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Archiv "Gesundheitsreform: Strategie der Eingriffsverwaltung" (09.08.1999)

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ie Bundesärztekammer (BÄK) baut auf die Zusicherung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, daß im Rahmen der für den September angekündigten Diskussi- onsrunden mit dem Kanzleramt, dem Bundesgesundheitsministerium und den Koalitionsfraktionen tragfähige Kompromißlösungen gefunden wer- den. Punktuelle Nachbesserungen reichten nicht aus, um aus einem un- ausgegorenen Gesetzentwurf noch ein gutes Gesetz zu machen, so der Präsi- dent der Bundesärztekammer, Prof.

Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. Vor al- lem könne das Gesetz nicht gegen die Interessen der Hauptbetroffenen, der Leistungserbringer und der Patienten, durchgesetzt werden. In einer „Strate- gie der Eingriffsverwaltung“ durch den Gesetzgeber und die Krankenkas- sen, die den Gesetzentwurf wie ein ro- ter Faden durchzieht, würden nicht nur die Selbstverwaltungsrechte be- schnitten, sondern einer staatlich re- gulierten Planwirtschaft Vorschub ge- leistet, heißt es in der umfassenden Stellungnahme der Bundesärztekam- mer. Die ökonomische Orientierung mit streng verordneten Versorgungs- budgets und eine (vorläufig) unbefri- stete Fortsetzung der sektoralen Bud- gets (unter Globalbudgetvorzeichen) könne schon bald eine offene Ratio- nierung der Gesundheitsleistungen be- wirken. Der Schwarze Peter soll dabei den Leistungserbringern zugeschoben werden, die die Verantwortung für die Einhaltung der Budgets übernehmen und für die Übernahme des Morbi- ditätsrisikos herhalten sollen. Dabei sei in erster Linie der Gesetzgeber für die Sicherstellung und gegebenenfalls die Begrenzung der Leistungen zustän- dig. Die Krankenkassen müßten ihrer Kernaufgabe der Risikotragung ge- recht werden.

Die Bundesärztekammer bemän- gelt die auffällige Verlagerung der Fi- nanzierungs- und Steuerungskompe- tenzen auf die Krankenkassen, die in einen verschärften Wettbewerb ge- bracht würden. Dies könne zu einer Entsolidarisierung und einer ver- stärkten Risikoselektion führen. Ei- ne kassenstrukturbezogene Vertrags- und Kapazitätspolitik, die von den Krankenkassen dominiert wird, laufe dem bisher hochgehaltenen Prinzip einer gleichmäßigen, flächendecken- den, qualitativ hochstehenden und für jeden gesetzlich Versicherten zugäng- lichen Versorgung zuwider. Durch die Zersplitterung der Versorgungs- und Vertragsmodalitäten drohe eine Mehr- klassenmedizin.

Änderungen im Detail

Zu einzelnen neuralgischen Pro- blemkomplexen hat die BÄK Ände- rungsvorschläge entwickelt:

c Abgelehnt werden Regelun- gen, die die Möglichkeiten beschrän- ken, als Privatversicherter in die Gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln. Mit der Begrenzung des Wechsels soll der bisher kaum in Anspruch genommene Standardtarif künftig auch auf Versicherte ab dem 55. Lebensjahr vorverlagert werden (bisher: ab dem 65. Lebensjahr). Die Bundesärztekammer argumentiert damit, daß vielmehr die Beitrags- kalkulation in der PKV bei älteren Privatversicherten verursachergerecht ausschließlich durch versicherungs- technische, systemadäquate Maßnah- men bewerkstelligt werden müsse.

c Dagegen befürwortet die Bun- desärztekammer die Reanimation des

§ 20 SGB V, mit dem die Gesundheits- förderung, Prävention und Selbsthilfe

wieder stärker gefördert werden sol- len. Allerdings müßten dabei die Wirksamkeit und Effektivität der Maßnahmen ständig überprüft wer- den. Es sei nicht sinnvoll, die Veran- kerung von Schutzimpfungen den Krankenkassen per Satzungsautono- mie zu überlassen. Epidemiologisch sei es weltweit erwiesen, daß einheitli- che Impfprogramme zu den wirksam- sten Präventivmaßnahmen zählen.

c Die neue Leistung „Verord- nung von Soziotherapie und Erstellung eines ärztlichen Behandlungsplanes“

kann nach Ansicht der BÄK die ver- tragsärztliche Versorgung sinnvoll er- gänzen. Allerdings sei der Begriff

„Therapie“ fachlich falsch, weil die So- zialbetreuung in der Regel von Sozial- arbeitern durchgeführt wird. Außer- dem müßten die Leistungen adäquat und gesondert finanziert werden. Dies sei um so wichtiger, als die Zahl der Krankheitsbilder in diesem Feld infol- ge der demographischen Veränderun- gen künftig zunehmen dürfte.

c Es dürfe das Recht auf freie Arztwahl nicht angetastet werden.

Ein Versichertenbonus bei der freiwil- ligen Wahl eines Hausarztes könne deren Koordinierungsrolle stärken.

Entscheidend sei aber, daß der Bonus genau kalkuliert wird und nicht zu weiteren Mehrausgaben führt. Es müsse allein dem Versicherten über- lassen werden, ob er sich zeitlich be- fristet an einen Hausarzt bindet.

c Die verstärkte Förderung von Einrichtungen zur Verbraucherbera- tung (§ 65 b neu SGB V) sei eine typi- sche versicherungsfremde Leistung.

Hier müßten alternative Finanzie- rungsregeln Platz greifen. Mit der Pa- tientenberatung müßten in erster Li- nie ärztliche Organisationen und die Krankenkassen betraut werden, nicht die Verbraucherverbände. ! A-2004 (20) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 31–32, 9. August 1999

P O L I T I K AKTUELL

Gesundheitsreform

Strategie der Eingriffsverwaltung

Die Bundesärztekammer hat eine Reihe von Änderungsvorschlägen zur Gesundheitsreform 2000 erarbeitet. Nur eine energische Kursbegradigung könne eine „Katastrophe“ vermeiden.

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c Die Einführung einer einheitli- chen Positivliste sei das geringere Übel aller schlechten Maßnahmen.

Allerdings müsse die Wirksamkeit nach einheitlichen medizinisch-wis- senschaftlichen und biometrischen Kriterien nachgewiesen werden. Aus dem Entwurf gehe nicht hervor, wel- che Wertigkeit der Anhang mit Arz- neimitteln der „besonderen Therapie- richtungen“ habe, insbesondere im Hinblick auf deren Verordnungs- fähigkeit. Befürwortet wird die Ab- sicht, daß die Kommissionen und die Geschäftsstelle des Instituts für Arz- neiverordnung in der GKV externen Sachverstand einbeziehen kann.

c Als dem Prinzip der Selbstver- waltung widersprechend wird die Ab- sicht bezeichnet, medizinische Leitli- nien künftig weitgehend obligatorisch zu erklären (§ 136 Abs. 3 SGB V neu).

Damit verlören die von den Fachge- sellschaften entwickelten Richtlinien ihren orientierenden Charakter. Zu- dem seien noch nicht für alle Krank- heitsbilder allgemein anerkannte Leit- linien entwickelt worden.

c Nicht akzeptiert wird die Rege- lung, wonach die neuen flächendek- kenden Entgelte (Preise) für die Ab- rechnung von Krankenhausleistungen Höchstpreise sein sollen, die auf Lan- desebene festgelegt werden. Dies hätte zur Folge, daß die Vertragsparteien nur noch nach unten abweichen können.

Im Zusammenhang mit den Betriebs- vergleichen liefe dies darauf hinaus, daß künftig nur das preisgünstigste Krankenhaus ohne Rücksicht auf des- sen Qualität und dessen Versorgungs- funktion einen Versorgungsvertrag durch die Kassen erhält.

c Die Bundesärztekammer hält die Umstellung der dualistischen Kli- nikfinanzierung auf Monistik ab dem Jahr 2003 für unfinanzierbar, solange die sieben Milliarden DM teure Ak- tion zu Lasten der Krankenkassen nicht gegenfinanziert ist. Die Länder müßten den Sicherstellungsauftrag behalten und die Endverantwortung sowie die Finanzierungsverantwor- tung zumindest bei den Investitionen erfüllen. Eine Überleitung der Pla- nungsbefugnisse auf die Krankenkas- sen und eine Änderung der Rahmen- planung in Richtung einer reinen Ka- pazitätsplanung lehnt die Bundesärz- tekammer ab. Dr. Harald Clade A-2006

P O L I T I K AKTUELL/TAGUNGSBERICHT

(22) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 31–32, 9. August 1999

ei der 45. Konsultativtagung deutschsprachiger Ärzteorga- nisationen vom 2. bis 3. Juli in Salzburg, Österreich, war spürbar, daß in den langen Jahren eines ge- meinsamen Weges vertrauensvolle, vielleicht auch belastbare Beziehun- gen gewachsen sind. Sie erleichtern die Erörterung von Problemen, die die vertretenen Länder in mehr oder weniger gleicher Weise berühren.

Das von Vertretern des Schweizer Ärzteverbandes (FMH) vorgetragene Konzept der „ärztlichen Qualitäts- förderung“ ließ gegenüber früheren Ansätzen Fortschritte erkennen. Auf der Grundlage

des Krankenver- sicherungsgeset- zes (KVG) ist die Qualität be- stimmter ärztli- cher Leistungen sicherzustellen.

Die FMH, die ei- ne Berücksichti- gung von Qua-

litätssicherungsmaßnahmen im Arzt- tarif anstrebt, hat hierfür eine Organi- sation aufgebaut, die der Leitung ihres Zentralvorstandes untersteht.

Zentrum dieser Struktur ist ein

„Steering Committee“ zur Koordina- tion aller Aktivitäten, die von bisher vier Gruppen entfaltet werden. Eine erste Gruppe – genannt „Taskforce Guidelines“ – beschäftigt sich mit der Erarbeitung einer „Leitlinie für Leitli- nien“ und bemüht sich darum, inter- disziplinäre Leitlinien für die verschie- denen Gebiete zu harmonisieren.

Grundlage dieser Arbeit dürften die Texte der medizinisch-wissenschaftli- chen Fachgesellschaften sein. Als Bei- spiel diente das Projekt „Leitlinie Mammakarzinom“, das in verschiede- nen Untergruppen, getrennt nach Dia- gnostik und Therapie, bearbeitet wird.

Eine zweite Arbeitsgruppe pflegt in- ternationale Kontakte und arbeitet unter anderem mit der Arbeitsgruppe

„Qualitätssicherung“ der Konsultativ- tagung zusammen. Eine dritte Gruppe konzipiert die von der FMH einge- führten Management-Kurse für Qua- litätssicherung. Teilnehmende Ärztin- nen und Ärzte erhalten bei erfolg- reichem Abschluß ein Zertifikat. Die FMH sieht in die- sen Kursen ein we- sentliches Instru- ment, um die Prio- rität der Ärzte- schaft in allen Fra- gen der Qualitäts- sicherung zu wah- ren. Eine vierte Gruppe befaßt sich mit der Beurtei- lung von Guidelines mit dem Ziel ei- ner Harmonisierung auf Landesebe- ne. Die FMH wird nur Leitlinien ak- zeptieren, die von ihren Gremien und in letzter Lesung von ihrem Zentral- vorstand gebilligt wurden.

Aus österreichischer Sicht wurde betont, daß Qualitätssicherung in ärzt- licher Hand bleiben müsse. Ökonomie müsse ihre Grenzen an der Qualität der Behandlung des Patienten finden.

Qualitätssicherung dürfe nicht als In- strument zur Ökonomisierung im Ge-

45. Konsultativtagung

Vertrauensvolle

Beziehungen, freimütiger Gedankenaustausch

Im Mittelpunkt des Dialogs der deutschsprachigen Ärzteor- ganisationen standen die Themen „Qualitätssicherung“,

„Datensicherheit“, „Managed Care im Sozialversicherungs- system“ und „Rationierung medizinischer Leistungen“.

B

Die Priorität der Ärzteschaft in allen Fragen

der Qualitätssicherung wahren

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sundheitswesen mißbraucht werden.

Der Vorschlag der Arbeitsgruppe

„Qualitätssicherung“, auf europäi- scher Ebene eine Stiftung „Ärztliche Qualitätssicherung“ einzurichten, wur- de nachdrücklich unterstützt. In der Diskussion wurde darauf aufmerksam gemacht, daß Maßnahmen zur Qua- litätssicherung von der Basis ausgehen und entwickelt werden müßten, damit sie sinnvoll implementiert werden.

Man müsse die Auffassung der Ko- stenträger beachten und die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte – in Deutschland „Medizinischer Dienst“

– in die Überlegungen einbeziehen.

Von dem Kongreß „Qualitätssiche- rung“ deutschsprachiger Ärztegesell- schaften in Basel (14. bis 16. Oktober) erhofft man sich eine Unterstützung des Stiftungsvorschlages.

In dem Bericht über den Stand der „Computerkommunikationsnetz- werke“ standen Fragen der Datensi- cherheit im Vordergrund. Elektroni- sche Arztausweise müssen so identifi- ziert werden, daß sie die Berechtigung für die Nutzung eines Computernetz- werkes mit Zugang zu personenbezo- genen geschützten Daten zweifelsfrei belegen. Hierzu gehört unter anderem die Signatur mit Angaben zum Bei- spiel zur Identität des Nutzers des Aus- weises. Aus ärztlicher Sicht sollte die Identifikation seines Status und seiner Gruppenzugehörigkeit möglich sein.

Enthalten soll der Ausweis ein System zur Verschlüsselung, damit Texte so ver- und entschlüsselt werden können, daß Dritte sie nicht einsehen können.

Europäische, nationale und berufs- rechtliche Vorschriften müßten dabei beachtet werden. Zu fordern sei, daß die Zertifizierung und die Verschlüsse- lung elektronischer Arztausweise aus- schließlich durch ärztliche Standesor- ganisationen erfolgt. Nur diese seien in der Lage, die Richtigkeit des Inhaltes zu überprüfen, zum Beispiel das unver- änderte Bestehen einer ärztlichen Ap- probation oder die Zugehörigkeit zu einer Facharztgruppe. Die Verschlüs- selung sollte so gewählt werden, daß ein Mißbrauch durch Unberechtigte – hierzu gehören auch Sicherheitsdien- ste – ausgeschlossen wird.

Mit „Managed Care“ hat sich die Konsultativtagung in den vergange- nen Jahren, überwiegend auf der Grundlage von Berichten aus der

Schweiz, wiederholt beschäftigt. Der erneute Vortrag zu diesem Thema von einem Vertreter der FMH kann als eine Art Bilanz aufgefaßt werden.

Managed Care, 1996 noch von den Versicherern dominiert, liegt heu- te nahezu ausschließlich in der Hand der Ärzteschaft. Die FMH hat eine Trägergesellschaft – Blue Care – mit eigener Mehrheitsbeteiligung gegrün- det, die sich der organisatorischen Abläufe annimmt. Dabei hat man sich unter anderem zunutze gemacht, daß Daten, an denen

Versicherer Inter- esse haben, von Ärzten erhoben werden und nur auf diesem Wege unter Beachtung gesetzlicher Be- stimmungen an Dritte gelangen können. Als hilf- reich erwies sich in der Schweiz

auch der offenbar harte Konkurrenz- kampf zwischen acht bis zehn Versi- cherungsunternehmen.

Ärztenetze, die sich lokal oder auf kantonaler Ebene bilden, schlie- ßen mit einzelnen Versicherungsun- ternehmen Verträge ab. Dabei werden sie von einer Betriebsgesellschaft – Blue Care – unterstützt, die die Ver- tragsgestaltung, die Datenverwaltung und sonstige organisatorische Aufga- ben übernimmt. Man ist bestrebt, mit einem Versicherungsunternehmen ei- nen besonders günstigen Vertrag ab- zuschließen, und versucht dann, auf seiner Grundlage unter Ausnutzung der Konkurrenzsituation mit anderen Versicherungen zu einem ähnlichen Abschluß zu gelangen. In einzelnen Regionen sind bereits 80 Prozent der

„Grundversorger“ in Managed-Care- Modellen tätig, insgesamt dürften sich etwa 1 200 – zirka zehn Prozent – der niedergelassenen Ärzte in der Schweiz diesem System angeschlossen haben.

Bisher existieren nur Hausarztmodel- le, es wird nun der Versuch unternom- men, das System auf Spezialärzte aus- zudehnen und auch Krankenhäuser einzubeziehen.

Es wird der künftigen Entwick- lung überlassen, welche der jetzt mit- einander konkurrierenden Modelle auf Dauer Bestand haben werden. In-

nerhalb der Modelle besteht für den Patienten freie Arztwahl, ansonsten ist er an das Modell gebunden, für das er sich entschieden hat. Als Anreiz für Patienten wird ein Beitragsrabatt von derzeit 15 Prozent genannt. Es gehört zum Geschick des Hausarztes, seine Patienten so anzusprechen, daß sie sich für Managed Care entscheiden.

Die Ärzte, die sich diesem System an- geschlossen haben, sehen für sich selbst gute Perspektiven ihrer berufli- chen Tätigkeit. Ärzte hingegen, die nicht in einen MC-Kreis aufge- nommen werden oder die ihn ver- lassen müssen, wenn sie zum Beispiel gegen den privatrecht- lich geschlosse- nen Kooperati- onsvertrag gra- vierend versto- ßen haben, dürf- ten auf Dauer kaum Chancen für eine befriedigende Berufsausübung ha- ben. Hierzu merkte der Referent an, es müßte mittelfristig ohnehin etwa ein Drittel der jetzt im Lande tätigen Ärzte aus ihrer Berufstätigkeit aus- scheiden. Auch sei das MC-System ein geeignetes Mittel, der seit vielen Jahren beklagten Plethora zu steuern, die vermutlich nach Abschluß der bi- lateralen Verträge mit der Europäi- schen Union zunehmen werde. Diese Ausführungen stießen teilweise auf Befremden. Die Frage nach der Qua- lität im MC-System erbrachter ärztli- cher Leistungen konnte ebensowenig beantwortet werden wie die Bitte um Auskünfte zu nachgewiesenen öko- nomischen Vorteilen des Verfahrens.

Auch blieb offen, wie sich die Struk- tur entwickelt, wenn sich die zur Zeit noch miteinander konkurrieren- den relevanten Versicherungsunter- nehmen zu einem Kartell zusammen- schließen, so daß die Möglichkeit des Abschlusses günstiger Einzelverträge weitgehend ausgeschlossen wird.

Die Thesen des schweizerischen Referenten zum Thema „Rationie- rung medizinischer Leistungen“ stie- ßen auf Widerspruch insbesondere bei den deutschen Vertretern. Der Vortragende führte aus, das verbreite- te Postulat „Rationalisierung vor Ra- A-2007

P O L I T I K TAGUNGSBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 31–32, 9. August 1999 (23)

In einzelnen Regionen sind bereits 80

Prozent der „Grundver- sorger“ in Managed-Care-

Modellen tätig.

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tionierung“ sei nicht begründet und solle möglichst schnell aus Diskussio- nen verbannt werden. Dabei interpre- tierte er den Begriff „Rationierung“, abweichend von

anderen Denk- richtungen, als schlichte Vorent- haltung medizi- nischer Leistun- gen ohne Be- rücksichtigung ihrer medizini- schen Notwen- digkeit. Leitge- danken für ei- ne Rationierung

müßten ökonomische Überlegungen, Ergebnisse der klinischen Epidemio- logie und Resultate einer „Evidence Based Medicine“ sein. Ethische Prin- zipien seien für das Problem „Ratio- nierung“ nicht anwendbar, sie sollten bei künftigen Überlegungen unbe- rücksichtigt bleiben.

Die Arbeitsgruppe „Weiterbil- dung und Fortbildung“ hat sich erneut mit der gegenseitigen Anerkennung von Weiterbildungszeiten und ihrer Zertifizierung befaßt. Dieser Aspekt gewinnt für die Schweiz besondere Bedeutung, da nach dem Abschluß ih- rer bilateralen Verträge mit der Eu- ropäischen Union – eine Prognose über den Ausgang des notwendigen Volksbegehrens wagt niemand – mit vermehrtem Zuzug deutscher Ärzte gerechnet wird, die auf Dauer eine Tätigkeit in der Schweiz anstreben.

Die Arbeitsgruppe „Gesundheit und Umwelt“ hat sich unter anderem mit Gesundheitseffekten und Kosten der Luftschadstoffe des Verkehrs vor dem Hintergrund der WHO-Konfe- renz „Environment and Health“ im Juni in London befaßt. Weitere Dis- kussionspunkte waren gesundheitli- che Folgen des Mobilfunks, Gehör- schäden durch Lärmbelästigungen in der Freizeit sowie personenbezogene Messungen von sehr feinem Schwefel- staub und flüchtigen Kohlenwasser- stoffen. Bei einer der nächsten Sitzun- gen soll das Thema „Psyche und Um- welt“ berücksichtigt werden.

Luxemburg hat zum 1. Januar 1999 eine Pflegeversicherung einge- führt, die derzeit noch mit erheblichen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hat, da die organisatorischen Voraus-

setzungen nicht zeitgerecht geschaf- fen wurden. Unter anderem war es bisher nicht möglich, die erforder- liche Umwidmung von Betten für die akute Ver- sorgung zu so- genannten Pfle- gebetten vorzu- nehmen. Die Tä- tigkeit der All- gemeinärzte soll gefördert werden, unter anderem durch einen ver- besserten Daten- austausch mit Spe- zialärzten. Die Verzahnung des ambulanten mit dem stationären Bereich soll durch die Möglichkeit der Hausärzte, in Polikli- niken zu arbeiten, angehoben werden.

Der Hausarzt wird künftig als Verwal- ter der Krankengeschichte des Patien- ten fungieren.

In der Schweiz ergeben sich er- hebliche Probleme der Krankenhaus- finanzierung, die, soweit der stationä- re Bereich betroffen ist, zu jeweils 50 Prozent vom Staat und den Versiche- rungen vorzunehmen ist. An der Fi- nanzierung des in einzelnen Fällen nur schwer abgrenzbaren ambulanten Krankenhausbereiches beteiligt sich der Staat nicht, so daß hier Finanzie- rungslücken entstehen. Durch eine Revision des Krankenversicherungs- gesetzes wurde der Kontraktions- zwang für Versicherungsunterneh- men abgeschafft. In Zukunft sind die Versicherungsunternehmen in ihrer Entscheidung frei, ob sie mit einzel- nen Ärzten oder mit Gruppen von Ärzten Verträge abschließen wollen.

Das KVG hat der Eidge- nossenschaft die Pflicht übertra- gen, den „Lei- stungserbringern“

Qualitätsindikato- ren vorzugeben.

An dieser Aufga- be wird die FMH maßgeblich betei-

ligt sein. Das aus dem vorigen Jahrhun- dert stammende „Freizügigkeitsge- setz“ muß im Hinblick auf den bilate- ralen Vertrag zwischen der Schweiz und der Europäischen Union novel- liert werden mit dem Ziel, Facharztti-

tel gegenseitig anzuerkennen. Dieser Bereich muß neu geordnet werden, die FMH behält die Kompetenz für Wei- terbildung, Leitlinien und für die Durchsetzung der Weiterbildungsord- nung, freilich unter staatlicher Auf- sicht. Die bereits bei früheren Tagun- gen erwähnte Revision des Arzttarifes, GRAT genannt (Generalrevision des ärztlichen Tarifs) ist technisch abge- schlossen, so daß eine abschließende Beratung im September erfolgen kann.

Der Tarif mit seinen unter betriebs- wirtschaftlichen Gesichtspunkten for- mulierten 4 300 Einzelpositionen för- dert die Basisversorgung; spezialärztli- che Leistungen, insbesondere in den operativen Fächern, hingegen werden geringer bewertet. Dies hat zu einer massiven, bisher nicht abgeschlosse- nen Auseinandersetzung innerhalb der FMH geführt. Einer der Gründe für die Formulierung des neuen Tarifs ist die in der Öffentlichkeit unisono er- hobene, aber gesetzlich nicht begrün- dete Forderung nach „Kostenneutra- lität“ bei Änderung des Tarifwerkes.

In Österreich hat der Gesetzgeber eine Einteilung der Ärzteschaft in drei Kurien vorgenommen: Angestell- te Ärzte, niedergelassene Ärzte und Zahnärzte. Die kürzlich eingeführte Chipkarte ermöglicht weiterhin die freie Arztwahl mit der Einschränkung, daß der Patient im Quartal einen Haus- arzt, zwei Fachärzte und einen Zahn- arzt aufsuchen kann. Die Beratung durch weitere Fachärzte kann nur auf- grund einer Überweisung des Hausarz- tes erfolgen. Die arbeitsmedizinische Betreuung wurde intensiviert, wobei darauf geachtet wird, daß Betriebsärzte sich ausschließlich um gesundheitliche Aspekte betrieb- licher Abläufe kümmern, aber nicht kurativ tätig werden. Das Bud- get der sozialen Krankenversiche- rung ist ausgegli- chen, zu verzeich- nen ist ein erheb- licher Anstieg der Ausgaben für Medikamente. Mit einer gewissen Befriedigung bemerkte der Referent, in Österreich gebe es weder ein Budget noch Managed-Care-Syste- me. Tu felix Austria?

Prof. Dr. med. Elmar Doppelfeld A-2010

P O L I T I K TAGUNGSBERICHT

(26) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 31–32, 9. August 1999

Das Managed- Care-System ist ein geeignetes Mittel, der seit

vielen Jahren beklagte Plethora zu steuern.

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In Österreich gibt es weder ein Budget

noch Managed-Care- Systeme.

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