der Vertragstreue bzw. der sogenannten «pacta-sunt- servanda»-Maxime, nach welcher geschlossene Verträge durch die Vertragsparteien einzuhalten sind. In diesem Sinne soll ein geschlossener Vertrag nicht einseitig von einer Partei aufgelöst werden, weil ihr der Vertrag nachträglich nicht mehr zuspricht oder aber sich als unvorteilhaft erweist.

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Widerrufsrechte laufen diesem Vertragsverständnis auf den ersten Blick in grundsätzlicher Weise zuwider, erlauben sie doch dem Berechtigten, einen Vertrag unter gewissen Bedingungen einseitig und ohne Begründung gegenüber dem Vertragspartner mit Wirkung ex tunc aufzulösen. Jedoch darf dabei nicht vergessen werden, dass diese Instrumentarien geschaffen wurden, um die im Vertrag schwächere Partei zu stärken.

Aufgrund des Spannungsverhältnisses zwischen dem Grundsatz der Vertragstreue und Widerrufsrechten ist wenig erstaunlich, dass der Ausbau des Konsumentenschutzes eine Gratwanderung darstellt und in den letzten Jahren nur schleppend vorangetrieben werden konnte. Bereits im Jahr 2005 scheiterte ein Ausbau des Konsumentenschutzes nicht zuletzt an der anhaltenden Kritik und Skepsis seitens der Wirtschaft. Der Bundesrat begründete den Verzicht auf die Vorlage damit, dass Widerrufsrechte und Gewährleistungsansprüche der Vertragsfreiheit ungenügend Rechnung tragen würden und eine Form der Bevormundung des Konsumenten durch den Gesetzgeber darstellten. Ebenfalls seien Widerrufsrechte und höhere Gewährleistungsansprüche mit Mehrkosten für die Anbieter verbunden. Diese Mehrkosten wären letztlich wiederum unweigerlich vom Konsumenten zu tragen, da die Anbieter sie auf die Dienstleistungen und Produkte abwälzen müssten.1 Nach dem Scheitern der zuvor erwähnten Vorlage und als Reaktion darauf hat am 21. Juni 2006 der damalige Ständerat Pierre Bonhôte eine parlamentarische Initiative eingereicht, welche die Abänderung des schweizerischen Obligationenrechts (OR)2 dahingehend verlangte, dass das für Haustürgeschäfte geltende Widerrufsrecht nach Art. 40a ff. OR neu auch für am Telefon geschlossene Verträge gelten sollte. Sowohl Stände- als auch Nationalrat haben der Initiative Folge geleistet. Das Ringen um die Umsetzung ist seither in vollem Gange, wobei mittlerweile ein erster Entwurf vorliegt.3 Weitere Entwicklungen bleiben abzuwarten.

Nachfolgend sollen zunächst die im schweizerischen Recht derzeit in Kraft stehenden Widerrufsrechte abgebildet und diesbezügliche aktuelle Entwicklungen erläutert werden. Abschliessend gilt es, den Fernabsatz zu beleuchten und die im Entwurf vorgeschlagenen Revisionsbestimmungen aufzuzeigen.

1 Medienmitteilungen, «Konsumentenschutz wird nicht ausgebaut», EJPD, 9. November 2005.

2 Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Fünfter Teil:

Obligationenrecht, vom 30. März 1911 (SR 220).

3 Vgl. BBl 2014, 2994; vgl. auch BBl 2014, 923 ff.

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II. Widerrufsrechte im Konsumentenrecht

A. Widerrufsrechte im Allgemeinen

Widerrufsrechte fallen unter die zwingenden Verbraucherschutzregeln des Vertragsrechts und dienen nebst anderen Instrumentarien, wie beispielsweise Informationspflichten oder Formvorschriften, dem Gesetzgeber als Werkzeug zum Schutz der schwächeren Vertragspartei.4

Mittels vertraglicher Widerrufsrechte ist der Verbraucher5 dazu berechtigt, einen bereits geschlossenen Vertrag innert Frist und ohne dafür Gründe nennen zu müssen, einseitig aufzulösen. Solche Widerrufsrechte kennt man heute im Allgemeinen beispielsweise bei Haustürgeschäften, bei Timesharing- und Konsumkreditverträgen, bei Pauschalreise- und Partnerschaftsvermittlungsverträgen oder etwa bei Fernabsatzgeschäften.6 Gerade dem letzteren Punkt wurde jedoch durch den schweizerischen Gesetzgeber im Rahmen einer Konsumentenschutzerweiterung vor rund zehn Jahren eine Absage erteilt und ein zusätzliches Widerrufsrecht verweigert.7 Die gesetzliche Zulassung solcher Widerrufsrechte zugunsten von Konsumenten ist rechtspolitisch ein eher jüngeres Phänomen und findet seine Existenzberechtigung darin, dass die Verbrauchergruppen in bestimmten Situationen oft übereilt einen Vertrag abschliessen. Mit der Einräumung solch zusätzlicher Rechte wird den Konsumenten eine verlängerte Bedenkzeit zugesprochen.8

B. Das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften 1. Stand heute

Mit dem Terminus «Haustürgeschäft» sind Verträge gemeint, bei denen ein in gewerbsmässiger Absicht han-

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delnder Anbieter von Dienstleistungen oder beweglichen Gütern einen möglichen Vertragspartner an dessen Wohnort oder an ähnlicher Stätte aufsucht und diesen zum Vertragsschluss oder der Antragsstellung bewegt.9

Das Widerrufsrecht des Haustürgeschäfts ist am 1. Juli 1991 in Kraft getreten, womit der Gesetzgeber dem allgemeinen Ruf nach verstärktem Konsumentenschutz Folge leistete.10

4 Hein Kötz, Vertragsrecht, Tübingen 2009, 19, Rz. 40; vgl. auch SPRX- Marlies Koller-Tumler, 82 in: Ernst A. Kramer (Hrsg.), Konsumentenschutz im Privatrecht, SPRX, Basel 2008 (zit.

SPRX-Autor).

5 Im Rahmen der Praktikabilität wird auf eine geschlechterspezifische Unterscheidung verzichtet.

Natürlich sind im Rahmen der vorliegenden Abhandlung beide Geschlechter gleichermassen umfasst.

6 SPRX-Koller-Tumler (FN 4), 84 f.; SPRX-Alexander Brunner (FN 4), 212.

7 Am 9. November 2005 beurteilte der Bundesrat die Situation rund um den Konsumentenschutz und erteilte dem weiteren Ausbau desselbigen eine Absage. Als Reaktion darauf, den Konsumentenschutz in der Schweiz nicht ausbauen zu wollen, wurden drei parlamentarische Initiativen eingereicht. Vgl. Felix Schöbi, Konsumentenschutz, in: Jusletter vom 9. November 2009.

8 Ingeborg Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 6. A., Bern 2012, Rz. 28.63.

9 Art. 40a OR; vgl. Theo Guhl/Alfred Koller/Anton K. Schnyder/Jean Nicolas Druey, Das schweizerische Obligationenrecht, Zürich 2000, 113, Rz. 38; CHK-Ahmet Kut, in: Marc Amstutz et al. (Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. A., Zürich 2012, Art. 40a–g OR, Rz. 1 ff.

10 BSK-Rainer Gonzenbach, in: Heinrich Hosell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 5. A., Basel 2011, Art. 40a–40f OR,

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Der Gesetzgeber hat das Haustürgeschäft systematisch in den allgemeinen Teil des Obligationenrechts eingefügt,11 da die damit einhergehenden Rechtsfragen die Entstehung und Geltung des Vertrages behandeln.12 Diese systematische Einordung – also der Verzicht auf ein Sondergesetz – hiesse sodann in der Konsequenz aber auch, dass die Rechtsnormen des Haustürgeschäfts, als Teil des allgemeinen Privatrechts qualifiziert, auf alle Rechtsverhältnisse, unabhängig von der Stellung der Parteien, anwendbar wären.13 Sonderprivatrecht hat jedoch der Gesetzgeber bereits verschiedentlich im schweizerischen Obligationenrecht geschaffen, beispielsweise mit der Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Privatrecht und dem Handelsrecht der Kaufleute.14 Weiteres Sonderprivatrecht kennt man heute unter den Oberbegriffen des Arbeits-, des Miet- und des Konsumrechts.15

Die Normen des Widerrufsrechts gemäss Art. 40a ff. OR gehören zweifelsfrei der Kategorie des Konsumrechts an und bilden somit Teil eines Sonderprivatrechts.

Entsprechend eng gestaltet sich der Anwendungsrahmen des Haustürgeschäfts, was nach einer klaren Begriffsdifferenzierung verlangt. Demnach stehen auf der einen Seite Anbieter bzw. Unternehmen und auf der anderen Seite Verbraucher bzw.

Privathaushalte.16

Das gesetzliche Widerrufsrecht gemäss Art. 40e OR präsentiert sich derzeit wie folgt:

Art. 40e

1 Der Kunde muss dem Anbieter den Widerruf schriftlich erklären.

2 Die Widerrufsfrist beträgt sieben Tage und beginnt, sobald der Kunde:

a. den Vertrag beantragt oder angenommen hat; und b. von den Angaben nach Art. 40d Kenntnis erhalten hat.

3 Der Beweis des Zeitpunkts, in dem der Kunde von den Angaben nach Art. 40d Kenntnis erhalten hat, obliegt dem Anbieter.

4 Die Frist ist eingehalten, wenn die Widerrufserklärung am siebenten Tag der Post übergeben wird.

Das Widerrufsrecht selbst kommt nebst der Qualifizierung des Rechtsverhältnisses als Konsumvertrag erst dann zur Anwendung, wenn die Geldleistung des Konsumenten 100 Franken übersteigt; bei einem tieferen Betrag steht dem Kunden kein Widerrufsrecht am Konsumvertrag zu.17 Eine Ausnahme enthält Art. 40a Abs. 2 OR, der eine Anwendung des Widerrufsrechts auf Versicherungsverträge ausschliesst.

Ebenfalls entfällt das Widerrufsrecht, wenn der Konsument einen Tatbestand gemäss Art. 40c OR erfüllt, also seine Erklärung an einem Markt- oder Messestand abgegeben oder die Vertragsverhandlungen ausdrücklich gewünscht hat.

Zu beachten gilt es insbesondere seitens des Anbieters, der sich auf ein solches Geschäft einlassen möchte, dass er seiner Informationspflicht nach Art. 40d OR zur Genüge nachkommt und den formellen Anforderungen entspricht, andernfalls die siebentägige Frist nicht zu laufen beginnt.

Rz. 1.

11 Art. 40a ff.; vgl. für rechtfertigende systematische Eingliederung Roger Dornier, Das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen, Diss. Freiburg 1994, 9, Rz. 27 f.

12 CHK-Kut (FN 9), Art. 40a–40f OR, Rz. 1 ff.

13 SPRX-Brunner (FN 4), 201.

14 Vgl. Art. 190 OR; Art. 212 Abs. 3 OR.

15 SPRX-Brunner (FN 4), 201.

16 SPRX-Brunner (FN 4), 202 f.

17 SPRX-Brunner (FN 4), 203.

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Ist der Konsument schliesslich in einer Situation, in welcher er sich auf das Widerrufsrecht gemäss Art. 40a ff. OR berufen kann, wird der Vertrag ex tunc aufgelöst. Nach Art. 40f Abs. 1 OR haben beide Parteien bereits empfangene Leistungen zurückzuerstatten.18 Umstritten ist das Widerrufsrecht unter dem Gesichtspunkt des «pacta sunt servanda»-Grundsatzes allemal. Fraglich ist aber, wie sich die Statuierung eines solchen Rechts zugunsten nur einer Vertragspartei – explizit des Konsumenten – mit der Vertragstreue vereinbaren bzw. eine allenfalls rechtfertigende Relativierung davon begründen lässt.19 In seiner Botschaft aus dem Jahre 1986 anerkannte der Bundesrat eine Überrumpelungssituation der Konsumenten bei Haustürgeschäften, welche insbesondere auch auf die

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«Redekünste» der Unternehmer zurückzuführen sei.20 Tatsächlich sind solchen Tatbeständen wie jenem des Haustürgeschäfts gewisse Gefahren inhärent, welche sich auf das rational handelnde Individuum nachteilig auswirken und somit eine unüberlegte Vorgehensweise hervorrufen können.21 So kann von einer unausgewogenen Rollenverteilung der Vertragsparteien im Konkreten gesprochen werden, die den Konsumenten als die schwächere Partei in eine Überrumpelungssituation führt, welche ihrerseits in einem übereilten Vertragsbeschluss zu resultieren vermag.22 Die potenziell darin endende gestörte Vertragsparität, verursacht durch das «Fehlverhalten» des Konsumenten, wird deshalb durch das Gesetz kompensiert und in eine gerechte und äquivalente Stellung zwischen den Vertragsparteien transformiert.23

2. Aktuelle Bestrebungen

Gemäss dem Entwurf sieht eine Ergänzung neu in Art.40a E-OR vor, dass das Widerrufsrecht nicht nur bei Haustürgeschäften, sondern auch für Fernabsatzgeschäfte bestehen soll. Dabei wird nun auch eine sprachlich konsequente Differenzierung zwischen Kunden- und Konsumentenschutz vorgenommen. Diese Neuerungen stellen für die Haustürgeschäfte lediglich redaktionelle Änderungen dar, wird doch deren Ausgestaltung dadurch nicht tangiert. Einziger Unterschied zum bestehenden Recht bildet die Verlängerung der Widerrufsfrist um vierzehn Tage sowie die Einführung einer absoluten Frist von drei Wochen. Weitere Entwurfsänderungen betreffend Form und Frist sind in Zusammenhang mit dem Fernabsatz zu lesen sein.24

C. Das Widerrufsrecht bei Konsumkreditverträgen 1. Stand heute

Der Terminus Konsumkreditvertrag wird im Gesetz selbst eingehend beschrieben und umfasst, vereinfacht gesprochen, jene Rechtsverhältnisse zwischen einem Kreditgeber

18 BSK-Gonzenbach (FN 10), Art. 40f OR, Rz. 2 ff.; Schwenzer (FN 8), Rz. 28.73.

19 Ob überhaupt eine Relativierung der Vertragstreue vorliegt, ist bereits in der Literatur nicht einheitlich bejaht worden; vgl. BSK-Gonzenbach (FN 10), Art. 40a-40f OR, Rz. 2; SPRX- Brunner (FN 4), 214.

20 Botschaft vom 7. Mai 1987.

21 Vgl. Guhl/Koller/Schnyder/Druey (FN 9), 113, Rz. 38.

22 Dornier (FN 11), Rz. 570 ff.

23 Dornier (FN 11), Rz. 646 ff.

24 Siehe III, D.

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einerseits und dem Konsumenten als Kreditnehmer andererseits.25 Der Kredit ergeht dabei in Form eines Darlehens, eines Zahlungsaufschubes oder einer ähnlichen Finanzierungshilfe.26 Die ausgeschütteten Konsumkredite werden im Konsumkreditgesetz nicht näher umschrieben. Gemeint sind aber grundsätzlich jegliche Arten von Waren-, Dienstleistungs- und Geldkrediten, unbeachtlich ihrer obligationenrechtlichen Formausgestaltung.27

Ohne eine genauere Untersuchung der einzelnen Begriffe in Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich des Konsumkreditgesetzes entfachen zu wollen, soll an dieser Stelle auf Art. 7 KKG verwiesen werden, welcher eine Reihe von Tatbeständen aufzählt, auf welche das Konsumkreditgesetz generell keine Anwendung findet. Als Ausschlussnorm relevant ist Art. 7 KKG hinsichtlich der dieser Abhandlung zugrunde liegenden Thematik deshalb, weil die Norm Sachverhalte beinhaltet, in welchen der Schutz des «Schwächeren» offenkundig vom Gesetzgeber als nicht notwendig erachtet und damit einhergehend der Widerrufsrechtsschutz des Konsumenten verwehrt wurde.

Sinn und Zweck des Konsumkreditgesetzes ist nebst der Rechtsvereinheitlichung auch der Sozialschutz.28 Folglich soll die Position der Konsumenten gestärkt und entsprechend die Stellung des sozial Schwächeren verbessert werden.

Explizit geregelt ist sodann das Widerrufsrecht in Art. 16 KKG. Demnach kann der Konsument den Antrag zum Vertragsschluss oder die Annahmeerklärung innerhalb von sieben Tagen schriftlich widerrufen, wobei das Widerrufsrecht auf alle Formen des Konsumkredits zugunsten der Konsumenten Anwendung findet. Angewendet wird das Widerrufsrecht des Konsumkreditgesetzes nicht nur bei Abzahlungs- und gleichgestellten Geschäften, sondern auch bei reinen Barkrediten, bei Kredit- und Kundenkartenverträgen mit Kreditoption und vertraglich vereinbarten Überziehungskrediten.29

Das Widerrufsrecht gestaltet sich gesetzlich wie folgt:

Art. 16 KKG

1 Die Konsumentin oder der Konsument kann den Antrag zum Vertragsabschluss oder die Annahmeerklärung innerhalb von sieben Tagen schriftlich widerrufen. Kein Widerrufsrecht besteht im Falle von Art. 12 Abs. 4.

2 Die Widerrufsfrist beginnt zu laufen, sobald die Konsumentin oder der Konsument nach den Artikeln 9 Abs. 1, 11 Absatz 1 oder 12 Absatz 1 eine Kopie des Vertrages erhalten hat. Die Frist ist eingehalten, wenn die Widerrufserklärung am siebenten Tag der Post übergeben wird.

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3 Ist das Darlehen bereits vor dem Widerruf des Vertrags ausbezahlt worden, so gilt Artikel 15 Absätze 2 und 3. Im Falle eines Abzahlungskaufs, einer auf Kredit beanspruchten Dienstleistung oder eines Leasingvertrags gilt Artikel 40f des Obligationenrechts.

Die Statuierung des Art. 16 KKG ist vorgängig an den Art. 9 KKG gebunden, welcher die Form und den Inhalt der Konsumkreditverträge detailliert regelt. Danach hat der Konsumkreditvertrag schriftlich das Recht auf Widerruf zu enthalten und ist dem

25 Markus Hess/Robert Simmen, Das neue Konsumkreditgesetz (KKG), Zürich/Basel/Genf 2002, 10 ff.; geschichtliche Entwicklung bei Gilles Paisant/Bernard Dutoit/Xavier Favre--Bulle/Denis Piotet/Bernard Stauder, La nouvelle loi féderale sur le crédit à la consommation, Lausanne 2002, 27 ff.

26 Art. 1 Abs. 1/Abs. 2 KKG.

27 Vgl. zum Ganzen CHK-Alexander Brunner (FN 9), Art. 1 KKG, Rz. 1 ff.; SPRX-Bernd Stauder (FN 6), 234.

28 SPRX-Stauder (FN 6), 227 ff.

29 SPRX-Stauder (FN 6), 270 ff.

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Konsumenten via Kopie auszuhändigen.30 Die Frist von sieben Tagen beginnt dabei erst mit Erhalt des Vertragsdoppels durch den Konsumenten überhaupt zu laufen.31 Das Widerrufsrecht entspricht einer konsumentenrechtlichen Schutznorm und gewährt dem Verbraucher eine gedehnte Bedenkfrist nach Vertragsschluss.32 Legitimiert wird diese Vertragslösungsoption damit, dass je nach Umständen dem Konsumenten kreditrelevante Informationen erst kurz vor Vertragsschluss zugänglich gemacht werden.33 Das Widerrufsrecht stützt sich in seiner Existenzberechtigung in concreto also auf eine Art Wissensbenachteiligung des Konsumenten als der schwächeren Partei.

Des Weiteren gibt es Konstellationen, in welchen dem Verbraucher die weitreichenden Folgen einer Kreditaufnahme nicht genügend bewusst sind. Hier soll das Widerrufsrecht wiederum ein weiteres mögliches Informationsdefizit vor Vertragsschluss gegen oder für einen Konsumkredit austarieren und entsprechend eine Vertragslösemöglichkeit einräumen.34

2. Aktuelle Bestrebungen

Auch im Konsumkreditrecht soll die Widerrufsfrist auf vierzehn Tage verlängert werden, wobei ein Widerruf nach wie vor schriftlich zu erfolgen hat. Zudem wird innerhalb des Entwurfs auf die neu einzuführenden allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts Art. 40l–40o verwiesen. Die Kernveränderung liegt in der Harmonisierung der Fristenregelung zwischen Konsumkreditgesetz und Obligationenrecht bzw. allgemein der Widerrufsrechte. Dabei wird das Interesse an der Einheitlichkeit des Widerrufs höher gewichtet als mögliche spezifische Interessen bestimmter Parteien an einer schnellen Vertragsausführung und -erfüllung.

D. Das Rücktrittsrecht im Pauschalreisegesetz 1. Stand heute

Das Pauschalreisegesetz35 wurde im Rahmen des Swisslex-Programmes36 erlassen und auf den 1. Juli 1994 in Kraft gesetzt. Ziel und Zweck des Gesetzes besteht in der Stärkung des Konsumenten und dessen Stellung gegenüber dem Anbieter als Reiseveranstalter. Dabei stehen grundsätzlich drei Instrumentarien zur Umsetzung dieses Schutzes im Vordergrund. Zum einen besteht eine umfassende vorvertragliche Informationspflicht des Veranstalters oder Vermittlers gegenüber dem Konsumenten zwecks Schaffung von Markttransparenz.37 Zum anderen soll eine hinreichende Vertragsgerechtigkeit erzeugt werden. Schliesslich regelt das PauRG die Sicherstellung bestimmter wirtschaftlicher Interessen der Verbraucher im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters.38

Das Rücktrittsrecht findet sich explizit in Art. 10 Abs. 1 PauRG und ist nebst der Möglichkeit einer Transformierung des wesentlichen Vertragsinhaltes durch den Reiseveranstalter in Form eines Akzeptes durch den Verbraucher als Wahlrecht

30 Paisant/Dutoit/Favre-Bulle/Piotet/Stauder (FN 25), 53 ff.

31 Hess/Simmen (FN 25), 75 f.

32 Zu den Auswirkungen des Rücktrittsrechts Paisant/Dutoit/-Favre-Bulle/Piotet/Stauder (FN 25), 83 ff.

33 SPRX-Stauder (FN 6), 270.

34 SPRX-Stauder (FN 6), 270.

35 Im Folgenden mit PauRG abgekürzt.

36 SPRX-Koller-Tumler (FN 4), 43 ff.

37 SPRX-Stauder (FN 6), 303 f.; Art. 3–6 PauRG; CHK--Alexandra Zeiter, in: Marc Amstutz et al.

(Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. A., Zürich 2012, Art. 3 ff. PauRG.

38 SPRX-Stauder (FN 6), 303 ff.

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ausgestaltet.39 Demnach steht es dem Konsumenten frei, ob er sich bei gegebener Situation vom Vertrag distanzieren oder aber den neuen Vertragsinhalt annehmen möchte.40 Wichtig ist jedoch, dass vorhergehend seitens des Reiseveranstalters eine wesentliche Vertragsänderung gemäss Art. 8 PauRG vorgenommen wurde.41 Als solche gilt jede erhebliche Änderung eines wesentlichen Vertragspunktes, welche der Veranstalter vor dem Abreisetermin vornimmt. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass der Reiseveranstalter jederzeit Änderungen aller Art vornehmen kann, solange er sich an die Meldepflicht hält.42 Trotz des Fehlens einer Konkretisierung über die zulässige Vornahme einer wesentlichen Vertragsänderung gilt grundsätzlich das Prinzip der Vertragstreue.43 Vielmehr sind die Änderungsmöglichkeiten der Vertragsmodalitäten für unvorhergesehene oder unab-

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wendbare Umstände vorgesehen.44 Wurde ein Pauschalreisevertrag abgeschlossen und durch den Reiseveranstalter einseitig wesentlich abgeändert, ohne dass dabei ein solches Recht im Vertrag vorbehalten worden wäre, so hat der Unternehmer den Konsumenten darüber gemäss Art. 9 PauRG frühzeitig in Kenntnis zu setzen.45

Wie bereits geschildert, erlangt sodann der Konsument gemäss Art. 10 Abs. 1 PauRG die Möglichkeit eines Rücktritts vom geschlossenen Vertrag. Absätze 2 und 3 regeln weitere Modalitäten des Rücktrittsrechts. So hat der Konsument gemäss Art. 10 Abs. 2 PauRG den Veranstalter oder den Vermittler baldmöglichst über den Rücktritt zu informieren. Die näheren Ansprüche aufgrund des Abstandnehmens vom Vertrag ergeben sich gemäss Absatz 3 der Norm.46 Im Falle eines Rücktritts schuldet der Konsument keinerlei Entschädigung. Art. 19 PauRG schützt dabei den Verbraucher davor, dass ihm gerade solche Pflichten vertraglich explizit von Seiten des Reiseveranstalters auferlegt werden können, denn in diesem Artikel wird festgehalten, dass eine Abweichung von den Bestimmungen des Gesetzes zu Ungunsten des Konsumenten nur dort möglich ist, wo dies ausdrücklich vorgesehen wird.

Das von den Verbrauchern einmal ausgeübte Rücktrittsrecht ermöglicht ihnen gemäss Art. 10 Abs. 3 PauRG unterschiedliche Optionen, wie die Rückabwicklung zu erfolgen hat:

Art. 10 Abs. 3 PauRG

3 Tritt der Konsument vom Vertrag zurück, so hat er Anspruch:

a. auf Teilnahme an einer anderen gleichwertigen oder höherwertigen Pauschalreise, wenn der Veranstalter oder der Vermittler ihm eine solche anbieten kann;

b. auf Teilnahme an einer anderen minderwertigen Pauschalreise sowie auf Rückerstattung des Preisunterschieds; oder

c. auf schnellstmögliche Rückerstattung aller von ihm bezahlten Beträge.

Insbesondere zu lit. c der Norm gilt es anzumerken, dass dadurch der geschlossene Pauschalreisevertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt und der Reiseveranstalter zur Rückerstattung verpflichtet wird. Damit gemeint sind jedoch

39 Vgl. CHK-Zeiter (FN 37), Art. 10 PauRG, Rz. 1 ff.

40 Art. 10, Rz. 1 ff.; Richard Frank, Bundesgesetz über Pauschalreisen, Zürich 1994, Art. 8–10;

Sandro Hangartner, Das neue Bundesgesetz über Pauschalreisen, Diss. Zürich 997, 85 ff.

41 CHK-Zeiter (37), Art. 8 PauRG, Rz. 1 ff.

42 Art. 9 PauRG; CHK-Zeiter (FN 37), Art. 9 ff. PauRG.

43 SPRX-Stauder (FN 6), 330.

44 Hangartner (FN 41), 83 f.; Frank (FN 41), Art. 8–10, Rz. 9 ff.

45 Hangartner (FN 41), 85 f.; Frank (FN 41), Art. 8–10, Rz. 1 ff.

46 Eingehend BSK-Vito Roberto, in: Heinrich Honsell/Nedim -Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 2. A., Basel 2011, Art. 10 PauRG, Rz. 1 ff.

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nicht nur der Reisepreis, sondern vielmehr auch alle anderen erbrachten Beträge, die der Konsument dem Veranstalter zukommen liess. Dazu gehören beispielsweise Dossiergebühren, Zuschläge, der Preis für Sonderleistungen wie Ausflüge oder Versicherungsprämien.47

Dem Rücktrittsrecht gleichzustellen ist Art. 17 KKG, welcher den Tatbestand des Ersatzreisenden regelt. Obwohl in diesem Fall der Konsument den Kaufpreis nicht direkt vom Reiseveranstalter zurückerhält, so erlangt er diesen doch vom Ersatzreisenden, was im Endergebnis einem Rücktritt entspricht.48

Wie bereits vorne ausgeführt, ist das Pauschalreisegesetz an sich bereits auf einen verstärkten Sozialschutz ausgerichtet, was in Form von intensiven Informationspflichten und dem eben aufgezeigten Rücktrittsrecht umgesetzt wird.49 Legitimiert werden die Instrumentarien damit, dass die Komplexität von Reisegeschäften vielerlei Faktoren in sich birgt, die in Form von Informationen dem Verbraucher nur schwer zugänglich sind.50

Dem Veranstalter oder dem Vermittler kommt als gegenüberstehende Vertragspartei entsprechend eine verstärkte Vertragsposition gestützt auf den Informationsvorsprung zu. Ein solcher Wissensvorsprung kann unter anderem beispielsweise darin liegen, dass Reisebüros über gewisse Insolvenzrisiken des Veranstalters im Bilde sein können.51 Die Informationsrechte sollen gerade solchen Wissensdefiziten seitens der Konsumenten entgegenwirken.

Aufgekommen ist die Thematik rund um das Reiserecht in Anbetracht eines möglichen EWR-Beitritts. Durch diesen Beitritt wäre die Schweiz rechtlich dazu verpflichtet gewesen, einen Grossteil des sog. acquis communautaire52 zu übernehmen. Die damit einhergehenden Gesetzesanpassungen an den acquis communautaire nannte man Eurolex.53 Im Bereich des Verbraucherschutzes ergingen so einige Veränderungen wie jene des Konsumkreditgesetzes, des Pauschalreisegesetzes sowie ebenfalls des Produkthaftpflichtgesetzes.54

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2. Aktuelle Bestrebungen

In Art. 40g lit. d E-OR wird ausdrücklich statuiert, dass bei Verträgen über Pauschalreisen kein Widerrufsrecht bestehen solle, da dort das Pauschalreisegesetz ein Rücktrittsrecht im Sinnes einer lex specialis vorsieht.

E. Das Widerrufsrecht bei Partnerschafts- und Ehevermittlungsverträgen

1. Stand heute

Abschliessend soll an dieser Stelle kurz der Ehe- und Partnerschaftsvermittlungsvertrag gemäss Art. 406a ff. OR Erwähnung finden. Ein solcher Vertrag ist ein Auftrag, durch den sich der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber zur Vermittlung einer Person

47 SPRX-Stauder (FN 6), 338 f.

48 SPRX-Stauder (FN 6), 342 f.

49 Frank (FN 40), Art. 4 ff.; Hangartner (FN 41), 48 ff.

50 Frank (FN 40), Art. 4, Rz. 1 ff.

51 SPRX-Stauder (FN 6), 386.

52 Vgl. zum Begriff Tobias Jaag, Europarecht – Die europäische Union aus schweizerischer Sicht, Zürich/Basel/Genf 2010, Rz. 1008; zu den Rechtsquellen Astrid Epiney/Robert -Mosters/Andreas Rieder, Europarecht I, Bern 2010, 38 ff.

53 Hangartner (FN 41), 10; detailliert SPRX-Koller-Tumler (FN 5), 43 ff.

54 Bundesgesetz über die Produkthaftpflicht vom 18. Juni 1993 (PrHG, SR 221.112.944).

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gegen Vergütung zu Ehezwecken verpflichtet. Eher als Dienstleistungsvertrag ausgestaltet, finden sich gleichsam dem Konsumentenschutz wohlbekannte Schutznormen zugunsten der Auftraggeber, die typischerweise in Konsumverträgen Anwendung finden.55 So auferlegt das Gesetz dem Vermittler enge vertragsformelle Anforderungen, welche notwendige Bedingung für die Gültigkeit des Partnerschaftsvertrages darstellen.56 Darüber hinaus untersteht die gewerbsmässige Ausübung von Ehe- und Partnerschaftsvermittlung der Bewilligungspflicht und wird unter staatliche Aufsicht gestellt.57

Demnach tritt der Vertrag erst nach Unterzeichnung und Zustellung eines Vertragsdoppels beim Auftraggeber für jenen in Kraft, womit gleichzeitig die Widerrufsfrist zu laufen beginnt. Bei der Ausübung des Widerrufs müssen darüber hinaus die gesetzlichen Anforderungen, beispielsweise in formeller Hinsicht, beachtet werden.58

Legitimiert wird das Widerrufsrecht damit, dass Personen, die einen solchen Ehe- und Partnerschaftsvermittlungsvertrag abschliessen, sich womöglich sozial isoliert vorfinden, experimentierfreudig oder ungeduldig sind und in der Folge voreilig vom Vermittler vorgeschlagenen Vertragsbedingungen zustimmen. Daraus ergibt sich, dass im Verhandlungsstadium von einer psychischen Unterlegenheit des Konsumenten ausgegangen werden kann, welche insbesondere durch zusätzliche Lockvogelannoncen seitens des Vermittlers potenziell intensiviert wird.59

2. Aktuelle Bestrebungen

Im aktuellen Entwurf wird vorgeschlagen, dass der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber schriftlich zu informieren haben soll, dass Letzterer seine Vertragserklärung schriftlich und entschädigungslos widerrufen kann, wobei die dafür vorgesehene Frist von vierzehn Tage im Sinne einer Widerrufsrechtsharmonisierung auszugestalten ist. Zudem wird dem Auftragnehmer untersagt, vor Ablauf der 14- tägigen Widerrufsfrist jedwede Zahlungen von Seiten des Auftraggebers entgegenzunehmen.60

III. Aktuelle Entwicklungen im Fernabsatz

A. Einleitende Bemerkungen

De lege lata besteht in der schweizerischen Rechtsordnung kein Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften. Wie eingangs bereits erwähnt, sind Bestrebungen im Gange, um dies zu ändern. Dies nicht zuletzt, da die EU für ihre Mitgliedstaaten die sog.

Verbraucherrechte-Richtlinie verabschiedet hat, welche am 12. Dezember 2011 in Kraft getreten und auf alle nach dem 13. Juni 2014 geschlossenen Verträge anwendbar ist.

Darin ist ausdrücklich ein Widerrufsrecht von vierzehn Tagen für Konsumenten bei Fernabsatzverträgen oder ausserhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen festgelegt.61 Die europäische Regelung über die Verbraucherrechte sieht somit ein gegenüber dem schweizerischen Recht weitergehendes und konsumentenfreundlicheres Recht vor. Dies soll nun im schweizerischen Raum geändert werden.

55 BSK-Thomas Pietruszak, Basler Kommentar Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 2. A., Basel 2011, vor Art. 406a–406h OR, Rz. 1 ff.; Heinrich Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht Besonderer Teil, 9. A., Bern 2010, 358 ff.

56 Vgl. Art. 406d OR.

57 Vgl. Art. 406e OR.

58 Art. 406f OR setzt Widerruf voraus.

59 BSK-Pietruszak (FN 55), Art. 406e OR, Rz. 2.

60 Art. 406d Ziff. 5 und Ziff. 6 E-OR.

61 Richtlinie 2011/83/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011, Art. 9.

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B. Aktueller Stand

Gestützt auf den Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates hat der Bundesrat am 14. März 2014 eine Stellungnahme veröffentlicht, in welcher er sich zu dem ersten Entwurf der Änderungen des Obligationenrechts äussert. Dabei hält er fest, dass die von der Kommission vorgeschlagene Einführung eines allgemeinen Widerrufrechts für alle Fernabsatzgeschäfte ausdrücklich zu begrüssen sei. Dieser Sinneswandel des Bundesrates,

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im Vergleich zum Jahre 2005, begründet er damit, dass sich eine solche Entwicklung im internationalen Vergleich nun aufdränge und notwendig sei.62

C. Konsumentenrechtliche Problematik

Den sogenannten Fernabsatzgeschäften ist ein Ungleichgewicht des Kenntnisstandes der Vertragsparteien immanent, denn der Konsument kann bei Vertragsschluss die bestellte Ware weder unmittelbar sehen noch prüfen. Gerade im Falle des Telefonverkaufs kommt insbesondere, wie bei den Haustürgeschäften, der Überraschungs- und Überrumpelungseffekt hinzu. Es ist nicht selten, dass Personen am Telefon in Verträge gedrängt werden, die sie gar nicht abschliessen wollen oder aber nicht abgeschlossen hätten, wenn ihnen ausreichend Zeit zum Überlegen zur Verfügung gestanden wäre. Erfahrungsgemäss werden von den entsprechenden Verkäufern oftmals gezielt Personengruppen aus älteren Jahrgängen anvisiert, welche sich nicht besser zu helfen wissen, als einen Vertrag abzuschliessen, um so aus dieser bedrängten Situation entfliehen zu können.63 Um den verschiedenen Aspekten und Problematiken des Fernabsatzes Rechnung zu tragen, hat die Kommission für Rechtsfragen einen Entwurf ausgearbeitet, welcher Ausgestaltungsmöglichkeiten anbietet, um das Widerrufsrecht im Fernabsatz zu regeln.

D. Fernabsatz 1. Definition

Gemäss Art. 40c des Entwurfs handelt es sich bei Fernabsatzgeschäften um Verträge, die ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien oder ihrer Vertreter geschlossen werden und bei dessen Abschluss der Anbieter im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet.64 In diesem Sinne entspricht der Entwurfstext derjenigen Definition, wie sie in der europäischen Verbraucherrechte-Richtlinien festgehalten wurde.65

Der Entwurf definiert in eigenständiger Form den Begriff des Konsumenten und Anbieters. Dabei gilt als Konsument jede natürliche Person, welche einen Vertrag für ihre familiären oder persönlichen Bedürfnisse abschliesst. Insoweit deckt sich der Konsumentenbegriff mit denjenigen der Art. 210 Abs. 4 OR, Art. 3 KKG und Art. 32 Abs. 2 ZPO.66 Als Anbieter hingegen gilt diejenige natürliche oder juristische Person,

62 Vgl. BBl 2014, 3001 f.

63 Siehe Beitrag Kassensturz vom 23. September 2014, Dreiste Telefonverkäufer: Als Swisscom getarnt auf Kundenfang; Beitrag Kassensturz 28. Oktober 2014, «Kassensturz undercover»:

Brisante Enthüllungen im Callcenter.

64 BBl 2014, 952.

65 RL 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011, Art. 2 Ziff. 7; vgl. auch BBl 2014, 934.

66 Ausführlich zum Konsumentenbegriff BSK-Job Kaiser, in: Luca Tenchio/Karl Spühler/Dominik Infanger (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. A., Basel 2013,

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die einen Vertrag zu einem Zweck abschliesst, der ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugeordnet werden kann.67 Daraus ergibt sich in der Konsequenz, dass ein vom Widerrufsrecht umfasstes Rechtsgeschäft dann nicht gegeben ist, wenn jeweils zwei Konsumenten oder Anbieter untereinander Fernabsatzgeschäfte schliessen.

In der vorliegenden Definition ist somit für den Fernabsatz charakteristisch, dass die Parteien physisch nicht am gleichen Ort präsent sind und die Distanz mittels technischer Instrumentarien überwinden. Die Abwesenheit ist nicht nur im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern ebenfalls bei den Vertragsverhandlungen und dem Austausch der Willenserklärungen massgeblich. Die dabei eingesetzten Fernkommunikationsmittel können sowohl Telefon, Internet als auch weitere technische Mittel umfassen. Zu Recht wurde im gegenwärtig vorliegenden Entwurf eine offene Begriffsbestimmung in Form der Fernkommunikationsmittel gewählt.

Dadurch bleibt es nämlich möglich, auch künftige Innovationen ohne Weiteres unter die gesetzliche Terminologie zu subsumieren.68

2. Gegenstand und Ausnahmen

a) Sachen

Gegenstand eines Fernabsatzvertrags können vorbehaltlich gewisser Ausnahmen sowohl bewegliche Sachen als auch Dienstleistungen sein.69 Auszunehmen vom Widerrufsrechtsrecht sind hingegen Sachgegenstände, welche aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit oder aus anderen Gründen, wie beispielsweise Haltbarkeit, Gesundheitsschutz oder Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind.70 Unter solche Produkte sind z.B. Blumen, Medikamente, Kosmetikartikel etc. zu subsumieren. Das Widerrufsrecht ist ebenfalls für Konstellationen ausgeschlossen, in welchen die Sache gestützt auf Vorgaben des Konsumenten angefertigt oder auf dessen besondere Bedürfnisse zugeschnitten wurde. Hintergrund dafür ist

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der Umstand, dass der jeweilige Konsument sich bereits im Vorfeld entsprechende Gedanken über die Ausgestaltung und Eigenschaften des Gegenstandes gemacht hat und deswegen das Berufen auf Informationsasymmetrie missbräuchlich erschiene.

Zudem wäre eine weitere Verwertung durch den Anbieter aufgrund der Individualisierung des Konsumgutes erheblich erschwert oder gar verunmöglicht. Eine diesbezügliche Ausnahme erscheint daher als sachgerecht.

Festgehalten werden muss, dass die eben beschriebenen Ausnahmen nicht ohne weiteres als selbstverständlich angesehen werden dürfen. Gerade der europäischen Verbraucherrechte-Richtlinie lässt sich keine allgemein formulierte Ausschlussbestimmung entnehmen. Lediglich in Form einzelner spezifischer Normen werden gewisse Produkte, vor allem solche des täglichen Bedarfs, vom Widerrufsrecht ausgenommen.71

b) Dienstleistungen

Gemäss Art. 40g E-OR gelten bei Dienstleistungen ebenfalls Ausnahmen, für welche ein Widerrufsrecht unangemessen erscheinen würde. Dabei lässt sich dem Gesetzesentwurf grundsätzlich eine Unterscheidung betreffend Unangemessenheit

Art. 32 ZPO Rz. 3 ff.; vgl. auch BBl 2014, 934 f.

67 BBl 2014, 952.

68 Vgl. BBl 2014, 925.

69 BBl 2014, 951, Art. 40a Abs. 1 E-OR.

70 BBl 2014, 937; Art. 40f Abs. 1 lit. a E-OR.

71 RL 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011, Art. 3 Abs. 3 lit. j und Art. 16 lit. g.

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entnehmen: Einerseits nimmt Art. 40g E-OR solche Dienstleistungen vom Widerrufsrecht aus, bei welchen der Widerruf zu unangemessenen Folgen führen würde. Als Beispiele dafür erwähnt die Norm die Lieferung von Speisen und Getränken oder die Beförderung von Personen oder Sachen usw. Hingegen verweisen lit. c und lit. d darauf, dass ein allgemeines Widerrufsrecht auch in denjenigen Fällen ausgeschlossen sein soll, in welchen explizite Spezialregelungen zur Anwendung gelangen, wie beispielsweise im Pauschalreisegesetz oder aber bei Finanzdienstleistungen.72

c) Digitale Inhalte

Digitalisierte Produkte werden explizit und gesondert durch den Entwurf in Art. 40h E- OR erwähnt. Darunter zu verstehen sind beispielsweise Software-, Tonbild- oder Textdateien, welche über das Internet oder ein Mobilfunknetz übermittelt werden.73 Da die Einordnung von Verträgen mit solchen Inhalten in der Literatur umstritten ist, wurde innerhalb des Entwurfs ein expliziter Artikel geschaffen, welcher sich der Problematik annimmt.

Werden dem Konsumenten digitale Inhalte vom Anbieter nicht auf einem festen Datenträger zur Verfügung gestellt, so hat der Konsument kein Widerrufsrecht, wenn der Vertrag mit vorheriger ausdrücklicher Zustimmung des Konsumenten unter Hinweis auf den Verlust seines Widerrufsrechts von beiden Vertragsparteien sofort zu erfüllen ist.74 Verkürzt gilt somit Folgendes: Grundsätzlich steht auch bei digitalen Inhalten dem Konsumenten ein Widerrufsrecht zu, wobei es im Gegensatz zu den anderen Teilbereichen kein teilzwingendes Gestaltungsrecht darstellt. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Anbieter unter Hinweis auf den Verzicht auf das Widerrufsrecht selbiges bei Vertragsschluss mit Zustimmung des Konsumenten ausschliessen lassen kann.75

d) Allgemeine Ausnahmen

Gemäss Art. 40e E-OR bestehen diverse Kategorien, nach welchen ein Widerrufsrecht in allgemeiner Form ausgeschlossen ist. Demnach kann sich der Konsument bei Verträgen, deren Gegenstand einen Wert von CHF 100.– nicht übersteigt, nicht auf das Widerrufsrecht berufen. Dadurch soll vermieden werden, dass sich kleinere Geschäfte, sog. Bagatellen, verkomplizieren und so der tägliche Geschäftsgang unnötig gestört wird.76 Parallel dazu gilt im europäischen Raum ein Schwellenwert von Euro 50.–.77 Ebenfalls ausgeschlossen sind Verträge, welche einer öffentlichen Beurkundung bedürfen, was sich damit erklären lässt, dass bei einer qualifizierten Formvorschrift wie der öffentlichen Beurkundung bereits ausreichend Schutz aus Sicht des Konsumenten gewährleistet ist. Die Einräumung eines Widerrufsrechts wäre deshalb unangemessen und liesse sich nicht mehr mit dem Argument der konsumentenrechtlichen Schutzbedürftigkeit begründen.78

Kein Widerrufsrecht besteht weiter bei Verträgen mit aleatorischen Elementen.79 Namentlich gehören dazu Geschäfte mit schwankendem Marktpreis, auf den der Anbieter keinen Einfluss nehmen kann. Schliesslich ebenfalls erfasst im Sinne einer Ausnahme sind Geschäfte, die im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung erfolgen.

72 Vgl. Art. 40g E-OR.

73 BBl 2014, 938.

74 Art. 40h E-0R; BBl 2014, 953.

75 Vgl. BBl 2014, 938 f.

76 Art. 40e lit. a E-OR.

77 RL 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011, Art. 3 Abs. 4.

78 Art. 40e lit. b E-OR; vgl. in RL 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011, Art. 3 Abs. 3 lit. i.

79 Vgl. dazu BBl 2014, 3004.

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Entsprechende Bestimmungen lassen sich zudem der europäischen Verbraucherrechte- Richtlinie entnehmen, sodass im Ergebnis zwischen dem schweizerischen Entwurf AJP 2015 S. 339, 348

sowie dem aktuell geltenden europäischen Widerrufsrecht keine diesbezüglichen Diskrepanzen bestehen.80

3. Erlöschen des Widerrufsrechts

Steht dem Konsumenten grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu, so bestehen dennoch Sachverhalt, in welchen dem Konsumenten das Recht zum Widerruf nachträglich entzogen werden kann. Entsprechende Tatbestände wurden durch die Rechtskommission des Ständerats gemäss Entwurf in Art. 40i E-OR niedergelegt. Die genannten Tatbestände wirken derweil im Sinne von Verwirkungstatbeständen, d.h. der Konsument verliert sein allfälliges Widerrufsrecht mit der Vornahme spezifizierter Handlungen. Darunter fällt einerseits der Gebrauch der Sache, welcher über die Prüfung der Vertragsmässigkeit oder Funktionsfähigkeit hinausgeht.81

Daneben sieht der Entwurf vor, dass Sachen, sofern sie nach deren Lieferung mit anderen Sachen vermischt oder verbunden wurden, das Widerrufsrecht des Konsumenten ausschliessen. Darunter kann man sich beispielsweise die Lieferung von Heizöl vorstellen, welches mit einem Restbestand vermischt wird oder Bodenplatten, die im Boden eingebaut und fixiert werden usw.82

Sogenannte teilweise Fernabsatzgeschäfte werden durch Art. 40i lit. c E-OR abgedeckt.

Demnach erlischt das Widerrufsrecht in Fällen, in denen der Konsument zwar mittels Fernkommunikationsmitteln den Vertrag abgeschlossen hat, jedoch die Abholung und Entgegennahme der Ware mit dem Anbieter direkt in dessen Geschäftsräumen verabredet wurde.83 Diese Sonderstellung begründet sich gemäss Entwurf darin, dass der Konsument einerseits bis zur Abholung bereits über eine gewisse Bedenkfrist verfügt und zudem die Ware bei deren Abholung eingehend überprüfen kann, sodass sich die Anwendung des Widerrufsrechts erübrigt. Das Widerrufsrecht erlischt dabei allerdings erst im Zeitpunkt, in dem der Konsument die Ware mit gleichzeitiger ausdrücklicher Zustimmung annimmt.

Anlehnend an die Regelungen im Gemeinschaftsrecht gemäss Art. 16 lit. a der Verbraucherrechte-Richtlinie entzieht der Entwurf im Zusammenhang mit Dienstleistungen das Widerrufsrecht, sofern diese vom Anbieter mit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Konsumenten vor Ablauf der Widerrufsfrist erbracht werden. Das Widerrufsrecht erlischt jedoch nur dann, wenn die entsprechende Leistung in vollem Umfange durch den Dienstleiter erfolgt ist, sodass keine weiteren Leistungselemente mehr ausstehend sind.84

Schliesslich erlischt das Widerrufsrecht bei digitalen Produkten, die in versiegelter Form an den Konsumenten ausgeliefert werden und dieser die Versiegelung entfernt.

In all den genannten Fällen kann somit festgehalten werden, dass zwar in grundsätzlicher Form ein Widerrufsrecht durchaus bestehen kann, jedoch mit Eintritt der erwähnten Tatbestandselemente ein nachträgliches Erlöschen des Widerrufsrechts aufgrund von Handlungen des Konsumenten selbst als Folge eintritt. Widerrufsrechte gelten demnach nicht in absoluter Form, sondern sind vom Einzelfall abhängig, wobei der aktuelle Gesetzesentwurf diese Einzelfälle abschliessend aufführt.85

80 RL 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011, Art. 16 lit. b, Art. 16 lit. k; BBl 2014, 936.

81 Art. 40i lit. a E-OR.

82 Art. 40i lit. b E-OR.

83 BBl 2014, 940.

84 Art. 40i lit. d E-OR; BBl 2014, 940.

85 Gleich gestaltet sich die Rechtslage im europäischen Gemeinschaftsrecht, nach welchem ebenfalls Erlöschenstatbestände vorgesehen sind, vgl. Art. 16 lit. i der Verbraucherrechte-

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4. Ausübung des Widerrufsrechts

Allgemein ist anzumerken, dass die neu vorgesehene Widerrufsfrist vierzehn Tage beträgt, wodurch der im Gemeinschaftsrecht enthaltenen Frist entsprochen wird.

Während dieser Zeit ist es dem Konsumenten gestattet, das von ihm abgeschlossene Geschäft einseitig und ohne Begründungspflicht aufzulösen. Fraglich ist jedoch, ab welchem Zeitpunkt die Frist im Einzelnen ausgelöst wird. Der Entwurf äussert sich zu dieser Frage in Art. 40j E-OR dahingehend, dass vorab zwischen Sach- und Dienstleistungen bzw. digitalen Inhalten zu unterscheiden ist.

Bei Sachen wird die Frist mit dem Erhalt der selbigen ausgelöst, während bei Dienstleistungen und digitalen Inhalten der massgebliche Zeitpunkt im Abschluss des Vertrages liegt.86 Dabei wird die Frist jedoch erst dann ausgelöst, wenn der Anbieter den Konsumenten über das Widerrufsrecht und die Widerrufsfrist entsprechend aufklärt sowie über die zuständige Stelle betreffend Einreichung des Widerrufs informiert. Somit obliegt dem Anbieter die Pflicht auf Information gegenüber dem Konsumenten, ansonsten die 14-tägige Widerrufsfrist nicht ausgelöst wird.

Als absolute Ablauffrist hinsichtlich der Widerrufszeit sieht der Entwurf vor, dass spätestens drei Monate und 14 Tage nach Empfang der Sache bzw. nach Abschluss des Vertrages bei Dienstleistungen oder digitalen Inhalten das Widerrufsrecht erlischt.

Begründet wird dies damit, AJP 2015 S. 339, 349

dass ein Widerruf zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr als angemessen angesehen werden könne und zudem dem Bedürfnis auf Rechtssicherheit zuwiderliefe.87

Macht sodann der Konsument von seinem Widerrufsrecht Gebrauch, so ist die Frist gewahrt, wenn die Erklärung am letzten Tag der Frist versendet wurde. Bei schriftlichen Widerrufserklärungen ist demnach das Datum des Poststempels, bei elektronischem Weg das Datum der Abgabe der elektronischen Erklärung massgebend.

Irrelevant ist die Form, in welcher der Widerruf des Konsumenten eingereicht wird;

grundsätzlich ist der Widerruf sowohl mündlich wie auch schriftlich anzubringen.

Hingegen muss der Anbieter dafür Sorge tragen, dass die ihm obliegende Informationspflicht in einer Art und Weise erbracht wird, die die Beweisbarkeit gegenüber dem Konsumenten sicherstellt.88 Ausgleichend dafür trägt der Konsument die Beweislast für die Eruierung der fristgerechten Abgabe der Widerrufserklärung.89

5. Folgen der Widerrufsrechtsausübung

Die Ausübung des Widerrufsrechts hat zur Folge, dass der Antrag zum Vertragsabschluss oder die Annahmeerklärung des Konsumenten mit Wirkung ex tunc dahinfällt. Somit sind die zwischen den Parteien ausgetauschten Leistungen zurückzuerstatten.90 Gleich der Dauer der Widerrufsfrist sieht der Entwurf sodann vor, dass die Rückleistung innert ebenfalls vierzehn Tagen zu erfolgen hat. Damit soll eine möglichst rasche Sicherstellung der Rückabwicklung gewährleistet werden.91 Der

Richtlinie.

86 Art. 40j Abs. 2 E-OR.

87 BBl 2014, 941.

88 Art. 40k Abs. 1 und Abs. 2 E-OR.

89 Art. 40k Abs. 3 E-OR.

90 Art. 40l E-OR; Art. 40m Abs. 1 E-OR; Art. 40n Abs. 1 E-OR.

91 Art. 40l Abs. 2 E-OR.

(17)

Anbieter hat jedoch das Recht, die Rückerstattung bis zum Erhalt der Sache oder bis zum Nachweis über die Rücksendung durch den Konsumenten zu verweigern.92 Die Kosten betreffend Rücksendung der empfangenen Sache sind grundsätzlich durch den Konsumenten selbst zu übernehmen, es sei denn, der Anbieter hat sich im Vorfeld zu deren Übernahme oder zur Abholung der Sache auf eigene Kosten verpflichtet oder aber es unterlassen, den Konsumenten vorgängig darüber in Kenntnis zu setzen, dass er diese Kosten im Widerrufsfalle eigenständig zu tragen hat. Die Kostentragungspflicht begründet sich damit, dass sie unmittelbare Folge des Widerrufs darstellt, wobei unter den Begriff der Kosten lediglich die direkten Aufwendungen aus der Rücksendung der Ware zu subsumieren sind. Weitere dem Anbieter durch den Widerruf entstandene Kosten können hingegen nicht dem Konsumenten angelastet werden.93 Sofern die vertraglich vereinbarte Dienstleistung im Zeitpunkt des Widerrufs bereits teilweise erbracht worden ist, schuldet der Konsument dem Anbieter eine verhältnismässige Entschädigung des vertraglich vereinbarten Gesamtpreises.94

Abschliessend ist anzumerken, dass zwischen konnexen Rechtsgeschäften, welche basierend auf ein widerrufenes Rechtsgeschäft erfolgten, durch den Widerruf des ursprünglichen Geschäfts ebenfalls mit Wirkung ex tunc dahinfallen. Dabei ist unerheblich, ob die betroffenen Vertragsparteien der sachlich zusammenhängenden Verträge identisch sind oder nicht.95

E. Abschliessende Würdigung

Der aktuell vorliegende Entwurf nimmt sich einer bereits vor über zehn Jahren aufgeworfenen Frage, der Behandlung des Fernabsatzgeschäfts sowie der Einräumung eines Widerrufsrechts zugunsten des Konsumenten, an. Zusätzlich setzt sich der Entwurf zum Ziel, das konsumentenrechtliche Widerrufsrecht in grundsätzlicher und allgemeiner Form zu regeln, sodass betreffend Terminologie und Dogmatik dem Widerrufsrecht einheitliche Konturen verliehen werden können. Die entsprechenden Entwicklungen sind u.E. grundsätzlich zu begrüssen.

Inhaltlich entspricht der Entwurf im überwiegenden Teil einer generellen Anpassung an das europäische Gemeinschaftsrecht und sieht daher wenig Neues vor. Nichts desto trotz ist die Bedeutung der präsentierten Lösungsvorschläge von nicht zu verkennendem Wert, gewährleisten sie doch die Gleichstellung von schweizerischen und europäischen Konsumenten im gemeinschaftlichen Konsumgüterverkehr. Die Einführung eines Widerrufsrechts im Fernabsatzgeschäft ist im Kontext allgemeiner europäischer Entwicklung zu begrüssen. Es bleibt demnach abzuwarten, welche diesbezüglichen Entwicklungen sich im Weiteren ergeben werden.

Je nach Marktsituation und Branche bietet es sich allenfalls an, bereits schon heute bzw. vor der rechtlichen Inkraftsetzung die entsprechenden Neuerungen zu übernehmen. Einerseits ermöglicht dies bereits im Vorfeld die klare Regelung eines Geschäfts sowie die Vermeidung unnötiger Kontroversen bei Änderung der Normen.

Auf der anderen Seite kann sich eine Unternehmung durch die AJP 2015 S. 339, 350

Umsetzung des konsumentenfreundlicheren Rechts – beispielsweise mittels dessen Integration in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen – einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Ohnehin gilt bei Auslandsgeschäften, in denen die Konsumenten in einem EU-Staat wohnhaft sind, nach Art. 15 ff. LugÜ96, dass bei Streitigkeiten grundsätzlich

92 Art. 40m Abs. 2 E-OR.

93 BBl 2014, 943; Art. 40n Abs. 2 und Abs. 4 E-OR.

94 Art. 40n Abs. 3 E-OR.

95 Art. 40o E-OR.

96 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, vom 30. Oktober 2007 (SR 0.275.12).

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die Gerichte der entsprechenden Wohnsitzstaaten in der EU zuständig sind. Darüber hinaus finden aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17. Juni 2008 (sog.

Rom I-Verordnung) und der europäischen Verbraucherrechte-Richtlinie die entsprechenden Widerrufsrechte des EU-Rechts Anwendung. Auch können diese europäischen Urteile gemäss Art. 32 ff. LugÜ in der Schweiz anerkannt und vollstreckt werden.

Die frühest mögliche Implementierung der konsumentenfreundlicheren Regelungen bietet sich unter anderem vor allem für Unternehmen an, welche ihre Konsumgüter sowohl in der Schweiz als auch im europäischen Raum verkaufen wollen. Je nach Dauer eines Produktions- oder Vertriebvorgangs darf im Übrigen nicht vernachlässigt werden, die Produkte innert nützlicher Frist den Neuerungen, wie beispielsweise die Siegelung bei digitalen Produkten, anzupassen. Wird beispielsweise die Siegelung nicht angebracht, kann die entsprechende Regelung sodann auch bei Inkrafttreten nicht greifen.

Abschliessend ist somit festzuhalten, dass eine frühe Übernahme der Neuerungen nicht nur wünschenswert ist, sondern den Unternehmen Vorteile sowohl im Wettbewerb als auch in rechtlicher Sicht (Vermeidung unerwünschter Folgen) bringen kann.

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