ei rund 40 000 bis 50 000 Pa- tienten entwickelt sich jähr- lich als Spätkomplikation des Diabetes mellitus ein diabetischer Fuß. Bei den oft frustranen Bemühun- gen um diese schweren Mikrozirku- lationsstörungen mit wiederkehren- der Antibiotikatherapie und extensi- ver Wundbehandlung steht stets als Schreckgespenst die Amputation im Raum. Jährlich ist sie in der Bundes- republik bei 20 000 bis 25 000 Diabeti- kern Ultima Ratio.
Kürzlich wurde ein Apharesever- fahren (RheoSorb®) zugelassen, wel- ches die Hämorheologie und die Mi- krozirkulation zu verbessern vermag.
Dabei wird nach Antikoagulation und Plasmaseparation fibrinogenreiches Plasma durch Pentapeptid beladene Sepharose CL-4 B geleitet, selektiv gebunden und das fibrinogenredu- zierte Plasma anschließend zum Pa- tienten zurückgeleitet. Auf einem Symposium in Berlin wurde das inno- vative Verfahren näher dargestellt und über derzeit laufende klinische Studien berichtet.
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Bei den Untersuchungen kon- zentriert man sich insbesondere auf das Syndrom des diabetischen Fußes.
Prof. Gordon Lowe (Universität Glas- gow) erklärte, dass ein Anstieg des Plasmafibrinogenspiegels ein vorzüg- licher Indikator für ein später zu er- wartendes ischämisches Ereignis im Bereich des Herzens, Gehirns oder der Extremitäten sei. Dies ließe sich bei Rauchern besonders gut dar- stellen, deren Plasmafibrinogenspie- gel stets erhöht sei und auf normale Werte absinke, sobald sie dem Rau-
chen dauerhaft entsagen. Fibrinogen bestimmt in hohem Maße die Visko- sität von Plasma und Vollblut und wirkt sich insbesondere auf die Mi- krozirkulation aus. Verbessert man gezielt die rheologischen Eigenschaf- ten des Blutes durch Verringerung des Fibrinogens, so lassen sich nach An- sicht Lowes ischämische Prozesse auf- halten beziehungsweise in ihrer Ent- stehung bereits unterdrücken.
Zurzeit wird der therapeutische Erfolg des Aphareseverfahrens Rheo- Sorb in Boston, München und Lund bei Patienten mit diabetischem Fuß, nach gefäßchirurgischem Eingriff, nach Extremitäten-Amputation un- tersucht. Die Behandlung dauert vier Wochen, anschließend erfolgen Kon- trolluntersuchungen. Die Gesamtbe- obachtungzeit umfasst zwölf Monate.
Dr. Werner Richter (München) be- richtete von den sieben ersten Patien- ten mit diabetischem Fuß, bei denen Rheosorb im Rahmen einer Studie klinisch angewandt wurde. Alle in die Studie aufgenommenen Patienten hatten konservative Standardtherapi- en über zwölf Monate erfolglos durch- laufen. Unter Anwendung des Fibri- nogen-Adsorptionsverfahrens zeigten sie einen deutlichen Rückgang der Ul- cerationes und zugleich die Entwick- lung von Granulationsgewebe. Rich- ter äußerte daher die Hoffnung, dass durch gezielte Fibrinogen-Reduzie- rung die hohe Amputationsrate beim diabetischen Fuß wesentlich vermin- dert werden kann.
Bei Fibrinogenwerten über 200 mg/dl ist die Gefäßsituation als ungünstig und über 300 mg/dl als ge- fährdend im Hinblick auf eine Ge- fäßokklusion einzustufen. In der Re- gel zeigen Patienten mit Mikroangio- pathien Plasmafibrinogenwerte zwi-
schen 400 und 600 mg/dl. Insofern plä- dierte der Referent für eine länger währende Fibrinogenreduktion auf Werte weit unter 100 mg/dl, da es dann zu keiner Erythrozyten-Aggre- gation mehr kommt. Unter diesem Wert verbessert sich die Mikrozirku- lation innerhalb von circa vier bis sechs Wochen.
Als weitere Indikationsbereiche für RheoSorb sieht Richter Erkran- kungen und Zustände mit häufig ho- her Fibrinogeneinlagerung, zum Bei- spiel dilatative Kardiomyopathie, in- stabile Angina pectoris, Zustand nach Transplantation oder nach Bypass- Operation, Patienten mit zerebralen Durchblutungsstörungen, vaskuläre Erkrankungen der Retina, Sepsis, Hörsturz et cetera.
Dr. Robert Koll (PlasmaSelect AG, Teterow) nannte als optimales Therapieziel die Absenkung des Plas- mafibrinogenspiegels auf Werte von 60 bis 90 mg/dl. Da zu Beginn der Be- handlung stets ein rascher Wieder- anstieg der Fibrinogenkonzentration und der Plasmaviskosität auftritt, ist anfangs eine Therapie alle 24 bis 48 Stunden erforderlich, später sind nur noch weiträumigere Behandlungsab- stände nötig, da der Wiederanstieg sich zunehmend abschwächt.
Anders als bei der Dialyse wird der Patient durch die Behandlung – sie dauert in der ersten Sitzung durch- schnittlich mehr als drei Stunden, in den Erhaltungstherapien circa eine Stunde – kaum belastet. Zwar ist die Therapie derzeit noch Kliniken vorbe- halten, jedoch ist davon auszugehen, dass das Verfahren auch ambulant in entsprechenden Schwerpunkt- und Facharztpraxen durchführbar ist.
Koll bezeichnete das Verfahren als sicher, effektiv und gut verträglich.
In Versuchen am Tier und an gesun- den Probanden zeigte sich, dass weder die Blutgerinnung ungünstig beein- flusst wird noch histologische Organ- veränderungen oder Co-Elimination von anderen Proteinen, Hormonen, Elektrolyten auftraten. Die Referenten betonten, dass sie das Adsorptions- verfahren nicht als lebenslange The- rapie erachten, sondern als effizien- te Maßnahme in schwerwiegenden Akut-Situationen, wie der Entwick- lung von Ulcus oder Gangrän beim Diabetiker. Dr. Barbara Nickolaus A-1441
P O L I T I K MEDIZINREPORT
Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 21, 26. Mai 2000