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Bu rgerhaushalten mo glich? (Wie) ist eine Evaluation von Erfolg oder Misserfolg? Bericht zum Workshop

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Bericht zum Workshop

Erfolg oder Misserfolg?

(Wie) ist eine Evaluation von Bu rgerhaushalten mo glich?

Workshop der Bundeszentrale für politische Bildung und der

Servicestelle Kommunen in der Einen Welt/ Engagement Global gGmbH

22. November 2012, 11.00 – 17.00 Uhr

Frankfurt am Main, Saalbau Bockenheim

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Impressum

Herausgeber:

ENGAGEMENT GLOBAL gGmbH Service für Entwicklungsinitiativen Tulpenfeld 7

53113 Bonn

Telefon +49 228 20 717-0 Telefax +49 228 20 717-150 info@engagement-global.de www.engagement-global.de

Servicestelle Kommunen in der Einen Welt info@service-eine-welt.de

www.service-eine-welt.de V.i.s.d.P.: Dr. Stefan Wilhelmy

Fotos: Servicestelle Kommunen in der Einen Welt, Zebralog GmbH & Co. KG Text: Michelle Ruesch (Zebralog)

Bonn, November 2012

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Inhalt

Einleitung ...4

Ablauf ...5

Anwesende ...6

Begrüßung ...6

Zentrale Fragen ...7

Nelson Dias: Wie evaluiert man einen Bürgerhaushalt? ...7

Aus der Diskussion ...10

Dr. Niels Taubert: Evaluation des Bürgerhaushalts der Stadt Köln ...11

Aus der Diskussion ...13

Alma Kolleck und Martina Neunecker: Wie lässt sich der (Miss-)Erfolg eines Bürgerhaushaltes messen? ...14

Aus der Diskussion ...16

Zwischenresümee: Ergebnisse des Pinnwand-Protokolls ...17

Erfolgskriterien ...17

Methoden und Indikatoren ...20

Vergleichbarkeit ...21

Herausforderungen, Probleme, Offene Fragen ...22

Arbeitsgruppen zu Zielen und Verfahrensgestaltung ...23

Arbeitsgruppe 1: Ziele von Bürgerhaushalten ...23

Arbeitsgruppe 2: Verfahrensgestaltung ...24

Arbeitsgruppe 3: Verfahrensgestaltung ...25

Resümee ...26

Anhang...27

Programm ...27

Teilnehmerliste ...28

Fotoprotokoll der Pinnwände ...29

Folien der Vorträge ...36

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Einleitung

Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der kommunalen Haushaltsplanung mithilfe des Beteili- gungsinstruments „Bürgerhaushalt“ findet immer größere Verbreitung. Die ursprünglich in den 90-er Jahren von Porto Alegre (Brasilien) und Christchurch (Neuseeland) ausgehenden Bürgerhaushalte finden weltweit immer mehr Anhänger und werden inzwi- schen in unterschiedlichsten Varianten ein- und umgesetzt. Waren es in Deutschland vor rund 10 Jahren weniger als 10 Kommunen, so sind es mitt- lerweile rund 200 Kommunen — darunter sowohl kleine Kommunen mit weniger als 10.000 Einwoh- nern als auch Großstädte mit über einer Millionen Einwohnern — die Bürgerhaushalte durchführen oder kurz vor der Einführung einer Bürgerbeteili- gung am Haushalt stehen. Es ist damit zu rechnen, dass weitere Kommunen folgen werden.

Mit der zunehmenden Ausbreitung und der damit steigenden (wahrgenommenen) politischen Bedeu- tung von Bürgerhaushalten wächst auch eine Diskussion darüber, welche Wirkungen dem Bür- gerhaushalt eigentlich zugeschrieben werden (können) und welche nicht. Dabei sind die Zielset- zungen, die Politik und Verwaltung mit der Einführung von Bürgerhaushalte ins Feld führen, um ihren zum Teil nicht unerheblichen finanziellen und personellen Ressourceneinsatz zu rechtferti- gen, so vielfältig wie die Verfahren selbst: So erhoffen sich Kommunen beispielsweise ihre Haus- haltsplanung und zugrunde gelegte Haushaltszahlen transparenter zu machen, damit Bürgerinnen und Bürger besser informiert sind darüber, wie der Haushalt aufgestellt wird und wo Gelder hinfließen sollen. Oder es wird mit Bürgerhaushalten die Er- wartung verbunden, dass sich durch sie mehr und insbesondere die weniger gut organisierten und weniger einflussreichen Bürgerinnen und Bürger einbringen und Einfluss auf die Haushaltsaufstellung und damit verbundenen Prioritätensetzungen neh- men. Mit Bürgerhaushalten wird aber auch die Hoffnung verbunden, die Haushaltsplanungen durch das Wissen der Bürgerinnen und Bürger zu qualifizieren, zum Beispiel dann, wenn die Bürge- rinnen und Bürger aufgefordert werden,

Konsolidierungsvorschläge zur Haushaltssanierung zu unterbreiten. Mit Bürgerhaushalten soll (so) letztlich auch ein Beitrag für mehr Legitimation und Akzeptanz politischer Entscheidungen und gegen zunehmende Politikverdrossenheit geleistet wer- den.

Aber werden diese Zielsetzungen erfüllt? Sind vor dem Hintergrund der (beispielhaft) genannten Zielsetzungen Bürgerhaushalte erfolgreich oder sind sie es nicht? Wird durch Bürgerhaushalte die Haushaltsplanung transparenter? Wird die Vertei- lung der (begrenzten) Ressourcen gerechter?

Werden durch Bürgerhaushalte die Haushalte bes- ser konsolidiert? Werden mehr Menschen als früher erreicht? Werden durch diese Verfahren auch poli- tikferne oder auch jüngere Bevölkerungsgruppen erreicht? Leisten sie einen Beitrag gegen Politikver- drossenheit?

Auffällig ist, dass die Vielfalt der Antworten hierzu genauso groß ist wie die der Fragen selbst. So wer- den ein und dieselben Bürgerhaushalte von unterschiedlichen Akteuren sehr unterschiedlich beurteilt: Während die einen beispielweise die Anzahl der Teilnehmenden als „absoluten Erfolg“

feiern, sprechen andere bei Sichtung der gleichen Zahlen von einem „Flop“. Das darf nicht verwun- dern, weil die Diskussionen darüber, welche Zielsetzungen mit einem Bürgerhaushalt verknüpft werden sollten, längst nicht abgeschlossen sind, und viel weniger die Diskussionen darüber, anhand welcher Indikatoren die jeweilige Zielsetzungen, Wirkungen, Erfolg- und Misserfolg gemessen wer- den sollen, und noch weniger die Diskussionen darüber, wie gewonnene „Messwerte“ zu interpre- tieren sind. Daher scheint auch der Vergleich von Bürgerhaushalten zurzeit wenig möglich zu sein, auch wenn zu beobachten ist, dass Beteiligungszah- len wie registrierte Teilnehmende oder Anzahl eingebrachter Vorschläge, Kommentare oder Be- wertungen untereinander verglichen oder ins Verhältnis zur Einwohnerschaft gesetzt werden, um

„erfolgreicher als“ oder „weniger erfolgreicher als“

zu messen. Gleichzeitig wird aber sowohl die Serio-

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sität der Erhebung und Verwendung von Zahlen in Frage gestellt als auch die Reduzierung eines Bür- gerhaushalts auf reine „Zahlenspiele“ kritisiert.

Die Evaluation von Bürgerhaushalten scheint also nicht einfach zu sein, da wenig Einigkeit über die Zielsetzungen und deren „Vermessung“ herrscht.

Auf der anderen Seite scheint aber die vielstimmige Bewertung und der Vergleich von Bürgerhaushalten in vollem Gang zu sein — zurzeit mit wenig Aussicht auf eine gemeinsame Basis, um die Diskussion zwi- schen Akteuren anschlussfähig zu machen. Es verwundert daher (nicht), dass der Evaluation von Bürgerhaushalten wenig Beachtung geschenkt wird und nur wenige unabhängig durchgeführte Evaluationsstudien vorliegen. In Deutschland wur- den bislang nur die Bürgerhaushalte der Stadt Esslingen, des Bezirks Lichtenberg und der Bürger- haushalt der Stadt Köln evaluiert. Die Evaluation des Frankfurter Bürgerhaushaltes der Stadt Frankfurt findet zurzeit statt. Auch international scheint die Situation kaum besser zu sein, wenn auch hier erste Ansätze zur systematischen Evaluation zu beobach- ten sind. Aber würde eine größere Anzahl von

Evaluationsansätzen und -studien die Situation ver- bessern?

Vor diesem Hintergrund gilt es, in den Dialog zu treten, die zentralen Fragen gemeinsam zu erör- tern, sich über Zielsetzungen, Erfolgskriterien, Indikatoren, Vergleichbarkeit, Herausforderungen und offene Fragen auszutauschen. Insgesamt 36 Teilnehmende fanden daher am 22. November 2012 beim Workshop „Erfolg oder Misserfolg? (Wie) ist eine Evaluation von Bürgerhaushalten möglich?“

die Gelegenheit, sich intensiv zu Ansätzen der Eva- luation auszutauschen. Die anwesenden Teilnehmenden kamen in erster Linie aus Verwal- tungen, bürgerschaftlichen Initiativen und Stiftungen, aus der Wissenschaft und Beraterkrei- sen. Ausgerichtet wurde der Workshop von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt gemein- sam mit der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.

Der vorliegende Bericht fasst die Ergebnisse des Tages zusammen.

Ablauf

Der Workshop begann um 11.00 Uhr mit der Be- grüßung durch Mandy Wagner von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt, die den Workshop gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung ausrichtete. Es folgten ein Auf- steh-Soziogramm und eine Einleitung in den Tag durch die Moderatoren Oliver Märker und Michelle Ruesch. Im Zentrum des Vormittages standen da- nach zwei Vorträge mit anschließender Diskussion.

Nelson Dias (NRO In Loco, Portugal) berichtete über seine Erfahrungen mit der Evaluation von Bürger- haushalten in Portugal und Mosambik. Dr. Niels Taubert (Universität Bielefeld) präsentierte Metho- dik und Ergebnisse der Evaluation des Bürgerhaus-

Bürgerhaushalts der Stadt Köln. Am Nachmittag gaben Alma Kolleck und Martina Neunecker (Goe- the-Universität Frankfurt) einen Einblick in die Evaluation des Bürgerhaushalts der Stadt Frankfurt.

Danach erhielten die Anwesenden die Gelegenheit, Fragen für Gruppenarbeiten vorzuschlagen. Es bil- deten sich drei Gruppen; zwei zum Thema Verfahrensausgestaltung, eine zum Thema Ziele und Erfolgskriterien. Nach einer Stunde Zeit prä- sentierten alle drei Kleingruppen ihre Ergebnisse im Plenum. Es folgte eine kurze Diskussion und ein Resümee zum Tag. Das detaillierte Programm findet sich im Anhang (Seite 27).

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Was sagt es über den Erfolg eines Bürgerhaushalts aus, wenn 500 Menschen mitma- chen? Oder 1.000?

Oder 100.000? Wie viel Betei- ligung ist „genug“, und wer

entscheidet das?

Oliver Märker

Anwesende

Insgesamt 36 Personen kamen der Einladung zum Workshop nach. Die Anwesenden kamen mehrheit- lich aus Verwaltungen, bürgerschaftlichen Initiativen und Stiftungen, aus der Wissenschaft und Beraterkreisen (siehe auch „Teilnehmerliste“

im Anhang, Seite 28). Nur ein Gemeinderatsmit- glied war anwesend, was den Wunsch zufolge hatte, das bei solchen Veranstaltungen in Zukunft mehr Politiker vertreten sein sollten.

Aus dem von der Moderation angeleiteten Aufsteh- Soziogramm ging zudem hervor: Rund ein Drittel der Anwesenden war bereits an der Durchführung eines Bürgerhaushalts beteiligt, die große Mehrheit davon bisher allerdings erst ein oder zwei Mal. Von Erfahrungen mit der Evaluation von Bürgerhaushal- ten konnten rund zehn Teilnehmende berichten;

nur sehr wenige gehen aber davon aus, dass Evalua- tion in drei bis fünf Jahren fester Bestandteil aller Bürgerhaushalte sein wird.

Begrüßung

Einleitend begrüßte Mandy Wagner von Veranstal- terseite (SKEW) die Anwesenden. Sie erklärte, dass die Idee zum Workshop im Rahmen des letzten Treffens des „Netzwerk Bürgerhaushalte“ entstan- den war. Dort seien in den Diskussionen immer wieder die reinen Beteiligungszahlen genutzt wor- den, um den Misserfolg von Bürgerhaushalten zu verdeutlichen. Das hätte die Frage aufgeworfen, ob sich der Erfolg oder Misserfolg eines Bürgerhaus- halts wirklich ausschließlich durch Zahlen messen lasse. Viele seien sich einig gewesen, dass auch qualitative Kriterien wichtig sind. Nur welche? „Ge- rade in Zeiten leerer Kassen stehen Politik und Verwaltung bei der Durchführung von Bürgerhaus- halten unter Rechtfertigungszwang“, so Mandy Wagner. Sie müssten plausibel machen, warum dieses Beteiligungsinstrument sinnvoll sei. Dafür fehle es oft an belegbaren Argumenten. Zudem sei, so Mandy Wagner, beim Netzwerktreffen klar ge- worden, dass viele Kommunen die Qualität des Verfahrens verbessern möchten. Nur wie? Der Eva- luationsworkshop solle diese Fragestellungen aufgreifen.

Nach einer kurzen Vorstellung der Moderatoren wurden auch die Anwesenden eingeladen, sich vorzustellen – und zwar mit Hilfe eines Aufsteh- Sozigramms. Moderatorin Michelle Ruesch stellte

dafür Fragen und bat diejenigen, die die Frage beja- hen, aufzustehen. Dadurch ergab sich ein Bild der Gruppe (siehe Seite 6, „Anwesende“).

Der Moderator Dr. Oliver Märker führte daraufhin in das Thema ein:

Es gebe aktuell rund 200 Bürger- haushalte in Deutschland. Aber eine Evaluation führe fast keine

Kommune durch. Gleichzeitig stelle sich die Frage, wie und ob man Bürgerhaushalte vergleichen kön- ne. „Kann man sagen, Bürgerhaushalt A ist besser als Bürgerhaushalt B? Und wie sieht es mit der Vergleichbarkeit weltweit aus? Bürgerhaushalte verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen; manche werden vor allem eingeführt, um mehr Legitimität und Akzeptanz zu schaffen, andere um bildungsfer- ne Zielgruppen besser zu erreichen, und wieder andere, um von der lokalen Expertise der Bürger- schaft zu profitieren.“ Genau deshalb sei es wichtig, miteinander ins Gespräch zu kommen. Er stellte dafür vier zentrale Fragestellungen vor (siehe Seite 7, „Zentrale Fragen“) und schloss mit einigen orga- nisatorischen Hinweisen.

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Zentrale Fragen

Die zentralen Fragen des Workshops lauteten:

Anhand welcher Kriterien sollte der Erfolg oder Misserfolg von Bürgerhaushalten gemes- sen werden?

Mit welchen Methoden und Indikatoren kön- nen Erfolgskriterien gemessen werden?

Wie ist ein Lernen über Einzelfälle hinaus mög- lich? Wie können Evaluationsergebnisse zum Vergleich von Bürgerhaushalten genutzt wer- den?

Welche Herausforderungen und welche Lö- sungsansätze gibt es? Welche Probleme, Grenzen und offene Fragen?

Diese vier Fragen begleiteten die Anwesenden wäh- rend Vorträgen und Gruppenarbeiten durch den Tag. Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden zudem die Gelegenheit, eigene Fragen zu ergänzen und dazu Arbeitsgruppen zu bilden.

Nelson Dias:

Wie evaluiert man einen Bürgerhaushalt?

Den ersten Vortrag hielt Nelson Dias, Vorsitzender der portugiesischen NRO „In Loco“ (www.in- loco.pt). Als langjähriger Berater für Bürgerhaushal- te weltweit teilte er mit den Anwesenden seine Erfahrungen mit Evaluationsansätzen.

Wozu überhaupt evaluieren?

Evaluation ist viel mehr als eine statistische Über- prüfung. Evaluation ist eine Form von Beteiligung.

Sie sollte ein fester Bestandteil jeder Phase eines Bürgerhaushaltes sein. Dabei lässt sich unterschei- den zwischen prospektiver, begleitender und

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Die prospektive Evaluation findet bereits vor Be- ginn des Bürgerhaushalts statt. Das Verfahren wird gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürger ent- wickelt; die Zielsetzungen und Erfolgskriterien, an denen sich der Bürgerhaushalt messen soll, werden gemeinsam definiert. Selbst das Design des Logos sagt bereits etwas über die Erwartungen an den Bürgerhaushalt aus und kann – wie ein Beispiel aus Sevilla zeigt - partizipativ entwickelt werden. Durch die prospektive Evaluation können sich Bürgerinnen und Bürger frühzeitig mit „ihrem“ Bürgerhaushalt identifizieren. Zudem planen Verwaltung und Politik so nicht „am Bürger vorbei“. Sie verstehen besser, welche Informationen die Bürger benötigen, um sich erfolgreich zu beteiligen.

Die begleitende Evaluation findet im laufenden Verfahren statt. Dabei werden zum Beispiel Teil- nehmerprofile abgefragt. So lässt sich herausfinden, welche Menschen sich beteiligt haben.

Am Ende des Verfahrens steht die summa- tive Evaluation. Hier wird evaluiert, welche Wünsche und Bedarfe die Bürger gemeldet haben, und was davon umgesetzt werden kann. Damit wird ein wichtiges Erfolgskrite- rium des Bürgerhaushaltes gemessen. In Lissabon zum Beispiel wird online zu jedem Vorschlag der Status der Umsetzung be- kanntgegeben.

Wer führt die Evaluation durch?

Nelson Dias betonte: Alle Akteure müssen in die Evaluation einbezogen werden - Politik und Verwal- tung, beteiligte Bürger, nicht-beteiligte Bürger, und externe Partner, zum Beispiel Universitäten, NROs oder Unternehmen (siehe Abbildung 2).

Evaluationsformen

Es gibt keine eine Evaluationsform, die von allen Bürgerhaushalten durchgeführt wird oder werden sollte. Die Formen reichen von intuitiv und informell bis zu systematisch und umfassend. Bis dato führt kaum eine Kommune eine solch umfassende Evalu- ation durch. Die Evaluation erfolgt meist eher sporadisch und in Teilen (siehe Abbildung 1).

Eine ideale, vollständige Evaluation sieht so aus:

Konkrete, messbare Ziele sind definiert.

 Es gibt ein regelmäßiges und umfassendes Monitoring- und Evaluationsverfahren.

 Die Politik legt Rechenschaft über die Ergebnis- se des Bürgerhaushalts ab.

 Abgeleitet aus der Evaluation wird ein Plan zur Verbesserung von Folgeverfahren entwickelt.

Evaluation in Cascais, Portugal

In Cascais ist der Bürgerhaushalt vor allem mit dem Ziel entstanden ist, das Vertrauen der Bürger in die Politik zurückzugewinnen und Politikverdrossenheit zu mindern. Bürgerinnen und Bürger über 2,5 Milli- onen Euro (also 6,3 Prozent) des Investitionshaushaltes. In jeder Phase des Bürger- haushalts erfolgt eine Evaluation:

Bei öffentlichen Vor-Ort-Versammlungen werden alle Bürgervorschläge gesammelt. Der Vorteil von Vor-Ort-Veranstaltungen gegenüber Internet- Beteiligungen: Gemeinwohlorientierte Vorschläge rücken eher in den Vordergrund. Zwar kommen viele Menschen, um ihre eigenen Partikularinteres-

Abbildung 1

Abbildung 2

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sen zu äußern, aber durch die Diskussionen mit anderen Bürgern entwickeln die Menschen Vor- schläge über das eigene Interessensfeld hinaus.

Die Phasen des Bürgerhaushalts in Cascais:

Die Evaluation vor Ort erfolgt mittels Fragebögen.

Abgefragt werden sozio-demographische Daten, um die Teilnehmerstruktur auswerten zu können, und eine Einschätzung der Methodik des Verfahrens.

Die fachliche Prüfung der Vorschläge erfolgt ge- meinsam mit den Bürgern. Dabei sitzen die technischen Fachexperten mit den Bürgerinnen und Bürgern an einem Tisch und evaluieren die Mach- barkeit der Vorschläge. Diese Schnittstelle zwischen Bürgern und Fachexperten ist unbedingt wichtig, damit keine Missverständnisse entstehen und die Experten nicht an den Bürgervorschlägen „vorbei- planen“. Nelson Dias gibt in diesem Zusammenhang das Beispiel von Lissabon: Die Bürger wünschten sich Radwege, die Fachexperten dachten an Radwe- ge im Grünen, dabei waren Radwege in der Stadt gemeint.

Die Abstimmung in Cascais erfolgt per SMS. Über 20.000 Menschen beteiligten sich beim letzten Mal.

Als die Abstimmung noch per Internet lief, stimm- ten nicht einmal halb so viele ab. Das verdeutlicht:

Es gilt, das richtige Beteiligungsmedium zu finden.

In Portugal sind viele Menschen besser an das Han- dynetz als ans Internet angeschlossen.

Nach Bekanntgabe der Ergebnisse und der Verab- schiedung des Haushalts wird durch einen weiteren Fragebogen die Gesamtzufriedenheit erfragt.

Evaluation in Maputo, Mosambik

Der Bürgerhaushalt in Maputo hat sehr andere Ziele: Hier geht es in erster Linie um Armutsbe- kämpfung und die Einbindung der ärmsten Bezirke in die politischen Strukturen. Besonders wichtig ist im Kontext einer jungen Demokratie mit verbreite- ter Korruption die Phase der Information und Mobilisierung der Bürgerschaft. Die Menschen müssen verstehen, was ein Bürgerhaushalt ist.

Außerdem muss die Wahl der Beteiligungs- und Kommunikationsmedien an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Hoher Analphabetismus gibt visuellen Darstellungen den Vorrang vor Text. Statt Fragebögen bieten sich mündliche Befragungen an.

Auch hier werden bei öffentlichen Versammlungen nicht nur Vorschläge erarbeitet sondern auch das Profil der Teilnehmenden erfasst. Dabei wurde zum Beispiel festgestellt, dass Jüngere sich weniger be- teiligten. Am Ende des Verfahrens steht nicht nur die Verabschiedung des Haushaltsplans, sondern die Gesamtevaluation. Dabei wir unter anderem auch der Beitrag zur Armutsbekämpfung bzw. zum

„Empowerment“ der Bevölkerung gemessen. Die beteiligten Organisationen entscheiden in Rück- kopplung mit den Bürgern, welchen Beitrag der Bürgerhaushalt zu Bildung, Gesundheit, Beschäfti- gung, Freizeit, Verkehrswesen, Kultur, Wirtschaft etc. geleistet hat.

Die Phasen des Bürgerhaushalts in Maputo:

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Fazit

Evaluation muss von Anfang an mitgedacht werden.

Mit den Beispielen aus Portugal und Mosambik wird deutlich: Eine Form der Evaluation sollte in jeder Phase des Bürgerhaushalts stattfinden, nicht erst am Ende. Zudem ist die Formulierung von konkre- ten Zielen vor Beginn eines Bürgerhaushalts unbedingt notwendig, da sich daraus die Evaluati- onskriterien ergeben.

Aus der Diskussion

Nach Nelson Dias‘ Vortrag öffnete die Moderation den Raum für Rückfragen und Kommentare:

Frage der Moderation

Sind Bürgerhaushalte vergleichbar?

Nelson Dias: Die Ziele von Bürgerhaushalten können sehr unterschiedlich sein. Zudem sind Bürgerhaus- halte in sehr unterschiedliche demokratische Kulturen eingebettet. Daher sind auch die Evaluati- onskriterien nicht universell. Einige Erfolgskriterien wie die Schaffung eines Raumes für den Austausch zwischen Bürgern gelten jedoch wohl für die meis- ten Bürgerhaushalte. Außerdem sieht eine gute Herangehensweise an die Evaluation immer so aus:

Ziele definieren, Bürger beteiligen, und Bewertung während des gesamten Verfahrens.

Frage aus dem Plenum

Wie lässt sich verhindern, dass der Bürger- haushalt von Partikularinteressen dominiert wird?

Nelson Dias: Die Methodik spielt eine zentrale Rolle dabei, nicht nur individuelle Wünsche der Bürger abzufragen. Die Menschen können durch einen richtig gestalteten Bürgerhaushalt lernen, sich am Gemeinwohl zu orientieren. Das zeigt das Beispiel Lissabon: Als Vorschläge über das Internet einge- reicht werden konnten, waren die allermeisten von Partikularinteressen geprägt. Im Jahr drauf wurde das Format geändert. Bei einer öffentlichen Ver- sammlung wurde zuerst Raum für Diskussion gegeben, dann durfte jeder Bürger genau einen Vorschlag einreichen. Das führte dazu, dass einige Bürger ihre Vorschläge zu einem Gesamtvorschlag vereinigten. Außerdem unterstützten viele, die am Anfang sehr überzeugt von ihren eigenen Vorschlä- gen waren, am Ende einen anderen Vorschlag. Die Versammlung ermöglichte gegenseitige Unterstüt- zung und Zuhören.

Auch die Verfahrensart spielt eine Rolle bei der Förderung oder Verminderung von Partikularinte- ressen: Meine Erfahrung ist, dass konsultative Verfahren eher von Individualinteressen geprägt sind als Verfahren, bei denen die Bürger tatsächli- che Entscheidungsgewalt haben. Wer nur Vorschläge machen kann, ohne weiteren Einfluss auf die Umsetzung, macht weniger gemeinwohlori- entierte Vorschläge.

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Aus dem Plenum: Partikularinteressen können über Deliberation zu Gemeinwohlinteressen transfor- miert werden. Dafür sind verschiedene Methoden und auch eine gute Moderation nötig.

Frage aus dem Plenum

Wie schafft man es, Bürger zur Beteiligung anzuregen, die sich sonst nicht beteiligen?

Nelson Dias: Der Schlüssel zur Beteiligung ist Ver- trauen. In Portugal zum Beispiel gehen die Menschen nicht wählen, weil ihnen das Vertrauen fehlt. Ganz wichtig für einen Bürgerhaushalt ist es daher, dass das Verfahren glaubwürdig ist; die Strukturen müssen transparent und für den Bürger verständlich sein. Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass die Stadt die Vorschläge ernst nimmt und auch umsetzt. Es muss „ihr Verfah- ren“ werden. Das ist bei konsultativen Verfahren allerdings weitaus schwieriger.

Können sich die Bürger mit dem Verfahren identi- fizieren, gelingt auch die Mobilisierung – und zwar nicht durch die Verwaltung sondern durch die Bür- ger selbst. Durch Mundpropaganda können zufriedene Teilnehmer mit ihrer Begeisterung ande- re anstecken. Durch Werbung am eigenen Auto, Flugblätter oder Straßentheater mobilisieren sie ihre Mitmenschen. Ganz wichtig ist es also neben kreativen Ideen, dass die Verwaltung auch Verant- wortung an die Bürger abgibt.

Frage aus dem Plenum

Wie sieht es mit der Repräsentativität von Bürgerhaushalten aus?

Nelson Dias: Ein Bürgerhaushalt muss keine Reprä- sentativität garantieren; er muss lediglich versuchen, Meinungsvielfalt abzubilden. Haupt- gründe für Nicht-Beteiligung sind, wie ich in meiner Masterarbeit festgestellt habe, meistens Unwissen- heit und Misstrauen.

Frage aus dem Plenum

Wie lassen sich weiche Kriterien wie Vertrau- ensaufbau messen?

Nelson Dias: Vertrauensaufbau oder Abbau von Politikverdrossenheit zu messen, ist nicht einfach, vor allem nicht, wenn man den Zusammenhang mit dem Bürgerhaushalt feststellen möchte. Es gibt aber Möglichkeiten: Zum Beispiel kann man in Por- tugal bei Kommunen mit Bürgerhaushalten höhere Wahlbeteiligung beobachten. Das Vertrauen scheint dort gestärkt zu sein. Die hohe Wahlbeteiligung ist natürlich nicht eindeutig auf den Bürgerhaushalt zurückführbar, aber eine Tendenz zeigt es schon.

Dr. Niels Taubert:

Evaluation des Bürgerhaushalts der Stadt Köln

Auf die Diskussion folgte Dr. Niels Taubert vom Institut für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT) der Universität Bielefeld. Er stellte die Evalua- tion des Kölner Bürgerhaushalts vor.

Auftrag und Ziel der Evaluation

Das Institut für Wissenschafts- und Technikfor- schung (IWT) wurde von der Stadt Köln beauftragt, den Bürgerhaushalt zu evaluieren.

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Analysiert und bewertet wurde:

 Die Funktionsweise

 Die verwaltungsseitige Durchführung

 Die Einbettung in den politischen Entschei- dungsprozess

 Die Wahrnehmung der beteiligten Bürgerinnen und Bürger

 Die demokratische Fairness

 Die möglichen Vorteile gegenüber den ‚norma- len‘ Entscheidungswegen

Nicht betrachtet wurde der Prozess der Umsetzung der Bürgervorschläge, da die Evaluation parallel zur Durchführung des Bürgerhaushalts erfolgte.

Methodisches Design

Für die Evaluation wurden sowohl Verwaltung und Politik als auch Teilnehmende und zivilgesellschaft- liche Gruppen befragt. Die Erhebungsformate wurden dabei an die jeweilige Zielgruppe angepasst (siehe Abbildung 3).

Evaluationskriterien

Abgeleitet von den Zielen des Verfahrens wurden acht Evaluationskriterien entwickelt. Diese waren:

Konsultationsfunktion

Rückgriff auf lokale Expertise der Bürgerinnen und Bürger

Pluralität

Abbildung einer breiten Meinungsvielfalt

Schlankheit

Maximierung der Bürgerbeteiligung bei gerin- gem zusätzlichen Verwaltungsaufwand

Standardisierung

Verstetigung des Bürgerhaushalt

Nutzerfreundlichkeit

leichte Erlernbarkeit der Online-Plattform

Interaktivität und Transparenz

Fortlaufende Beteiligung und Information über den aktuellen Stand des Verfahrens

Barrierefreie Internetbasiertheit

Abwicklung über Internet-Plattform, kein Aus- schluss von Personen ohne Internet-Zugang

Einpassung in die repräsentative Demokratie Einpassung der demokratischen Willensbildung in die formaldemokratischen Verfahren

Um diese Kriterien zu messen, wurden neben den Befragungen auch die Strukturdaten der Online- Phase (Anzahl der Registrierungen, Vorschläge, Kommentare, Bewertungen; Anzahl Männer vs.

Frauen und Bildungsgrad) erhoben. Es wurde zum Beispiel gemessen, wie viele Teilnehmende selbst Vorschläge machten. Dabei stellte sich heraus, dass sämtliche Vorschläge von 6,5 Prozent der Teilneh- menden stammten.

Von der Evaluation von Einzelverfahren zur vergleichenden Evaluation

Eine vergleichende Evaluation ist erstrebenswert, wird aber erschwert durch die mangelnde Abgren- zung des Evaluationsgegenstandes. Durch die Heterogenität der Verfahren ist bei der Evaluation eine pragmatische Vorgehensweise von Nöten. Die Evaluationskriterien können an die Zielsetzung des konkreten Verfahrens angepasst werden. Ein Ver- gleich kann dann zumindest zwischen ähnlichen Verfahren mit ähnlichen Zielsetzungen stattfinden.

Abbildung 3

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Dr. Niels Taubert stellte außerdem einige der zent- ralen Ergebnisse der Befragungen vor. Diese sind in den Folien im Anhang nachzulesen.

Print-Publikation des Evaluationsberichts:

Taubert, Niels; Krohn, Wolfgang; Knobloch, Tobias (2011): Evaluierung des Kölner Bürgerhaushalts.

Studie im Auftrag der Stadt Köln. Kassel: Kassel University Press. ISBN 978-3-86219-074-4.

Online erhältlich auf der Seite des Bürgerhaushalts der Stadt Köln (buergerhaushalt.stadt-koeln.de).

Aus der Diskussion

Auch nach Dr. Niels Tauberts Vortrag gab es Raum für Rückfragen und Kommentare:

Frage aus dem Plenum

Wie dominant waren beim Bürgerhaushalt Köln die Partikularinteressen?

Dr. Niels Taubert: Es gab in der Tat Partikularinte- ressen, die sich in Köln durchgesetzt haben.

Allerdings herrscht Einigung darüber, dass ein Ein- greifen durch die Moderation bzw. Redaktion nicht im Sinne des Bürgerhaushalts ist.

Frage aus dem Plenum

Wie lässt sich die Logik der Verwaltung mit der von Bürgern in Einklang bringen?

Dr. Niels Taubert: Die Übersetzung von Verwal- tungs- und Bürgerdenken ist eine Herausforderung bei jedem Bürgerhaushalt. In Köln zum Beispiel gab es schon bei der Auswahl der Themen Diskrepan- zen; Bürgerinnen und Bürger haben eine sehr viel breitere Auffassung des Themas „Umweltschutz“.

So kam es, dass die Vorschläge in diesem Themen- bereich ein viel breiteres Themenspektrum umfass- umfassten, als von der Verwaltung erwartet.

Frage aus dem Plenum

Nicht alle Bürgerhaushalte in Deutschland veröffentlichen ihre definierten Ziele. In wel- chen Bürgerhaushaltsverfahren wurden Ziele des Verfahrens öffentlich benannt und an- hand dieser Erfolgskriterien entwickelt?

Dr. Niels Taubert: In Köln war dies der Fall. Viele der Erfolgskriterien konnten auch operationalisiert werden. Einige Ziele, zum Beispiel die Reduzierung von Politikverdrossenheit, lassen sich allerdings schwer messen. Vor allem kann keine eindeutige Korrelation festgestellt werden.

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Alma Kolleck und Martina Neunecker:

Wie lässt sich der (Miss-)Erfolg eines Bürgerhaushaltes messen?

Nach der Mittagspause berichteten Alma Kolleck und Martina Neunecker von der Goethe-Universität Frankfurt am Main über die Evaluation des Frank- furter Bürgerhaushalts. Seit Mai 2011 und noch bis Mai 2013 läuft das Forschungsprojekt.

War der Frankfurter Bürgerhaushalt ein Erfolg?

Die Urteile über den Bürgerhaushalt gehen sehr stark auseinander, wie Zitate verschiedener Akteure belegen (siehe Folien im Anhang). Aus dem ersten Bürgerhaushalt der Stadt Frankfurt gingen sowohl Enttäuschte als auch Begeisterte hervor.

Wer definiert Erfolg oder Misserfolg?

Wie Nelson Dias und Niels Taubert schon sagten:

Die Bewertung eines Bürgerhaushalts erfordert die Befragung aller relevanten Akteure. Zusätzlich zu Politik, Verwaltung und den Teilnehmern wurden in Frankfurt auch die nicht-teilnehmenden Bürger, die Medien und Wissenschaft einbezogen (siehe Abbil- dung 4).

Methoden der Frankfurter Evaluation

Es wurden verschiedene Methoden zur Evaluation angewendet, um die Perspektiven der verschiede- nen Akteure zu erheben. Neben einer repräsentativen Befragung der Gesamtbürgerschaft gab es gezielte Befragungen der Teilnehmenden (an Online-Phase und Bürgerforum), Leitfaden- Interviews mit Vertretern aus Politik und Verwal- tung und Beobachtung der Medienbericht- erstattung. Zudem wurden die Vorschläge und Dis- kussionen mittels quantitativer Inhaltsanalyse ausgewertet, es fand eine teilnehmende Beobach- tung am Bürgerforum (Vor-Ort-Veranstaltung) statt und demokratietheoretische Fragestellungen wur- den kritisch betrachtet.

Erfolgskriterien des Frankfurter Bürgerhaushalts

Die Stadt Frankfurt hatte zu Beginn des Bürger- haushalts konkrete Ziele definiert:

Verbesserung des Dialogs insbesondere mit nicht-organisierten Bürgerinnen und Bürgern

Gewinnung von Entscheidungshilfen zur Ver- wendung von (knappen) finanziellen Mitteln

Erhöhung der Verständlichkeit und Transpa- renz des Haushalts der Stadt Frankfurt am Main Für die Evaluation wurden zwei weitere Ziele mit- aufgenommen, die zwar keinem offiziellen Abbildung 4

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Beschluss zu Grunde lagen, aber sich im Gespräch zwischen dem Evaluationsteam und der städtischen Projektleitung herausgestellt hatten:

+ Herstellung einer Identifikation mit der Stadt Frankfurt

+ Größere Akzeptanz stadtpolitischer Ent- scheidungen

Wurden die Ziele erreicht?

Es ist nicht einfach, ein weiches Ziel wie „Dialogver- besserung mit nicht-organisierten BürgerInnen“ zu messen. Noch schwieriger ist es wahrscheinlich, es zu bewerten. Im Falle von Frankfurt waren die typischen Teilnehmenden nicht wie erhofft die nicht-organisierten. Die Mehrheit engagierte sich bereits in einem Verein, einer Partei oder Gewerk- schaft. Andererseits konnte ein guter Austausch zwischen Verwaltung und Bürgern beobachtet werden, der für eine Verbesserung des Dialogs spricht. Aber wie viel Verbesserung muss es geben, damit das Ziel erreicht wurde?

Ähnlich verhält sich die Messschwierigkeit mit dem Erfolgskriterium „Entscheidungshilfen gewinnen“.

Einerseits wurden kaum wirklich neue, in Politik und Verwaltung noch nicht bekannte Vorschläge gemacht. Andererseits hat der Bürgerhaushalt Stimmungslagen und Präferenzen der Teilneh- menden offen gelegt, unter anderem die Ablehnung städtischer Großprojekte wie den Ausbau des Mu- seums der Weltkulturen.

Evaluation zwischen “Hofberichterstattung“

und wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn Einer weiteren Herausforderung neben der schwie- rigen Definition von (Miss-)Erfolg müssen sich insbesondere externe Evaluatoren stellen: Zum

einen besteht eine finanzielle Abhängigkeit, die dazu führen kann, dass die Evaluation nicht kritisch genug ist. „Man beißt nicht die Hand, die einen füttert.“ Zum anderen besteht eine „praktische Zwickmühle“ darin, dass für objektive Betrachtun- gen eine kritische Distanz, aber an vielen Stellen wiederum eine enge Zusammenarbeit notwendig ist.

Die Zusammenarbeit erschwert sich zudem oftmals dadurch, dass Politik/Verwaltung und Wissenschaft sehr unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen.

Erstere müssen stark auf Mittel- und Zeiteffizienz achten; in der Wissenschaft stehen normorientierte Ideale und demokratietheoretische Fragestellungen an oberster Stelle. Bei der Frage, ob eine Repräsen- tativität der Teilnehmenden notwendig ist, sind daher die Antworten unterschiedlich.

Desiderate für künftige Bürgerhaushaltsevaluationen

Für die Verbesserung und auch Standardisierung einer Evaluation von Bürgerhaushalten sind weitere Schritte notwendig. Dazu gehört, vergleichbare Erhebungsmethoden zu entwickeln, die Formulie- rungen für Befragungen zu standardisieren, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, einen Katalog möglicher Ziele aufzusetzen, weitere Recherchen zum Zusammenhang von Verfahrensdesign und Zielerreichung, eine systematische Berücksichtigung unterschiedlicher Akteure und ihrer Perspektiven auf „Erfolg“, zeitliche und inhaltliche Planungshilfen für die Stadt, und eine bessere Vernetzung des Eva- luationsteams. Im Idealfall könnte ein abschließendes „Handbuch zur Begleitung und Eva- luation von Bürgerhaushalten“ entstehen, das den Vergleich unterschiedlicher Evaluationen von Bür- gerhaushalten ermöglicht.

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Aus der Diskussion

Auch nach dem Vortrag der Frankfurter Wissen- schaftlerinnen hatten die Anwesenden wieder die Gelegenheit, Fragen und Kommentare zu diskutie- ren.

Frage aus dem Plenum

Hat es neben den „weichen“ Zielen auch „har- te“ (also quantitativ messbare) Ziele gegeben?

Harte Ziele sind nicht wünschenswerter als weiche Ziele. Zudem ist es die Aufgabe der Evaluatoren, weiche Ziele methodisch handhabbar zu machen.

Auch über weiche Ziele können Aussagen gemacht werden. Es ist natürlich möglich, zu Beginn ein har- tes Ziel zu formulieren, zum Beispiel dass ein Prozent der Bürger sich beteiligen. Es bleibt dann allerdings eine Frage der Einschätzung, ob das wirk- lich ein Erfolg ist.

Diskussion im Plenum

Plädoyer für „Entidealisierung“

Große Einigkeit im Plenum herrschte bei der Forde- rung nach konkreten Zielsetzungen von Bürgerhaushalten. Abschließend kam aus dem Ple- num der Aufruf zur „Entidealisierung“ aller beteiligten Akteure. Jeder sollte etwas mehr Ver- ständnis für die anderen aufbringen. Wer ständig vom Idealbild „beteiligende Bürger, motivierte Ver- waltung, offene Politiker“ ausgeht, kann nur enttäuscht werden. Wenn wir nach dem Idealver- fahren suchen, werden wir es wahrscheinlich nicht finden. Evaluation kann uns aber dabei helfen, die bestehenden Verfahren zu verbessern.

(17)

Zwischenresümee:

Ergebnisse des Pinnwand-Protokolls

Im Verlauf der Vorträge und der anschließenden Diskussionen wurde auf Pinnwänden „live“ proto- kolliert. Gesammelt wurden

a) Erfolgskriterien,

b) Methoden und Indikatoren,

c) Notizen zur Vergleichbarkeit / Standardisierung d) Herausforderungen, Probleme, offene Fragen.

Erfolgskriterien

Anhand welcher Kriterien sollte der Erfolg o- der Misserfolg von Bürgerhaushalten gemessen werden?

Die beim Workshop gesammelten Erfolgskriterien wurden abschließend bewertet; jeder Teilnehmen- de bekam vier Klebepunkte, die er auf die wichtigsten Karten kleben konnte.

Daraus ergibt sich eine

Liste der acht wichtigsten Erfolgskriterien:

1) Umsetzung der Bürgervorschläge (13) 2) Qualität der Informationen (10) 3) Transparenz (9)

4) Beteiligung bereits an der Prozessgestal- tung (8)

5) Anschlussfähigkeit (7) 6) Verfahrensgerechtigkeit (5) 7) Qualität der Vorschläge (4) 8) Politischer Wille (4)

Alle gesammelten Erfolgskriterien wurden nachträg- lich für den vorliegenden Bericht geordnet und unterteilt in Ziele und Erfolgsfaktoren.

Ziele sagen etwas darüber aus, was mit dem Bür- gerhaushalt erreicht werden soll und woran der Erfolg gemessen werden sollte.

Erfolgsfaktoren geben Aufschluss darüber, wie diese Ziele erreicht werden können, also welche Faktoren dafür zuträglich sind.

Die Zuordnung ist nicht immer ganz eindeutig. Zum Beispiel kann eine hohe Qualität der Vorschläge sowohl ein Ziel in sich als auch ein Erfolgsfaktor für andere Ziele sein.

Klar wird auch: Nicht alle Ziele sind unbedingt mit- einander vereinbar. Im Zweifelsfall muss man sich zum Beispiel entscheiden, ob man eher eine breite Reichweite oder eine hohe Qualität von Beiträgen

(18)

Ziele

Welche Ziele sollen mit dem Bürgerhaushalt erreicht werden?

Die folgenden Erfolgskriterien bzw. Ziele wurden nachträglich geordnet:

Pluralität, Teilnehmerprofile, Verbesserung des Dia- logs mit nicht-organisierten Bürgern

Pluralität

Die Beiträge spiegeln die Meinungsvielfalt der Bevölkerung wider.

Teilnehmerprofile

Die Teilnehmerprofile spiegeln die Struktur der Bevölkerung wider.

Verbesserung des Dialogs mit nicht- organisierten Bürgern

Bürger, die sich nicht in einem Verein, einer Gewerkschaft oder einer Partei engagieren, sol- len stärker in die Politik einbezogen werden.

Grad der Einflussnahme durch die Bürger, Resultate / Ergebnisse / Auswirkungen

Grad der Einflussnahme durch die Bürger Der Bürgerhaushalt erweitert den Grad der Ein- flussnahme durch die Bürger auf die Verteilung öffentlicher Gelder.

Resultate / Ergebnisse / Auswirkungen

Die Ergebnisse des Bürgerhaushalts haben Auswirkungen auf die Mittelverteilung bzw. die weitere politisch-administrativen Prozesse.

Mehr Vertrauen, höhere Wahlbeteiligung, Akzep- tanz politischer Entscheidungen

Mehr Vertrauen

Das Vertrauen der Bürgerschaft in die Politik wird gestärkt (siehe Portugal).

Höhere Wahlbeteiligung

Politikverdrossenheit sinkt, die Wahlbeteiligung steigt.

Akzeptanz politischer Entscheidungen

Die Bürger sind mit den Beschlüssen des Rates zufrieden und akzeptieren sie.

Mehr Transparenz & Verständlichkeit des Haushalts

Mehr Transparenz & Verständlichkeit des Haushalts

Gerechtigkeit der Mittelverteilung, weniger Armut, Beitrag zum „Empowerment“

Gerechtigkeit der Mittelverteilung

Der Bürgerhaushalt ermöglicht eine ge- recht(er)e Mittelverteilung.

Beitrag zum „Empowerment“

Gesellschaftliche Randgruppen werden durch den Bürgerhaushalt ermächtigt.

Weniger Armut

Der Bürgerhaushalt trägt dazu bei, dass die Be- dürfnisse der Ärmsten erkannt und befriedigt werden (siehe Afrika).

Konsultationsfunktion, Erkenntnisse über Prioritäten und Präferenzen, Entscheidungshilfen für die Ver- wendung von Mitteln

Konsultationsfunktion

Die lokale Expertise ist Grundlage für Entschei- dungen der Politik.

Erkenntnisse über Prioritäten und Präferenzen Durch den Bürgerhaushalt erfährt die Politik mehr über Prioritäten und Präferenzen der Bürger.

Entscheidungshilfen für die Verwendung von Mitteln

Die Vorschläge der Bürger dienen als Entschei- dungshilfen für Politik und Verwaltung.

Schlankheit, Einpassung in die repräsentative De- mokratie

Schlankheit

Die Beteiligung ist gut, der Aufwand möglichst gering.

Einpassung in die repräsentative Demokratie Durch den Bürgerhaushalt werden neue Ele- mente von Bürgerbeteiligung in Einklang mit der repräsentativen Demokratie gebracht.

Der Bürgerhaushalt soll einen Beitrag zur politi- schen Bildung der Bürger schaffen.

(19)

Erfolgsfaktoren

Welche Faktoren tragen zum Erreichen der Ziele bei?

Transparenz

Das Verfahren ist transparent gestaltet, Infor- mationen sind verfügbar.

Verfahrens- und Ergebnistransparenz

Es besteht Transparenz im Verfahren und bei der Rechenschaft. (Das schafft Vertrauen).

Ziele / Kriterien klar definieren

Die Ziele werden vor Beginn des Verfahrens festgelegt. Das schafft Transparenz.

Qualität der Informationen

Die bereitgestellten Informationen sind von ho- her Qualität.

Öffentlichkeitsarbeit

Es erfolgt eine umfassende, breit angelegte Öf- fentlichkeitsarbeit.

Qualität der fachlichen Rückmeldungen Die Qualität der Rückmeldungen von Verwal- tung bzw. Experten ist hoch. Das gilt sowohl während des Verfahrens als auch bei der Re- chenschaftslegung.

Umsetzung der Bürgervorschläge

Die Vorschläge der Bürger werden ernst ge- nommen und umgesetzt.

Methoden der Beteiligung

Es werden die ‚richtigen‘ Methoden angewen- det, um die definierten Ziele zu erreichen.

Zielgruppennähe des Beteiligungskanals Der Beteiligungskanal ist auf die Zielgruppe ab- gestimmt.

Robustheit

Manipulation des Verfahrens ist nicht möglich.

„Übersetzungsprozess“

Verwaltungslogik und Bürgerlogik kommen in Einklang. Bürgernahe Sprache wird angewen- det.

Nutzerfreundlichkeit der Plattform

Die Online-Plattform ist niedrigschwellig und leicht zu bedienen.

Interaktivität

Es ist ein Dialog bzw. eine Diskussion möglich,

Qualität der Vorschläge

Die Bürgervorschläge zeugen von hoher Quali- tät.

Partikular vs. Gemeinwohlinteressen

Die Vorschläge der Bürger sind an Gemein- wohlinteressen ausgerichtet und spiegeln nicht nur Einzelinteressen wider.

Evaluierung selbst ist Beteiligung

Die Evaluation des Bürgerhaushalts erfolgt par- tizipativ.

Beteiligung bereits an der Prozessgestaltung Die Vorbereitungen und konzeptionellen Über- legungen des Bürgerhaushaltes erfolgen partizipativ.

Kriterien vorher gemeinsam mit Bürgern fest- legen

Die Erfolgskriterien bzw. Ziele des Bürgerhaus- halts werden vorab gemeinsam mit den Bürgern festgelegt.

Demokratische Fairness

Der Prozess ist ‚fair‘ gestaltet, die Chancen sind für alle gleich.

Verfahrensgerechtigkeit

Alle haben die Möglichkeit, teilzunehmen.

Barrierefreiheit

Jeder kann mitmachen.

Nachhaltigkeit

Der Bürgerhaushalt wird zum festen Bestandteil politisch-administrativer Prozesse. Er ist keine einmalige Sache.

Standardisierung

Der Bürgerhaushalt wird verstetigt.

Einbettung in den administrativen Prozess Das Verfahren ist eng mit der Arbeit der Ver- waltung verknüpft.

Anschlussfähigkeit

Der Bürgerhaushalt ist anschlussfähig an poli- tisch-administrative Prozesse.

Politischer Wille1

Der politische Wille muss gegeben sein.

1Dieser Erfolgsfaktor wurde über Twitter angeregt und von

(20)

Misserfolgsfaktoren

Im Umkehrschluss: Welche Faktoren sind nicht förderlich zur Erreichung der Ziele?

Nur Partikularinteressen geäußert

Die Vorschläge sind nicht oder kaum gemein- wohlorientiert.

Doppelungen von Vorschlägen

Es gehen viele doppelte Vorschläge ein, die von den Bürgern nicht kollektiv gesammelt und dann zu einem Vorschlag gefügt wurden.

Nicht nutzerfreundliche Online-Plattform Die Online-Plattform ist nicht nutzerfreundlich.

Fast nur Bessergebildete

Es herrscht eine Dominanz der „üblichen Ver- dächtigen“.

Starker Lobbyismus

Nur Interessensgruppen machen mit.

Keine neuen, originellen Vorschläge durch Bürger

Aus den Vorschlägen entstehen keine Hand- lungsempfehlungen für Politik und Verwaltung.

Methoden und Indikatoren

Mit welchen Methoden und Indikatoren können Erfolgskriterien gemessen werden?

Allgemeine Feststellungen

 Evaluation sollte schon vor dem Start des Ver- fahrens gemeinsam mit den Bürgern beginnen.

Alle beteiligten Akteure sollten bei der Evalua- tion involviert werden. Alle definieren Erfolg bzw. Misserfolg.

Perspektiven verschiedener Akteure müssen berücksichtigt werden. Auch die Nicht- Teilnehmer sollten nach den Gründen für ihre Nicht-Beteiligung gefragt werden.*

Zeitpunkte der Evaluierung sollten festgelegt werden.

 Die Vergleichbarkeit von Bürgerhaushalten sollte das Ziel der Evaluation sein.

 Methoden der Evaluation sind phasenabhängig und zielgruppenabhängig.

Erhebungsmethoden und Befragungsformulie- rungen sollten standardisiert werden.

 Es sollte ein Katalog von möglichen Zielen er- stellt werden.

 Erst werden die Ziele definiert, daraufhin die Indikatoren entwickelt.

 Verfahren wird an der eigenen Messlatte bzw.

an den eigenen Zielsetzungen evaluiert.

*Akteure, die bei der Evaluation involviert werden sollten:

 Verwaltung

 Bürgerschaft

 Zivilgesellschaftliche Gruppen

 Teilnehmende

 Medien

 Wissenschaft

 Stadtpolitik

 Parteien / Fraktionen Methoden

 Triangulation (viele Methoden kombiniert)

 Online-Fragebogen

 Erhebungsbogen für sozio-demographische Daten

 Fragebogen (Papierform, Online oder beides)

 Telefoninterviews (mit Politikern)

 Beobachtung der Medienberichterstattung

 Mithilfe von Assistenten (Feedback festhalten)

 Repräsentative Befragung der Bürgerschaft

(21)

Indikatoren

 Geschlecht der Teilnehmenden

 Anzahl von Vorschlägen, Anzahl von Kommen- taren

 Bildungsstand der Teilnehmenden

 Grad der Deliberation

 Moderation

 Grad der Inklusion

 Erfolgsschwelle (Aufnahme in die Bestenliste)

(siehe auch Liste der Erfolgsfaktoren, Seite 19)

Vergleichbarkeit

Wie ist ein Lernen über Einzelfälle hinaus mög- lich? Wie können Evaluationsergebnisse zum Vergleich von Bürgerhaushalten genutzt wer- den?

Bei Einzelverfahren ist eine systematische Evalua- tion möglich, da Einzelverfahren an ihren eigenen Zielen gemessen werden können.

Vergleichende Evaluationen sind schwierig, da die Ziele von Bürgerhaushalten unterschiedlich sind.

Auch die Verfahrensarten (zum Beispiel konsultativ oder mit Entscheidungsbefugnissen) sind sehr ver- schieden. Bürgerhaushalte sind insgesamt sehr individuell.

Möglicherweise gibt es aber „universelle Prinzi- pien“. Dafür könnte eine Metastudie zu Bürgerhaushalten sinnvoll sein. Diese Studie könnte die Frage aufgreifen, welches die genauen „Oberzie- le“ sind, also welche übergreifenden Ziele von Bürgerhaushalten es möglicherweise gibt.

Außerdem ist eine Gruppierung ähnlicher Verfah- ren erstrebenswert.

Bürgerhaushalt-Barometer:

Einige Anwesende nutzten die Gelegenheit, per Erdnuss ihre Meinung zu kundzutun. Die Mehrheit davon war bereits an einer Evaluation beteiligt und glaubt daran, dass sich Bürgerhaushalte durch standardisierte Kriterien bzw. Indikatoren vergleichen lassen.

(22)

Herausforderungen, Probleme, Offene Fragen

Welche Herausforderungen und welche Lösungsansätze gibt es? Welche Probleme, Grenzen und offene Fragen?

Herausforderungen

Schnittstelle Verwaltung – Bürger: Es gilt, die politischen Kompetenzen zu klären und die un- terschiedlichen Wahrnehmungen zu Zielen und Zielerhebung aufzudecken.

 Die Ziele von Politik/Verwaltung und Wissen- schaft sind bei der Evaluation oft unterschiedlich (zum Beispiel der Wunsch nach Repräsentativität versus Kostenminimierung).

Aufruf zur „Entidealisierung“: Bürger, Verwal- tung, Politik müssen alle aufeinander zugehen.

 Herausforderung des externen Evaluators:

„Man beißt nicht die Hand, die einen füttert.“

Der externe Blick ist wichtig, aber enge Zusam- menarbeit ist auch notwendig.

 Die Verfahren müssen flexibel und lernfähig bleiben.

Weiche und harte Erfolgskriterien müssen für die Evaluation herangezogen werden.

 Weiche Ziele müssen mess- und handhabbar gemacht werden.

 Ein Problem ist die fehlende Zielorientierung der Politik.

Offene Fragen

Wer evaluiert? Wer hat bei der Evaluation den Hut auf?

 Fördert das Internet Partikularinteressen?

 Wie misst man Vertrauensaufbau? Wie misst man Demokratieförderung?

 Kann man den kausalen Zusammenhang zwi- schen Bürgerhaushalt und Wahlbeteiligung herstellen? (Idee: Vergleich von Wahlbeteili- gung in Städten mit und ohne Bürgerhaushalt)

Wer definiert, wann ein Ziel erreicht wurde bzw. wann es ein Erfolg oder ein Misserfolg ist?

 Ist es ein Misserfolg, wenn die Teilnehmer nicht repräsentativ sind?

 Ist Beteiligung von Nicht-Einwohnern bei Bür- gerhaushalten problematisch?

 Ist die Dominanz von Partikularinteressen bei Bürgerhaushalten ein normales Phänomen?

Wie kann eine stärkere Gemeinwohlorientie- rung erreicht werden?

In den Pausen wurden Videostatements der Anwesenden eingefangen.

(23)

Arbeitsgruppen zu Zielen und Verfahrensgestaltung

Nach den Vorträgen teilten sich die Anwesenden in drei Kleingruppen, um zwei verschiedenen Fragen zu diskutieren und die Ergebnisse danach im Ple- num vorzustellen. Die Fragen wurden von den Teil- Teilnehmenden selbst definiert.

Arbeitsgruppe 1:

Ziele von Bürgerhaushalten

Aufgabe dieser Gruppe war die Erarbeitung eines Katalogs möglicher Ziele und die Bearbeitung der Frage:

„Lassen sich standardisierte Kriterien / Ziele definieren, die für alle Bürgerhaushalte gel- ten?“

Die Gruppe hat die oben genannte Frage in mehrere Fragen aufgeteilt und gezielt beantwortet.

Warum sind Ziele wichtig für Bürgerhaushalte?

Ziele sind notwendig, um daraus Erfolgskriterien abzuleiten und diese messbar zu machen.

Von wem sollten solche Ziele gesetzt werden?

Konsens konnte darüber erreicht werden, dass die Entwicklung der Zielsetzungen Teil des Arbeitspro- zesses sein sollte. Ziele bestimmen den Prozess, daher sollte zu Beginn des Verfahrens die Zielerar- beitung stehen.

Die Gruppe hat Ziele von Bürgerhaushalten gesam- melt. Diese Ziele sind nicht unbedingt allgemeingültig. Bei der Sammlung entstand eine intensive Diskussion. Die gesammelten Ziele wur- den nicht immer von allen geteilt, aber ohne Wertung dennoch festgehalten. Eine Überlegung, die in der Diskussion aufkam, war, Ziele jenseits des jährlichen Haushalts, also mit Bezug auf die Mehr- jährigkeit zu etablieren.

Mögliche Ziele von Bürgerhaushalten

+ Die Bürger sollen aktiviert werden, und zwar möglichst nachhaltig und langfristig.

+ Die Ergebnisse sollen anschlussfähig sein und Konsequenzen für Politik/Verwaltung haben.

+ Der Haushalt soll konsolidiert werden.

+ Alle Beteiligten sollen voneinander lernen.

+ Eine neue politische Kultur (basierend auf Kooperation, Verständnis, Kompromissen) soll etabliert werden.

+ Ziel sollte sein, weg von der Konsultation und hin zu Kooperation zu kommen.

+ Das Verfahren sollte auf Dauerhaftigkeit angelegt sein.

+ Der Bürgerhaushalt sollte Verwaltung, Bür- ger und Politik in einen Dialog bringen.

+ Im Vergleich zu früheren Verfahren soll der Bekanntheitsgrad gesteigert werden.

+ Der Bürgerhaushalt soll transparent und verständlich sein.

+ Der Bürgerhaushalt soll verschiedene Be- reiche der Stadtverwaltung verbinden und als Querschnittsthema dienen.

(24)

Arbeitsgruppe 2:

Verfahrensgestaltung

Aufgabe dieser Gruppe war die Bearbeitung der Fragen:

Welche Vor- und Nachteile haben verschiedene Beteiligungsverfahren?

Wie ist der Zusammenhang zwischen Gestal- tung und Ergebnis?

Bei dieser Gruppe ging es um „Evaluation in Akti- on“, also die Bewertung verschiedener Verfahrens- arten. Dabei hat sich die Gruppe besonders intensiv mit Vor- und Nachteilen verschiedener Beteili- gungskanäle auseinandergesetzt:

Handy / SMS

+ Möglicherweise machen per SMS mehr und jüngere Bürger mit.

+ Die Beteiligungshürde ist sehr niedrig, da es nur um eine Abstimmung geht.

- Mehrfache Abstimmung einer Person kann nicht ausgeschlossen werden.

- Es kann nicht verhindert werden, dass Nicht-Einwohner sich beteiligen.

- Es ist keine Diskussion möglich, nur Ab- stimmung.

Internet

+ Es ist eine Diskussion möglich, nicht nur Abstimmung.

+ Viele Informationen können bereitgestellt werden.

+ Internetangebote sind 24/7 erreichbar.

- Die Beteiligung im Internet ist geringer als erwünscht.

- Nicht jede Person hat Zugang zum Internet.

- Auch hier ist es schwer, die Beteiligung von Nicht-Einwohnern zu verhindern.

- Diejenigen, die sich beteiligen, sind meist die Bessergebildeten.

Die Hürden zur Beteiligung können bei Internetan- geboten höher oder niedriger gestaltet werden. Per App für mobile Endgeräte können evtl. weitere Menschen erreicht werden.

Bürgerforen (Präsenz-Veranstaltungen) + Randgruppen können über Multiplikatoren

aktiviert werden.

- Die Beteiligung ist noch geringer als bei anderen Kanälen

Telefon

Telefonische Vorschlagsabgabe ist abhän- gig vom Call-Center-Agent.

Post

+ Die Möglichkeit postalischer Vorschlagsab- gabe bezieht auch ältere Bürger ein.

Deutlich wurde bei der Diskussion, dass je nach Methode verschiedene Zielgruppen angesprochen werden. Umso wichtiger ist es, die Zielgruppen und Ziele des Bürgerhaushaltes bewusst zu definieren.

Die Frage lautet dann: „Welche Methode passt zu diesen Zielen?“. Wenn das Ziel klar formuliert ist und die richtige Methode bzw. der richtige Kanal gewählt, dann können falsche Erwartungshaltungen vermieden werden.

Intensiv diskutiert wurde in der Gruppe auch das Thema Zufallsauswahl. Bildungsbias könnte so verhindert werden. Allerdings wäre dafür voraus- sichtlich eine Vergütung der Teilnehmenden notwendig. Das Verfahren wäre eher geschlossen.

Weiterhin ging es in der Gruppe um die Frage the- matischer Eingrenzungen, und ob sich Bürgerinnen und Bürger daran halten. Offen blieb zudem, ob die Beteiligung von Nicht-Einwohnern ein Problem für den Bürgerhaushalt darstellt oder nicht.

(25)

Arbeitsgruppe 3:

Verfahrensgestaltung

Aufgabe dieser Gruppe war die Bearbeitung der gleichen Fragen wie in Arbeitsgruppe 2:

Welche Vor- und Nachteile haben verschiedene Beteiligungsverfahren?

Wie ist der Zusammenhang zwischen Gestal- tung und Ergebnis?

Aufgrund des hohen Bedarfes, den Zusammenhang zwischen Verfahrensausgestaltung und (Evalua- tions-)Ergebnissen zu diskutieren, gab es hierzu eine zweite Gruppe. Die Ergebnisse sind hier zusammen- gefasst:

Um Bürgerhaushalte evaluieren zu können, ist es zunächst wichtig, sich über die sehr verschieden Beteiligungsverfahren bewusst zu werden. Je nach Verfahren sind auch die Schwerpunkte und Zielset- zungen unterschiedlich.

Der Gegenstand eines Bürgerhaushaltes kann zum Beispiel thematisch eingeschränkt sein oder sich nur auf Verwaltungshaushalt oder Investitionshaus- halt beziehen. Außerdem liegt der Schwerpunkt bei manchen Bürgerhaushalten darauf, dass Bürger Vorschläge einbringen, bei anderen darauf, dass Bürger über Vorschläge abstimmen.

Intensiv diskutiert wurde außerdem die Teilnehmer- rekrutierung. Hier unterschied die Gruppe zwischen offener (nicht-repräsentativer) und geschlossener (repräsentativer) Auswahl. In diesem Zusammen-

hang wurde auch erörtert, inwieweit der Wunsch nach Repräsentativität legitim ist. Es wurde darauf hingewiesen, dass es ein Mythos ist, dass politische Repräsentanten repräsentativ gewählt werden.

Daran schloss sich die Frage, wie sich Randgruppen erreichen lassen. Selbst bei Verfahren mit Zufalls- auswahl sind die Rücklaufzahlen oft gering.

Als Evaluationskriterium ist Repräsentativität daher fragwürdig. Wenn man dieses Ziel anlegt, ist der Bürgerhaushalt fast zum Scheitern verurteilt. Es sollte darum gehen, mehr Menschen als bisher zu beteiligen. Selbst kleine Fortschritte in diesem Be- reich sind ein Erfolg. Das Ziel sollte sein, dass immer mehr Menschen mitmachen und gleichzeitig die Vorschläge in ihrer Anzahl sinken. Der Vorschlag aus der Gruppe: Die Menschen sollten die Möglichkeit haben, kollektive Vorschläge gemeinsam zu erar- beiten. Dafür sahen einige das Medium Internet eher kritisch. Bei Vor-Ort-Veranstaltung ist es einfa- cher, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Andererseits wurde eingewandt, dass zu Präsenz- veranstaltungen in Deutschland meist sehr wenige Personen kommen.

Insgesamt wurde betont, dass für den Erfolg eines Bürgerhaushalts der politische Wille essentiell ist.

Das Verfahrensdesign selbst ist sekundär, wenn die Politik mit Überzeugung dahinter steht und das Konzept lebt.

(26)

Resümee

Zum Abschluss des Workshops bekamen alle Teil- nehmer noch einmal die Möglichkeit, ein kurzes Resümee zu ziehen. Das Fazit zur Veranstaltung war grundsätzlich sehr positiv. Man fühle sich beruhigt, dass andere genau vor den gleichen Herausforde- rungen stehen, ermutigt, positiv aufgeladen und bereit zum Weitermachen. Es sei sehr bereichernd gewesen, verschiedene Perspektiven, Ansätze und Modelle kennenzulernen. So habe zum Beispiel das Beispiel aus Portugal gezeigt, dass es möglich ist, weniger Vorschläge und mehr Teilnehmer zu errei- chen. Es gelte eben, die Bürger von Herzen zu motivieren, mit Themen, die sie interessieren. Ein mehrfach genanntes Thema waren Vor-Ort- Veranstaltungen. Vor-Ort-Veranstaltungen könnten so gestaltet werden, dass sie „bürgernäher“ und damit attraktiver sind. In Stuttgart kommen zum Beispiel immer wieder neue Gesichter; und selbst wenn es nur wenige sind, ist das schon viel Wert.

Ein Teilnehmer regte an, über neue Arten des Ver- fahrens nachzudenken. In Groß-Umstadt wird die Beteiligung zu konkreten Leistungen und Produk- ten, zum Beispiel zu einem Spielplatz stattfinden.

Ein anderer Teilnehmender regte an, sich Beispiele anzuschauen wie das Dialogprojekt der VHS Osnab- rück. Eine weitere Idee: Eine systematische, vergleichende Analyse verschiedener Ansätze von Bürgerhaushalten.

Bedauert wurde von vielen, dass mit einer Ausnah- me keine Politiker bzw. Gemeinderatsmitglieder beim Workshop vertreten waren. Außerdem wurde vorgeschlagen, eine nächste Veranstaltung 2-tägig zu gestalten, um mehr Raum für Diskussion zu bie- ten. Nelson Dias rief dazu auf, weiter international zu kooperieren und auch Politiker zu solchen Veran- staltungen einzuladen. Er wies auf die jährliche Konferenz des internationalen Netzwerkes zu parti- zipativer Demokratie OIDP2 hin, die Anfang Juli in

2 Das Netzwerk OIDP oder nach seiner englischen Abkürzung IOPD (International Observatory on Participatory De- mocracy) hatte sich und seine Arbeit auf dem achten Netzwerktreffen Bürgerhaushalt im Mai 2012 vorgestellt.

Nachzulesen in der Dokumentation des Netzwerktreffens,

Cascais in Portugal stattfinden wird. Nähere Infor- mationen zu dieser Konferenz finden sich ab nächstem Jahr auf der Seite des Netzwerkes:

www.oidp.net.

Einige Teilnehmer warfen Fragen auf, die Ihrer Mei- nung nach beim Workshop zu kurz kamen bzw.

weiterer Diskussion bedürfen und in weiteren Ver- anstaltungen aufgegriffen werden sollten:

 Wie gehen wir mit der Skepsis bzw. Angst der Politik um? Wie gehen wir mit der Angst um, auch an Legitimation zu verlieren?

 Wie kann eine bessere Einbindung von Politik erreicht werden? Wie stellt man sicher, dass der politische Wille zur Beteiligung da ist (und ernst gemeint)?

 Wie kann das Interesse am Bürgerhaushalt hoch bleiben bzw. gar gesteigert werden?

 Wie kann ein Bürgerhaushalt in größeren Betei- ligungsansatz eingebettet werden?

(Idee: Koordinierungsstelle für Bürgerbeteili- gung einrichten)

 Welche Kriterien zur Evaluation gibt es? (Wei- terführung der Diskussion beim Workshop) Diese offenen Fragen können ergänzt werden durch die offenen Fragen, die im Verlauf des Tages an der Pinnwand gesammelt wurden bzw. in den Grup- penarbeiten aufgekommen sind (siehe Seite 22).

Es ist geplant, diese offenen Fragen bei weiteren Veranstaltungen und auf www.buergerhaushalt.org vertiefend zu diskutieren.

erschienen als Material Nr. 56 bei der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt:

www.service-eine-welt.de/publikationen/publikationen-start.html.

(27)

Anhang

Programm

Programm

11:00 Uhr Begrüßung und zentrale Fragestellungen

Mandy Wagner (SKEW), Oliver Märker und Michelle Ruesch (Moderation)

11:20 Uhr

Wie evaluiert man einen Bürgerhaushalt?

Schlüsselvariablen, Akteure, Verfahren, Ergebnisse und Impacts Nelson Dias; In Loco, Portugal

Evaluation des Bürgerhaushalts der Stadt Köln:

Methodik und Ergebnisse

Dr. Niels Taubert; Universität Bielefeld

12:45 Uhr Mittagspause

13:45 Uhr Wie lässt sich der (Miss-)Erfolg eines Bürgerhaushalts messen?

Erfahrungen und Desiderate aus Frankfurt

Alma Kolleck & Martina Neunecker; Goethe-Universität Frankfurt

14:20 Uhr Gruppenarbeit zur Zukunft der Evaluation von Bürgerhaushalten a) Ziele und Erfolgskriterien

b) Verfahrensausgestaltung

15:30 Uhr Kaffeepause

15:45 Uhr Präsentation und Diskussion der Ergebnisse im Plenum

16:45 Uhr Abschluss und Verabschiedung Mandy Wagner (SKEW)

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